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Einsatz von CCTV-Systemen zur Reduzierung von Kriminalitätsfurcht .76

Teil II: Kriminalistischer Nutzen und Folgen der Videoüberwachung

4 Kriminalität, Kriminalitätsfurcht und Videoüberwachung

4.5 Die Frage der Effektivität

4.5.2 Einsatz von CCTV-Systemen zur Reduzierung von Kriminalitätsfurcht .76

Nicht nur die Verbrechensbekämpfung steht im Mittelpunkt bei der Praxis der Vi-deoüberwachung, auch die Angst in der Bevölkerung, der Kriminalität zum Opfer zu fallen, genügt häufig als Rechtfertigung für die Installation dieser technischen Über-wachungseinrichtungen.321 Das Sicherheitsbedürfnis zählt wie erwähnt zu den grundlegenden Bedürfnissen der Menschen und die (empfundene) Sicherheit kann die gesamte Lebensqualität stark beeinflussen. Die Gewährleistung des Sicherheits-gefühls der Bürger gehört wie die Bekämpfung von Kriminalität zu dem Zuständig-keitsbereich der Polizei.

Zur Überprüfung der Effektivität der Videoüberwachung auf das Sicherheitsgefühl der Bürger stammen die meisten Erkenntnisse ebenfalls aus britischen Studien. Al-lerdings handelt es sich auch hierbei nur um eine geringe Anzahl von Untersuchun-gen, woraus sich keine eindeutige Aussage über die Wechselbeziehung zwischen der subjektiven Kriminalitätsangst und dem Einsatz weiträumiger Observationseinrich-tungen treffen lässt. Dieses insgesamt ambivalente Bild soll anhand der folgenden Fälle skizziert werden.

Während in Birmingham die Einwohner sich durch CCTV-Überwachung sicherer fühlen und die videoüberwachten Stadtteile bei ihrem Aufenthalt in der Innenstadt bevorzugen, stieg in Glasgow zwei Jahre nach der Einführung von Überwachungs-kameras die Anzahl der Menschen, die zu bestimmten Zeiten ausgerechnet solche Bereiche mit Überwachungskameras meiden.322

Ein positiver Effekt der Videoüberwachung auf das Sicherheitsempfinden der Über-wachten konnte in Sutton gefunden werden, wobei 73,6% der Befragten dies

319 Vgl. Teil I, Kap. 3.3.2.2 dieser Arbeit.

320 Burrows (1997), Rn. 1123.

321 Graham (1998), S. 91; Gras (2003), S. 211.

322 Mehr zur Evaluation in Birmingham vgl. Brown (1995), S. 35 ff. Zu den Ergebnissen in Glasgow vgl.

Ditton (2000), S. 689 ff. Allerdings muss hierbei vermerkt werden, dass das CCTV-System in Glasgow zwei Jahre nach der Einführung lediglich einem Drittel der dortigen Einwohner bekannt war, so dass die Mehrheit der Stadtbewohner in Glasgow nicht für die Wirkung der CCTV-Überwachung auf de-ren Sicherheitsempfinden untersucht werden konnte. Vgl. hierzu The Scottish Office (1999).

ten.323 Ein ähnliches Ergebnis wurde in Cambridge erzielt.324 Nachdem eine Londoner U-Bahn-Linie mit CCTV-Systemen ausgestattet war, stieg die Zahl der Fahrgäste, die sich dadurch sicherer fühlten.325

Weitere Umfragen können die Tendenz bestätigen, dass CCTV-Überwachung scheinbar das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen erhöht.326 Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele, wie in Brighton, wo sich 48% der Bewohner nach einem Jahr technischer Observation immer noch nicht sicherer fühlten, obwohl 85% der Befrag-ten durchaus die ExisBefrag-tenz der Kameras wahrgenommen hatBefrag-ten.327 Trotz der großen Akzeptanz der lokalen CCTV-Anlagen in Glasgow zeigte sich auch bei den Bürgern dort, nach einer Studie von Ditton, langfristig keine Verbesserung des Sicherheits-empfindens.328

Insgesamt konnten Forscher feststellen, dass mehr ältere Menschen sich durch die Kameras in den öffentlichen Räumen sicherer fühlen.329 Im Gegensatz dazu führt der Einsatz von Überwachungskameras bei den Frauen nicht unbedingt zur Steigerung ihres Sicherheitsempfindens. Brown fand in ihrer Studie heraus, dass Frauen sich trotz Videoüberwachungsmaßnahmen vor Stadtzentren und öffentlichen Verkehrs-mitteln fürchten.330

4.5.3 Zusammenfassung

Nach der vorigen Analyse kann die CCTV-Überwachung weder in Hinsicht auf die Reduzierung der Kriminalitätsrate noch bezüglich der Verbesserung des Sicherheits-gefühls der Bürger eindeutig als ein erfolgreiches Instrument bestätigt werden. Viel-mehr zeigt eine Vielzahl von Untersuchungen und Befragungen ein sehr ambivalen-tes Bild im Hinblick auf die Wirksamkeit dieses kriminalpräventiven Instruments in der Sicherheitspolitik. Dennoch ist in allen drei zu untersuchenden Nationen – USA, Großbritannien und Deutschland – eine steigende Tendenz der Nutzungsintensität von Überwachungskameras zu verzeichnen, so dass die Vermutung nahe liegt, dass letztlich im sicherheitspolitischen Trend der Kriminalprävention der Frage der Effek-tivität wenig Bedeutung beigemessen wird. Vor allem für die britischen Behörden, die das Instrument zum festen Bestandteil ihrer Sicherheitspolitik erklärt haben,

323 Gras (2003), S. 190.

324 67% der Befragten in Cambridge fühlen sich sicherer durch CCTV-Überwachung, vgl. Ebenda, S.

191.

325 Ebenda, S. 190.

326 Ebenda, S. 190 f.

327 Ebenda.

328 Ditton (2000), S. 692 ff.

329 Honess; Charman (1992), S. 19 ff.

330 Brown (1998), S. 207 ff.

scheint der tatsächliche, kriminalistische Nutzen nicht das ausschlaggebende Argu-ment für ihre Entscheidung zur weiträumigen Videoüberwachung zu sein.

Angesichts der polizeieigenen Begleitstudie zum ersten Pilotprojekt in Leipzig, das erst nach einer Testphase mit positiven Ergebnissen als Dauermaßnahme eingeführt wurde, sowie die Beendigung der Videoüberwachungsmaßnahmen (z.B. in Stuttgart und Singen) nach erfolgreicher Reduzierung der Kriminalität, ist ein vorsichtigerer Umgang mit dieser Technik seitens der deutschen Polizei zu vermuten. Manche US-amerikanische Polizeidienststelle zeigt ebenfalls in der Gegenüberstellung zu Groß-britannien mehr Skepsis gegenüber der Wirksamkeit der Videoüberwachung. In Det-roit und Miami Beach wurde beispielsweise der öffentliche Einsatz von Überwa-chungskameras aufgrund der Ineffektivität bzw. des unklaren kriminalistischen Nutzens abgebrochen.331

Zusammenfassend stellt der Kameraeinsatz in öffentlichen Räumen einen strukturel-len Wandel der Sicherheits- und Kriminalpolitik in alstrukturel-len drei Ländern dar. Die Effek-tivitätsfrage von Videobeobachtungsmaßnahmen kann allerdings bisher weder in Hinsicht auf die Kriminalitätsentwicklung noch bezüglich der Besserung des Sicher-heitsgefühls von Bürgern eindeutig geklärt werden. In der Gegenüberstellung zu der extremen Nutzungsintensität von CCTV-Systemen scheinen manche deutschen und US-amerikanischen Sicherheitsbeamte insgesamt mehr Vorbehalte gegenüber der Wirksamkeit dieser Technik zu zeigen als ihre britischen Kollegen. Es ist fraglich, ob letztlich andere kriminalpräventive Maßnahmen mit geringeren sozialen und finan-ziellen Kosten die gleichen oder gar besseren Ergebnisse zur Steigerung des Sicher-heitsempfindens der Menschen erzielen könnten.

331 Vgl. Teil I, Kap. 3.2.2.4 dieser Arbeit.