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Bei einem stetig steigenden Altersdurchschnitt in unserer Gesellschaft stellen die zumeist im höheren Alter ausbrechenden neurodegenerativen Erkrankungen ein immer größeres gesundheitliches Problem dar. Trotz des hohen Vorkommens weltweit sind die genauen Mechanismen vieler Erkrankungen noch nicht gänzlich aufgeklärt und es besteht bislang keine Möglichkeit einer Heilung.

Neurodegenerative Erkrankungen gehören zu einer Gruppe spätmanifester Krankheiten mit einem breitgefächerten Spektrum an verschiedenen Symptomen, wie beispielsweise die Ausprägung der Demenz bei der Alzheimer-Krankheit, unkontrollierte Bewegungen bei Chorea Huntington und den für Morbus Parkinson typischen Verlust der Bewegungsfähigkeit1.

Diese klinischen Symptome und der progressive Verlauf der Erkrankungen spiegeln die Funktionsstörung und das Absterben spezifischer Neuronengruppen wider2. Die Ausprägung der Erkrankung ist abhängig von der Gruppe der betroffenen Neuronen bzw. den betroffenen Bereichen des Nervensystems3.

Nahezu jede der bedeutenden neurodegenerativen Erkrankungen wie z.B. Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson, Chorea Huntington und Prion-Erkrankungen zeichnet sich pathologisch durch die fortschreitende Akkumulation unlöslicher filamentöser Aggregate normalerweise löslicher Proteine im zentralen Nervensystem (ZNS) aus4. Hierbei handelt es sich um körpereigene Proteine mit teilweise unbekannter Funktion, deren Strukturveränderung zur Ausbildung sich aggregierender Fibrillen, des charakteristischen Amyloid führen. Einen Überblick über neurodegenerative Erkrankungen und das jeweilige aggregierende Protein liefert Tab. 1.

Die Proteinaggregate entstehen auf unterschiedlichste Art und Weise. Hierzu zählen beispielsweise die fehlerhafte Faltung der Molekülketten, die veränderte Modifikation nach der Translation, die anormale proteolytische Spaltung, aber auch anormales Spleißen der RNA, die anormale Expression und die unzureichende Beseitigung abgebauter Proteine3. Trotz der gemeinsamen charakteristischen Eigenschaft, der Akkumulation unlöslicher Proteine, weisen diese Erkrankungen deutlich unterschiedlich ausgeprägte zeitliche und regionale Muster in der Ausbildung der Aggregate, Unterschiede bei betroffenen Zellen, Aggregationsorten und den Hauptbestandteilen der Proteinaggregate auf4.

Die Ursachen neurodegenerativer Erkrankungen sind vielfältig. Teilweise werden sie ausschließlich durch genetische Faktoren hervorgerufen wie z.B. bei Chorea Huntington, teilweise aber auch durch genetische und multifaktorielle Ursachen, z.B. Morbus Alzheimer.

Auch Ursachen infektiöser Natur wie z.B. bei Prion-Erkrankungen wie BSE und CJD sind möglich. Vielen neurodegenerativen Erkrankungen gemeinsam ist jedoch das vermehrte Auftreten im höheren Alter3.

2 EINLEITUNG

Tab. 1 Einteilung der neurodegenerativen Erkrankungen

I. Extrazelluläre Proteinablagerungen Morbus Alzheimer (Aβ)

Prion-Erkrankungen (Creutzfeldt-Jakob-Disease, Bovine Spongiforme Enzephalopathie, Scrapie, u.a.)

II. Intrazelluläre Proteinablagerungen Tauopathien

Morbus Alzheimer Morbus Pick

Progressive supranukleäre Blickparese Kortikobasale Degeneration

Senile Demenz mit NFTs

Erkrankung mit argyrophilen Körnchen

Chromosom-17-assoziierte familiäre frontotemporale Demenzen mit Parkinson-Syndrom (FTDP-17)

α-Synukleinopathien Morbus Parkinson

Demenz mit Lewy-Körperchen Multiple Systematrophien

Ubiquitinkrankheiten

Amyotrophe Lateralsklerose

Frontalhirndegeneration mit Motoneuronenerkrankung

Polyglutaminkrankheiten Chorea Huntington

Spinale und bulbäre Muskelatrophie Spinozerebelläre Ataxie

(Quelle: Kretzschmar et al., Neuropathological diagnosis of neurodegenerative and dementing disorders, Der Pathologe, 2000 - 21:364-3745)

LITERATURÜBERSICHT 3

3 LITERATURÜBERSICHT

3.1 Morbus Alzheimer

3.1.1 Definition und Epidemiologie

1906 beschrieb Alois Alzheimer erstmals ein bisher unbekanntes Krankheitsbild6. Er stellte den Fall der Auguste Deter vor, die nach Jahren schwerer Verwirrtheit und des Gedächtnisverlustes starb. Bei der folgenden Autopsie fand er dichte Ablagerungen rund um das Äußere der Nervenzellen, die sogenannten Plaques und im Inneren der Nervenzellen verdrehte Faserbänder (Fibrillen). Seit diesem Zeitpunkt trägt diese neurodegenerative Erkrankung seinen Namen7. Bis heute hat sich Morbus Alzheimer zu einer der bedeutendsten neurodegenerativen Erkrankung in unserer stetig alternden Gesellschaft entwickelt.

Weltweit sind derzeit schätzungsweise etwa 35,6 Millionen Menschen betroffen. Bis 2030 wird sich die Zahl Betroffener auf etwa 65,7 Millionen verdoppeln8. In Deutschland leben derzeit rund 1,2 Millionen an Demenz Erkrankte. 60-70 % dieser Betroffenen leiden unter der Alzheimer-Krankheit, der weltweit häufigsten Form der Demenz. Die mittlere Prävalenzrate der Demenz steigt von 1,2 % bei den 65-69 jährigen auf 34,6 % bei Betroffenen im Alter von 90 Jahren oder mehr9.

Aufgrund der höheren Lebenserwartung in der weiblichen Bevölkerung liegt die Prozentzahl an Demenz erkrankter Frauen bei 70 % und die der Männer bei 30 %. Die Wahrscheinlichkeit an Demenz zu erkranken ist jedoch bei Frauen und Männern gleichermaßen ausgeprägt9. Nur etwa 5-10 % der Alzheimer-Fälle sind auf einen genetischen Hintergrund, die FAD (Familial Alzheimer Disease) zurückzuführen10. Hierbei handelt es sich um Mutationen des Amyloid-Vorläufer-Proteins (APP, Amyloid Precursor Protein) auf Chromosom 21, des Präsenilin-1-Gens auf Chromosom 14 und schließlich des Präsenilin-2-Gens, das sich auf Chromosom 1 befindet11. Diese Mutationen werden autosomal-dominant vererbt und führen zum Ausbruch der Alzheimer-Krankheit vor dem 65. Lebensjahr, der „early-onset“ Form des familiären Morbus Alzheimer. Ein weiterer Risikofaktor für das Auftreten dieser Form der Alzheimer-Krankheit stellt die Ausprägung des Down-Syndroms dar, da es sich hier um eine Trisomie 21 handelt, das Gen auf dem das APP-Gen lokalisiert also dreimal vorhanden ist.

Auch die Wahrscheinlichkeit an der ab dem 65. Lebensjahr auftretenden sporadischen

„late-onset“ Form zu erkranken, erhöht sich durch genetische Risikofaktoren. Einen dieser Risikofaktoren stellen beispielsweise bestimmte Polymorphismen des ApoE-Gens, das auf Chromosom 19 lokalisiert ist, dar. Dieses kodiert für das Apolipoprotein E, welches bei der Regulation des Lipidmetabolismus, der Cholesterinaufnahme und der intrazellulären Cholesterinfreisetzung eine Rolle spielt. 12.

Vergleicht man die durch familiäre Häufung geprägte „early-onset“ Form mit der sporadischen „late-onset“ Form können keine Unterschiede in der Ausprägung klinischer Symptome und neuropathologischer Veränderungen festgestellt werden10.

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3.1.2 Pathogenese

Das Gehirngewicht eines von der Alzheimer-Krankheit betroffenen Patienten kann im Vergleich zu dem eines nicht betroffenen Menschen um bis zu 30 % reduziert sein. Dies ist auf eine im späteren Stadium der Erkrankung makroskopisch erkennbare Hirnatrophie zurückzuführen13. Betroffene Bereiche sind vor allem die Hirnrinde im Bereich des Temporal-, Parietal- und Frontallappens. Dort können schmalere Windungsfurchen (Sulcus) und weitere Ventrikel festgestellt werden14 (siehe Abb. 1).

Abb. 1 Makroskopisch sichtbare Veränderungen des Morbus Alzheimer (Quelle: Bright Focus Foundation, 2000; http://www.brightfocus.org/alzheimers/infographic/brain-alzheimers-disease)

Bis heute wird als Hauptursache für die klinische Ausprägung also auch die Hirnatrophie bei Morbus Alzheimer die fortschreitende Degeneration von Neuronen und Synapsen angenommen. Diese ist jedoch noch nicht vollständig geklärt15.

Bekannt ist, dass dieser Verlust der Neuronen und Synapsen von neurodegenerativen Prozessen wie der Bildung extrazellulärer Plaques aus Amyloid β-Peptid (Aβ) und intrazellulärer Neurofibrillen (neurofibrillary tangles, NFTs), welche vor allem im Neocortex, Hippocampus und im Limbischen System nachzuweisen sind, begleitet wird16 (siehe Abb. 2).

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Abb. 2 Entstehung der senilen Plaques und Neurofibrillenbündel (Quelle: International Journal of Alzheimer’s Disease)

Ein charakteristisches allerdings nicht spezifisches Merkmal für die Alzheimer-Krankheit ist die Ausbildung der NFTs. Diese entstehen durch die intrazelluläre Anhäufung abnormer Filamente aus hyperphosphoryliertem Tau-Protein in den Nervenzellen. Für die Bildung dieses abnormen Tau-Proteins ist ein gestörtes Gleichgewicht bestimmter Kinasen und Phosphatasen verantwortlich17. Durch diese pathologische Veränderung kann das Tau-Protein seine eigentliche Funktion, die Stabilisierung der axonalen Mikrotubuli18, nicht mehr wahrnehmen. Es kommt zur Destabilisierung des Cytoskeletts und nachfolgender Störung des axonalen Transportes19. Aggregiert nun das abnorme hyperphosphorylierte Tau-Protein bilden sich paarige helikal gewundene Proteinfilamente (paired helical filaments, PHF). Bei weiterer Aggregation dieser PHFs entstehen die NFTs, welche nach dem Absterben der Neuronen auch extrazellulär als Ablagerungen zu finden sind20. Die neuronalen und synaptischen Funktionen der Nervenzelle werden durch diese Prozesse gestört21. Durch NFTs in ihrer Funktion gestörte und angegriffene Axone und Dendriten werden als „dystrophe Neuriten“ bezeichnet22.

Die Ablagerung des 4 kDa großen β-Amyloides (Aβ) stellt ein weiteres charakteristisches pathologisches Merkmal dar. Aβ lagert sich vor allem im extrazellulären Raum des Gehirns, dem Neuropil, in Form der sogenannten senilen Plaques ab. Diese senilen Plaques bestehen

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aus einem zentralen Kern, der von einem Saum aus dystrophen Dendriten und Axonen umgeben ist. Weiterhin kann Aβ im Blutgefäßsystem des Gehirns nachgewiesen werden (Cerebral Amyloid Angiopathy, CAA)10.

Aβ entsteht durch enzymatische Prozessierung des APP, einem glykosylierten, integralen Membranprotein (siehe Abb.3). Die proteolytische Umsetzung des APP durch die sogenannten Sekretasen kann auf zwei Wegen geschehen. Diese zwei Wege, der nicht-amyloidogene und der amyloidogene Weg, schließen sich gegenseitig aus.

Im ersten Schritt der nicht-amyloidogenen Prozessierung wird APP innerhalb der Aβ-Sequenz durch die α-Sekretase gespalten. Dadurch wird die extrazelluläre Domäne des APP als lösliches APP (sAPPα) freigesetzt und die Bildung des Aβ verhindert. Der in der Membran verbleibende Teil des APP (CT83) wird schließlich durch die γ-Sekretase gespalten.

Der amyloidogene Weg beginnt mit der Prozessierung des APP durch die β-Sekretase, wodurch ein membranständiges Fragment (CT99) und lösliches APP (sAPPβ) entstehen.

Durch Umsetzung des CT99 durch die γ-Sekretase wird Aβ freigesetzt13. Dieses Aβ kann sowohl in der Cerebrospinalflüssigkeit und im Plasma gesunder wie auch an Alzheimer erkrankter Menschen festgestellt werden23,24.

Abb. 3 Prozessierung des APP (Quelle: Cárdenas-Aguayo et al., 201425)

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Durch die Variabilität der Sekretasen in ihrer Schnittstelle entstehen verschiedene Aβ-Formen, was auf die unterschiedlichen C-Termini zurückzuführen ist. Am häufigsten gebildet werden das Aβ1-40 und das Aβ1-42. Die Termini 1-40 und 1-42 bezeichnen dabei die Anzahl der Aminosäuren26. Aβ1-42 weist eine stärkere Tendenz zur Aggregation und Bildung von Fibrillen auf27 und ist im Vergleich zu Aβ1-40 resistenter gegenüber Degradation und lagert sich verstärkt im Gehirn ab. Es wird zudem eine höhere Neurotoxizität des Aβ1-42

angenommen.

Die vermehrte Produktion des Aβ1-42 bei der durch bestimmte Mutationen verursachten familiären Form des Morbus Alzheimer28 und die Tatsache, dass Aβ1-42 als Hauptbestandteil der senilen Plaques gesehen werden kann, unterstützen die Theorie, dass die Entstehung und Ablagerung dieses um zwei Aminosäuren längeren Peptides im Gehirn zu den ersten pathologischen Schritten bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit gehört10,15,29,30.

Zusammengefasst gesehen kommt es zur neuronalen Dysfunktion, zur neuronalen und synaptischen Degeneration durch das Ungleichgewicht zwischen der Bildung und dem Abtransport (Clearance) des Aβ im Hirngewebe, welches zur Ansammlung des Peptides führt (Amyloid-Kaskaden-Hypothese). Der bereits erwähnte Verlust der Neuronen wird als unmittelbare Ursache für die Demenz angesehen, wobei der genaue zugrundeliegende Mechanismus noch aufzuklären ist. Zusätzlich scheinen Entzündungsprozesse, Veränderungen des Ionenhaushaltes und oxidative Schäden eine Rolle zu spielen15. Mittlerweile wird die neurotoxische Wirkung auch auf die löslichen oligomeren Aβ-Formen ausgedehnt. Diese korrelieren besser mit dem Krankheitsverlauf, als die Anzahl histologisch nachweisbarer Plaques, welche auch post mortem bei Menschen festgestellt werden können, die keinerlei Anzeichen für eine Demenz zeigten31,32.

3.1.3 Klinik

Der Verlauf der Alzheimer-Krankheit, der im Allgemeinen durch eine stetige aber langsame Verschlechterung charakterisiert ist, kann in drei Stadien eingeteilt werden. In Stadium 1 zeigen sich zunächst Symptome wie Kraftlosigkeit und der Verlust der Spontaneität, die von den Patienten selbst und ihrer Umwelt oft nicht als Veränderung registriert werden. Hinzu kommen eine leichte Gedächtnisstörung und Gemütsschwankungen. Hierauf folgt der beginnende Verlust des Sprach- und Auffassungsvermögens in Stadium 2. Betroffene neigen zu erhöhtem Bewegungsdrang. Es wird eine zunehmende Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses und später auch des Langzeitgedächtnisses deutlich. Auch Wesensveränderungen sowie allgemeine Verhaltensauffälligkeiten prägen das Erscheinungsbild der Alzheimer-Krankheit. Im Endstadium der Krankheit werden die Patienten meist bettlägerig und sind auf permanente Pflege angewiesen (Alzheimer Forschung Initiative e.V.).

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3.2 Morbus Parkinson

3.2.1 Definition und Epidemiologie

1817 beschrieb der britische Arzt James Parkinson in „An Essay on the Shaking Palsy“

erstmals die charakteristischen Symptome des nach ihm benannten Morbus Parkinson. Es handelt sich hierbei um eine Erkrankung des Zentralen Nervensystems, die durch das zunehmende Defizit des Neurotransmitters Dopamin in der Substantia nigra, pars compacta (SNc) des Mittelhirnes gekennzeichnet ist. Die drei typischen Symptome der auch als

„Schüttellähmung“ bezeichneten Erkrankung sind Rigor (Steifheit), Tremor (Zittern) und Akinese (Bewegungsarmut/ -starre) und betreffen die willkürliche Muskulatur.

Die Parkinson-Syndrome werden in drei unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Den größten Anteil von 80-90 % macht das idiopathische Parkinson-Syndrom aus (Morbus Parkinson oder Parkinson-Krankheit, im Folgenden abgekürzt durch MP), verursacht durch Dopaminmangel in der SNc. Die Ursachen dieses Parkinson-Syndroms sind multifaktorieller Natur und noch nicht in Einzelheiten geklärt. Teilweise wird Umweltfaktoren eine ätiologische Bedeutung zugeschrieben, für einen kleinen Teil sind genetische Faktoren bekannt33.

Die atypischen Parkinson-Syndrome verbunden mit anderen neurodegenerativen Erkrankungen wie der Multi-Systematrophie und der Progressiven Supranukleären Blickparese und die beispielsweise bei cerebraler Mikroangiopathie oder Hydrocephalus vorkommenden sekundären Parkinson-Syndrome, auch als symptomatische Parkinson-Syndrome bezeichnet, bilden den kleinsten Anteil der Parkinson-Syndrome.

Morbus Parkinson gehört als häufigste neurodegenerative Erkrankung auch zu den häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems.

Je nach Land und Region zeigt sich eine Häufigkeit zwischen 18 und 194 Fällen pro 100.000 Einwohner. In Deutschland wird von 150.000 Patienten, die Dunkelziffer nicht erfasster Fälle miteingerechnet von bis zu 300.000 an Morbus Parkinson erkrankten Menschen ausgegangen.

Besonders selten kommt die Erkrankung in Japan, China, Schweden, Polen, Dänemark, Südeuropa und Afrika vor. In Mitteleuropa und Nordamerika liegt die Häufigkeit bei 160 Patienten pro 100.000 Einwohner.

Betrachtet man die Verteilung der Erkrankung unter Männern und Frauen zeigt sich, dass beide etwa gleich oft erkranken. Es gibt jedoch Studien, die auf eine etwas höhere Erkrankungsrate bei Männern hinweisen.

Weltweit liegt die Zahl der Neuerkrankungen pro Jahr zwischen 2 und 24 Fällen pro 100.000 Einwohner. In Deutschland wird von 16 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner, also 13.000 neuen Fällen pro Jahr ausgegangen.

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3.2.2 Pathogenese

Morbus Parkinson ist eine der häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems.

Dennoch sind die Ursachen dieser neurodegenerativen Krankheit im Wesentlichen bis heute noch nicht geklärt. Es wird ein multifaktorielles Geschehen angenommen.

Dabei existieren mehrere Hypothesen zum Ursprung des MP. Unter anderem wird angenommen, dass ein vorzeitiger Alterungsprozess eine Rolle spielt34. Eine Reduktion der dopaminergen Neurone, wie sie bei MP festzustellen ist, zeigt sich auch unter physiologischen Bedingungen während des natürlichen Alterungsprozesses bei gesunden Menschen (ca. 4 % pro Jahrzehnt des Erwachsenenlebens)35. Bei MP sind bei Auftreten der ersten Symptome bereits 80 % der dopaminergen Neurone untergegangen. Da eine solch starke Reduktion der dopaminergen Neurone gemeinhin nicht innerhalb der Lebenszeit eines Menschen auftreten kann, ist zu vermuten, dass eine der Ursachen des MP ein beschleunigter Alterungsprozess ist34,36. MP kann allerdings nicht als einfache Beschleunigung des Alterungsprozesses gesehen werden, da sich das Muster der Degeneration dopaminerger Neurone in der SNc von dem des physiologischen Alterungsvorganges unterscheidet. Bei MP konzentriert sich die Reduktion der dopaminergen Neurone vor allem auf ventrolaterale und kaudale Bereiche der SNc, während der Vorgang des normalen Alterns durch den Zellverlust in dorsomedialen Anteilen der SNc gekennzeichnet ist37,38. Ein anderer Aspekt, der das vorzeitige Altern als alleinige Ursache ausschließt, ist, dass die Zahl der Neuerkrankungen zwischen dem 60. und dem 80. Lebensjahr stetig ansteigt, danach aber wieder absinkt.

Andere Faktoren, die bei der multifaktoriellen Pathogenese des MP eine Rolle spielen, sind eine genetische Veranlagung, Umwelteinflüsse, der Kontakt mit bestimmten Toxinen und verschiedene metabolische Störungen.

In den letzten Jahren sind mehrere Genorte (PARK1-15) bzw. Gene identifiziert worden, die bei der Entstehung des familiären Morbus Parkinson beteiligt sind (Gasser, Brockmann 2010). Mutationen, wie beispielsweise die Punktmutationen A53T und A30P (Austausch von Alanin gegen Threonin an Stelle 53 bzw. gegen Prolin an Stelle 30) im SNCA-Gen (PARK1), welches für das α-Synuklein codiert, sind ursächlich für die vererbten Formen des Morbus Parkinson. Bei α-Synuklein handelt es sich um ein präsynaptisches Protein, dessen physiologische Funktion laut mehrerer Studien39-41 in einer Beteiligung an der synaptischen Plastizität dopaminerger Neurone, der Dopamin Biosynthese und dem Recycling synaptischer Vesikel liegen könnte. Seine genaue Funktion ist allerdings noch nicht geklärt. α-Synuklein liegt in nativem Zustand ungefaltet und ohne definierte Sekundärstruktur vor42. Erst durch Bindung an die synaptischen Vesikel nimmt es eine α-helikale Sekundärstruktur an43,44. In hohen Konzentrationen tendiert es zur Bildung von Oligomeren mit β-Faltblattstruktur, sogenannten Protofibrillen. Diese wiederum können sich aneinanderlagern und machen so einen Hauptbestandteil der für Morbus Parkinson typischen Lewy Bodies aus. Die Punktmutationen A53T und A30P im SNCA-Gen erhöhen die Neigung des Proteins zur Bildung von Protofibrillen45,46 (siehe Abb. 4).

10 LITERATURÜBERSICHT

Abb. 4 Pathogenese des erblich bedingten Morbus Parkinson

Punktmutationen in dem für α-Synuklein codierenden SNCA-Gen und die daraus resultierende Ablagerung von Amyloid in Form von Lewy Bodies bei der erblichen Form des Morbus Parkinson

(Conway et al, Nat Med 1998; Conway et al, PNAS 2000; Conway and Landsbury, Nat Cell Biol 2001)

Insgesamt sind ca. 5-10 % der gesamten Parkinson-Erkrankungen in die Gruppe des familiären Morbus Parkinson einzuordnen47.

Auch Umwelteinflüsse und die Exposition gegenüber bestimmten Toxinen werden als Ursache für ein erhöhtes Risiko einer Parkinson-Erkrankung angenommen. 1982 kam es durch einen Drogenunfall mit dem Neurotoxin MPTP (1-methyl-4-phenyl-1, 2, 3, 6-tetrahydropyridine) zur Ausprägung eines schweren Parkinson-Syndroms bei den Konsumenten. Mittlerweile wurden unterschiedliche Studien zur Erkrankungshäufigkeit in Verbindung mit der Exposition gegenüber verschiedenen Umweltgiften wie Kohlenmonoxid und Mangan oder Toxinen, die beispielsweise in Holzschutzmitteln oder Pestiziden enthalten sind, durchgeführt48. Dennoch ist auch hier davon auszugehen, dass es sich nicht um die alleinige Ursache des MP handelt, da Personenkreise existieren, die diesen Stoffen ausgesetzt sind, aber nicht vermehrt an MP erkranken48. Neuere Studien deuten auf einen

LITERATURÜBERSICHT 11

Zusammenhang zwischen Umwelteinflüssen wie beispielsweise der Exposition gegenüber bestimmten Toxinen und der genetischen Prädisposition hin49.

Einen weiteren Faktor, der das multifaktorielle Geschehen um MP ergänzt, bilden metabolische Störungen, wie zum Beispiel gestörte Entgiftungsmechanismen, die zur verstärkten Bildung freier Radikale führen und so vermehrt oxidativen Stress auslösen. Sie können die Lipide der Zellmembran oxidieren (Lipidperoxidation). Es kommt zur Schädigung der Zellwand und einem damit verbundenen Kalzium-Strom in die Zelle50. Schließlich geht die Zelle daran zugrunde51.

Zusätzlich zur Erhöhung der Lipidperoxidation zeigen sich eine Verringerung der Antioxidantien und eine erhöhte Produktion freien Eisens (Fe2+, Fe3+), welches ebenfalls zur verstärkten Oxidation von Lipiden und Proteinen beiträgt. Auch dem Dopaminstoffwechsel wird eine Rolle bei der Produktion und dem Anstieg freier Radikale zugeschrieben. Hierbei wird Dopamin durch eine erhöhte Aktivität der Monoaminooxidase B im Striatum oxidiert.

Dabei wird vermehrt H2O2 gebildet, welches durch die Anwesenheit von Eisen oder freien Superoxid-Radikalen zu freien toxischen Hydroxylradikalen reduziert wird. Durch einen erhöhten Dopaminstoffwechsel, wie er beispielsweise im fortschreitenden Alter festzustellen ist52, kommt es durch vermehrte Bildung von H2O2 zu einer Überlastung des Glutathionsystems, das für den Abbau des H2O2 zuständig ist. Ein Dopamin Mangel, wie er bei Morbus Parkinson der Fall ist, hat überdies einen kompensatorischen Anstieg des Dopamin Umsatzes zur Folge. Dadurch kommt es zusätzlich zu einer gesteigerten Bildung von H2O2, was zu einer weiteren Überlastung des Glutathionsystems führt53.

Auch mitochondriale Funktionsstörungen insbesondere eine geringere Aktivität im Komplex I der Atmungskette führen durch eine Veränderung des mitochondrialen Membranpotentials zum Untergang der dopaminergen Neurone und dadurch zur Ausbildung der durch einen Mangel an Dopamin verursachten Symptomtrias.

3.2.3 Klinik

Die Symptome des Morbus Parkinson können unterteilt werden in motorische und nicht-motorische Symptomgruppen.

Bei den motorischen Symptomen handelt es sich um die drei typischen Symptome wie Rigor, Tremor und Akinese. Häufig treten die Symptome zeitlich versetzt und mit einseitigem Beginn von Tremor und Rigor auf. Bei dem Tremor handelt es sich meist um einen Ruhetremor, der mit einem rhythmischen Zittern der Hand beginnt und auch oft als erstes motorisches Symptom registriert wird. Möglich sind aber auch ein Tremor des Kiefers oder des Kopfes. Ein permanent erhöhter Muskeltonus bezeichnet den Rigor und äußert sich durch eine gebückte Haltung, Ungeschicklichkeit und Muskelschmerzen. Die Akinese wird gekennzeichnet durch zunehmende Bewegungsarmut oder auch –starre, die im Verlauf des Morbus Parkinson zur Verlangsamung und Versteifung von Bewegungen führt. Dazu gehören

Bei den motorischen Symptomen handelt es sich um die drei typischen Symptome wie Rigor, Tremor und Akinese. Häufig treten die Symptome zeitlich versetzt und mit einseitigem Beginn von Tremor und Rigor auf. Bei dem Tremor handelt es sich meist um einen Ruhetremor, der mit einem rhythmischen Zittern der Hand beginnt und auch oft als erstes motorisches Symptom registriert wird. Möglich sind aber auch ein Tremor des Kiefers oder des Kopfes. Ein permanent erhöhter Muskeltonus bezeichnet den Rigor und äußert sich durch eine gebückte Haltung, Ungeschicklichkeit und Muskelschmerzen. Die Akinese wird gekennzeichnet durch zunehmende Bewegungsarmut oder auch –starre, die im Verlauf des Morbus Parkinson zur Verlangsamung und Versteifung von Bewegungen führt. Dazu gehören