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Eigen- und Fremdwahrnehmung

Im Dokument Unter den Händen der Barbaren (Seite 138-152)

5. Die erste Erzählung von indianischer Gefangenschaft deutsch-

5.3.3 Eigen- und Fremdwahrnehmung

Es sind verschiedene Gefangenen hier angekommen, welche theils unter den Indianern, und theils unter den Frantzosen sind gefangen gewesen. Sie sind gar ungleich behandelt worden, Einige besser, und Andere schlechter; doch sagen sie Alle von grossen Trübsalen, die sie erlitten haben; und keiner so viel man hört, der nicht gern wäre besser gehalten gewesen, als es geschehen ist. Sie sind zu Philadelphia erst angekommen, und nun weiter zu den Ihrigen gereißt.465

Als die indianischen Verbündeten der Franzosen vom Vormarsch der englischen Truppen auf Fort Duquesne erfuhren, evakuierten sie ihre Siedlungen im Grenz-gebiet nicht nur, sondern hinterließen auch verbrannte Erde. Im Zuge dieser Eva-kuierung wurden auch Marie und Barbara nach Muskingum gebracht. Diese Tat-sache allein zeigt, dass die Indianer nicht bereit waren, den Friedensvertrag von Eas-ton anzuerkennen. Hätten Marie und Barbara ihre Flucht nicht selbst in die Hand ge-nommen, wären sie wie Barbaras Schwester Regina vermutlich erst 1764 nach dem Sieg von Colonel Bouquet freigelassen worden.

5.3.3 Eigen- und Fremdwahrnehmung

Im Vergleich mit anderen im gleichen zeitlichen Zusammenhang entstandenen cap-tivity narratives, beispielsweise der Erzählung der Flemings, wird die Anteilnahme des Lesers in dieser Erzählung nicht durch die Schilderung der inneren Verfassung der Erzählerinnen gesteuert. Vielmehr muss sich der Leser anhand der Darstellung des äußeren Geschehens, die in ihrer Nüchternheit und stilistischen Schlichtheit an die Bibel erinnert, in die Gemütslage der Gefangenen einfühlen. Dies gilt auch für die Charakterisierung von Indianern und Franzosen. Dementsprechend finden sich in der le Roy/Leininger-Erzählung keinerlei abwertende Epitheta. Die Bezeichnung

„Indianer“ wird bis auf eine Ausnahme durchgehend verwendet. Gleich zu Beginn der Erzählung verursachen Grausamkeit und Hinterlist der Indianer dem Leser Ent-setzen und Abscheu. Kurz darauf aber entsteht ein völlig entgegengesetzter Ein-druck: Marie und Barbara dürfen den beschwerlichen Weg auf dem Pferderücken zu-rücklegen, ihr „Meister“ Galasko war, wie sie zugeben, „ziemlich freundlich gegen uns“.466 Kurz darauf aber schlägt die Stimmung wieder in das andere Extrem um:

Nachdem der Fluchtversuch Barbaras fehlgeschlagen war, sollte sie zur Abschre-ckung hingerichtet werden. Der Ernst der Lage ist nicht nur am bereits aufgeschich-teten Scheiterhaufen zu erkennen, sondern auch in der erbeuaufgeschich-teten deutschen Bibel, die man ihr zur Vorbereitung gibt. Bevor es zum Äußersten kommt, setzt sich ein junger Indianer erfolgreich für ihr Leben ein. Das mag an die Rettung John Smiths

464 „Wir waren aber hertzlich bange seinetwegen, denn die Franzosen sagten uns, wenn sie ihn krieg-ten so wolkrieg-ten sie ihn 5 Tage lang brakrieg-ten, und viele Indianer sagkrieg-ten uns, es wäre nicht möglich, daß er davon käme, erwürde gewis ein Mann des Todes werden.“ le Roy/Leininger, Erzehlungen 6.

465 PB (23. 12. 1758) o.P.

466 le Roy/Leininger, Erzehlungen 3.

durch Pocahontas erinnern, jedoch fehlt jeglicher Ansatz einer Romantisierung.467 Nach diesem Erlebnis war den Mädchen klar, dass sie bei Wohlverhalten von Seiten der Indianer nichts zu befürchten hatten. Anders als andere Gefangene wehren sich Marie und Barbara nicht gegen die Erkenntnis, dass die Indianer keine eindimensio-nal auf Gewalt ausgerichteten Unmenschen sind, und zeigen in gewissem Maße Ver-ständnis für die andere Kultur:

Dieser Ort solte nun unsere Wohnstadt werden, deswegen wir auch nach Indianer Gebrauch hier unseren ersten Willkommen empfingen, nemlich jedes drey Streiche über den Rücken, welches gnädig genug war, und dünckte uns daß dieses mehr mit uns vorgenommen wurde, um das alte Recht zu bewahren, als um uns leid zuzufügen.468

Der weitere Verlauf der Geschichte ist geprägt von einem harten Arbeitsalltag, dem

„Joch der härtesten Sclaverey“, und dem Bewusstsein, dass die Indianer ihre Gefan-genen töten würden, sollten die Engländer ihnen zu nahe kommen.469 Den Höhepunkt der Geschichte und zugleich starkes Gegengewicht zu den persönlichen Erfahrungen der Mädchen stellen ihre detaillierten Schilderungen von Marter und Hinrichtung von zwei englischen Gefangenen dar, einer Frau und einem Mann, die beim Angriff auf Kittaning versucht hatten zu fliehen. Erst in diesem Zusammenhang finden sich, wenn auch sehr sparsame, Äußerungen, die den Gefühlszustand der Gefangenen er-hellen: Die Hinrichtung der Frau wird als „unerhört“ bezeichnet, das Geschrei des Mannes auf dem Scheiterhaufen war „schröcklich anzuhören“, bis ihm die Indianer geschmolzenes Blei einflößten, „dieser Trunck half ihm auf einmahl aus der Gewalt dieser Barbaren, denn er starb augenblicklich daran“.470 Der Gebrauch des Wortes

„Barbaren“ ist einmalig in dieser Erzählung und spiegelt die starke Gemütsbewe-gung. In welchem Zwiespalt die Gefangenen sich befanden, wird dem Leser unmit-telbar darauf erklärt:

Jederman kan sich leicht vorstellen, was dergleichen Schreck-Exempel auf das Gemüth eines armen Gefangenen vor eine Würckung machen: Wenn man sucht von ihnen wegzulaufen, und wird wieder gekriegt, so weiß man zum voraus man wird lebendig gebraten werden: daher muß man die zwey Uebel gegen einander sezen ewig unter ihnen gefangen zu bleiben, oder eines peinlichen Todes zu sterben! und wenn man sich zum letztern entschlossen hat, so kan man getrost ihnen davon laufen.471

Dieser Einschub belegt, wie zentral der Fluchtgedanke trotz der vergleichsweise an-ständigen Behandlung und dem durch Arbeit ausgefüllten Tag für die Gefangenen gewesen sein muss. Außerdem wird verständlich, warum die Erzählung vom Gerüst der Ortswechsel dominiert wird: Jeder neue Aufenthaltsort bringt Marie und Barbara bei der psychologischen Verarbeitung ihrer Erlebnisse dem zentralen Ereignis näher, nämlich der Flucht aus Muskingum und der Rückkehr in „ihre Welt“. Daraus resul-tiert auch die wesentlich detailliertere Schilderung der Flucht.

Entsprechend der Ausrichtung der Erzählung auf die Flucht erfährt der Leser nur wenig über die Lebensweise, Sitten und Gebräuche der Indianer, vom Auf-nahmeritual und Martergewohnheiten abgesehen. Als Marie und Barbara über die Anpassungsschwierigkeiten bei der Ernährungsumstellung berichten, erfährt der Le-ser von der Andersartigkeit indianischer Speisen, die bei Europäern als Tiernahrung

467 Zudem steht außer Frage, dass Barbaras Leben wirklich in Gefahr war, im Gegensatz zu Smith, der lediglich ein Adoptionsritual fehlinterpretiert hatte.

468 le Roy/Leininger, Erzehlungen 4.

469 le Roy/Leininger, Erzehlungen 4, 5.

470 le Roy/Leininger, Erzehlungen 4-5.

471 le Roy/Leininger, Erzehlungen 5.

gelten: „Die größte Noth war an Lebens-Mitteln, wir hatten die gantze Zeit hindurch weder Saltz noch Fett, und manchmahl musten wir uns mit Eicheln, Wurtzeln, Graß und Baumrinden behelffen, wir hatten nichts in der Welt um diese neue Menschen Speisen schmackhaft zu machen.“472

Bei der Aufzählung der Arbeiten, die sie zu verrichten haben, wird deutlich, dass die Indianer nicht nur auf die Jagd gehen, sondern auch Feldbau betreiben:

„Hier haben wir wiedrum der Indianer Adelschaft ihre Ländereyen auf teutsche Art klar machen, und Welschkorn darauf pflantzen [...] müssen.“473 Neben der Andeu-tung, dass zwischen indianischer und europäischer Art, den Boden zu roden ein – auch qualitativer – Unterschied besteht, zeigt dieser Satz dem zeitgenössischen deut-schen Leser in Pennsylvania durch die Evozierung europäischer Abhängigkeitsver-hältnisse und deren Übertragung auf die Indianer, dass Marie und Barbara für ihre Herren Zwangsarbeit verrichten müssen. Somit bestand ausgerechnet in diesem Land, in das viele Auswanderer auf der Suche nach wirtschaftlicher und religiöser Unabhängigkeit gekommen waren, die reale Bedrohung eines Rückfalls in die Un-freiheit, zudem noch durch Angehörige einer als unterentwickelt betrachteten Zivili-sation.474

Mit den Franzosen haben die Erzählerinnen ebenfalls gemischte Erfahrungen gemacht: Die grausame Hinrichtung der englischen Gefangenen geschieht im Bei-sein und mit Billigung der Franzosen, die sich dennoch nicht so aufführen wie ein englischer Überläufer:

Die Frau hat von des Morgens um 9 Uhr bis Abends gegen Sonnen Untergang unter dieser Marter gelebt. Endlich hat ein französischer Officier sie aus Mitleiden tod geschlagen. Ein Englischer Soldat aber, welcher aus der Gefangnüs zu Lancäster gelaufen und sich zu den Franzosen begeben hatte, sein

472 le Roy/Leininger, Erzehlungen 4. Mais war ein Hauptnahrungsmittel der Delawaren, das in Zeiten des Hungers nicht einmal mehr für Wampum zu haben war. Herrenhuter Missionaren zufolge ernähr-ten sich die Indianer während einer Hungersnot von wildwachsenden, unreifen Trauben sowie Gras, Baumrinde, Kräutern und giftigen Wurzeln. Letztere mussten erst 24 bis 30 Stunden gekocht werden, bevor sie gefahrlos verzehrt werden konnten. Siehe Loges, Irokesen 62-65.

473 le Roy/Leininger, Erzehlungen 6.

474 Tatsächlich unterschieden sich die Landbautechniken der verschiedenen Nationalitäten beträcht-lich, so dass der Betrachter schon am äußeren Erscheinungsbild sagen konnte, ob die Farm einem Deutschen, Iren oder Schweizer gehörte. Rush, „Account“ 55, 65. Benjamin Rush beschreibt in sei-nem 1789 erschienenen Essay über Pennsylvania-Deutsche die für sie typische Art, ein Stück Land in Acker zu verwandeln, folgendermaßen: „In clearing new land, they do not girdle the trees simply, and leave them to perish in the ground, as is the custom of their English or Irish neighbors; but they gen-erally cut them down and burn them. In destroying under-wood and bushes, they gengen-erally grub them out of the ground; by which means a field is as fit for cultivation the second year after it is cleared, as it is in twenty years afterwards. The advantages of this mode of clearing, consist in the immediate product of the field, and in the greater facility with which it is ploughed, harrowed and reaped. The expense of repairing a plough, which is often broken two or three times in a year by small stumps concealed in the ground, is often greater than the extraordinary expense of grubbing the same field completely, in clearing it.“ Rush, „Account“ 58-59. Allein in der Differenzierung, dass die Vorberei-tung des Bodens auf „teutsche Art“ erfolgte, wird das Überlegenheitsgefühl Maries und Barbaras ge-genüber den Indianern deutlich. Das Gefühl der Überlegenheit hinderte die deutschen Siedler jedoch nicht daran, Nützliches von den Indianern zu übernehmen, wie beispielsweise deren Heilpflanzen-kunde. Indianische Frauen verkauften handgefertigte Körbe in Siedlungen, um zum Lebensunterhalt beizutragen. Die Siedler in Nordamerika übernahmen u.a. indianische Beile, Schneeschuhe und Bir-kenrindenkanus. Welchen Eindruck die wechselseitigen merkantilen Beziehungen bei beiden Grup-pen hinterließen, ist bislang nur in Ansätzen erforscht. Siehe Roeber, „Origins“ 270; Calloway, Worlds 45-50. Eine entsprechende Studie über das Lower Mississippi Valley lieferte Daniel Usner 1992 mit Indians, Settlers & Slaves.

Nahme ist John --- hat sich ein Stück Fleisch von dem Leibe dieser Frau schneiden lassen, und solches gefressen.475

Allein die Aussage, dass es sich hierbei um einen englischen Deserteur handelt, dürf-te zur damaligen Zeit eine gewisse Brisanz gehabt haben, die durch den unvor-stellbaren Tabubruch noch gesteigert wurde. Diese Beschreibung eines buchstäblich wild gewordenen Europäers, der einen kannibalistischen Akt an einer Mitbürgerin vollzieht, sollte dem zeitgenössischen Leser als warnendes Beispiel für die Folgen des Zusammenlebens mit dem Feind dienen und ist der propagandistische Höhe-punkt der Erzählung.476 Ungewöhnlich an dieser Schilderung ist, dass nicht die In-dianer des Kannibalismus bezichtigt werden. Kannibalismus ist ein fester Bestandteil des europäischen Bildes vom grausamen Wilden, mit dem auch in captivity narra-tives immer wieder antiindianische Propaganda betrieben wird.477 Das obige Beispiel ist allerdings nicht einzigartig: Reverend John Norton, der bei der Eroberung von Fort Massachusetts am 20. August 1746 durch Franzosen und Indianer in Gefangen-schaft geriet, schildert in propagandistischer Absicht eine ähnliche Greueltat:

After some Time the Indians [...] rushed up into the Watch-Box, bro’t down the dead Corpse, carried it out of the Fort, scalpt it, and cut off the Head and Arms: A young Frenchman took one of the Arms and flay’d it, roasted the Flesh, and offer’d some of it to [...] one of the Prisoners, to eat; but he refused it. The Frenchman dressed the Skin of the Arms [...] and made a Tobacco Pouch of it.478

Obwohl Marie und Barbara während ihres Aufenthaltes in Fort Duquesne endlich wieder vertraute Kost bekommen, schlagen sie das Angebot der Franzosen, bei ihnen zu bleiben, aus. Die Gründe dafür basieren sowohl auf Gefühl (bei dem sicherlich auch eine Abneigung gegen Katholiken von Bedeutung war) als auch pragmatischen Überlegungen:

[W]ir konten doch die Franzosen nicht leiden; denn obschon sie sich viele Mühe gaben uns zu überreden die Indianer zu verlassen [...], so dachten wir doch es würde besser vor uns sein/ bey den

475 le Roy/Leininger, Erzehlungen 5.

476 Es gibt Beispiele dafür, dass von den Indianern adoptierte Weiße diese an Grausamkeit noch über-trafen, um ihre Loyalität gegenüber ihrer neuen Familie unter Beweis zu stellen. Siehe Axtell, „White Indians“ 79-80. Leider machen le Roy und Leininger keine näheren Angaben, die Rückschlüsse auf den Status des Engländers unter den Indianern zuließen. Über kannibalistische Gewohnheiten der In-dianerstämme im Nordosten Amerikas sind die Forscher unterschiedlicher Ansichten. Wallace berich-tet von rituellem Kannibalismus bei Shawnees und Iroquois. Heidenreich schildert die Entsprechung bei den Huronen. Siehe Wallace, Indians 122-23; Heidenreich, „Hurons“ 386. Vaughn und Clark stel-len fest, daß Kannibalismus bei den nordöstlichen Stämmen selten sei, die Mohawks aber bei den Al-gonquians und den Engländern in dem Ruf stünden, Menschenfleisch zu verzehren. Vgl.

Vaughn/Clark, Puritans 239.

477 Elizabeth Hanson schildert in ihrer 1728 in Philadelphia und New York erschienenen Erzählung, wie ihr indianischer Besitzer droht, ihr Baby zu fressen. Vgl. Vaughan/Clark, Puritans 238-39. Im neunzehnten Jahrhundert dienen bereits Skalpe als „Beweis“ für Kannibalismus, wie die Geschichte von Frances und Almira Hall zeigt: „[B]ut on nothing did they [the Indians] seem to set so great a value, or view with so much satisfaction, as the bleeding scalps which they had, ere life had become extinct, torn from the mangled heads of the expiring victims! the feelings of the unhappy prisoners at this moment, can be better judged than described, when they could not be insensible that among these scalps, these shocking proofs of savage Cannibalism, were those of their beloved parents!“ „Narrati-ve“ 78-80. Vgl. auch Derounian-Stodola/Levernier, Narrative 67-68. Zur Ausbildung und Entwick-lung des Stereotyps in der amerikanischen Literatur siehe Barnett, Savage.

478 Norton, Captive, repr. in Levernier/Cohen, Indians 48-49. In den captivity narratives wird biswei-len eine weitere Variante dieses Tabubruchs geschildert, nämlich wenn Flüchtlinge ihre toten Kame-raden verzehren, um dem Verhungern zu entgehen. Vgl. Derounian-Stodola/Levernier, Narrative 126-27.

Indianern zu bleiben als zu den Franzosen überzugehen: wir dachten, die Indianer machen doch ehr Frieden mit den Engländern als die Franzosen, und im Busche sind mehr Wege zu entfliehen als aus einer Festung.479

Etwas später wird das Bild der Franzosen stärker negativiert, als die Erzählerinnen von der Drohung gegen den Unterhändler Post berichten: „[D]ie Franzosen sagten, wenn sie ihn kriegten, so wolten sie ihn 5 Tage lang braten, [...].“480 Die Androhung einer solchen Barbarei stellt Franzosen und Indianer auf eine Stufe. Zur steigenden Abneigung der Bevölkerung gegen den Feind nimmt auch Christoph Saur, der das deutsche Publikum in seiner Zeitung über die Indianerüberfälle auf dem laufenden hält, in Kommentaren Stellung:

Germantown.

[...]

Seither der Niederlage der englischen Armee bey der Ohio unterm Genral Braddock sind sehr viele von dem gemeinen Volck über die Indianer entrüstet, und halten sie alle vor Feinde, sprechen wohl gar, man solt die Hunde alle todt schiessen, sie sind Verräther und Schelmen etc. das geschiehet wohl gar in Eyrisch und teutscher Sprache, den Indianern zum Verdruß und Aergerniß, welche doch bißher Proben ihrer Freundschafft erwiesen haben, und das thun die Leute weil etliche hundert Indianer die englische Armee haben helffen schlagen, da doch noch etliche 1000 unter der Frantzosen Bottmässigkeit stehen. Die Leute aber thun nicht wohl, daß sie die Unschuldige mit den Schuldigen verurtheilen und verdammen. Solche Leute thun sehr unweißlich: Was könte wohl für größer Unheil entstehen, als wan wir uns solcher Leute zu Feinden machten, die so nahe wohnen, und im Land so wohl bekant sind, solten nur 1000 Indianer ausziehen und sich vertheilen in kleine Partheyen, nur 7 und 7, und auf Mord und Brand ausgehen, was könten sie nicht in einer Nacht vor Schaden thun, wan sie von einer Plantasche zur andern eyleten, wie sie ehemals in Carolina gethan, da sie ohne Lermen zu machen die Leute mit Prügeln todt schlugen: Man behalte sie zu Freunden, so lang es möglich ist, warum will man selbst Unglück übers Land bringen.481

Auch Conrad Weiser berichtet Gouverneur Morris in einem Brief vom 19. No-vember 1755 von der aufgeheizten Stimmung unter den Siedlern. Indianische Freun-de, die sich von seinem Haus aus zur Abreise fertig machen, werden von Boten ge-warnt, dass an der geplanten Reiseroute ein Lynchmob auf sie wartet. Unter Weisers persönlichem Schutz können die Indianer bei einem befreundeten Farmer vor der vier- bis fünfhundert Mann starken, bewaffneten Truppe vorübergehend Zuflucht finden, während Weiser die Menge beruhigt.482 Während Saur für Differenzierung zwischen indianischen Verbündeten und Feinden wirbt, fällt sein Urteil über die Franzosen eindeutig negativ aus:

Es ist der Frantzosen ihre angebohrne Natur, daß sie ihre Falschheit eine zeitlang verbergen können, sie sind gegen jederman freundlich und schmeichelhafftig die sie betrügen wollen: Sie richten allezeit mit List und Geschencken mehr aus als mit Gewalt. Die arme Indianer wissen nicht besser, und nehmen ihre Geschencke und Freudlichkeit an; Man höret die Indianer, welche noch in Freundschafft mit Pensylvanien stehen, deren seyen nicht viel über 200 mehr. Sie haben von ihren Leuten ausgesandt, um zu sehen ob sie etwas ausrichten können vor die Englische; sie haben aber gefunden, daß die Frantzosen zwischen 6 und 7000 Indianer auf ihrer Seite haben, darum bleiben sie zurück.

Wan sie von den Englischen, von Eyrischen oder von Teutschen angeschnorret, gescholten, ge-schmähet, und Bundbrüchige oder untreue Schelmen ins Angesicht gescholten werden, so wissen sie nicht, ob sie es mit Freunden oder mit Feinden zu thun haben, und weil sie von dem Governement nicht vertheidigt werden, und so zu sagen niemand viel nach ihnen fragt, (zu geschweigen daß die theure Lohn-Knechte, oder wie sie in den Europäischen Relationen treue Diener Gottes genennet

479 le Roy/Leininger, Erzehlungen 6. Vgl. dazu Jennings, Empire 197.

480 Vgl. le Roy/Leininger, Erzehlungen 6.

481 PB 16.9.1755 (o.P.).

482 Vgl. Pennsylvania Archives (first series), 2:504-6.

werden, nicht einmal einen Spatzir-gang nach ihnen thun) so wäre kein Wunder, wan sie die Englische Nation verlassen, und Böses mit Bösem vergelten.483

Nachdem das Selbstbild von le Roy und Leininger bislang eher von der Konfron-tation mit der fremden Kultur bestimmt war, erhält es im zweiten Teil der Erzählung, in der Anfangsphase der Flucht, eine explizite religiöse Färbung. Als die Gruppe die indianische Siedlung in Muskingum verlässt und die Hunde nicht anschlagen, wird dies auf die Gnade Gottes zurückgeführt. Direkt danach folgt ein Absatz, der, ähn-lich wie in Elizabeth Flemings Erzählung, die Verwundbarkeit einer Frau in der Wildnis betont:

Die Angst einer armen Weibs Person in solchen Umständen ist schwer zu beschreiben: die grosse

Die Angst einer armen Weibs Person in solchen Umständen ist schwer zu beschreiben: die grosse

Im Dokument Unter den Händen der Barbaren (Seite 138-152)