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1. Einleitung

Die Art und Weise des Lehrens und Lernens kann niemals kontextfrei betrachtet werden, sondern muss vielmehr als Element und Ausdruck diverser Rahmenbedingungen oder Handlungsorientierungen verstanden werden. Zeit und Raum nehmen dabei ebenso Einfluss wie die Strukturkategorien Alter, Geschlecht, soziale Herkunft oder auch der fachkulturelle Bezug des Lehr-/Lerngegenstands oder -ziels (und es könnten noch viele weitere Einflussfaktoren genannt werden). So kursieren verschiedene Vorstellungen davon, wie beispielsweise in einem rechtswissenschaftlichen und im Vergleich dazu in einem erziehungswissenschaftlichen Studium gelehrt und gelernt wird: „Juristen pauken (I) die seit Jahren unveränderten Skripte, während Pädagogen sich diskutierend im Kreis drehen und nebenbei die Welt verbessern“ (Wunderlich 2014, S. 9). Solche fachkulturellen Klischees haben sich über Jahrzehnte verfestigt und prägen die Bilder von akademischen Feldern.

Nicht selten steckt in ihnen ein wahrer Kern, der jedoch durch Missverständnisse, fehlenden tieferen Einblick oder imaginierte Ergänzungen nebulös bleibt. In den letzten Jahrzehnten entstanden daher diverse wissenschaftliche Abhandlungen und Untersuchungen, die mit einem fachkulturspezifischen Blick verschiedene Aspekte des Studierens und Dozierens an Hochschulen beleuchtet haben (z.B. Frank 1990; Engler 1993; Schaeper 1997; Krais 1999;

Jetzkowitz et al. 2004; Multrus 2005; Selent und Wiemer 2011). Dabei arbeiten die meisten Untersuchungen mit der theoretischen Folie Pierre Bourdieus, um die habituellen Strukturen der den Fächern angehörigen Personen herauszuarbeiten. Diese teilen trotz ihrer Individualität ähnliche Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungslogiken, die das Lehren und Lernen prägen. Jedoch wird der theoretische und empirische Blick eher auf Motivationen, Einstellungen, Lebens- und Studien-/bzw. Berufsbedingungen oder -verläufe gerichtet, als auf das eigentliche Bildungssetting und die darin stattfindenden Modi des Lehrens und Lernens.

Mit Blick auf die wissenschaftliche Weiterbildung (wWB) wird jene empirische Leerstelle noch deutlicher, obwohl dieser Bereich spätestens seit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes von 1998 als Kernaufgabe von Hochschulen bestimmt wurde und mit dem Aufkommen diverser Förderprogramme bis heute an Bedeutung gewinnt. Die Öffnung für sogenannte nicht-traditionelle Studierende, mit der sich Hochschulen zum lebenslaufzentrierten Weiterbildungsanbieter entwickeln können, stellt Klischees wie das oben genannte noch stärker in Frage, treffen in der wWB doch ganz heterogene Teilnehmende zusammen, die bereits Berufserfahrungen und i.d.R. einen ersten hochschulischen Abschluss vorweisen können. Sie bringen ihre ganz eigenen Vorstellungen und Erwartungen mit und prägen oftmals das Lehr-/Lerngeschehen als bereits erfahrene Expertinnen und Experten.

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An dieser empirischen Leerstelle anknüpfend, verfolgt die vorliegende Studie das Ziel, die Gestaltung des Lehrens und Lernens in der wWB anhand von drei Fallbeispielen zu untersuchen und diese in ihren fachspezifischen Formbildungen als differenzierbare Lehr- und Lernkulturen zu bestimmen. Mit Blick auf das zugrunde gelegte explorative, hermeneutische Erkenntnisinteresse wurde ein qualitativ angelegtes Forschungsdesign entwickelt, in dessen Fokus die Analyse der in den ausgewählten Fällen zum Tragen kommenden Handlungsorientierungen steht. Drei Weiterbildungsstudiengänge bilden zusammen das Sample, welches einen Einblick in das rechtswissenschaftliche, erziehungswissenschaftliche und betriebswirtschaftswissenschaftliche Lehren und Lernen in der wWB ermöglicht. Hinsichtlich des Samples und des Forschungsdesigns handelt es sich also um eine erkundende Annäherung an das Erkenntnisinteresse.

Der vorliegende Forschungsbericht steigt mit einem theoretischen Aufriss in das Thema ein, indem zunächst die Charakteristika des Lehrens und Lernens in der wWB beschrieben werden (Kap. 2). Diese stehen in einem engen Zusammenhang mit der Öffnung der Hochschulen für sogenannte nicht-traditionelle Studierende, die i.d.R. bereits über einen ersten Hochschulabschluss sowie Berufserfahrung verfügen. Die entsprechende Heterogenität und Expertise sowie die Berufs- und/oder Familienverpflichtungen der Studierenden verlangen nach einer verstärkten Serviceorientierung sowie einer flexiblen Lehr-/Lerngestaltung, z.B. durch den Einsatz von Online Lehr-/Lernanteilen. Die diesbezüglichen Ausführungen sind für die Studie insofern interessant, als dass einer der ausgesuchten Fälle mit besonderen E-Learning-Anteilen arbeitet. Daran anschließend wird der Begriff der Fachkultur als Element und Ausdruck des Lehrens und Lernens in der wWB beleuchtet (Kap. 3). Auf Grundlage einer historischen Annäherung an den inzwischen inflationär gebrauchten Kulturbegriff wird dieser auf die Begriffskonglomerate Fachkultur sowie Lehr-/Lernkultur zugespitzt, sodass deren konzeptionelle Bedeutung für das Forschungsvorhaben verdeutlicht werden kann. Im Anschluss beschreibt das Kap. 4 das Forschungsvorhaben und das Forschungsdesign und läutet damit den empirischen Teil des vorliegenden Berichts ein. Dieser gliedert sich dann in zwei Kapitel auf, die die empirischen Ergebnisse fallbezogen darstellen. Das Kap. 5 umfasst die Lehr-/Lernkulturanalyse in zwei weiterbildenden Präsenzstudiengängen, während das Kap. 6 die Lehr-/Lernkulturanalyse in einem weiterbildenden Studiengang mit Online-Lehr-/Lernanteilen enthält. Da der Studie ein multimethodisch angelegtes Forschungsdesign zugrunde liegt, werden in jedem der beiden Kapitel die konkrete Datengrundlage und das methodologisch-methodische Vorgehen beschrieben, bevor die Ergebnisdarstellung erfolgt. Die Ergebnisse werden in einem zusammenfassenden und ausblickenden Fazit zusammengetragen (Kap. 7).

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Die Studie „Fachspezifische Lehr-/Lernkulturanalysen“ ist Ergebnis des gleichnamigen Arbeitspakets des Verbundprojekts „WM³ Weiterbildung Mittelhessen“, welches durch den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgerufenen Bund-Länder-Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen“1 gefördert wird. Im Verbundprojekt haben sich die Justus-Liebig-Universität Gießen, die Philipps-Universität Marburg und die Technische Hochschule Mittelhessen in der zweiten Förderphase (2015-2017) mit dem Ziel zusammengeschlossen, durch Erforschung und Optimierung zentraler Gelingensfaktoren wWB zu einer nachhaltigen Stärkung derselben sowohl an den Verbundhochschulen als auch innerhalb der (regionalen) Netzwerke der Offenen Hochschulen und darüber hinaus beizutragen.2

1 Der Bund-Länder-Wettbewerb startete im Jahr 2008 mit dem Ziel Konzepte für berufsbegleitendes Studieren und lebenslanges, wissenschaftliches Lernen zu fördern und so die Bildungschancen für Berufstätige, Berufsrückkehrende und Personen mit Familienpflichten zu erhöhen. Weitere Informationen unter:

http://www.wettbewerb-offene-hochschulen-bmbf.de/bund-laender-wettbewerb-aufstieg-durch-bildung-offene-hochschulen (Letzter Zugriff: 14.06.2017).

2 Weitere Informationen zum Verbundprojekt WM³ Weiterbildung Mittelhessen finden Sie unter:

http://www.wmhoch3.de/ (Letzter Zugriff: 14.06.2017).

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2. Charakteristika des Lehrens und Lernens in der