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5 DISKUSSION 5.1 Feldstudien

5.1.3 Effekt der Seminalplasmaapplikation

Die Seminalplasmaapplikation bewirkte eine Verbesserung der Trächtigkeitsraten bei Milch- und Zweinutzungsrindern um 25 % in der KB-Studie und um mehr als 55 % in der ET-Studie im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe. ODHIAMBO et al. (2009) dagegen konnten in ihrer ebenfalls umfangreichen Studie bei Milch- und Fleischrindern keinen signifikanten Effekt einer intrauterinen Seminalplasmaapplikation auf die Trächtigkeitsraten erzielen. Im Unterschied zu den vorliegenden Feldstudien setzten ODHIAMBO et al. (2009) jedoch nur 0,5 mL Seminalplasma intrauterin, benachbart zum Ort der Insemination ein, was weder in

der applizierten Menge noch im Deponierungsort der physiologischen Applikation während der Bedeckung entspricht.

Weitere Unterschiede der Studie von ODHIAMBO et al. (2009) zu den vorliegenden Studien sind die Applikation nach Zyklussynchronisation und eine Kontrollgruppe, die in vier von sechs Versuchsreihen (969 Fleischrinder) Tiere beinhaltete, die eine BSA-Applikation (0,5 mL bovines Serumalbumin, intrauterin) erhalten hatten und somit nicht unbehandelt waren. Lediglich zwei der Versuchsreihen (167 Fleischrinder und 800 Milchrinder) umfassten Kontrollgruppen, die unbehandelt waren. In diesen beiden Versuchsreihen führte die Seminalplasmaapplikation verglichen mit der unbehandelten Kontrollgruppe tendenziell zu höheren Trächtigkeitsraten (61,4 zu 52,4 % bei Fleischrindern bzw. 37,8 zu 33,2 % bei Milchrindern), die jedoch nicht signifikant waren. Die Tiere der vorliegenden KB-Studie zeigten natürliche Östren ohne vorhergehende Synchronisation. In der ET-Studie erfolgte bei etwa der Hälfte der Rezipienten eine Zyklussynchronisation und es zeigte sich, unabhängig von der Versuchsgruppe, eine signifikant höhere Trächtigkeitsrate in der Gruppe der nicht-synchronisierten Tiere. Die Kontrollgruppen beider vorliegenden Studien bestanden einheitlich aus unbehandelten Tieren und zeigten, wie eingangs erwähnt, im Vergleich mit der Seminalplasmagruppe signifikant niedrigere Trächtigkeitsraten.

ODHIAMBO et al. (2009) konzipierten nach eigenen Angaben fünf der sechs Versuchsreihen an insgesamt 1090 Fleischrindern der Rassen Hereford und Angus und eine Versuchsreihe an 800 Milchrindern der Rasse Holstein. Dies entsprach einem Milchrinder-Anteil von 42 %. Die Trächtigkeitsrate der Fleischrinder lag mit 54,2 % höher als bei den Milchrindern mit 36,6 %.

Mit 434 bzw. 62 nach Rasse auswertbaren Tieren lag der Anteil der Milchrinder (Deutsche Holstein Schwarzbunt, Rotbunt) bei 85 % (KB-Studie) bzw. 100 % (ET-Studie) und die Trächtigkeitsrate der Zweinutzungsrasse Deutsches Fleckvieh lag mit 58,1 % höher als bei den Tieren der Rasse Deutsch Holstein mit 52,9 % (KB-Studie). Beide Studien zeigten eine Tendenz zur insgesamt besseren Fertilität der fleischbetonten Rassen, die jedoch keine Abhängigkeit zur Seminalplasmaapplikation zeigt.

Ein weiterer bemerkenswerter Unterschied zur Studie von ODHIAMBO et al. (2009) ist die Herkunft des Seminalplasmas: Das bei Fleischrindern applizierte Seminalplasma stammte von einem einzigen vasektomierten Bullen, das der Milchrinder einem Pool, der Seminalplasma

von sechs Holsteinbullen beinhaltete. In den vorliegenden Studien wurden pro Besamungsstation Seminalplasma-Pools aus Ejakulaten von jeweils 20 - 40 Bullen gebildet, um einen Bulleneffekt auszuschließen.

QASIM et al. (1996) konzipierten eine Doppelblindstudie, die den Effekt einer Seminalplasmaapplikation (2 mL intravaginal) auf die Schwangerschaftsrate nach intrauteriner Insemination von Frauen untersuchte. Der Seminalplasmagruppe (n = 164) war eine Kontrollgruppe (n = 155) gegenübergestellt, die Kochsalzlösung in derselben Menge und Lokalisation erhielt. Die Schwangerschaftsraten unterschieden sich nicht signifikant (13,4 % zu 12,3 %). In den hier vorliegenden Studien zeigte ein Vergleich der beiden Versuchsgruppen mit Lösungsapplikation (SP, P) ebenfalls keine nennenswerten Unterschiede in den Trächtigkeitsraten. Allein der Vergleich mit der unbehandelten Kontrollgruppe zeigte den signifikanten Effekt der Applikation.

Folgende Aspekte über mögliche Gründe für die in den beiden Feldstudien erzielten verbesserten Trächtigkeitsergebnisse nach Seminalplasma- und Placeboapplikation sind nachfolgend berücksichtigt: Eine mögliche Förderung der Fruchtbarkeit durch Resorption von Seminalplasmabestandteilen, eine veränderte Uterusmotilität oder Immunmodulation, ein Volumen- oder Deponierungseffekt und die Auswahl des Applikationszeitpunktes.

Resorption von Seminalplasma-Bestandteilen

Seminalplasma enthält eine Vielzahl von Komponenten mit biologischer Wirksamkeit (VENTURA u. FREUND 1973; MANJUNATH u. SAIRAM 1987; CALVETE u.

SANZ 2007; RODRIGUEZ-MARTINEZ et al. 2011) und die Vagina ist zur Resorption verschiedenster Substanzen fähig, wie unter anderem BENZINGER u. EDELSON (1983) feststellten. Des Weiteren stellen der Substanzaustausch nach dem Gegenstromprinzip (counter-current exchange) und der „first uterine pass effect“ Routen dar, einzelne Substanzen lokal im Genitalgewebe auszutauschen, anzureichern und lokal oder systemisch zu wirken (MIZUTANI et al. 1995; ROBERTSON 2005). Das in den Feldstudien eingesetzte Seminalplasma entstammte SP-Pools geprüft fertiler Bullen ohne Zusatz von Verdünnermedien und enthielt somit SP-Komponenten in physiologischer Konzentration. Ein spezifischer Seminalplasmaeffekt konnte in der vorliegenden Studie nicht gezeigt werden, da sich die Trächtigkeitsraten zwischen Placebo- und Seminalplasmagruppe nicht unterschieden.

Veränderung der Uterusmotilität, Immunmodulation und Volumeneffekt

Eine Paarung bewirkt in allen Zyklusphasen beim weiblichen Rind wesentlich stärkere Uteruskontraktionen als die künstliche Besamung, stellte DÖCKE (1962) fest, und MILES et al. (1994) vermuteten, dass eine erhöhte Uterusperistaltik den Spermientransport Richtung Eileiter erleichtert. Verbesserte Trächtigkeitsergebnisse durch verstärkten Spermientransport zum Ort der Befruchtung sind denkbar. Das in den Studien im Vergleich zur Besamungsportion (0,25 mL) größere Ejakulatvolumen (Ø 5 mL) könnte, neben anderen Aspekten, wie der Stimulierung durch den Deckakt, ursächlich beteiligt sein, verstärkte Uteruskontraktionen hervorzurufen. Jedoch wiesen PORTUS et al. (2005) bei Stuten eine durch Seminalplasma signifikant erniedrigte Frequenz uteriner Kontraktionennach und PANSEGRAU et al. (2008) konnten bei der Stute im Vergleich mit der unbehandelten Kontrollgruppe keinen Effekt einer intrauterinen Seminalplasmaapplikation auf die Uteruskontraktilität feststellen. Des Weiteren fanden SINNEMAA et al. (2005), ebenfalls bei der Stute, mit Ausnahme eines einzigen Zeitpunktes post inseminationem, keinen Effekt des Inseminatvolumens auf die Uteruskontraktilität. Die von PORTUS et al. (2005) durch den Seminalplasma-Zusatz beobachtete Verminderung der Kontraktionsfrequenz bewirkte keine verbesserten Trächtigkeitsraten.

ROBERTSON (2005) vermutet eine individuell verminderte Ausprägung der Zytokine im Seminalplasma und eine dadurch bedingte Kommunikationsstörung zwischen Seminalplasma und weiblichem Genitaltrakt als eine mögliche Ursache für mangelhafte Reproduktion zwischen zwei Individuen. QUAYLE et al. (1987) stellten in vitro eine Dosis- und Temperaturabhängigkeit des immunsuppressiven Effektes von Seminalplasma auf T-Zellen fest. Eine ausreichende Menge an Seminalplasma könnte demnach auch Voraussetzung sein für dessen immunmodulative Auswirkungen auf das weibliche Genitale. Eine trächtigkeitsfördernde Immunmodulation des weiblichen Genitales nach Seminalplasmaapplikation, beispielsweise durch Zytokine des Seminalplasmas, kommt aufgrund der ähnlich hohen Trächtigkeitsergebnisse in den Placebogruppen als Erklärungsansatz nicht in Frage. Das Placebo bestand aus sterilfiltrierter phosphatgepufferter Salzlösung mit Gelatine.

Ein volumenvermittelter Effekt kommt als Erklärungsansatz für die verbesserten Trächtigkeitsergebnisse sowohl für die Seminalplasma- als auch für die Placebogruppen in Betracht. Beide Applikationen erfolgten in einem, der physiologischen Seminalplasmamenge entsprechenden, Volumen von 4 mL. Auf welchem Wege das applizierte Volumen einen fertilitätsfördernden Effekt bewirkt, darüber kann aufgrund der vorliegenden Studien keine Aussage getroffen werden.

Deponierungseffekt

Der Ort der Lösungsapplikation bzw. eine mechanische Stimulierung bei der Applikation sind ebenfalls als beeinflussende Parameter auf die Fruchtbarkeit zu berücksichtigen. Beim Rind ist die kraniale Vagina die physiologische Deponierungslokalisation des Ejakulates während der Bedeckung. Sowohl Seminalplasma als auch Placebo wurden dementsprechend in den Feldstudien in Nähe der Portio vaginalis cervicis appliziert. Zur möglichst effektiven Ausnutzung von Bullenejakulaten werden die Besamungsportionen heutzutage im Rahmen der Routine-KB näher an den Ort der Befruchtung gebracht und intrauterin abgesetzt.

Möglicherweise erfolgt jedoch über die Ejakulatdeponierung in derVagina ein Stimulus, der positiven Einfluss auf die Trächtigkeit nimmt. Anhand des vorliegenden Studiendesigns ist es nicht möglich zwischen der Lösungsapplikation (SP, P) und der mechanischen Reizung (rektale Palpation, Uteruskatheter zur Applikation) des Genitales während der Applikationsdurchführung als Stimulus zu unterscheiden. Eine weiterführende Untersuchung sollte dies berücksichtigen und eine zusätzliche Kontrollgruppe mit ausschließlich mechanischer Stimulation einbeziehen.

Zeitpunkt der Applikation

In beiden Feldstudien wurde als Zeitpunkt der Lösungsapplikation die Brunst (d 0) gewählt.

Die höheren Trächtigkeitsraten auch in den Rezipientengruppen, denen sieben Tage später ein Embryo eingesetzt wurde, sprechen für einen durch die Applikation in der Brunst vermittelten positiven Effekt.