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Teil 2 Ergebnisse der Aktenanalyse

4. Darstellung der Tat

6.1. Eigene Ermittlungen allgemein

Nach § 160 Abs. 1 StPO ist die Staatsanwaltschaft die „Herrin des Ermittlungsverfahrens“, d.h. sie hat den der Tat zugrundeliegenden Sachverhalt zu erforschen.

In der Praxis sieht dies jedoch meist anders aus. So hat Steffen in ihrer Untersuchung herausgefunden, dass in der Praxis das Ermittlungsverfahren weitgehend in die Hände der Polizei übergegangen ist. Die Polizei führt die Ermittlungen in der Regel selbständig und übersendet die Akten nicht „ohne Verzug“, sondern zumeist erst nach Abschluss der Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft220.

Lediglich bei Kapitalverbrechen fungiert die Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörde221. Ebenso ist die sofortige Kenntnisnahme der Staatsanwaltschaft nach § 163 Abs. 2 StPO in den meisten Fällen eine Fiktion222.

220Steffen: Analyse polizeilicher Ermittlungstätigkeit aus der Sicht des späteren Strafverfahrens, S. 51 f mit Diskussion über das Verhältnis zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft

Blankenburg/ Sessar/ Steffen: Die Staatsanwaltschaft im Prozeß

strafrechtlicher Sozialkontrolle, S. 90; Sessar: Rechtliche und soziale Prozesse einer Definition der

Tötungskriminalität, S. 136; Feltes: Die Erledigung von Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft, KrimJ 1984, S. 57; Helmken: Das Verhältnis Staatsanwaltschaft - Polizei im Spiegel rechtssoziologischer Forschung, Kriminalistik 1981, S. 304; Sessar: Empirische Untersuchungen zu Funktion und Tätigkeit der Staatsanwaltschaft, S. 1039

221Blankenburg in Steffen: Analyse polizeilicher Ermittlungstätigkeit aus der Sicht des späteren Strafverfahrens, S. 26

222Blankenburg in Steffen: S. 27

Blankenburg fasst das Untersuchungsergebnis dahingehend zusammen, dass sich die Funktion der Staatsanwaltschaft in erster Linie auf die des „Torhüters des weiteren Verfahrens vor der Justiz“ beschränkt223.

Nachfolgend wird nun untersucht, welche Handlungen die Staatsanwaltschaft nach Kenntnis der Tat durchgeführt hat.

6.1.1. Art der Handlung

Wie bereits in der Einleitung dargestellt, führt die Staatsanwaltschaft selten eigene

Ermittlungen durch. Bei Betrachtung des vorliegende Datenmaterials ergaben sich folgende, in Abbildung 55 dargestellte Handlungsweisen.

Abb. 55: Eigene Ermittlungshandlungen der Staatsanwaltschaft

223Blankenburg in Steffen: Analyse polizeilicher Ermittlungstätigkeit aus der Sicht des späteren Strafverfahrens, S. 28

Abb. 55

Aufenthaltsermittlung 1% (N=1) Registerauskunft

64% (N=130)

Früheres Urteil angefordert 1% (N=2)

Beschuldigtenvernehmung 1% (N=2)

Antrag auf Durchsuchung 2% (N=5) Psychiatrisches Gutachten

2% (N=3)

Fahndungsauskunft 1% (N=1)

Antrag auf Haftbefehl 26% (N=53)

Zeugenvernehmung 1% (N=1)

Zurückverweisung 1% (N=1)

Die häufigste Tätigkeit war das Einholen einer Registerauskunft zu den Vorstrafen des Tatverdächtigen, dies erfolgte bei 64 % der Tatverdächtigen224. Bei den Tatverdächtigen, bei denen kein Registerauszug angefordert wurde, handelte es sich zu 91,8 % um nicht

vorbestrafte Tatverdächtigen. Dies erklärte sich zum Teil daraus, dass das polizeiliche Vernehmungsprotokoll bereits Angaben des Tatverdächtigen zu seiner Vorstrafenbelastung enthielt. Ferner konnte festgestellt werden, dass die Verfahren, bei denen keine Auskunft zu Vorstrafen eingeholt worden war, zu 76,7 % eingestellt wurden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Staatsanwaltschaft häufig dann keine

Registerauskunft einholte, wenn der Tatverdächtige nicht vorbestraft war oder sie die Tat einstellte.

Bei 26,1 % der Beschuldigten beantragte die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl. Dies wird unter 3. näher untersucht.

Die übrigen Handlungen stellten die Ermittlungshandlungen dar, die nur einen sehr geringen Anteil ausmachten. So wurden bei 2,5 % der Beschuldigten ein Antrag auf Durchsuchung gestellt und bei 1,5 % ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben. Bei je 1 % wurden frühere Urteile angefordert oder der Beschuldigte vernommen. Bei nur je 0,5 % der

Beschuldigten wurde eine Fahndungsauskunft eingeholt, ein Zeuge vernommen, eine Aufenthaltsermittlung veranlasst oder an die Polizei zwecks Zeugenvernehmung zurückgewiesen.

50,5 % der Datensätze enthielten einen Vermerk, dass die Staatsanwaltschaft die Jugendgerichtshilfe verständigt hatte. Auf die Jugendgerichtshilfe wurde in Kapitel 7 detaillierter eingegangen.

Es bestätigte sich somit auch in dieser Untersuchung, dass die Polizei die Ermittlungen größtenteils alleine durchführte.

6.1.2. Nationalität des Tatverdächtigen

Bei den Handlungen der Staatsanwaltschaft ließen sich nur geringe Unterschiede zwischen deutschen und ausländischen Tatverdächtigen erkennen.

Die Tatverdächtigen, bei denen eine Registerauskunft eingeholt wurde, waren zu 56,2 % Deutsche und zu 43,9 % Ausländer. Genau umgekehrt war das Verhältnis bei den Anträgen

224In der Untersuchung von Herbort beträgt der Anteil der Verfahren, in denen eine Registerauskunft eingeholt wurde nur 40,1 % (Für die Delikte Diebstahl, Körperverletzung und Sachbeschädigung).

Herbort: Wer kommt vor das Gericht, S. 106; Bei Sessar beträgt die Quote 70 %.

Sessar: Empirische Untersuchungen zu Funktion und Tätigkeit der Staatsanwaltschaft, S. 1053

auf Haftbefehl. Hier waren 47,2 % Deutsche und 52,8 % Ausländer. Das Problem Haftbefehl und Untersuchungshaft wurde näher unter 3. dargestellt.

Bei dem Antrag auf Durchsuchung waren die deutschen Tatverdächtigen mit 80 % wesentlich stärker vertreten als die ausländischen. Aufgrund der geringen absoluten Zahlen konnte hieraus jedoch kein allgemein gültiger Schluss gezogen werden. Die restlichen

Ermittlungshandlungen wiesen meist ein ausgewogenes Verhältnis auf, teilweise lagen auch nur Einzelfälle vor, so dass zum Einfluss der Nationalität keine Aussage gemacht werden konnte.

6.1.3. Schlussbericht der Polizei

Nachfolgend wird untersucht, inwieweit die Eindeutigkeit des Schlussberichts der Polizei Einfluss auf die Handlungen der Staatsanwaltschaft hatte.

Die Ermittlungshandlungen getrennt nach Ergebnis des Schlussberichts zeigt Tabelle 25, wobei hier das Einholen der Registerauskunft ausgeklammert wurde, da dies, wie oben dargestellt, hauptsächlich von der Vorstrafenbelastung des Tatverdächtigen abhing.

Tabelle 25: Schlussbericht - Handlungen der Staatsanwaltschaft in absoluten Zahlen

Handlung Schlussbericht

Fahndungsauskunft - - 1

Zeugenvernehmung - - 1

Aufenthaltsermittlung - - 1

Psychiatrisches

-Antrag auf Haftbefehl 34 19

-Zurückverweisung - - 1

Es war deutlich zu erkennen, dass bei den von der Polizei eindeutig aufgeklärten Taten sich die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft hauptsächlich auf den Antrag auf Haftbefehl bzw. auf das Einholen eines psychiatrisches Gutachtens beschränkte. In nur einem Fall wurde ein Antrag auf Durchsuchung gestellt. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den bestrittenen Taten. Auch hier bestand das Tätigwerden der Staatsanwaltschaft größtenteils aus dem Antrag auf

Haftbefehl. In jedoch drei Fällen wurde eine Durchsuchung angeordnet. Es konnte festgestellt

werden, dass die Ermittlungshandlungen der Staatsanwaltschaft nur dann erfolgten, wenn die Polizei Beweisschwierigkeiten hatte225. Sie wurde also nur ergänzend tätig.

6.1.4. Wert der Sache

In diesem Abschnitt wurde untersucht, ob ein Tätigwerden der Staatsanwaltschaft vom Wert der gestohlenen Sache beeinflusst wurde.

Die Verteilung der Sachwerte zeigt Abbildung 56.

Abb. 56: Wert der Sache bei Tätigwerden der Staatsanwaltschaft

Beim größten Teil der Tatverdächtigen, bei denen die Staatsanwaltschaft tätig wurde, hatte die Beute einen Wert zwischen 1.001 DM bis 5.000 DM. Diese Gruppe war auch bei der Grundgesamtheit am stärksten vertreten. Der Vergleich der Verteilung in Abbildung 56 mit der bei allen Tatverdächtigen (Abbildung 23226) zeigte, dass hier kein gleichmäßiger Auf- und Abstieg vorlag.

Wie auch schon in Abbildung 23, waren die Werte bis 100 DM nur minimal vertreten. Jedoch bei den Werten ab 5.001 DM wichen beide Abbildungen stark voneinander ab. Während bei

225Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt Sessar. Nach seiner Untersuchung weisen eindeutig aufgeklärte Fälle mindestens ebensoviel oder sogar mehr Nachermittlungen auf als beweisschwierige. Dies liege daran, dass der Staatsanwalt die Entscheidung über Einstellung und Anklage trifft, bevor er Ermittlungen anstellt.

Sessar: Empirische Untersuchung zu Funktion und Tätigkeit der Staatsanwaltschaft, S. 1044

226in Teil 2, 4.2.1.1.

1-25 26-100 101-500 501-1.000 1.001-5.000

Abbildung 23 ein konstantes Absinken der Anzahl zu erkennen war, war hier der Verlauf ungleichmäßig. Die Taten mit einer Beute zwischen 5.001 DM bis 50.000 DM waren nur sehr gering vorhanden, hingegen erfolgte ein starker Anstieg bei einem Wert von 50.001 DM bis 100.000 DM. Es waren im Vergleich zur Gesamtzahl der Tatverdächtigen hier fast alle Fälle dieser Kategorie erfasst. Auch bei den Tatverdächtigen mit einem über 100.000 DM

liegenden Schaden waren hier alle vorhanden.

Der Anstieg bei den hohen Sachwerten wirkte sich auch auf den durchschnittlichen Beutewert aus. War bei der Gesamtzahl der Tatverdächtigen der Durchschnittswert 8.993 DM, so betrug er hier 18.236 DM. Es konnte somit ein Zusammenhang zwischen Wert der gestohlenen Sache und Tätigwerden der Staatsanwaltschaft ermittelt werden. Bei einer hohen Beute war ein Handeln der Staatsanwaltschaft wahrscheinlicher, als bei niedriger.