• Keine Ergebnisse gefunden

Einstellungen zur Rolle der Frau in Beruf und Familie

Im Dokument W W J L P93-108 (Seite 81-88)

2 Einstellungen und Orientierungen

2.2 Einstellungen zur Rolle der Frau in Beruf und Familie

I

n der DDR gehörte die Doppelrolle von Frauen als Erwerbstätige und Kin­

dererziehende zu den gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten. Eine Berufstä­

tigkeit von Frauen war gesellschaftlich wie im privaten Haushaltszusammenhang unter ökonomischen Gesichtspunkten notwendig und wurde ideologisch unterstützt.

Von je 100 Frauen in erwerbsfähigen Alter waren 1987 84 Frauen erwerbstätig, während es im Westen lediglich 53 waren (Globus Kartendienst vom 26.03.1990), wobei auch hier jüngere Frauen mittlerweile einen festen Platz auf dem Arbeitsmarkt beanspruchen. Auch im Hinblick auf die Känderversorgung fanden die Frauen in Ostdeutschland andere Bedingungen als Frauen im Westen vor. Die staatliche Vollversorgung mit Kindergarten- bzw. Krippenplätzen war im Osten erreicht, während im Westen Kindergartenplätze knappe Güter sind. Gleichzeitig leisten in beiden Landesteilen überwiegend Frauen die Hausarbeit und Kindererziehung.

Darauf bezogen soll im folgenden dargestellt werden, ob ein Wandel der Rollen­

bilder im Hinblick auf eine Berufstätigkeit von Frauen eingetreten ist, oder ob sich Ost- und Westdeutsche eher an traditionellen Rollenvorstellungen orientieren.

Angesichts des vollen Einbezugs von Frauen in den Arbeitsmarkt und flächendek- kender Kinderbetreuungsmöglichkeiten im Osten kann dort ein „Emanzipations Vor­

sprung“ erwartet werden. Akzeptieren alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen Gleichberechtigungsziele oder gibt es Gruppen, die diesen sozialen Wandel nicht mittragen?

Die Antworten auf unsere sechs Fragen zu Rolle der Frau in Beruf und Familie zeigen, daß im Osten wie im Westen eine Erwerbstätigkeit von Frauen allgemein befürwortet wird. Hohe Zustimmung zeigt sich beim ersten eher neutralen State­

ment: „Der Anteil an Zeit und Energie, den jemand seiner Karriere einerseits und der Familie andererseits zukommen läßt, sollte von den persönlichen Interessen und nicht vom Geschlecht bestimmt werden“ (1). Auch sollte es sowohl für Männer wie für Frauen möglich sein, Familienpflichten zu übernehmen, ohne berufliche Nach­

teile zu erleiden (2). Sobald familiäre Aufgaben in die Betrachtung einbezogen werden, ändert sich das Bild: Das Statement „Verheiratete Frauen, die Kinder im Vorschulalter haben, sollten nicht arbeiten, es sei denn, es ist für die Familie unbedingt notwendig“ wird von der Mehrheit der Befragten akzeptiert (5). Die

Lebensbedingungenund Wohlbefinden Seite 81

Tabelle 16: Einstellungen zur Rolle der Frau in Familie und Beruf

insges. West Ost in % 1. Der Anteil an Zeit und Energie, den jemand seiner Karriere einerseits und

der Familie andererseits zukommen läßt, sollte von den persönlichen

Interessen und nicht vom Geschlecht bestimmt werden. 57 55 65

2. In einer modernen Gesellschaft sollte es für Männer und Frauen selbst­

verständlich sein, sich um Haushalt und Kinder kümmern zu können, ohne

dadurch Nachteile im Beruf zu haben. 58 54 67

3. Eine verheiratete Frau, die lieber im Beruf weiterkommen möchte und

keine Kinder haben will, sollte deswegen kein schlechtes Gewissen haben. 48 53 38 4. In der früheren DDR wurde manches getan, damit auch Frauen mit

Kleinkindern einer Erwerbstätigkeit nachgehen konnten. Dies sollte auch im

vereinten Deutschland als Vorbild dienen. 48 33 78

5. Verheiratete Frauen, die Kinder im Vorschulalter haben, sollten nicht

arbeiten, es sei denn, es ist für die Familie finanziell unbedingt notwendig. 35 42 22 6. Der alte Ausspruch „die Frau gehört in's Haus und zur Familie“ ist im

Grunde richtig, und es sollte auch so bleiben. 8 10 4

*Anteile stimme voll zu. Vier mögliche Antworten: stimme v o ll zu, stimme eher zu, stimme eher nicht zu, stimme überhaupt nicht zu.

Datenbasis: Wohlfahrtssurvey 1993

Schlußfolgerung liegt nahe, daß die im privaten Rahmen geleistete Versorgung von Kleinkindern bejaht wird, und die damit unter heutigen Bedingungen verbundenen Nachteile im Beruf von Frauen in Kauf zu nehmen sind.

Das betont traditionelle Statement, „die Frau gehört in’s Haus und zur Familie“

(6), findet von den sechs Fragen die geringste Zustimmung. Im Westen würden allerdings immerhin noch jeder vierte und im Osten jeder achte Befragte Frauen lieber in der Nähe von Heim und Herd sehen. Zusammenfassend sind die Ostdeut­

schen im Hinblick auf die gleiche Teilhabe an Beruf und Familie deutlich positiver eingestellt als die Westdeutschen.

Die größten Differenzen zwischen Ost und West ergeben sich bei folgender Aussage: „In der früheren DDR wurde manches getan, damit auch Frauen mit

Tabelle 17: Einstellungen zur Rolle der Frau in Familie und Beruf nach

Kleinkindern einer Erwerbstätigkeit nachgehen konnten. Dies sollte auch im verein­

ten Deutschland als Vorbild dienen.“ (4). Acht von zehn Personen aus der ehema­

ligen DDR stimmen der Aussage voll zu, daß die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der ehemaligen DDR besser gewährleistet war und dem Westen als Vorbild dienen kann. In der Rangfolge der Zustimmung liegt diese Aussage im Osten auf dem ersten und im Westen auf dem vorletzten Platz. Im Westen bejahen jeoch immerhin noch ein Drittel der Befragten, daß die DDR in diesem Punkt eine Vorreiterrolle einnehmen kann.

Das Muster von ausgeprägteren Erwerbsorientierungen im Osten wird einmal in markanter Weise durchbrochen, bei der Formulierung „Eine verheiratete Frau, die lieber im Beruf weiterkommen möchte und keine Kinder haben will, sollte deswegen

Lebensbedingunqenund Wohlbefinden Seite 8 3

kein schlechtes Gewissen haben“ (3). Hier kommen vermutlich Erfahrungen mit der möglichen Vereinbarkeit von Karriere und Familie und die hohe Bedeutung beider Bereiche in der früheren DDR zum Tragen, die die Konzentration auf einen Bereich unattraktiv erscheinen lassen. Für Befragte aus der ehemaligen DDR ist die aus dem Westen bekannte Option „Karrierefrau“ offensichtlich ebenso wenig erstrebenswert wie die Alternative „Hausfrau“.

Zusammenfassend zeigt sich hinsichtlich der Vorstellungen in der Bevölkerung über die Berufstätigkeit von Frauen - und insbesondere von Müttern - ein klarer Ost- West-Unterschied: Im Osten wird die Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben erwartet. Im Westen ist das traditionelle, familienbezogene Rollenbild stärker verankert. Die von Frauen zu treffende Entscheidung für einen Bereich, Familie oder Beruf, kommt den Vorstellungen im Westen eher entgegen als im Osten. In den neuen Ländern ist aus dem gleichzeitigen Auftreten hoher Arbeitslosigkeit, die Frauen überproportional trifft, eingeschränkter Kinderbetreuungsmöglichkeiten und einer hohen Familien- und Berufsorientierung erheblicher privater und sozialer Konfliktstoff zu erwarten. Die politischen Forderungen nach gleichberechtigter Teilhabe von Männern und Frauen an beruflichen und familiären Aufgaben erhält angesichts dieser konfliktträchtigen Situation vielleicht eine neue Stoßkraft.

Im folgenden wird untersucht, ob die Rollen Vorstellungen in allen B evölkerungs- gruppen gleichermaßen vorhanden sind, oder ob es in Ost wie in West Gruppen mit gleichen Einstellungen gibt. Wir vermuten bei Jüngeren und gut Gebildeten aus dem Westen ähnlich emanzipative Haltungen wie im Osten.

Frauen sind eher als Männer mit dem Problem konfrontiert, Familie und Beruf vereinbaren zu müssen. Sie befürworten etwas häufiger als Männer Gleichberech­

tigungsziele; angesichts des geringen Unterschieds kann jedoch als ein wichtiges Ergebnis festgehalten werden, daß Männer diese Gleichheitsziele mittragen. Die Frauen aus den neuen Ländern bejahen eine stärkere Gleich Verteilung der Arbeiten in beiden Bereichen überaus deutlich. Ostdeutsche Männer zeigen sich immer noch gleichheitsorientierter als Frauen aus den alten Ländern.

Die Betrachtung der Antworten von Personen in Haushalten mit Klein- oder Schulkindern, die am stärksten durch familiäre Pflichten beansprucht sein dürften, zeigt, daß Kindererziehende eine Berufstätigkeit von Frauen seltener ablehnen.

Dieses Muster ist in Ost und West gleichermaßen zu erkennen. Die größten Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschen treten in der Gruppe der Befragten mit erwachsenen Kindern im Haushalt auf. Da im Osten früher geheiratet und früher als im Westen Kinder geboren wurden, schlagen hier vermutlich Alterseffekte durch. Beim Alter zeigt sich das erwartete Muster, das aus der im Westen geführten

Diskussion um den Wertewandel bekannt ist: Jüngere Befragte vertreten modernere Orientierungen als Ältere. In den alten Ländern ist dieses Muster jedoch wesentlich deutlicher ausgeprägt als im Osten, in dem sich die Vorstellungen der verschiedenen Altersgruppen kaum unterscheiden. Im Hinblick auf Rollenvorstellungen sind sich die Jüngeren aus dem Westen und die Älteren aus dem Osten damit ähnlicher als die Älteren beider Landesteile. Ältere Befragte aus dem Westen tragen die Entwicklung zu mehr Gleichheit nicht mit.

Vergleichbare Ergebnisse treten bei der Betrachtung des Schulabschlusses auf.

Besser Gebildete äußern sich deutlich häufiger für eine gleichberechtigtere Arbeits­

teilung in Haushalt und Beruf als Befragte mit niedrigeren Schulabschlüssen. Die Befragten mit Abitur aus dem Westen haben ebenso ausgeprägte Gleichheitsvorstel­

lungen wie im Osten, z.T. haben sie den Osten sogar überholt. Zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Abschluß beträgt die Differenz der Prozentpunkte bei fast allen Statements im Westen das doppelte von der Differenz im Osten. Die westliche Bildungsexpansion hat damit deutliche Spuren in der jüngeren Bevölke­

rung hinterlassen.

Der berufliche Status spielt für die Bewußtseinsformen im Osten keine große Rolle. Im Westen sind Teilzeitkräfte diejenigen mit der modernsten Einstellung.

Diese relativ kleine Gruppe besteht zu 90% aus Frauen. Die Vermutung liegt nahe, daß ihre Erfahrungen in beiden Lebensbereichen die dokumentierte Haltung prägen.

Sie haben persönlich mit einer Einschränkung des Umfangs bezahlter Arbeit einen Weg gefunden, Familie und Beruf zu vereinen, und scheinen diese Lösung zu befürworten.

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Die im Osten stärker vertretenen Gleichheitsziele im Hinblick auf die Teilhabe beider Geschlechter an Beruf und Familie werden im Westen von den Jüngeren und vor allem den besser Gebildeten geteilt. Die Rollenvorstellungen älterer in Westdeutschland Befragter weichen erheblich von den jüngeren Altersgruppen und der ostdeutschen Bevölkerung ab.

Insgesamt ist das Antwortverhalten innerhalb der verschiedenen Gruppen im Osten homogener als im Westen. Die stärkere gesellschaftliche Differenzierung und ein deutlicherer Generationenbruch im Westen kommen auch in den Rollenvorstellugen zum Ausdruck.

Bisher wurde festgestellt, daß neben den besser Gebildeten, Frauen, Jüngere, Teilzeitkräfte und Befragte mit Kindern überdurchschnittlich häufig für eine gleich­

berechtigte Teilhabe an bezahlter und privater Arbeit (Erziehung, Sorge, Pflege, usw.) eintreten. Genaueren Aufschluß über die Dominanz oder Gleichberechtigung einzelner Lebensbereiche gibt die Frage nach der Bedeutung verschiedener

Lebens-Lebensbedingungenund Wohlbefinden Seite 8 5

Tabelle 18: Bedeutung einzelner Lebensbereiche für das Wohlbefinden*

Arbeit Familie Freizeit

in %

West Ost West Ost West Ost

Männer 41 61 76 78 33 26

Frauen 34 55 77 86 31 23

Vollzeitbeschäftigte Frauen 42 62 72 90 49 25

- mit Kindern und Partnern im Haushalt 41 62 90 95 30 27

Teilzeitbeschäftigte Frauen 37 59 86 83 29 33

- mit Kindern und Partnern im Haushalt 38 57 90 75 27 26

Arbeitslose Frauen 35 75 89 88 33 25

- mit Kindern und Partnern im Haushalt / 67 / 88 / 30

* Anteile „sehr wichtig“,

Datenbasis: Wohlfahrtssurvey 1993

bereiche für das persönliche Wohlbefinden. Wir gehen davon ans, daß Personen, die stark in den Bereichen Arbeit und Familie involviert sind, diesen auch hohe Bedeutung beimessen. Ebenso ist es möglich, aus Mangelerfahrungen bestimmte Dinge für sehr wichtig zu erachten. So dürfte beispielsweise Arbeit für Arbeitslose mit hoher Erwerbsneigung äußerst wichtig sein. Im folgenden wird überprüft, in welchem Verhältnis Familien-, Arbeits- und Freizeitorientierungen von Personen stehen, die in unterschiedlicher Weise in beiden Bereichen beansprucht sind.

Die Verteilung der Antworten bestätigt das bisherige B ild der wesentlich klareren Erwerbsneigung von Frauen im Osten, die sogar die der westdeutschen Männer übersteigt. Familie wird in Ost und West gleichermaßen für sehr bedeutend für das Wohlbefinden erachtet, am wichtigsten jedoch von den vollzeiterwerbstätigen

Frauen im Osten. Diese Angaben belegen eindrucksvoll die Erwartungen der ostdeutschen Frauen, Verantwortung in Beruf und Familie zu übernehmen. Leben Kinder im Haushalt, ändern sich die Orientierungen kaum. Der Freizeitbereich tritt gegenüber Familie und Beruf weit zurück, hat im Westen jedoch stärkere Bedeutung als im Osten. Die Orientierung auf den Erwerbsbereich geht auch bei den ostdeut­

schen Frauen nicht zurück, die arbeitslos geworden sind, drei Viertel stufen Arbeit als “sehr wichtig” ein (West: 35%). Die stärkere Betroffenheit von Arbeitslosigkeit und Einschränkungen bei Kinderbetreuungseinrichtungen führen demnach bislang nicht zu einem Rückgang der Arbeitsorientierung. Die bisherige Strategie der Frauen aus dem Osten liegt nicht in der Zurücknahme des Berufswunsches, sondern vielmehr in dem Verzicht auf Kinder, was der Rückgang der Geburtenziffer um 60%

seit 1988 eindrucksvoll belegt (Zapf, Mau 1993). Frauen aus dem Osten drücken ihren Wunsch nach einer Kombination von bezahlter Arbeit und Mutterschaft aus, sind aber mit einer Realität konfrontiert, die diese Doppelrolle erschwert, wenn nicht unmöglich macht.

Lebensbedingungenund Wohlbefinden Seite 8 7

Im Dokument W W J L P93-108 (Seite 81-88)