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Teil III: Analyse der Ursachen unterschiedlicher Intensität von Videoüberwachung 91

8.2 Einstellung zur Videoüberwachung

8.2.3 CCTV-Akzeptanz in Großbritannien

In Großbritannien, das oft als „Mutterland der Videoüberwachung“424 beschrieben wird, sind Videokameras nicht nur nach Meinung der Betreiber, sondern auch nach Meinung der Bevölkerung, willkommene Überwachungsinstrumente in öffentlichen Räumen.

Die erste Umfrage zur Einstellung zu CCTV-Systemen wurde im Jahr 1992 von Ho-ness & Charman425 veröffentlicht. Diese vom britischen Innenministerium finanzierte Untersuchung fand heraus, dass 85% bis 92% der Befragten die Installation dieser optisch-elektronischen Einrichtungen begrüßten.426 Auch Williams und Johnstone haben in ihrer Studie in zwei kleinen Städten in Wales – Aberystwyth und Cardigan – die hohe Akzeptanz der Videoüberwachung bestätigt. In beiden Städten wurden die Systeme im Jahr 1998 installiert, obwohl die Mehrheit der Bewohner sich bereits vor der Installation der CCTV-Systeme in ihren Städten sicher fühlte. Die Ergebnisse zeigten, dass 85% der Erwachsenen in Aberystwyth und 87% in Cardigan den öffent-lichen Kameraeinsatz gut fanden.427

Auch in anderen britischen Städten kann man eine hohe Akzeptanz der Videoüber-wachung feststellen. In King’s Lynn waren nach Zeitungsberichten 96% der Bevölke-rung mit der Installation der Videokameras in der Innenstadt zufrieden, während 90% der Einwohner in Harlow sich ebenfalls positiv über die CCTV-Systeme äußer-ten. Ähnlich hohe Akzeptanz ließ sich in Brighton (86%) und Sutton (85%) feststel-len.428

Allerdings weisen professionelle Umfragen auf einen wesentlich niedrigeren Anteil von CCTV-Befürworten:

Eine im Jahr 1993 in Glasgow von einem Marktforschungsinstitut durchgeführte Be-fragung zeigte, dass über 90% der Befragten die flächendeckende Videoüberchung im Zentrum von Glasgow unterstützten, wobei 66% davon der Meinung wa-ren, dass die Innenstadt dadurch attraktiver geworden sei.429 Dieser hohe

423 Ebenda, S. 10.

424 Vgl. Post (2004), S. 62; Nürnberg (2000), S. 230.

425 Honess; Charman (1992).

426 Vgl. McCahill; Norris (2002a), S. 19.

427 Vgl. Williams; Johnstone (2000), S. 203.

428 McCahill; Norris (2002a), S. 19; Ditton (2000), S. 693 f.

429 König (2001), S. 197 f.; vgl. auch Graham (1998), S. 92. Ditton (2000), S. 693.

mungsanteil der Bevölkerung wurde im Jahr 1994 von Forschern der Scottish Centre for Criminology auf „nur“ 69% reduziert.430 Ditton führte den Unterschied von ca. 20%

auf die Art der Befragung zurück.431 Der Interviewer kann nach Dittons Auffassung systematisch die Interviewten zu einer bestimmten Aussage verleiten: Die Proban-den, die in der Befragung von der Marktforschungsorganisation mit Kriminalitäts-problemen in Glasgow konfrontiert wurden, neigten tendenziell dazu, die öffentliche Videoüberwachung zu befürworten. Dagegen zeigten die Befragten bei den Fragen von Scottish Centre for Criminology, die auf datenschutzrechtliche Fragen der CCTV-Systeme hinwiesen, eine eher ablehnende Haltung gegenüber dieser Technik.432

Trotz unterschiedlicher Untersuchungsbedingungen kann festgehalten werden, dass die Mehrheit der britischen Bevölkerung positiv gegenüber Maßnahmen der Video-überwachung eingestellt ist.

430 Ditton (1998), S. 223.

431 „I am beginning to have a nasty suspicion that CCTV’s acceptability has been inflated by the way that questionaires (rather than samples) are designed, and that professionals may be making the same mistakes as amateurs (albeit to a lesser degree).” Ebenda, S. 223.

432 Um dieses Phänomen der Manipulierung während des Interviews zu demonstrieren, machte Ditton ein Experiment mit drei Versuchsgruppen jeweils mit Pro-CCTV-Fragen, Kontra-CCTV-Fragen und neutraler Frageweise. Das Ergebnis legt die Vermutung nah, dass allein 20% der Befürworter durch die Interviewfragen manipuliert sein könnten: In der neutralen Gruppe waren 71% für die Video-überwachung, während die Pro-CCTV-Gruppe eine Prozentzahl von 91% aufweist. Und wenn man nur die Akzeptanz bei den Umfragen mit Passanten (also Interviews mit denjenigen, die auch tatsäch-lich die öffenttatsäch-lichen Räume und Straßen benutzen und nicht bei denjenigen zu Hause, die wahr-scheinlich nicht oft auf den Straßen sind) berücksichtigt, sinkt die Rate der Akzeptanz um weitere 20%. Das bedeutet, dass die hohe Akzeptanzquote der Videoüberwachung durch die zusätzlichen Nebenbedingungen insgesamt um 40% reduziert werden kann. Vgl. ebenda, S. 224 ff.

9 Zusammenfassung

Die hohe Kriminalitätsrate in Großbritannien stellt häufig für die Befürworter der Videoüberwachung eine Rechtfertigung zur Einführung dieser Technik dar. Die A-nalyse der Entwicklung von Straßenkriminalität in allen drei Ländern bestätigt die beträchtliche Kriminalitätsrate in Großbritannien. Allerdings scheint dieser Faktor zwar die Motivation zur Einführung von Videobeobachtungsmaßnahmen zu be-gründen, aber nicht die weltweit höchste Kameradichte der britischen Insel ausrei-chend zu erklären, da Kameras auch in kleineren Orten mit geringerer Verbrechens-rate eingesetzt werden. Die konstant hohe StraßenkriminalitätsVerbrechens-rate trotz der weit-räumigen Observierung in Großbritannien stellt überdies die Effektivität der öffentli-chen Videografie als kriminalpräventives Werkzeug in Frage.

Ferner wurde in diesem Kapitel die Kriminalitätsfurcht als mögliche Ursache analy-siert. Die ICVS- und ZUMA-Untersuchungen zeigten uneinheitliche Ergebnisse:

Nach ZUMA wies Großbritannien im Jahr 1996 eine im EU-Vergleich niedrige Kri-minalitätsfurcht auf, während in Deutschland die Bürger mehr Angst vor Verbre-chen zeigten als der Durchschnitt der EU-Bürger. Eine zunehmende Tendenz der Kriminalitätsfurcht wurde in den darauf folgenden Jahren in Großbritannien beo-bachtet. Zeitgleich nahm die Angst der deutschen Bevölkerung vor Verbrechen so stark ab, dass dies im Jahr 2002 unter dem EU-Durchschnittsniveau lag. Somit trägt der Faktor Kriminalitätsfurcht wenig zur Erklärung des intensiven Kameraeinsatzes auf den britischen Inseln bei, da die Kriminalitätsfurcht in Großbritannien nach der Einführung der Videoüberwachung stieg. Es kann sogar die Vermutung aufgestellt werden, dass die Zunahme der optischen Überwachungseinrichtungen die Bevölke-rung verunsichert, da sie überwachte Räume als gefährliche Orte wahrnehmen. Die ICVS- Untersuchung zeigte dagegen, dass britische Bürger im Jahr 1996 mehr Angst vor Kriminalität hatten als die Befragten anderer Nationen. Dieser hohe Anteil der Kriminalitätsfurcht blieb in den folgenden Jahren trotz leicht sinkender Tendenz sig-nifikant hoch. Aufgrund dieser widersprüchlichen Untersuchungsresultate kann die Kriminalitätsfurcht als Auslöser für den britischen CCTV-Boom in den 1990er Jahren nicht eindeutig bestimmt werden.

Gemäß der obigen Analyse kann auch die Einstellung der Bevölkerung zum Einsatz von CCTV-Systemen als entscheidender Faktor für die intensive Nutzung von Ü-berwachungskameras ausgeschlossen werden. Trotz des Mangels an repräsentativen, international vergleichbaren Studien kann bezüglich der gesellschaftlichen Resonanz

auf das Thema Videoüberwachung festgehalten werden, dass sowohl in Großbritan-nien als auch in Deutschland die Einstellung gegenüber CCTV-Überwachung eher positiv ausfällt, während sich in den USA ein ambivalentes Bild ergibt. Die hohe Ak-zeptanz der Bevölkerung kann die unterschiedliche Verbreitung dieser Technik in den zu untersuchenden Ländern nicht erklären, da die mehrheitliche Zustimmung der Bevölkerung nicht nur in Großbritannien, sondern ebenfalls in Deutschland zu finden ist. Vor diesem Hintergrund kann die gesellschaftliche Reaktion zwar als möglicher treibender Faktor gesehen werden, sie erklärt aber nicht die rasche Aus-breitung von CCTV-Systemen in Großbritannien.

Die hohe Kriminalitätsrate, die Kriminalitätsfurcht sowie die öffentliche Unterstüt-zung für Videoüberwachungsmaßnahmen können also als Impulse für den allge-meinen Kameraeinsatz gesehen werden. Sie können allerdings die unterschiedliche Nutzungsintensität von Überwachungskameras nicht ausreichend erklären. Die ge-nannten Faktoren tragen weder zur Klärung der außergewöhnlichen, explosionsarti-gen Verbreitung von CCTV-Anlaexplosionsarti-gen in Großbritannien bei, noch können diese die Ursachen für das relativ geringe Ausmaß von Überwachungskameras in Deutsch-land aufzeigen. Um den Ursachen weiter nachzugehen, erscheint es sinnvoll, sich im nächsten Kapitel einen Einblick in die internen Strukturen und Akteurskonstellatio-nen der CCTV-Politik in Großbritannien, Deutschland und den USA zu verschaffen.