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Akquisitionen und Neubauprojekte: Übergreifende Trends in der Geschäftstätigkeit der Stromkonzerne Trends in der Geschäftstätigkeit der Stromkonzerne

Stromkonzerne und Veränderungen ihrer Position im Feld

5.3 Akquisitionen und Neubauprojekte: Übergreifende Trends in der Geschäftstätigkeit der Stromkonzerne Trends in der Geschäftstätigkeit der Stromkonzerne

Abschließend will ich die Schwerpunkte der Geschäftstätigkeiten der Unter-nehmen im Zeitverlauf vergleichen. Hierzu werden die Akquisitionen und Desinvestitionen der Unternehmen sowie deren Investitionen in den Neu-bau von Erzeugungsanlagen dargestellt.

Als Ausgangspunkt wurden zunächst alle Unternehmenskäufe sowie -verkäufe, die in den Geschäftsberichten sowie den Pressemitteilungen der Unterneh-men Erwähnung finden, in Listen überführt. Abbildung 14 zeigt eine Visu-alisierung dieser In- und Desinvestitionen. Die Punkte repräsentieren jeweils einzelne Unternehmen, welche von den großen Vier übernommen oder ver-kauft wurden. Käufe wurden nur in die Grafik aufgenommen, wenn min-destens die Sperrminorität von 25 Prozent erworben wurde. Verkäufe wur-den nur aufgenommen, wenn das entsprechende Unternehmen vollständig abgestoßen wurde. In Fällen, in denen sich der Kauf- oder Verkaufsprozess über einen längeren Zeitpunkt erstreckte – etwa durch schrittweises Aufsto-cken von Anteilen –, wurde der Beginn der Transaktion als Geschäftszeit-punkt gewählt.

Unternehmen wurden nach Unternehmenssitz differenziert – Deutsch-land oder außerhalb von DeutschDeutsch-land – sowie nach ihren Geschäftsschwer-punkten. Dabei wurden zunächst Unternehmen aus dem Bereich der Strom-versorgung unterschieden von Unternehmen aus dem Nicht-Energiebereich. Stromversorgung bezeichnet alle Unternehmen, welche ei-nen Schwerpunkt auf die Produktion, den Transport, den Handel und/oder

den Vertrieb von Elektrizität legen. Als Nicht-Energiebereich werden Ge-schäftstätigkeiten abseits von Strom-, Gas-, Mineralöl- oder Wärmeversor-gung verstanden. Unternehmen welche schwerpunktmäßig in der Gas-, Öl- oder Wärmeversorgung tätig sind, wurden somit nicht aufgenommen.41 Diese Visualisierung dient vor allem einer ersten Annäherung an die Ge-schehnisse im Feld. Unter anderem aufgrund unterschiedlich ausführlicher Berichterstattung der vier Unternehmen kann weder Vollständigkeit noch Vergleichbarkeit gewährleistet werden. Außerdem liegen in vielen Fällen keine Informationen über die Transaktionsvolumina vor, weshalb von einer (an sich hochinteressanten) größenabhängigen Unterscheidung der In- und Desinvestitionen abgesehen werden muss.

Aus Abbildung 14 lassen sich übergreifende Muster im Investitionsver-halten der vier Unternehmen ablesen. Akquisitionen von Stromversorgern erfolgten maßgeblich in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraumes.

Alle vier Unternehmen hatten um 2000 eine Phase, in der sie einen Schwer-punkt auf die Übernahme von Stromversorgern legten: E.ON (2000–2004), RWE (2001–2003), EnBW (1998 sowie 2001–2004), Vattenfall (1998–2000).

Diese Übernahmephase fällt zusammen mit der gehäuften Abstoßung von Beteiligungen im Nicht-Energiebereich – E.ON (2000–2002), RWE (1999–

2000), EnBW (2002–2004), Vattenfall (in geringerem Ausmaß ab 2003).

Desinvestitionen im Strombereich treten ebenso in allen vier Fällen gebün-delt auf. Ein erster Schwung erfolgte im Anschluss zur Expansion im Strom-bereich – E.ON (2001–2003), RWE (2003–2004), EnBW (2004–2005), Vat-tenfall (2000–2001 sowie 2005–2007). Eine zweite Phase der Desinvestitionen im Strombereich erfolgte in den jüngeren Jahren – E.ON (2010–2014), RWE (2012–2015), EnBW (keine eindeutige Häufung), Vat-tenfall (2009–2011).

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41 Dies ist der Fokussierung der Arbeit auf den Strombereich geschuldet und dient darüber hinaus dem Zweck der Übersichtlichkeit. Grundsätzlich erfolgten Investitionen in Unter-nehmen, welche sich ausschließlich der Gas- oder Wärmeversorgung widmeten, schwer-punktmäßig in denselben Zeiträumen wie die Investitionen in Stromversorger. Dennoch wurden einige Unternehmen aufgenommen, welche in Gas-, Wärme- oder Mineralölver-sorgung tätig waren – jedoch nur, wenn der Geschäftsschwerpunkt dieser Unternehmen in der Stromversorgung lag.

Abbildung 14: Akquisitionen und Desinvestitionen der großen Vier 1998–2015

Quelle: Unternehmensberichte und Pressemitteilungen. Eigene Zusammenstellung42

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42 Im Falle der RWE ist die Darstellung für das Jahr 1998 unvollständig, da die Zeitpunkte der Investitions- und Desinvestitionsaktivitäten des Unternehmens aus den Geschäftsbe-richten 1997/1998 sowie 1998/1999 häufig nicht eindeutig hervorgehen. Im Jahr 1998 waren also vermutlich mehr Geschäftsaktivitäten erfolgt als in der Grafik dargestellt.

In ähnlicher Weise wurden die Investitionen der Unternehmen in neue Er-zeugungskapazitäten in den Blick genommen. Hierzu wurden alle Informatio-nen zu Planung und Verlauf von Neubauprojekten aus den Geschäftsbe-richten sowie den Pressemitteilungen der Unternehmen entnommen. Die Kraftwerke wurden anschließend in vier Kategorien eingeteilt: Fossile Kraft-werke in Deutschland, fossile KraftKraft-werke international, Erneuerbare-Ener-gien-Projekte in Deutschland sowie internationale Erneuerbare-Energien-Projekte. Die Kategorie fossile Kraftwerke umschließt Kohle- und Gaskraftwerke, erneuerbare Energien umfasst On- und Offshore-Wind-parks sowie Wasserkraftwerke (Pumpspeicher wie auch Laufwasser). Kern-kraftwerke wurden von den Unternehmen im Untersuchungszeitraum nicht gebaut. Nachdem sich die Berichterstattung der Unternehmen bezüglich kleinerer Projekte als inkonsistent herausstellte – manche Unternehmen be-richteten darüber, andere nicht – wurden nur größere Kraftwerke in die Ana-lyse einbezogen. Im Falle von Erneuerbare-Energien-Projekten sind dies Kraftwerke mit einer Leistung von über 40 Megawatt, im Falle fossiler Kraftwerke Anlagen mit einer Leistung über 300 Megawatt. Kraftwerke, welche zum größeren Teil der Erzeugung von Wärme dienen, wurden nicht berücksichtigt. Ebenfalls nicht aufgenommen wurden konventionelle Anla-gen, welche nicht von den großen Vier selbst geplant waren, sondern als bereits laufende Projekte im Rahmen von Unternehmensübernahmen er-worben wurden.43

Abbildung 15 zeigt eine Visualisierung der Kraftwerksprojekte der Un-ternehmen. Als Grundlage für die Positionierung der einzelnen Projekte auf der Zeitleiste wurde der Beginn der Projektplanung herangezogen – annähe-rungsweise bestimmt durch das Jahr, in welchem das entsprechende Projekt zum ersten Mal in den Publikationen der Unternehmen auftauchte.44

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43 Dabei handelt es sich um: Die Erweiterung des Kraftwerkes Émile Huchet um Block 7 und 8, welche E.ON im Rahmen der gescheiterten Endesa Übernahme erworben hatten (siehe Abschnitt 8.3.1), die Projekte Claus C und Moerdijk, welche von Essent geplant wurden und sich bereits im Bau befanden, als RWE den Versorger übernahm, sowie die Nuon-Projekte Diemen 34, Hemweg 9 und Magnum, welche Vattenfall nach der Über-nahme des Versorgers weiterverfolgte.

44 Bei einzelnen Onshore-Windparkprojekten war der Planungsbeginn nicht bekannt. Da diejenigen Onshore-Projekte, über die umfangreiche Informationen vorlagen, in aller Re-gel relativ schnell umgesetzt wurden, wurde für alle Onshore-Projekte mit unbekanntem Projektstart annäherungsweise ein Jahr Zeitraum zwischen Planungsbeginn und Inbe-triebnahme unterstellt.

Abbildung 15: Kraftwerksprojekte der großen Vier nach Planungsbeginn 1998–2015

Quelle: Unternehmensberichte und Pressemitteilungen. Eigene Zusammenstellung

Zwischen der Investitionsentscheidung und der Inbetriebnahme eines Kraftwerkes liegen je nach Kraftwerkstyp häufig etliche Jahre, weshalb, will man Investitionsentscheidungen als strategische Entscheidungen begreifen, der Zeitpunkt der Investitionsentscheidung bedeutend relevanter ist als der der Inbetriebnahme. Es muss jedoch erwähnt werden, dass nicht alle in Ab-bildung 15 eingegangenen Projekte auch tatsächlich verwirklicht wurden.

Einzelne Projekte wurden aus unterschiedlichen Gründen im Verlauf abge-brochen. In die Grafik aufgenommen wurden nur Projekte, bei denen eine Investitionsentscheidung getroffen und die entsprechenden Bauanträge am Standort gestellt wurden. Nicht aufgenommen wurden hingegen Projekte, welche sich entweder zu Beginn des Untersuchungszeitraumes bereits im Bau befanden oder Projekte, die zum Ende des Untersuchungszeitraumes zwar beschlossen waren, deren Umsetzung jedoch noch nicht begonnen hatte.

Aus diesen Daten lassen sich zwei Muster herauslesen: Abseits von ein-zelnen Projekten wurde der Großteil aller fossilen Kraftwerksprojekte zwi-schen 2005 und 2008 beschlossen. Bei Erneuerbare-Energien-Projekten ist eine Häufung ab 2006/2007 zu beobachten. Während jedoch 2011 das letzte fossile Kraftwerk beschlossen wurde, trieben die Stromkonzerne den Aus-bau erneuerbarer Energien bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes vo-ran.

Zusammenfassend lassen sich aus den Investitionsentscheidungen der Unternehmen für alle vier Konzerne die folgenden Tendenzen herauslesen:

(1) Nach der Liberalisierung folgte eine Phase der Expansion im Strombe-reich durch die Akquisition einer Großzahl an Unternehmen. Diese Zukäufe gingen mit einer gleichzeitigen Fokussierung einher, das heißt mit Verkäufen im Nicht-Energiebereich. (2) Je nach Unternehmen ging spätestens nach 2004 die Anzahl der Zukäufe merklich zurück. Es folgte eine kurze Konso-lidierungsphase, nach deren Abschluss die Versorger – ab 2006 – vermehrt in neue Produktionsanlagen investierten. (3) Während der Ausbau von Er-neuerbare-Energien-Anlagen bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes weiterbetrieben wurde, fanden nach 2009 kaum mehr Investitionen in fossile Kraftwerke statt. Etwa zu diesem Zeitpunkt begannen die Unternehmen je-doch vermehrt Beteiligungen im Strombereich zu verkaufen.