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2 Stand der Forschung und Theorie

2.2 Zum Verhältnis von Soziologie und Geschichtswissenschaft

2.2.1 Eine Einordnung von Soziologie und Geschichtswissenschaft

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Die Soziologie darf hier als den Sozialwissenschaften zugehörig angesehen werden. Kocka widmet sich zunächst den fundamentalen Unterschieden im Selbstverständnis beider Disziplinen, die gerade im 19. Jahrhundert kultiviert und bis zur Mitte des 20. Jahrhundert vielerorts dogmatisch betont wurden.

Bevor auf die weitere Entwicklung der Trennung dieser Disziplinen ausführlicher eingegangen wird, soll zunächst eine Einordnung beider Fächer aus soziologischer Sicht erfolgen. So ging Mario Rainer Lepsius (1982, S. 122) davon aus, dass sich Sozialwissenschaftler/-innen in der Regel mit Phänomenen der Gegenwart beschäftigen, während Historiker/-innen ihren Fokus auf Zeiträume richten, die sich außerhalb des zeitgenössischen Erfahrungsraums bewegen. Er bemerkte hierzu Folgendes:

Historiker haben insofern eine Sonderqualifikation gegenüber den Soziologen: sie vermögen Kulturen und Institutionen zu analysieren, die vergangen sind. Wo nun dieser Übergang liegt von der Gegenwart zur Vergangenheit oder – mit anderen Worten – von wann an eine die Zeit-genossenschaft übersteigende Sonderqualifikation erforderlich wird zur Analyse von sozialen Phänomenen, ist nicht schematisch angebbar. Ganz evident ist der Übergang markiert, wenn et-wa besondere Sprachkenntnisse erforderlich sind, Institutionen bestehen, die keine gegenwärti-ge Entsprechung mehr haben oder der für die verhaltensprägegenwärti-gende Deutung der Situation in An-spruch genommene Wertbezug inhaltlich nicht aus gegenwärtigen Deutungsmustern ableitbar ist. (Lepsius 1982, S. 122)

Hier wird ein wichtiger Aspekt betont: Selbst in dem Fall, dass Soziologie und Geschichtswissen-schaft ein und denselben Gegenstand über denselben Zeitraum erforschen würden, müsste von un-terschiedlichen Logiken ausgegangen werden. Historiker/-innen würden sich neben der Analyse von Daten auch die Frage nach dem kulturellen und institutionellen Rahmen stellen, in dem die zu erforschenden Daten bzw. Quellen entstanden seien (Lepsius 1982, S. 122). Trotzdem oder gerade deshalb sei die Kombination beider Fächer in bestimmten Situationen alternativlos:

Historisch orientierte Sozialforschung, etwa des Wählerverhaltens über hundert Jahre, ist nur möglich, wenn die qualitativen Änderungen von Rahmenbedingungen für dieses Verhalten als kontrolliert gelten können. Gerade diese wird aber von den Sozialwissenschaftlern nicht geprüft werden können ohne die Mitarbeit von Historikern. Viele Schwächen soziologischer Analysen von Wandlungsprozessen liegen gerade darin begründet, daß diese Rahmenbedingungen als kontrolliert, d.h. in der Regel als konstant angesehen werden, obwohl dies überaus fragwürdig ist. (Lepsius 1982, S. 123)

Er sieht in diesem Kontext die „Analyse von Kultur- und Institutionenbeständen vergangener Perio-den“ als die Konsequenz historischen Erkenntnisinteresses an. Demnach unterscheiden sich ihm zufolge geschichtswissenschaftliche Fragestellungen häufig nicht signifikant von soziologischen (Lepsius 1982, S. 123). Auch Burke (1989, S. 9) nimmt einen ähnlichen Blickwinkel ein und be-tont, dass sich Geschichtswissenschaft und Soziologie gegenseitig befruchten und somit der Gefahr

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vorbeugen könnten, ein Problem aus einem verengten Blickwinkel heraus zu betrachten. Er kriti-siert, dass viele Soziolog(inn)en und Historiker/-innen die jeweils andere Disziplin nicht als berei-chernd empfänden, sondern sie eher belächeln würden:

Soziologen scheinen die Geschichtswissenschaft so zu betrachten, als befinde sie sich immer noch in der von Ranke geprägten Epoche, in der es nur darum ging, zu erzählen, „wie es eigent-lich gewesen ist“. Historiker sehen dagegen die Soziologie oft so, als sei die von Comte be-herrschte Phase noch nicht vorbei, in der großartige Verallgemeinerungen ohne empirische For-schung im Vordergrund standen. Beide Fachgebiete haben jedoch seit der Mitte des 19. Jahr-hunderts große Veränderungen durchgemacht. (Burke 1989, S. 11)

Dieses Zitat wurde zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, an dem sich Soziologie und Geschichtswis-senschaft ein Stück weit voneinander entfremdet hatten. Dies war jedoch nicht immer so. In den 1960er- und 1970er-Jahren sei in beiden Fächern der Wunsch nach einer engeren Zusammenarbeit gereift (Kocka 2000, S. 7). Viele Historiker/-innen waren der Meinung, dass die althergebrachte Herangehensweise nicht mehr genüge, um moderne Phänomene zu verstehen und zu analysieren.

Historiker/-innen lernten nach und nach, sich nicht mehr vornehmlich auf die „Rekonstruktion von Motiven, Handlungen und Ereignissen“, sondern vielmehr auf die „Analyse anonymer Prozesse und Strukturen langfristigen Wandels“ zu konzentrieren (Kocka 2000, S. 7). Die Wirtschafts- und Sozi-algeschichte wurden bspw. als Disziplinen zu einem anerkannten Faktor für das Verständnis histori-scher Ereignisse. In der Folge wandten sich einige Historiker/-innen sozialwissenschaftlichen Me-thoden zu und fingen u.a. an, Quellen auf ihre quantitativen Daten zu befragen, so z.B. Heiratsregis-ter und SteuerunHeiratsregis-terlagen (Kocka 2000, S. 7). Trotzdem dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei der Kollaboration von Geschichtswissenschaft und Sozialwissenschaften immer um ein „Minderheitenphänomen“ gehandelt habe. Es sei jedoch von einer nicht zu unterschätzenden Wichtigkeit, dass der Grenzübertritt stattgefunden habe (Kocka 2000, S. 9). Wie das Miteinander von Geschichtswissenschaft und Soziologie ausgesehen hat und teilweise heute auch noch aussieht, soll nachfolgend an den Beispielen der Sozialgeschichte und der Historischen Soziologie erläutert werden.

Sozialgeschichte

Mitte des 20. Jahrhunderts fingen Soziolog(inn)en an, auch historische Dokumente soziologisch zu untersuchen. Diese Entwicklung konnte vor allem in den USA beobachtet werden (Burke 1989, S. 32). Auch Historiker/-innen wandten sich nun öfter der Soziologie zu und forschten unter dem Stichwort der Sozialgeschichte:

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Um in einer Zeit schnellen sozialen Wandels eine Orientierung zu finden, haben es einige Leute für nützlich gehalten, sich näher mit der Vergangenheit zu beschäftigen – und zwar mit der so-zialen Vergangenheit. (Burke 1989, S. 33)

Zuvor hätten vor allem die politische Geschichte und die Wirtschaftsgeschichte im Zentrum des Interesses gestanden. Um eben jenen beschriebenen Wandel besser begreifen und erforschen zu können, hätten sich einige Historiker/-innen Methoden aus der Soziologie angeeignet (Burke 1989, S. 33 f.). Der Historiker Dieter Langewiesche definiert das Erkenntnisinteresse der Sozialgeschichte in den 1960er-Jahren wie folgt:

Nicht der auf eine kurze Zeit verdichtete Veränderungsschub, sondern dessen langfristige Fol-gen stehen im Mittelpunkt des Interesses. Denn jede Geschichtsschreibung privilegiert die Su-che nach Kontinuitäten. Ihnen wird zwar Wandel zugeschrieben, doch selbst die Frage nach Zä-suren gewinnt ihre Bedeutung aus der Perspektive langer Dauer. (Langewiesche 2006, S. 68) Bei der Frage nach diesen Kontinuitäten und Zäsuren müsse stets beachtet werden, dass die Per-spektive auf Ereignisse nicht starr sei. Geschichte unterliegt Langewiesche (2006, S. 69) zufolge stets einer „retrospektive[n] Veränderung“. Dies bedeutet, dass ein historisches Ereignis aus einem bestimmten Blickwinkel anders interpretiert und gedeutet werden kann als aus einem anderen tem-poralen Blickwinkel, oder wie Langewiesche es nennt: „zeitlich differierende[...] Sehpunkte bei der Betrachtung der Vergangenheit“ (Langewiesche 2006, S. 69). Um es vereinfacht zu formulieren, könnte man also sagen, dass der jeweilige Forschungszeitpunkt in der Geschichtswissenschaft ein wichtiger Faktor ist, da Zeit, wie bereits in der Einleitung hinsichtlich der Causa Oettinger-Filbinger beschrieben, „die Wahrnehmung von Geschichte verändert“ (Langewiesche 2006, S. 69). Mit der Etablierung der Sozialgeschichte innerhalb der Geschichtswissenschaft sei deutlich geworden, dass

„Erfahrungen mittelfristiger Dauer“ für eine Sozialgeschichte, „die sich als sozialwissenschaftlich angeleitete Strukturgeschichte versteht“, am zugänglichsten seien (Langewiesche 2006, S. 70).

Hierbei unterscheide sich die Sozialgeschichte insofern von der bislang üblichen Geschichtsschrei-bung, dass „nicht ein einmaliger Akt, sondern ein stetiger Prozess akkumulierender Wiederholung“

im Fokus gestanden hätte (Langewiesche 2006, S. 70). Zu den angesprochenen Wiederholungen bemerkt Langewiesche:

Hier ist der Ort generationenspezifischer Erfahrungen. Sie wurzeln in Prozessen mittelfristiger Dauer, die viele Menschen in ähnlicher Weise erleben. Dies ist gemeint, wenn man von Zeit-geist spricht, eine schwer zu fassende, aber wirkmächtige Größe. Solche Erfahrungen werden individuell gemacht, aber kollektiv ähnlich. (Langewiesche 2006, S. 70)

Diese Analyse mittelfristiger Ereignisse führe die Sozialgeschichte zu ihrem wohl größten Potenzi-al, demzufolge diese Prozesse und Muster auf eine lange Dauer zu analysieren seien, wodurch die Möglichkeit bestehe, bislang vertraute Geschichtsauffassungen neu zu diskutieren (Langewiesche

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2006, S. 70). Geschichte könne also umgeschrieben werden. Dies bedeute, dass sich die Ge-schichtswissenschaft nicht mehr nur auf die Erfahrungen von Zeitzeugen bzw. auf die von Zeitge-nossen verfassten Berichte, verlassen müsse, sondern auch durch zeitliche Distanz zum untersuch-ten Ereignis neue Erkenntnisse generieren könne (Langewiesche 2006, S. 71). „Umschreiben“ mei-ne in diesem Fall jedoch nicht eimei-nen vollständigen Bruch mit bisher Dagewesemei-nem, ebenso wenig bedeute es einen Geschichtsrevisionismus (Langewiesche 2006, S. 71). Vielmehr gehe es darum,

„in der Wissenschaft und in der Gesellschaft Geschichtsdeutungen zur Geltung zu bringen, die in früheren Zeiten nur bei Außenseitern Zustimmung gefunden hatten“ (Langewiesche 2006, S. 71).

Zu beachten ist, dass es sich hierbei um die Frage eines wissenschaftlich begründeten Umschreibens der Geschichte handelt. Möglich machen kann man dies, indem man, wie in der Sozialgeschichte geschehen, althergebrachte Forschungsmeinungen und -ansätze hinterfragt und verschiedene Dis-ziplinen in einen produktiven Einklang miteinander bringt.

Historische Soziologie

Bereits Theodor Adorno hat eine mangelnde Historizität innerhalb der Soziologie kritisiert. Man müsse verstehen, dass auch die Gegenwart veränderlich sei, und könne dies nur, wenn man ihr Ge-wordensein nicht aus dem Blickfeld verliere (Deißler 2013, S. 138). Norbert Elias befürwortete die-se Argumentation. Er bemängelte, dass zu viele Theoriegebilde eine Universalität ihrer Gültigkeit postulieren würden (Deißler 2013, S. 139). Man dürfe Theoreme nicht nur gegenwartsgebunden betrachten. Vielmehr sei es nötig, Prozesstheorien zu erstellen, die den Wandel der Gesellschaft in den Fokus nähmen, statt sich von diesem abzugrenzen (Deißler 2013, S. 139). In eine ähnliche Richtung denkend, entstand im anglosächsischen Raum in den 1950er- und 1960er-Jahren die sog.

Historical Sociology (Deißler 2013, S. 139). Der Soziologe Stefan Deißler beschreibt den Zusam-menhang der Historical Sociology mit der Geschichtswissenschaft wie folgt:

Thematisch eint sie die Fokussierung auf historische makroskopische Transformationsprozesse, zu denen beispielsweise die Industrialisierung, die ‚großen Revolutionen‘ oder die Entstehung moderner Staaten zählen; methodische Gemeinsamkeit ist die Beschränkung der Untersuchung auf wenige Fälle, die miteinander verglichen werden. (Deißler 2013, S. 139 f.)

Auf so ein Vorgehen aufbauend, könne man innerhalb der historisch-soziologischen Forschung all-gemeine, über den Einzelfall hinausreichende Regelmäßigkeiten entdecken. Somit hätten die Ver-treter/-innen dieser Teildisziplin ein Bewusstsein für eine Prozesshaftigkeit schaffen können (Deiß-ler 2013, S. 140). Die Aufgabe der Soziologie wird in diesem Zusammenhang, so Deiß(Deiß-ler, darin gesehen, „bestehendes [sic] als Gewordenes, bzw. als Werdendes zu deuten“, so bspw. durch die Sichtbarmachung von sozialen Dynamiken (Deißler 2013, S. 141).

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Jürgen Osterhammel beschreibt aus der Perspektive eines Historikers, welche Beziehungen zwi-schen Gesellschaftsgeschichte und Historischer Soziologie bestehen. So sei festzustellen, dass His-toriker/-innen sich an das Vokabular der Sozialwissenschaften anlehnen würden (Osterhammel 2006, S. 85). Dies bedeute im Umkehrschluss aber auch, dass Begriffe wie „Staat“ oder „Macht“

nun auch wie im sozialwissenschaftlichen Kontext angewendet werden müssten:

Der Wissenschaftscharakter der Geschichtswissenschaft [Hervorhebung im Original] ergibt sich seither nicht nur aus einer wahrheitsverbürgenden Methodik der Quellenauswertung, sondern in mindestens gleichem Maße aus ihrer Teilhabe an der Schaffung und Nutzung eines multidiszip-linären Begriffskosmos, in dem nicht säuberlich zwischen „Kultur“- und „Sozial“-Wissenschaften unterschieden werden kann. (Osterhammel 2006, S. 86)

Die Geschichtswissenschaft hat sich also durch die Aneignung soziologischer Begrifflichkeiten selbst weiter verwissenschaftlicht. Hätte sie zuvor eher den Ruf gehabt, eine Geschichtsschreibung zu sein, sei sie nun mehr und mehr eine Geschichtswissenschaft geworden (Osterhammel 2006, S. 8). Zu beachten ist jedoch, dass Historiker/-innen nur in den seltensten Fällen ganze sozialwis-senschaftliche Theorien übernehmen. Vielmehr würden sie die Sozialwissenschaften als Werkzeug-kasten oder, wie Hans-Ulrich Wehler es bezeichnet, als „Goldmine“ nutzen (Osterhammel 2006, S. 87). Mit einem wieder stärkeren Fokus auf die Historische Soziologie ist zu sagen, dass diese innerhalb der Geschichtswissenschaft vor allem deshalb Zuspruch erfuhr, weil sie „empirienah for-mulierte, [und] im Prinzip falsifizierbare Regelmäßigkeiten nicht-trivialen Charakters, die gleich-wohl nicht mit dem deterministischen Anspruch historischer ‚Gesetze’ auftraten“, analysieren konn-te (Oskonn-terhammel 2006, S. 87). Einfacher ausgedrückt: Die Historische Soziologie ist in der Lage, auf der Grundlage empirischer Untersuchungen historisch signifikante Kontinuitäten oder Verände-rungen zu analysieren, die bis dato nicht im Blickwinkel der historischen Forschung standen.

Mit den 1980er-Jahren jedoch wurden „die inzwischen vorhandenen Ansätze in der Soziologie, Gesellschaft sowohl als historisch konstituiert als auch als historisch veränderbar zu begreifen, wie-der zurückgedrängt“ (Peter 2016, S. 284). Lothar Peter, wie-der das Verhältnis aus wie-der Perspektive eines Soziologen beschreibt, betont außerdem, dass sich Soziologie und Geschichtswissenschaft in den 1990er-Jahren weiter voneinander entfernt hätten. So stieß der britische Soziologe John Goldthorpe eine Diskussion darüber an, ob Geschichte und Soziologie einer grundsätzlich ähnlichen For-schungslogik folgen würden (Peter 2016, S. 294). Er richtete sich gegen Stimmen, die dies bejah-ten:

Die spezifisch geschichtswissenschaftlichen Daten sind nach Goldthorpe nur sekundäre Schluß-folgerungen, die aus den physischen historischen Fakten – er nennt sie etwas ironisch „Über-bleibsel“ (relics) – abgeleitet sind. Daraus resultiere eine nur eingeschränkte Erklärungskraft

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dieser Daten, denn sie seien naturgemäß sehr begrenzt, unvollständig und zufällig. Außerdem könnten historische Funde, Artefakte und Quellen physisch verschleißen und verschwinden, al-so abnehmen. Dagegen könnten sie jedoch niemals zunehmen. Zwar sei es für den Historiker möglich, neue Funde und Quellen zu entdecken, worin ja auch eine seiner wichtigsten Aufgaben bestehe, aber damit sei keineswegs garantiert, daß er gerade auf jene Funde und Quellen stoßen würde, ohne die bestimmte geschichtliche Phänomene gar nicht erklärt werden könnten. Dem-gegenüber besitzen Soziologen nach Goldthorpe das große Privileg, daß sie ihre Daten selbst generieren können und dieser Möglichkeit keine physischen Grenzen gesetzt seien. (Peter 2016, S. 294)

Goldthorpe argumentierte, dass Soziolog(inn)en Daten produzieren würden, die im Gegensatz zu historischen Daten nicht schon bereits existierten. Während Soziolog(inn)en sich in ihrer Forschung exklusiv in der Gegenwart bewegen würden, könnten Historiker/-innen nicht anders, als ausschließ-lich in der Vergangenheit zu forschen. Soziolog(inn)en versuchen Goldthorpe zufolge nicht, ihre Erklärungen „an spezifische raum-zeitliche Kontexte zu binden“, vielmehr würden sie ihre Überle-gungen auf allgemeine, empirisch gesicherte Theorien, die den gesamten Gegenstand abdecken, stützen (Peter 2016, S. 294). Gerade das Argument der Datengenerierung erfuhr Kritik. So wurde auch von soziologischer Seite darauf hingewiesen, dass Soziolog(inn)en häufig auf Grenzen bei der Datengenerierung stoßen würden. Ebenfalls erwähnt wurde die Problematik, dass Soziolog(inn)en Daten subjektiv generieren und selektieren (Peter 2016, S. 295). Dennoch sei zu beobachten, dass

„sich geschichtsloses Denken in der Soziologie“ ausbreite und „zunehmend Resonanz“ finde (Peter 2016, S. 297). Umso wichtiger sei es, zu betonen, dass es auch „produktive Bestrebungen“ gebe,

die Geschichtlichkeit von Gesellschaft zum Gegenstand der Forschung zu machen, die aktuellen sozialen Entwicklungen und Probleme als historisch vermittelt zu betrachten und dem Mythos eines grenzenlosen Präsentismus geschichtlich orientierte Analysen gesellschaftlicher Struktu-ren, Prozesse und Akteure entgegenzusetzen. (Peter 2016, S. 297)

Um sowohl die kritischen als auch die skeptischen Stimmen gegenüber einer Zusammenarbeit von Geschichtswissenschaft und Soziologie zu konkretisieren, werden im nachfolgenden Unterkapitel einige dieser Positionen dezidiert beschrieben.