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Charakteristika von (Studierenden) wissenschaftlicher Weiterbildung

2. Charakteristika des Lehrens und Lernens in der wissenschaftlichen

2.2 Charakteristika von (Studierenden) wissenschaftlicher Weiterbildung

Mit der wWB geht also eine neue Zielgruppenorientierung einher, die sich von derjenigen in der grundständigen Lehre eindeutig unterscheidet: „Mit der Entwicklung neuer berufsbegleitender Studiengänge und Zertifikatskurse öffnen die Hochschulen sich verstärkt

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‚nicht-traditionellen‘ Studierenden“ (Braun/Rumpf/Rundnagel 2014, S. 19).3 In der Literatur sind für diese nicht-traditionellen Studierenden spezifische Charakteristika formuliert, die nicht zum Bild der i.d.R. direkt im Anschluss an die Erlangung der regulären Zulassungsvoraussetzungen in Vollzeit Studierenden passen. Vielmehr sind Weiterbildungsstudierende äußerst heterogen, denn die Ausbildungs- und Berufserfahrungen, die eingebrachten Abschlüsse und Qualifikationen oder die unterschiedlichen Berufs- und Familienerfahrungen sind alles andere als einheitlich (vgl.

Hanft/Knust 2010, S. 49f.). Weiterbildungsstudierende weisen i.d.R. bereits einen akademischen Abschluss vor und blicken auf mindestens ein Jahr Berufserfahrung zurück.

So hat sich diese Zielgruppe längst Expertise in Theorie und Praxis angeeignet, teilweise jedoch in ganz unterschiedlichen Bereichen, sodass eben von sehr heterogenen Studierendengruppen gesprochen werden kann. Nicht selten kommen in den häufig interdisziplinär angelegten Angeboten Studierende aus zwei oder mehreren eigenständigen Berufsfeldern zusammen, die keine oder wenig Berührung miteinander haben. Je nach fachlicher Schwerpunktsetzung des Angebots kann es vorkommen, dass bereits Facherfahrene auf Fachdebütierende treffen, welche wiederum ganz eigene Expertisen und eventuell neue Sicht- und Interpretationsweisen miteinbringen. Darüber hinaus sind viele Weiterbildungsstudierende mit Mehrfachbelastungen konfrontiert, sodass die zeitlichen Ressourcen für eine wWB begrenzt sind. So sind viele Teilnehmende neben der Weiterbildung berufstätig, laut Weiland (2006) sind sogar 70% der Weiterbildungs-studierenden in Deutschland Vollzeit beschäftigt (vgl. ebd., S. 113). Außerdem sind 57% der Weiterbildungsstudierenden verheiratet oder leben in Partnerschaften und 15% haben Kinder unter 18 Jahren (vgl. ebd., S. 109).

Das Primat der Vollkostenfinanzierung4 sieht eine Finanzierung der wWB über die Teilnehmerentgelte vor, sodass entweder die Weiterbildungsstudierenden selbst oder deren Arbeitgebenden oder bspw. Stiftungen die Weiterbildungskosten tragen. Dies führt zu einem Qualitätsanspruch, der sich auf die inhaltliche sowie organisatorische Dimension wWB auswirkt.

Insofern sollen die Rahmenbedingungen eines Studiums insbesondere die Vereinbarkeit der Berufs-, Weiterbildungs- und Privatverpflichtungen der Teilnehmenden ermöglichen, also die

3 Ulrich Teichler und Andrä Wolter (2004) definieren nicht-traditionell Studierende als Studierende, die „nicht auf dem geraden Weg bzw. in der vorherrschenden zeitlichen Sequenz und Dauer zur Hochschule gekommen sind;

nicht die regulären schulischen Voraussetzungen für den Hochschulzugang erfüllen; und solche, die nicht in der üblichen Form des Vollzeit- und Präsenzstudiums studieren (sondern als Teilzeit-, Abend- und Fernstudierende)“

(S. 72).

4 Viele Hochschullandesgesetze schreiben für die wWB eine Finanzierung vor, die über die Teilnehmerentgelte zu regeln ist. Im Hessischen Hochschulgesetz (HHG) regelt dies der §16, Abs. 3, (Gültig seit 01.01.2010).

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knappen zeitlichen Ressourcen schonen.5 Dies kann zum Beispiel durch flexible Lösungsstrategien bei zeitlichen Problemen oder durch die Bereitstellung zeitlich und räumlich abgekoppelter Lehr-/Lernsettings erfolgen (vgl. Wolf 2011, S. 241). Daneben fordern Weiterbildungsstudierende auch bedürfnisorientiert gestaltete Studienberatungs- und Studienbetreuungsangebote ein. Die Hochschulen müssen also, wenn sie für nicht-traditionelle Studierende attraktiv sein wollen, eine besondere Serviceorientierung vorweisen (vgl. Müskens/Lübben 2015, S. 125). Hier kommt den Studiengangkoordinationen eine tragende Rolle zu, die in der wWB ein wichtiger Kontakt für die Studierenden sind. Sie sind i.d.R. von der Angebotsentwicklung bis hin zur Durchführung einzelner Lehrveranstaltungen eingebunden und stehen als Ansprechpartnerinnen und -partner bei Fragen und Problemen sowie als Schnittstelle zwischen Studierenden, Lehrenden und der Verwaltung bereit (vgl.

Bardachzi 2010, S. 202).6 Beispielsweise spielen in der Präsenzlehre die atmosphärischen Rahmenbedingungen, in denen die Lehre und das Lernen stattfinden, eine große Rolle. In räumlicher und versorgungstechnischer Hinsicht fordern die Teilnehmenden einen Service ein, der ihnen ermöglicht, das Lernen in den Fokus zu stellen. Dies kann in unterschiedlicher Ausprägung eine großzügige und moderne Raumausstattung, die Bereitstellung der benötigten und weiterführenden Lernmaterialien und/oder die leibliche Versorgung bis hin zu entsprechenden Übernachtungsmöglichkeiten betreffen.

Auch auf inhaltlicher Ebene wirken sich die Vollkostenfinanzierung und die Charakteristika der Weiterbildungsstudierenden aus. Mit der Öffnung für berufserfahrene Zielgruppen kann die wWB nicht mehr länger auf eine reine Angebotsorientierung setzen, die einer

„wissenschaftsimmanenten disziplinären Logik“ (Seitter 2014, S. 143) folgt. Vielmehr müssen die Angebotsentwicklung, -planung und -durchführung nachfrageorientiert gestaltet werden, sodass der „anwendungsorientierte Nutzen“ (Wilkesmann 2007, S. 5) für die Berufspraxis im Fokus steht. Durch die nicht-traditionellen Studierenden verändern sich also auch die Lehr- und Lernbedingungen und -anforderungen für und an die Hochschullehrenden, die sich neuen inhaltlichen und didaktischen Herausforderungen stellen müssen. Beispielsweise

„haben die Teilnehmenden aufgrund ihres beruflichen Hintergrunds bestimmte Erwartungshaltungen mit Blick auf die Vermittlung von schnell verwertbarem Wissen“

(Dick/Dippelhofer-Stiem 2010, S. 8). Bezüglich der Lehrenden erwarten die Studierenden wissenschaftlicher Weiterbildungsangebote „autonome und diskursive Formen des Studierens“ (ebd., S. 8), die eine Anerkennung und Einbindung ihrer Expertisen und Erfahrungen vorsehen. So muss „mit Blick auf Studieninhalte, sich deren Sinn und Nutzen

5 Hier sei auf die aktuelle Studie „Individuumsbezogene Zeitbudgetstudie“ verwiesen, welche von Anika Denninger, Ramona Kahl, Sara Präßler und Anja Döring im Rahmen des Verbundprojekts „WM³ Weiterbildung Mittelhessen“ durchgeführt wird (Veröffentlichung zum 30.09.2017 unter: www.wmhoch3.de).

6 Hier sei auf die aktuelle Studie „Aufgabenfelder von Studiengangkoordinationen“ verwiesen, welche von Heike Rundnagel und Laura Gronert im Verbundprojekt „WM³ Weiterbildung Mittelhessen“ durchgeführt wird (Veröffentlichung zum 30.09.2017 unter: www.wmhoch3.de).

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für die (weitere) Berufstätigkeit unmittelbar erschließen“ (Braun/Rumpf/Rundnagel 2014, S. 19). Diese Faktoren sind u.a. bei der Gestaltung von Lehr- und Lernangeboten der wWB zu berücksichtigen: So „müssen [die Lehrenden] nicht nur ein sich zunehmend schneller wandelndes Fachwissen beherrschen, sondern auch besondere didaktische Fähigkeiten entwickeln, die den Anforderungen und Bedürfnissen ihrer akademisch gebildeten und zumeist auch berufserfahrenen Studierendenschaft entsprechen“ (Rumpf/Hartung 2015, S. 15). Hinzu kommt die Interdisziplinarität der Studierendengruppen, wodurch die Dozierenden aufgefordert sind, Lehr- und Lernsettings zu schaffen, die es ermöglichen, einen Wissens- und Erkenntnisgewinn für alle Niveaustufen zu generieren. Dabei muss dies nicht immer lehrendenzentriert ablaufen, vielmehr sollten lernendenzentrierte Modi entwickelt werden, in denen die Studierenden auch als Expertinnen und Experten im Sinne einer kollegialen Beratung und Wissensvermittlung auftreten können. Dieser Zuspruch eines Expertenstatus an die Teilnehmenden als wichtiges Element in der wWB kann nicht nur auf inhaltlicher Ebene erfolgen, indem planvoll nach ihren Erfahrungen und Expertisen gefragt wird, sondern auch auf organisatorischer Ebene. Sie können z.B. phasenweise mitentscheiden, in welchen Personenkonstellationen und mit welchen Instrumentarien sie lernen. Auch kann der Expertenstatus durch eine gezielte berufsbezogene Ergänzung bei der persönlichen Ansprache deutlich gemacht werden („Herr Dr. X, wie sehen Sie das?“), sodass die Studierenden als Expertinnen und Experten des jeweiligen Berufsstandes gekennzeichnet werden – und zwar über den gesamten Veranstaltungszeitraum hinweg.

Hier wird deutlich, dass sich Dozierende und Studierende in der wWB ein Stück weit auf Augenhöhe begegnen können. Die Lehrenden nehmen daher neben der Rolle des Wissensvermittlers/der Wissensvermittlerin auch verstärkt die Rolle des/der kompetenzorientierten Lernberaters/-beraterin und Lernbegleiters/-begleiterin ein.

Entsprechend benötigen auch Lehrende der wWB passgenaue hochschuldidaktische Weiterbildungsangebote.7