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In den industrialisierten Ländern nimmt die Anzahl der erwachsenen Patienten, die einen Herzklappenersatz benötigen, stetig zu. Die Gründe hierfür sind verbesserte Behandlungsmethoden für Patienten mit kongenitalen Erkrankungen, sowie die stark erhöhte Lebenserwartung. Beides führt zu mehr älteren Patienten, die an erworbenen, degenerativen Herzklappenerkrankungen leiden. Diesen älteren Patienten werden als Implantate oft Bioprothesen empfohlen. Mit einer Haltbarkeitsdauer von maximal 15 Jahren erhalten die Patienten eine Lebensverlängerung mit guter Lebensqualität. Diese Vorteile für Patienten über 65 Jahren sind unbestreitbar.

Zu den gängigsten Bioprothesen zählen fixierte porcine Aortenklappen und aus porcinem Perikard hergestellte Herzklappenprothesen. In jungen Patienten, die hauptsächlich an kongenitalen Herzklappenerkrankungen leiden, degenerieren und verkalken biologische Implantate viel schneller als in älteren Patienten. Die Abstoßung klinisch eingesetzter Bioprothesen in jungen Patienten könnte in Zusammenhang stehen mit immunogenen Antigenen, die nicht vollständig entfernt oder inaktiviert wurden. Auch das Alter der Patienten, welches mit einem vorhandenen Wachstumspotential und somit eventuell höheren Kalziumwerten im Blut einhergeht, könnte eine entscheidende Rolle spielen. Das fixierte Gewebe schließt außerdem die Rebesiedelung mit autologen Zellen, sowie ein Wachstum der Implantate aus.

Die ideale Herzklappenprothese, welche keine Abstoßung oder Degeneration erfährt, die nicht thrombogen oder inflammatorisch ist, sowie die Fähigkeit besitzt, in jungen Patienten mitzuwachsen, ist noch nicht entwickelt. Es gibt allerdings vielversprechende Ansätze. Mittels Tissue Engineering ist es möglich, native Herzklappen, gewonnen aus verstorbenen Spendern, zu dezellularisieren und zusätzlich Prothesen vor deren Implantation mit patienteneigenen bzw. homologen Zellen zu rebesiedeln. Einerseits kann so die Antigenität reduziert werden und andererseits könnten die implantierten, funktionstüchtigen Zellen verschiedene

Rollen erfüllen, wie z.B. antithrombogene und stabilisierende Wirkung durch Produktion von Proteinen der Extrazellulären Matrix (ECM).

Praktisch alle vorklinischen Untersuchungen von Herzklappenimplantaten biologischen Ursprungs wurden in Schafen oder Schweinen durchgeführt, die jünger als ein Jahr waren. Dabei wurde nachgewiesen, dass die dezellularisierte ECM in vivo nach und nach mit autologen Zellen rebesiedelt wird. Man erhofft sich, dass die eingewanderten Zellen zusätzlich Matrixproteine, wie Kollagene und Elastin, produzieren, um so im natürlichen Umbauprozess auch die ECM durch autologe Proteine zu ersetzen. Dies würde eine lebenslange Haltbarkeit sowie potentielles Wachstum der Implantate gewährleisten. Wie sich solche dezellularisierte Herzklappenmatrices in älteren Patienten und somit in alten Organismen bezüglich einer Wiederbesiedelung in vivo verhalten, ist bis dato ungeklärt.

In dieser Arbeit wurde das Tissue Engineering, also das Herstellen von funktionellem Ersatzgewebe mittels Kombination einer biologischen Gerüstsubstanz und autologen Zellen genutzt, um Implantate für den Pulmonalklappenersatz zu generieren. Es wurden (1) dezellularisierte (n=6), (2) mit dem proangiogenen Protein CCN1 beschichtete dezellularisierte (n=6) und (3) reendothelialisierte (n=6) Allografts (Implantate speziesgleicher Herkunft) in 7 Jahre alte Schafe implantiert und nach Explantation mittels Histologie und Immunfluoreszenzfärbungen ausgewertet.

Für die histologische Auswertung wurden die Färbung mit Hämalaun und Eosin (HE), die Versilberung nach von Kossa und die Pentachromfärbung nach Movat angewendet. Während mittels Hämalaun und Eosin die Lokalisation und das Ausmaß der Rebesiedelung des Allografts mit neuen Zellen im Vordergrund stand, wurde die Versilberung nach von Kossa verwendet, um mögliche Mineralisierungen des Gewebes darzustellen, ein Indiz für eine immunologische Reaktion. Mittels der Pentachromfärbung nach Movat konnten Kollagen, Elastin und Glucosaminoglycane (GAGs) der ECM genau betrachtet werden, um die Integrität und Veränderungen der ECM untersuchen zu können. Hierfür wurden zusätzlich Immunfluoreszenzfärbungen gegen die Kollagene von Typ I und Typ IV verwendet. Um die Identität der eingewanderten Zellen zu definieren, wurde gegen Marker von Endothelzellen (von Willebrand Faktor = vWF, endotheliale Stickstoffmonoxidsynthase = eNOS), von

interstitiellen Zellen der Herzklappe, wie z.B. Vimentin, Smooth muscle actin (sm α-actin), Smooth muscle myosin heavy chain 11 (MYH11) und von Entzündungszellen mit CD45 gefärbt. Als Marker für die Produktion von Kollagen in den neu eingewanderten Zellen und somit auch für die Vitalität der Zellen im Implantat wurde Prokollagen Typ 1 genutzt, was sich innerhalb der Zellen befindet.

Im Vordergrund der vorliegenden Arbeit standen folgende Fragestellungen:

1. Findet eine Rebesiedelung mit autologen Zellen in den drei unterschiedlich behandelten Implantaten nach einer Verweildauer von 6 bzw. 12 Monaten statt? Welche Zellen sind daran beteiligt und wie sind diese in den Implantaten verteilt?

2. Lassen sich Vorteile erkennen in Funktion und Rebesiedelung der reendothelialisierten und CCN1-beschichteten Implantate in Vergleich zu den einfacher herzustellenden dezellularisierten Allografts?

3. Ist es gelungen, mittels Tissue Engineering ein immunogenes, nicht-thrombogenes Implantat herzustellen, welches den dezellularisierten allogenen Implantaten überlegen ist?

4. Ist die Rebesiedelung der Implantatmatrix durch autologe Zellen und somit das Regenerationsvermögen im Schaf fortgeschrittenen Alters vergleichbar mit publizierten Ergebnissen von vergleichbaren Versuchen an jungen Tieren?

2. Literaturübersicht  

2.1 Klinische Relevanz

Herzklappenerkrankungen spielen in Deutschland eine bedeutende Rolle. Im Jahr 2010 wurden 25.127 Operationen an Herzklappen durchgeführt1. Am häufigsten war die Aortenklappe betroffen, dicht gefolgt von der Mitralklappe. Allerdings konnten mehr als die Hälfte der zu operierenden Mitralklappen durch eine Rekonstruktion erhalten werden. Bei den Aortenklappen konnten weniger als 10% auf diese Weise korrigiert werden. Insgesamt wurden im Jahr 2010 11.582 Implantate für einen Aortenklappenersatz benötigt1. Der Bedarf nach dem idealen Implantat besteht also nach wie vor.

Den Jahresberichten der Herz-, Thorax- und Transplantationschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover ist zu entnehmen, dass die Anzahl älterer Patienten (>60 Jahre), die sich einem herzklappenchirurgischen Eingriff unterziehen mussten, allein von 2008 bis 2011 um mindestens 10% gestiegen ist2,3. 2011 wurden 77% der Herzklappenoperationen an Patienten >60 Jahren durchgeführt3. Durch die gestiegene Lebenserwartung steigt die Anzahl der geriatrischen Patienten mit degenerativen Herzklappenerkrankungen. Während bei Kindern kongenitale Herzklappenfehler im Vordergrund stehen, sind bei Erwachsenen die degenerativen Veränderungen ausschlaggebend. Die bessere medizinische Versorgung bewirkt, dass Patienten mit kongenitalen Herzklappenerkrankungen ein hohes Alter erreichen, so dass die Anzahl der Erwachsenen mit angeborenen Herzklappenerkrankungen kontinuierlich zunimmt. Es wird erwartet, dass die Zahl der Erwachsenen mit kongenitalen Herzerkrankungen die Anzahl der jungen Patienten übersteigen wird4.  Diese Patienten benötigen lebenslange medizinische Betreuung und eventuell Nachoperationen, um eingesetzte Implantate mit Funktionsverlust zu ersetzen5.

Bei der Auswahl des richtigen Implantats muss das Alter der Patienten berücksichtigt werden. Bei Patienten über 65 Jahren wird eine Bioprothese empfohlen, da diese