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Das EEG und der Durchbruch der erneuerbaren Energien

Stromkonzerne und Veränderungen ihrer Position im Feld

7. Phase 1 (1998–2005): Liberalisierung, Oligopolisierung und das EEG

7.2 Das EEG und der Durchbruch der erneuerbaren Energien

Die Transformation des deutschen Elektrizitätssektors war in ihrem Kern eine Transformation weg von einem zentralistischen, fossil-nuklearem Er-zeugungssystem in oligopolistischen Strukturen, hin zu einem stärker de-zentral vernetzten technologischem System mit einem erhöhten Anteil er-neuerbarer Energien. Die Bedeutung erer-neuerbarer Energien im Allgemeinen sowie deren Entwicklung in der ersten Phase des Untersuchungszeitraumes soll im Folgenden in mehreren Schritten behandelt werden. Zunächst wer-den die technologischen Charakteristika erneuerbarer Energien – vor allem auch in Abgrenzung zum oben dargestellten technologischen Profil des Feldes zu Beginn der Liberalisierung – dargestellt. Dies ist für das Verständnis des Fal-les von zentraler Bedeutung, da es beim Ausbau erneuerbarer Energien und dessen Einfluss auf die Konstitution des Feldes nicht um die rein mengen-mäßige Verdrängung der bisherigen Technologien zur Stromerzeugung durch neue geht, sondern auch um die Frage der Integration neuer Techno-logien in bestehende technologische Settings, also um die Frage der Kom-patibilität von Technologien. Anschließend wird die Entwicklung der Gesetzge-bung zur Förderung erneuerbarer Energien dargestellt. Nach einem kurzen

historischen Abriss wird auf den Policy-Prozess im Vorfeld des Erneuer-bare-Energien-Gesetzes eingegangen. In einem dritten Schritt wird die Ent-wicklung der Erneuerbare-Energien-Branche in den Jahren nach der Einfüh-rung des Gesetzes beschrieben, um so einen Eindruck von der Bedeutung der neuen Herausforderer im Feld zu vermitteln. Im letzten Schritt wird das Verhältnis der großen Vier zu erneuerbaren Energien in Phase 1 beschrieben und der Frage nachgegangen, weshalb die Unternehmen sich aus diesem Ge-schäftsfeld (zunächst) weitgehend heraushielten.

7.2.1 Technologische Charakteristika erneuerbarer Energien

Im Folgenden sollen die technologischen Charakteristika erneuerbarer Energien – auch in Abgrenzung zu den im Sektor etablierten Arten der Stromerzeugung – vorgestellt werden, um einen Eindruck zu vermitteln, welche Bedeutung deren Ausbau für das technologische Profil des Feldes hatte. Dabei ist zunächst zu betonen, dass die erneuerbaren Energien unter technologischen Gesichtspunkten keine einheitliche Gruppe bilden. Viel-mehr handelt es sich um unterschiedliche Erzeugungsarten, deren Gemein-samkeit darin besteht, dass sie nicht auf endliche Ressourcen wie fossile Brennstoffe zurückgreifen, sondern sich aus theoretisch unendlich vorhan-denen Energiequellen speisen. Das wichtigste Kriterium zur Unterscheidung verschiedener erneuerbarer Energien ist deren Witterungsabhängigkeit und damit indirekt deren Steuerbarkeit. Es ist also zu unterscheiden zwischen dar-gebotsabhängigen erneuerbaren Energien, also Anlagen, deren produzierte Strommenge von Wetterverhältnissen abhängig ist, und nicht-dargebotsab-hängigen Technologien, deren produzierte Strommenge sich wetterunab-hängig vom Betreiber steuern lässt.

Um der Heterogenität erneuerbarer Energien weiter Rechnung zu tra-gen, sollen im Folgenden die erneuerbaren Energien, welche im Untersu-chungszeitraum die Struktur der Stromerzeugung am stärksten prägten, ein-zeln vorgestellt und bezüglich ihrer technologischen Charakteristika eingeordnet werden. Tabelle 24 zeigt den Beitrag verschiedener Erneuer-bare-Energien-Technologien zur Strombereitstellung in Deutschland jeweils zu Beginn und zum Ende des Untersuchungszeitraumes. Die für die vorlie-gende Arbeit wichtigsten erneuerbare Energien sind also die Windkraft, die solare Strahlungsenergie, die Biomasse sowie die Wasserkraft.

Tabelle 24: Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland 1998 und

In Windenergieanlagen wird die kinetische Energie des Windes in einem Rotor gefangen, welcher wiederum einen elektrischen Generator antreibt. Da die Windgeschwindigkeiten und damit die Produktionsmenge von Windkraft-anlagen saisonalen Unterschieden sowie nur eingeschränkt prognostizierba-ren Schwankungen im Tagesverlauf unterliegt, erhöhen sich mit steigender Windenergieeinspeisung die Anforderungen an das Erzeugungs- und Netz-management sowie die Relevanz von Speichertechnologien (vgl. Hirschl 2008, S. 65). Windkraftanlagen werden in Abhängigkeit von ihrem Standort unterschieden in Anlagen auf Land und Anlagen auf See – man spricht von Onshore- und Offshore-Windparks. Diese unterscheiden sich bezüglich zweier Merkmale: Der technische Aufwand sowie der Kostenaufwand der Installation ist im Falle von Offshore-Windanlagen bedeutend höher als bei Anlagen an Land. Dafür sind die durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten auf See höher und konstanter, die Stromproduktion ist also im Falle von Offshore-Anlagen besser prognostizierbar (vgl. Zahoransky 2010, S. 330 f.).

Aufgrund regional unterschiedlicher Windverhältnisse ist der Ausbau von Windkraft an verschiedenen (Onshore-)Standorten unterschiedlich attraktiv.

Windparks an Land erfuhren deshalb über den Untersuchungszeitraum hin-weg je nach Region verschieden starken Ausbau. Die Verbundunternehmen hatten sich also in unterschiedlichem Ausmaß mit schwankender Windkraft-Einspeisung in ihrem Netzbereich auseinanderzusetzen. Die beiden ausbaustärksten Bundesländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein –

beide zu weitesten Teilen im Netzbereich der PreussenElektra beziehungs-weise später E.ON – kamen zusammen im Jahr 2000 auf knapp die Hälfte der bundesweit installierten Windkraft-Kapazität (48,2 Prozent) (BWE e.V.

2016).

In Photovoltaikanlagen wird Sonnenlicht unter Nutzung des namensgeben-den photovoltaischen Effektes direkt in elektrische Energie umgewandelt (Bollin 2010, S. 298 f.). Photovoltaikanlagen lassen sich in verschiedenen Größenordnungen umsetzen, von Kleinanlagen für private Haushalte bis hin zu meist auf Freiflächen angebrachten Großanlagen mit mehreren Me-gawatt Leistung. Ähnlich wie im Falle der Windkraft ist die produzierte Strommenge einer Photovoltaikanlage vom Wetter bestimmt, pendelt also verhältnismäßig stark im Zeitverlauf. Dazu herrschen auch hier regionale Unterschiede in der Witterung, welche zusammen mit anderen Faktoren (etwa Wohlstand) zu regional unterschiedlich starkem Zubau solcher Anla-gen führte. 2015 war gut die Hälfte aller PhotovoltaikanlaAnla-gen in den drei ausbaustärksten Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Nord-rhein-Westfalen installiert.80 Die Photovoltaik erfuhr jedoch vor 2004 keinen nennenswerten Ausbau und wuchs erst ab 2009 in größerem Umfang.

Zudem lässt sich Strom aus in Biomasse gespeicherter Sonnenenergie ge-winnen. Biomasse fällt in unterschiedlicher Form an, welche sich in verschie-dener Weise nutzbar machen lässt. Es handelt sich also um eine ziemlich heterogene Kategorie. Unter den Begriff fallen verschiedene Brennstoffe unterschiedlichen Aggregatszustandes, welche unter Verwendung unter-schiedlicher Technologien zur Produktion nicht nur von Strom, sondern auch von Wärme oder zur Herstellung von Biokraftstoffen genutzt werden können. Unterschieden wird zwischen anfallender Biomasse in Form von Ab-fällen aus Forstwirtschaft, holzverarbeitender Industrie oder Nahrungsmit-telproduktion und speziell zum Zweck der Energiegewinnung angebauter Bio-masse, wie etwa den Energiepflanzen Raps oder Mais (Zahoransky 2010, S. 340). Zur Stromerzeugung aus Biomasse finden in erster Linie zwei Anla-getypen Verwendung. Dies sind zum einen größere Kraftwerke zur

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80 Deutschlandweit waren 2015 Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 39,7 GWp installiert. Gut die Hälfte davon entfiel auf die drei Bundesländer Bayern (11,4 GWp), Baden-Württemberg (5,2 GWp) und Nordrhein-Westfalen (4,3 GWp). Die restlichen Bundesländer kamen zusammen auf 18,8 GWp (Agentur für erneuerbare Ener-gien e.V. 2016).

mung von Festbrennstoffen wie etwa Kohlekraftwerke, in welchen Bio-masse zusätzlich zum normalerweise verwendeten Brennstoff beigefeuert wird. Zum anderen lässt sich aus bestimmten biogenen Stoffen durch Ver-gärung Biogas gewinnen, welches wiederum in Blockheizkraftwerken zur Strom- und Wärmegewinnung eingesetzt werden kann. Dies geschieht vor allem mit landwirtschaftlichen Abfallprodukten (Hirschl 2008, S. 67). In vie-len Fälvie-len eignet sich Biomasse aufgrund des vergleichsweise geringen Ener-giegehaltes bei gleichzeitig großer Masse nicht für den Transport über weite Strecken, eine Eigenschaft die eine dezentrale Verwertung am Ort des Bio-masseanfalles nahelegt (Zahoransky 2010, S. 340).

Bei Wasserkraftanlagen schließlich handelt es sich um die Erzeugungstech-nologie mit der längsten Tradition. Sie waren in der Anfangszeit der Elekt-rifizierung der vorherrschende Kraftwerkstyp (ebd., S. 252). Damit war die Wasserkraft die einzige Erneuerbare-Energien-Technologie, welche bereits vor der Einführung staatlicher Förderung in Deutschland in größerem Aus-maß genutzt wurde. Die aus Wasserkraftanlagen produzierte Strommenge war im Untersuchungszeitraum zwar geringfügigen Schwankungen unterle-gen, verzeichnete aber kaum einen Anstieg. Grundsätzlich sind zwei Typen von Wasserkraftwerken zu unterscheiden, welche jeweils unterschiedliche Rollen im Stromerzeugungssystem einnehmen: Laufwasserkraftwerke und Speicherkraftwerke. Laufwasserkraftwerke nutzen die Strömung von Gewäs-sern zur Produktion von Elektrizität. Dabei wird kinetische Energie über eine Turbine in mechanische Rotationsenergie umgewandelt, welche wiede-rum mittels eines Generators in elektrische Energie umgewandelt wird. Auf-grund der im Tagesverlauf ziemlich konstanten Produktionsmenge dienen Laufwasserkraftwerke traditionellerweise der Deckung von Grundlast (ebd., S. 253f.). Speicherkraftwerke unterscheiden sich hiervon in grundlegen-der Weise. Hier wird ein natürlich fließendes Gewässer zu einem Reservoir aufgestaut, wobei das hohe Gefälle sowie die Speicherkapazität von Stau- oder Bergseen zur Stromerzeugung genutzt werden. Speicherkraftwerke können sowohl in Grundlast betrieben werden als auch zur Deckung von Spitzenlast herangezogen werden. Die Sonderform der Pumpspeicherkraft-werke bezeichnet SpeicherkraftPumpspeicherkraft-werke ohne oder mit nur geringem natürli-chem Zufluss. Stattdessen wird in Zeiten geringer Stromnachfrage (und meist niedriger Preise) Wasser aus dem Tal in ein Oberbecken gepumpt, welches dann zur Deckung von Stromspitzen wieder abgelassen werden kann (ebd., S. 258). Damit nehmen Pumpspeicherkraftwerke eine wichtige

Rolle im Erzeugungssystem ein, da sie sowohl in der Lage sind Last zu si-mulieren, als auch kurzfristig Strom produzieren können.

Wie lassen sich die beschriebenen technologischen Spezifika der ver-schiedenen Erneuerbare-Energien-Technologien mit Rückblick auf das technologische Profil des Feldes bewerten? Ein entscheidender Unterschied, welcher bezüglich der erforderlichen Gleichzeitigkeit von Stromproduktion und Verbrauch (siehe Abschnitt 6.3) von Bedeutung ist, liegt in der Darge-botsabhängigkeit von Wind- und Solarstrom. Während konventionelle Kraft-werke (sowie nicht dargebotsabhängige erneuerbare Energien wie Wasser-kraft und Biomasse) im traditionellen Energiesystem jeweils eine spezifische Rolle bei der Deckung der Last im Tagesverlauf einnehmen, entziehen sich Windkraft- und Photovoltaikanlagen dieser Logik. Aufgrund der fluktuie-renden Leistung können sie nicht in zuverlässiger Weise die Grundlast be-dienen, während sie gleichzeitig aufgrund der begrenzten Steuerbarkeit nicht gezielt zum Abdecken von Mittel- oder Spitzenlast geeignet sind. Im Gegen-teil kommt es in Zeiten wetterbedingt ausfallender Leistung zu einem ver-mehrten Regelenergiebedarf, welcher durch andere Kraftwerke gedeckt wer-den muss. Gleichzeitig können fluktuierende erneuerbare Energien in bestimmten Zeiten für Produktionsmengen sorgen, welche die Nachfrage überschreiten. Sie wiederstreben dadurch dem herkömmlichen Verständnis einer Stromproduktion, welche sich an der Nachfrage orientiert und legen stattdessen ein Versorgungssystem nahe, in welchem die Nachfrage sich stärker nach dem Angebot richtet. Diese Inkompatibilitäten dargebotsab-hängiger erneuerbarer Energien mit dem konventionellen System führten im Untersuchungszeitraum zu Konflikten auf unterschiedlichen Ebenen.

Dazu sind erneuerbare Energien in der Regel von einer geringeren Grö-ßenordnung gekennzeichnet, das heißt sie sind weniger organisations- und ka-pitalintensiv. Obgleich es Ausnahmen gibt – große Wasserkraftwerke oder Windparks können durchaus die Größenordnung mittlerer konventioneller Kraftwerke erreichen – ist die durchschnittliche installierte Leistung von Er-neuerbare-Energien-Anlagen deutlich unter der von konventionellen Kraft-werken.81 Dies öffnete das Feld für weniger finanzstarke Akteure. Bezüglich des Spezialisierungsgrades der Erneuerbare-Energien-Technologien besteht

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81 Die Agentur für erneuerbare Energien weist etwa die Durchschnittsgröße von Windanla-gen aus. Diese lag im Jahr 2015 in fast allen Bundesländern unter 2 MW. Die durchschnitt-liche Photovoltaik-Anlage ist noch um ein vieles kleiner (Agentur für erneuerbare Ener-gien e.V. 2017).

kein tiefgreifender Unterschied zu den konventionellen Erzeugungstechno-logien. Lediglich die Biomasse (als Rohstoff) stellt eine Ausnahme dar, da sie auch abseits von der Stromgewinnung vielseitig nutzbar ist. Es zeigte sich jedoch, dass sich mit steigendem Ausbau erneuerbarer Energien die traditi-onellen Rollenzuschreibungen der verschiedenen konventitraditi-onellen Techno-logien immer weniger aufrechterhalten ließen (siehe Abschnitt 11.1.1). Die zum Betrieb der erneuerbaren Energien erforderliche spezielle Wissensbasis, fällt bei diesen Technologien im Vergleich zu konventionellen Anlagen we-niger ins Gewicht, da sich der Betrieb oder die Wartung an Dienstleister externalisieren ließ – etwa beim Kauf von schlüsselfertigen Solaranlagen.

Der Innovationstypus Erneuerbarer-Energien-Technologien dagegen war im Zeitverlauf von Veränderungen gekennzeichnet. Während die Erneuer-bare-Energien-Branche sich in ersten Jahrzehnten maßgeblich durch interne Dynamiken technologisch weiterentwickelte, stieg die Abhängigkeit von ex-terner Forschung und Entwicklung in Folge des Professionalisierungspro-zesses und dem damit einhergehenden Eintritt von großen Unternehmen (siehe unten ausführlicher).

7.2.2 Die Entwicklung der institutionellen Förderrahmen: Vom Stromeinspeisungsgesetz zum Erneuerbare-Energien-Gesetz Zu Beginn des Untersuchungszeitraumes im Jahr 1998 war die Abnahme sowie die Vergütung von Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen durch das Stromeinspeisungsgesetz (StrEG) von 1991 geregelt. Das Gesetz verpflich-tete Energieversorger den in ihrem Versorgungsgebiet erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien abzunehmen und in festgelegter Höhe zu vergüten.

Diese Vergütung belief sich auf einem je nach Technologie unterschiedlich festgelegten prozentualen Anteil des Strompreises für Letztverbraucher.

Windkraft- und Solaranlagen erhielten 90 Prozent des durchschnittlichen Endverbraucherpreises, Biomasseanlagen 80 Prozent, Wasserkraftanlagen sowie Deponie- und Klärgas je nach Größe 80 Prozent (bis 0,5 Megawatt) oder 65 Prozent (über 0,5 Megawatt) (Lauber und Mez 2004, S. 602). Zu-sammen mit anderen (zeit- oder mengenbefristeten) teilweise regional be-grenzten Förderprogrammen war hierdurch ein gewisses Mindestmaß an Planungssicherheit gewährleistet und Anreize für den Ausbau Erneuerbarer-Energien-Anlagen gesetzt (ausführlich Mautz et al. 2008). Unter diesen Rah-menbedingungen erhöhte sich der jährlich aus erneuerbaren Energien pro-duzierte Strom zwischen 1991 und 1998 von 17,5 auf 26,3 Terawattstunden,

was einem Anstieg von 3,2 Prozent auf 4,7 Prozent der Gesamtstrompro-duktion in Deutschland entspricht. Dieser Ausbau ging maßgeblich auf Onshore-Windkraftanlagen und Wasserkraftwerke zurück. Die Ausgestal-tung des Gesetzes wies jedoch einige Merkmale auf, welche einer weiteren Verbreitung erneuerbarer Energien im Wege standen. Zum einen war die festgelegte Vergütung im Falle einiger Technologien zu niedrig um den kos-tendeckenden Betrieb zu ermöglichen – dies betraf insbesondere die Photo-voltaik. Zum anderen erlaubte die Volatilität der Vergütung (welche durch die Kopplung an den Endverbraucherpreis entstand) keine längerfristig zu-verlässige Kalkulation der Erträge. Dies stellte insbesondere in Zusammen-hang mit den in den ersten Jahren nach der Marköffnung stark fallenden Strompreisen ein Investitionshindernis dar (Mautz et al. 2008, S. 53).

Aufgrund des regional unterschiedlich ausgeprägten Ausbaus von Er-neuerbare-Energien-Anlagen – in Norddeutschland wurden etwa aufgrund der günstigen Witterungsbedingungen bedeutend mehr Windkraftanlagen errichtet als in Süddeutschland – waren die Stromversorger in unterschied-lichem Maße von der Abnahme- und Vergütungspflicht von regenerativem Strom betroffen. Um den Protesten von Versorgern, die sich aufgrund des-sen benachteiligt fühlten, zu begegnen, führte die Regierung eine Härtefall-regelung ein, welche es betroffenen Unternehmen erlaubte, beim Über-schreiten einer Grenze von 5 Prozent Erneuerbare-Energien-Strom am gesamten Stromabsatz die Vergütungsverpflichtung eine Netzebene höher weiterzureichen. Für die oberste Netzebene wurde ein weiterer 5-Prozent-Deckel eingeführt, wodurch der Ausbau erneuerbarer Energien faktisch ge-setzlich nach oben begrenzt war (Hirschl 2008, S. 137). Nachdem sich das Erreichen des 5-Prozent-Deckels im Gebiet der PreussenElektra ankündigte und darüber hinaus die oben aufgeführten Defizite des Stromeinspeisungs-gesetzes seit längerem Bestandteil der politischen Diskussionen waren, stieß die amtierende rot-grüne Regierung Mitte 1999 die Ausarbeitung neuer ge-setzlicher Regelungen zur Förderung erneuerbarer Energien an. Dabei sollte insbesondere die vormalige Strompreiskopplung der Vergütung durch eine preisunabhängige technologiespezifische Vergütung ersetzt werden sowie bundesweite Ausgleichsmechanismen eingeführt werden, welche für eine gerechtere (regionale) Verteilung der Belastungen sorgen würden (ebd., S. 141). Nachdem die Verbundunternehmen je nach geographischer Ausbreitung ihrer Netze in unterschiedlicher Weise von dem Ausbau erneu-erbarer Energien betroffen waren, wichen die Positionen, die sie im Policy-Prozess vertraten, voneinander ab. Die PreussenElektra, welche sich durch

den starken Windkraft-Ausbau in Norddeutschland mit Wettbewerbsnach-teilen konfrontiert sah und aufgrund dessen auch gerichtliche Schritte gegen das Stromeinspeisungsgesetz eingeleitet hatte,82 unterstützte eine Neuaus-richtung der Förderung erneuerbarer Energien, welche die Kosten gleich-mäßig verteilen würde, während die RWE sowohl die technologiespezifische Vergütung als auch die Ausgleichsmechanismen strikt ablehnte – für sie war schließlich die alte Fassung des Gesetzes vorteilhafter (ebd., S. 145). Gene-rell war jedoch das politische Engagement der Stromkonzerne vergleichs-weise gering, da die Unternehmen den parallel stattfindenden Verhandlun-gen des Atomausstiegs (siehe Abschnitt 7.3) eine größere Bedeutung zuschrieben. Hierdurch war ein großer Teil der Ressourcen der potentiellen Gegner einer effektiveren Erneuerbare-Energien-Förderung gebündelt (ebd., S. 147; unter Bezugnahme auf Bechberger 2000, S. 51).

Nach einem guten halben Jahr politischer Debatten trat das Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz oder EEG) schließ-lich am 1. April 2000 in Kraft. Inhaltschließ-lich verpfschließ-lichtete es Netzbetreiber zum Anschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen und gewährte diesen Anla-gen Vorrang beim Einspeisen in die Versorgungsnetze. Dazu wurden für die einzelnen Erneuerbare-Energien-Technologien unterschiedliche Vergü-tungssätze festgelegt, welche auf 20 Jahre garantiert waren und degressiv ausgestaltet wurden, um technologische Fortschritte und damit sinkende In-stallations- und Betriebskosten zu berücksichtigen. Im Falle einzelner Tech-nologien – der Biomasse und insbesondere der Photovoltaik – lagen die im EEG festgelegten Förderhöhen deutlich über den am Endkundenpreis aus-gerichteten Vergütungen des Stromeinspeisungsgesetzes, wodurch diese Anlagen nun erstmals kostendeckend betrieben werden konnten. Der Tarif für Photovoltaik-Strom etwa stieg von 16,13 Pfennig pro Kilowattstunde nach dem Stromeinspeisungsgesetz auf 50,62 Cent pro Kilowattstunde nach dem EEG (Lauber und Mez 2004, S. 602, S. 610). Die durch die Förderung entstehenden Kosten – die Differenz zwischen dem Marktpreis und der ga-rantierten Vergütung – wurden per Umlage bundesweit auf die Stromkun-den abgewälzt (Lobo 2011, S. 210).

Nach der Einführung des Gesetzes bekundeten die großen Vier öffent-lich ihre Ablehnung. Die RWE etwa sprach in ihrem 2000er Geschäftsbe-richt von »erheblichen Belastungen« für Stromkunden und Energieversorger und führte an: »Dies führt zum Aufbau zusätzlicher Kapazitäten in einem

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82 Ausführlicher Hirschl (2008, S. 138).

stagnierenden Markt. Zudem wird ein wesentlicher Teil des liberalisierten deutschen Strommarktes wieder dem Wettbewerb entzogen« (RWE AG 2000, S. 47). Die EnBW positionierte sich ebenfalls klar: »Wir lehnen solche Markteingriffe ab, da sie die im Wettbewerb stehenden Versorger und im Endeffekt deren Kunden treffen. Notwendige Subventionen müssen aus dem Staatshaushalt geleistet werden« (EnBW AG 2000, S. 13). Weiterhin kündigte das Unternehmen an: »Wir sind auf allen Ebenen aktiv, um ineffi-ziente neue Subventionsmaßnahmen zu verhindern« (ebd., S. 13). Generell kritisierten die Unternehmen, erneuerbare Energien könnten keine Versor-gungssicherheit garantieren und würden darüber hinaus zu steigenden Strompreisen führen (Bohn und Walgenbach 2016, S. 14). Im Zeitverlauf spitzte sich die Argumentation der Stromkonzerne zu. So antwortete etwa Vattenfall-Europe-Chef Klaus Rauscher 2003 auf die Frage eines Journalis-ten, ob Windenergie noch eine Zukunft habe:

»50 Prozent erneuerbare Energien im Jahre 2050 – solche Prognosen einiger Politi-ker sind nichts wert. Das zeigt die Geschichte der letzten 50 Jahre. Politische Be-schlüsse der Fünfzigerjahre, zu mehr als 50 Prozent auf Strom aus Kernkraftwerken zu setzen, sind längst überholt. Die Politik macht heute den gleichen Fehler, wenn sie einseitig auf nur eine Form der Stromerzeugung setzt. Windenergie hat Zukunft, ist aber keine Lösung für die Versorgungssicherheit in Deutschland. Für die Grund-lastversorgung der drittgrößten Industrienation der Welt taugt Windenergie nicht.

Jedem neuen Windpark muss eine Reserve an konventioneller Kraftwerkskapazität zur Seite gestellt werden – sonst gibt es keine sichere Stromversorgung. Deswegen muss auch die Förderung der Windkraft überdacht werden. Aus einer einst sinnvol-len Anschubfinanzierung ist ein Fass ohne Boden geworden« (Wirtschaftswoche 2003).

Während die politische Opposition zum Zeitpunkt der Einführung des EEGs aufgrund der parallel stattfindenden Verhandlungen zum Atomaus-stieg vergleichsweise zurückhaltend war, wurden die Unternehmen sowie ihre Verbände aktiver, als es um die Anpassungen des EEGs in der 2004er-Novelle ging. Die drei Industrieverbände VDEW, VRE sowie VDN83 stell-ten beispielsweise 2003 in einer gemeinsamen Stellungnahme Forderungen, die einem fundamentalen Angriff auf das EEG gleichkamen. Sie schlugen

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83 Die ausgeschriebenen Namen der Verbände sind: Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), Verband der Netzbetreiber (VDN) sowie Verband der Verbundunternehmen und regionalen Energieversorger in Deutschland (VRE). Die Verbände gingen 2007 im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) auf.

eine Einschränkung des Einspeisevorranges vor und forderten, die Auf-wände, welche durch die wetterbedingt fluktuierende Leistung der Wind-kraftanlagen für Netzbetreiber sowie Lieferanten von Regelenergie entstün-den, sollten im EEG Berücksichtigung finden (VDEW et al. 2003). Dazu verlangte der VDEW eine »marktnahe« Förderung, welche Anreize zur tech-nologischen Optimierung der Anlagen setzen würde (VDEW e.V. 2003), freilich im Bewusstsein, dass die meisten erneuerbaren Energien – insbeson-dere etwa die Photovoltaik – kaum in der Lage gewesen wären, sich in einem Marktumfeld zu behaupten. Doch auch hier bildeten die großen Vier keine

eine Einschränkung des Einspeisevorranges vor und forderten, die Auf-wände, welche durch die wetterbedingt fluktuierende Leistung der Wind-kraftanlagen für Netzbetreiber sowie Lieferanten von Regelenergie entstün-den, sollten im EEG Berücksichtigung finden (VDEW et al. 2003). Dazu verlangte der VDEW eine »marktnahe« Förderung, welche Anreize zur tech-nologischen Optimierung der Anlagen setzen würde (VDEW e.V. 2003), freilich im Bewusstsein, dass die meisten erneuerbaren Energien – insbeson-dere etwa die Photovoltaik – kaum in der Lage gewesen wären, sich in einem Marktumfeld zu behaupten. Doch auch hier bildeten die großen Vier keine