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Akteurskonstellation vor der Liberalisierung

Stromkonzerne und Veränderungen ihrer Position im Feld

6. Ausgangspunkt: Der Elektrizitätssektor vor der Liberalisierung vor der Liberalisierung

6.2 Akteurskonstellation vor der Liberalisierung

Anfang 1998 – also noch vor der Marktöffnung – wurde die Stromversor-gung durch etwa 1.000 Unternehmen mit jeweils klar abgegrenzten Versor-gungsgebieten und Zuständigkeitsbereichen bereitgestellt. Auf der obersten Ebene fungierten acht vertikal integrierte Verbundunternehmen als Vorlieferan-ten der etwa 70 kleineren Regionalversorger sowie der über 900 Stadtwerke.

Die Verbundunternehmen waren in Besitz der überregionalen Höchstspan-nungsnetze und damit zuständig für den Stromtransport über weite Strecken sowie den Stromaustausch im westeuropäischen Verbundsystem. Sie besa-ßen den größten Teil des deutschen Kraftwerksparks und produzierten mehr als 80 Prozent des Stroms, deckten dabei aber nur 33 Prozent der Stromabgabe an die Verbraucher ab (Latkovic 2000, S. 116; Leuschner 2016). Abbildung 16 zeigt die Abgrenzung der regionalen Monopole der Verbundunternehmen. Diese acht Unternehmen, aus denen in den ersten Jahren der Liberalisierung durch Zusammenschlüsse die großen Vier her-vorgingen (Ausführlich in Abschnitt 7.1.2), sollen im Folgenden kurz vor-gestellt werden.

Abbildung 16: Die acht Verbundunternehmen und ihre regionalen Monopole 1998

Eigene Darstellung. Nach Haas und Scharrer (2017)

Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG (RWE)

Die RWE AG wurde 1898 unter dem Namen Rheinisch-Westfälische Elekt-rizitätswerk AG gegründet und ist eines der ältesten und traditionsreichsten Energieversorgungsunternehmen Deutschlands. RWE präsentierte sich vor Beginn der Liberalisierung als breit aufgestelltes Unternehmen. Die Ge-schäftsbereiche umfassten Energie, Bergbau und Rohstoffe, Mineralöl und Chemie, Entsorgung, Maschinen-, Anlagen- und Gerätebau sowie Bau und Telekommunikation. Innerhalb des Konzerns war die RWE Energie AG als rechtlich eigenständige Führungsgesellschaft für den Unternehmensbereich Energie zuständig. Mit einem Umsatz von 22,6 Milliarden DM im Ge-schäftsjahr 1997/1998 war die RWE Energie das umsatzstärkste Energie-versorgungsunternehmen Deutschlands. Dieser Geschäftsbereich kam je-doch nur für etwa ein Drittel des konzernweiten Umsatzes auf (31,1 Prozent). Der größte prozentuale Anteil entfiel auf den Bereich Mine-ralöl und Chemie (38,1 Prozent). Das Geschäftsfeld Maschinen-, Anlagen- und Gerätebau folgte mit 15,3 Prozent, die restlichen Bereiche – Entsor-gung, Telekommunikation, Bergbau und Rohstoffe, Bau – erwirtschafteten zusammen 15,4 Prozent. (RWE AG 1998, S. 12). Energie war zwar nicht der umsatzreichste Geschäftsbereich des Unternehmens, es war jedoch der Bereich, in welchen die meisten investiven Mittel flossen (37,9 Prozent) und der mit 45,7 Prozent beinahe die Hälfte des betrieblichen Ergebnisses lie-ferte (ebd., S. 19, S. 102). Energie war also das gewinnträchtigste Geschäfts-feld des Konzerns.

Das Versorgungsgebiet der RWE umfasste vor der Liberalisierung we-sentliche Teile der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen sowie Teile Bayerns (Klatt et al. 1999, S. 577). In der Ge-schichte des Unternehmens spielten die Verbindungen zu nordrhein-west-fälischen Kommunen, welche zu Beginn der Liberalisierung 25,9 Prozent der Anteile am Unternehmen hielten, eine große Rolle (vgl. Becker 2011;

Leuschner 2007e).45 Neben den kommunalen Aktionären stellte die Allianz

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45 Ein interviewter RWE-Manager fasste das historisch gewachsene Verhältnis zwischen RWE und den nordrhein-westfälischen Kommunen folgendermaßen zusammen: »[…] die Verbindung von Kommunalen zur Energieversorgung war natürlich auch aus der Ge-schichte her. Also das waren früher die Partner der Energieversorgung, die gesagt haben, hier RWE bring mir meinen Strom nach Trier. Im Gegenzug verkaufe ich dir halt das Recht dafür Gebühren zu erheben und im Gegenzug kriegst du wieder Gemeindeaktien von RWE. […] Ja, deswegen auch noch so viele Aktien bei den Kommunen. Und dadurch

AG mit 13,3 Prozent den größten Einzelaktionär der RWE dar (RWE AG 1999, S. 8 ff.).

PreussenElektra AG

Die PreussenElektra – ehemals Preußische Elektrizitäts-Aktiengesellschaft (Preußenelektra) – entstand 1927 durch Fusion der Großkraftwerk Hanno-ver AG, der Preußischen Kraftwerke Oberweser AG und der Gewerkschaft Großkraftwerk Main-Weser. Nach der Verschmelzung mit der Nordwest-deutsche Kraftwerke AG im September 1985 wurde das Unternehmen in PreussenElektra Aktiengesellschaft umbenannt. Der Versorgungsbereich reichte von der dänischen Grenze bis zum Main und umfasste Schleswig-Holstein, den größten Teil Niedersachsens und Hessens sowie Teile von Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg Vorpommern und des nördlichen Sach-sen-Anhalt (Klatt et al. 1999, S. 568).

Die Preussenelektra war in Besitz der 1929 gegründeten Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks AG (VEBA), innerhalb derer sie für den Ener-giebereich zuständig war. Die VEBA war neben Elektrizität in den Berei-chen Chemie, Öl, Telekommunikation, Distribution/Logistik, Immobilien sowie Silizium Wafer tätig und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 1997 einen Umsatz von 82,7 Milliarden DM (VEBA 1998, S. 16). Während Distribution und Logistik im Jahr 1997 mit 35 Prozent der umsatzstärkste Geschäftsbe-reich war, entfielen auf den StrombeGeschäftsbe-reich – welcher 19,4 Prozent des Um-satzes stellte – 60,1 Prozent des Gewinns vor Steuern, Zinsen und Abschrei-bungen (EBITDA), es handelte sich also um den Hauptergebnisträger des Konzerns (ebd., S. 20 f.).

Bayernwerk AG

Das Bayernwerk wurde 1921 als bayerisches Staatsunternehmen zum Zweck der Stromversorgung des Freistaates gegründet, welcher auch bis zum Be-ginn der Liberalisierung das Versorgungsgebiet des Unternehmens weitge-hend absteckte. Das Unternehmen wurde 1994 privatisiert und befand sich seither mehrheitlich (1997 zu 95,2 Prozent) im Besitz der Vereinigte Indust-rieunternehmungen AG (VIAG) – die restlichen Anteile (4,8 Prozent) hiel-ten bayerische Bezirke (Klatt et al. 1999, S. 553). Die VIAG war 1923 als

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ist auch so eine enge Verbindung entstanden. Man muss auch ehrlicherweise sagen, dadurch wurde in der Vergangenheit gekungelt« (RWE Interview 5).

Dachgesellschaft für reichsdeutsche Industriebeteiligungen gegründet wor-den. Ihr Tätigkeitsbereich erstreckte sich zu Beginn der Liberalisierung ne-ben Energie auf die Bereiche Telekommunikation, Aluminium, Chemie, Verpackung und Logistik. 1997 machte der Konzern einen Umsatz von 49,5 Milliarden DM, wovon 22,5 Prozent auf den in der Bayernwerk AG gebündelten Energiebereich entfiel. Wie auch im Falle der RWE und VEBA war zwar der anteilige Umsatz der Energieaktivitäten im VIAG-Verbund vergleichsweise gering, es erwies sich jedoch gleichzeitig als der profitabelste Geschäftszweig – das Bayernwerk kam für 73,7 Prozent des konzernweiten Gewinns (EBIT) auf (VIAG AG 1998, S. 1).

Die VIAG war im Jahr 1997 zu 25,1 Prozent in Besitz des Freistaates Bayern. Größte Einzelaktionäre waren daneben die VI-Industriebeteili-gungsgesellschaft sowie die HI-Vermögensverwaltungsgesellschaft mit je-weils über 10 Prozent sowie die Allianz AG mit gut 5 Prozent (Klatt et al.

1999, S. 592).

Vereinigte Energiewerke AG (VEAG)

Die VEAG setzte sich aus den ehemaligen DDR-Verbund-Kombinaten Vereinigte Kraftwerks AG, Energiewerke Nord AG und der Verbundnetz Elektroenergie AG zusammen, welche nach der deutschen Wiedervereini-gung von den westdeutschen Verbundunternehmen übernommen worden waren. Die VEAG wurde zu jeweils 26,25 Prozent von RWE und Preus-senElektra gehalten, zu 22,5 Prozent vom Bayernwerk und zu 25 Prozent von einem Konsortium der übrigen Verbundunternehmen (Bleicher 2006, S. 172).46

Die Geschäftstätigkeiten der VEAG bestanden damit im Betrieb der ehemals ostdeutschen Großkraftwerke (vor allem Braunkohlekraftwerke) sowie des dortigen Verbundnetzes. Im Geschäftsjahr 1997 erwirtschaftete die VEAG Umsatzerlöse in Höhe von 5.223 Millionen DM, welche zu 98 Prozent im Bereich Strom generiert wurden (VEAG AG 1998, S. 69).

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46 Bleicher (2006) beschreibt in seiner Dissertationsschrift detailreich den Prozess der Neu-ordnung der ostdeutschen Stromwirtschaft im Zuge der Wiedervereinigung. Mit der Me-tapher »Aufbau Ost als Nachbau West« versinnbildlicht er die Übertragung der instituti-onellen Ordnungsmuster der westdeutschen Stromversorgung auf die ehemalige DDR Stromwirtschaft.

Der Anteil der anderen Geschäftsbereiche – vor allem Wärme, Telekommu-nikation und Entsorgung – am Gesamtgeschäft war somit verschwindend gering (ebd., S. 40).

Energie Baden-Württemberg AG (EnBW)

Die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW)47 entstand zum 20. August 1997 durch die Fusion der Badenwerk Holding AG und der Energie-Ver-sorgung Schwaben Holding AG (EVS). Das Badenwerk war 1921 unter dem Namen Badische Landeselektrizitätsversorgung AG zum Zweck des Auf- und Ausbaus der Energieversorgung im damaligen Baden gegründet wor-den. Die Gründung der Energie-Versorgung Schwaben AG wiederum ging auf den Zusammenschluss der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) und der Elektrizitäts-Versorgung Württemberg AG (EVW) im Jahr 1939 zurück und markierte das Ende eines längeren Prozesses der Bünde-lung der württembergischen Stromversorgung (EnBW AG 2017d).

Die Geschäftstätigkeiten der EnBW erstreckten sich zu Beginn der Libe-ralisierung über die Bereiche Energie, Entsorgung sowie Industrie und Ser-vices. Zudem wies das Unternehmen die nachrangigen Geschäftsbereiche Telekommunikation und Verkehr aus. Der Bereich Energie stand bei der EnBW an zentraler Stelle, in diesem Geschäftsfeld wurden 1997 94,9 Pro-zent von 8.327 Millionen DM Umsatz erwirtschaftet. Die Geschäftsbereiche Entsorgung sowie Industrie und Services folgten erst weit abgeschlagen und machten 5,0 Prozent beziehungsweise 0,1 Prozent des Umsatzes aus (EnBW AG 1998, S. 2).

Die EnBW war – ähnlich wie RWE – stark regional verwurzelt, was auf die Entwicklungsgeschichte des Unternehmens zurückging und sich weiter-hin in dessen Eigentümerstruktur widerspiegelte. 1998 befand sich das Un-ternehmen zu 25 Prozent im Besitz des Landes Baden-Württemberg, knapp

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47 Die Abkürzung EnBW wurde erst seit 1998 offiziell verwendet. Im ersten Jahr nach der Gründung lautete die Kurzform zunächst EBW.

35 Prozent der Anteile lagen beim Zweckverband Oberschwäbische Elekt-rizitätswerke (OEW),48 zusätzliche 26,4 Prozent bei drei weiteren regionalen Zweckverbänden.49

Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG (VEW)

Die Geschichte der VEW geht auf die Gründung des Elektrizitätswerk Westfalen (EW) im Jahre 1906 zurück. Das Unternehmen wurde ehemals von westfälischen Kommunen zur Abwehr der expandierenden RWE ge-gründet und firmierte, nach Zusammenschluss mit mehreren kommunalen Überlandwerken, seit 1925 unter dem Namen VEW (ausführlicher Leusch-ner 2007e, S. 287). Wie auch die EnBW – und im weiteren Sinne die RWE – war das Unternehmen stark durch seinen Ursprung als kommunales Un-ternehmen und durch das zeitübergreifend hohe Engagement der mittler-weile nur noch als Aktionäre fungierenden Kommunen geprägt. 1998 hiel-ten die kommunalen Aktionäre 52,1 Prozent der VEW-Aktien. Größter Einzelaktionär waren darüber hinaus die Energie-Verwaltungs-Gesellschaft mbH mit 25,3 Prozent sowie das Bayernwerk mit 12,4 Prozent der Anteile (VEW AG 1998, S. 29). Das Versorgungsgebiet der VEW umfasste weite Teile Westfalens.

Im Jahr 1998 wies die VEW neben Energie die Geschäftsbereiche Ent-sorgung und Dienstleistungen aus. Von einem Gesamtumsatz von 8.577 Millionen DM im Geschäftsjahr 1997 entfielen 85 Prozent auf den Energiebereich – sowie 92 Prozent des Konzernergebnisses von 326 Milli-onen DM. Der Entsorgungsbereich erwirtschaftete zwar 11 Prozent des Umsatzes, jedoch nicht einmal ein Hundertstel des Ergebnisses. Der Dienst-leistungsbereich erwies sich als wirtschaftlicher, hier wurden 7,7 Prozent des konzernweiten Ergebnisses sowie 3,5 Prozent der Umsätze generiert (ebd., S. 78).

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48 Der Zweckverband wurde und wird von baden-württembergischen Kommunen gehalten.

Die OEW musste sich – wie auch andere Zweckverbände und Regionalversorger – unter den Nationalsozialisten in die EVS einbringen und erhielt im Gegenzug Unternehmens-aktien. Damit wurde die OEW 1939 vom operativ tätigen Unternehmen zum Aktionär (OEW Interview 1). Heute vertreten neun baden-württembergische Landkreise über die OEW ihre Interessen gegenüber der EnBW.

49 Es handelte sich um den Landeselektrizitätsverband Württemberg (12,1 Prozent), den Gemeindeelektrizitätsverband Schwarzwald-Donau (8,9 Prozent) sowie den Badischen Elektrizitätsverband (5,4 Prozent). Quelle: Direkte Anfrage beim Unternehmen.

Hamburgische Electricitäts-Werke AG (HEW)

Die HEW wurde 1894 mit dem Ziel gegründet, die Stadt Hamburg mit Strom und Fernwärme zu versorgen. Die Stadt Hamburg – welche 1997 mit 50,2 Prozent Mehrheitsaktionär war – steckte auch das Versorgungsgebiet des Unternehmens zu Monopolzeiten ab (Klatt et al. 1999, S. 563). Darüber hinaus hielt die PreussenElektra 15,4 Prozent der Anteile, 21,8 Prozent be-fanden sich in Besitz des schwedischen Versorgers Sydkraft.

Die HEW war zum Zeitpunkt der Marktöffnung weitestgehend auf das Energiegeschäft fokussiert. Von 4.565 Millionen DM Umsatzerlösen im Jahr 1997 wurden 56,5 Prozent im Strombereich erwirtschaftet, 28,3 zent im Gasbereich und 6,5 Prozent im Wärmegeschäft. Lediglich 8,7 Pro-zent entfielen auf den Nicht-Energiebereich, welcher das Entsorgungsge-schäft sowie weitere (nicht spezifizierte) Lieferungen und Leistungen umschloss (HEW AG 1998, S. 6).

Berliner Städtische Elektrizitätswerke AG (Bewag)

Das Unternehmen wurde 1884 unter dem Namen Städtische Electricitäts-Werke Aktiengesellschaft zu Berlin gegründet und war nach mehrfacher Umbenennung seit 1934 unter dem Namen Bewag tätig (Klatt et al.

1999, S. 555). Die Geschäftsbereiche der Bewag umfassten die Versorgung der Stadt Berlin mit Strom, Wärme und öffentlicher Beleuchtung. Von 3.960 Millionen DM Umsatzerlösen entfielen im Geschäftsjahr 1997/1998 77,8 Prozent auf den Bereich Strom, 20,7 Prozent auf Wärme und 1,3 Pro-zent auf Beleuchtung (BEWAG AG 1999, S. 93).

Im Jahr 1997 war die Bewag knapp zur Hälfte in Besitz von Preus-senElektra (23 Prozent) und Bayernwerk (26 Prozent). Weitere 26 Prozent hielt der US-amerikanische Stromkonzern Southern Energy (Klatt et al.

1999, S. 555).

Die acht Verbundunternehmen unterschieden sich also hinsichtlich mehrerer Faktoren. Tabelle 14 stellt Umsätze, Geschäftsbereiche, Aktio-närsstruktur sowie Erzeugungsmix der acht Unternehmen systematisch ge-genüber.

Tabelle 14: Unterschiede zwischen den Verbundunternehmen 1997/1998

Diversifiziert Institutionelle Anleger;

Daten: Geschäftsberichte. Eigene Zusammenstellung50

Die unterschiedliche Höhe der Umsätze der Unternehmen vermitteln be-reits einen Eindruck über deren unterschiedliche Ressourcenausstattung und damit deren Position im Feld. Um dies zu vertiefen, zeigt Tabelle 15 den Anteil der Verbundunternehmen an den deutschlandweiten Erzeugungska-pazitäten sowie der Stromproduktion. Hierzu werden Angaben aus verschie-denen Studien zusammengefasst. Da die Autoren unterschiedliche Daten heranziehen und darüber hinaus unterschiedliche Berechnungsmethoden verwenden, weichen die angegebenen Zahlen im Detail voneinander ab. In einer Vermittlung können Sie jedoch dazu dienen, einen Eindruck von den ungefähren Kräfteverhältnissen zu vermitteln.

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50 Umsätze beziehen sich bei RWE und Bewag auf das Geschäftsjahr 1997/1998. Im Falle von RWE und EnBW wird der Außenumsatz angegeben, im Falle der Bewag die Umsatz-erlöse.

Tabelle 15: Anteil der Verbundunternehmen an Erzeugungskapazitäten und Strompro-duktion im Jahr 1998

Anteil an Erzeugungskapazitäten (in Prozent) Anteil an Stromproduktion

PreussenElektra 20,3 17,9 18,2 16,9

Bayernwerk 11,4 11,8 9,7 11,0 Quellen: Eikmeier und Gabriel 2005; Pfeiffer 200551

Interessant ist darüber hinaus ein Blick auf die Verflechtungen zwischen den Verbundunternehmen. Tabelle 16 zeigt eine Übersicht.

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51 Sowohl Pfeiffer wie auch Eikmeier und Gabriel berücksichtigen die Verflechtungen auf dem deutschen Strommarkt rechnerisch. Pfeiffer bietet verschiedene Zahlen an, denen unterschiedliche Zurechnungsmethoden zugrunde liegen. Im vorliegenden Fall wurden den Daten auf Basis direkter Zurechnung (Pfeiffer 2005, S. 7) der Vorzug vor Daten auf Basis der Dominanzmethode gegeben, da erstere ein differenzierteres Bild der tatsächli-chen Besitzverhältnisse liefert. Eikmeier und Gabriel berücksichtigen Beteiligung gemäß der Methode der durchgerechneten Kapitalanteile (Eikmeier und Gabriel 2005, S. 13).

Lediglich die Anteile der VEAG wurden nicht den jeweiligen Anteilseignern zugewiesen (das Unternehmen befand sich vollständig in Besitz eines Konsortiums der anderen Ver-bundunternehmen). Die Bewag taucht in beiden Berechnungen nicht auf, da ihre Anteile an Kraftwerken den Anteilseignern (u.a. Bayernwerk und PreussenElektra) zugewiesen wurden.

Tabelle 16: Verflechtungen zwischen den Verbundunternehmen 1997/1998 Verbundunternehmen Beteiligung an

RWE 26,25 Prozent an VEAG

Minderheitsanteil an VEW (über Energie-Verwaltungs-Gesellschaft mbH)

PreussenElektra 26,25 Prozent an VEAG 15,4 Prozent an HEW 23 Prozent an Bewag Bayernwerk 22,5 Prozent an VEAG

12,4 Prozent an VEW 26 Prozent an Bewag

EnBW, HEW, VEW, Bewag Zusammen 25 Prozent an VEAG

(über Energie-Beteiligungs-Holding (EBH)) Quelle: Geschäftsberichte; Klatt et al. (1999). Eigene Darstellung

Demnach wurde die (an Umsätzen und Produktionskapazitäten gemessene) Vormachtstellung der drei größten Unternehmen RWE, PreussenElektra und Bayernwerk zusätzlich durch Beteiligungen an den übrigen Verbundun-ternehmen gefestigt. Die ostdeutsche VEAG war vollständig im Besitz der sieben westdeutschen Verbundunternehmen, die Bewag knapp zur Hälfte im Besitz von PreussenElektra und Bayernwerk. Lediglich die EnBW war unabhängig von den übrigen Unternehmen.

Die Verbundunternehmen – und unter ihnen im Besonderen RWE, PreussenElektra und Bayernwerk – stellten damit in der Zeit vor der Libe-ralisierung die mächtigsten Akteure (Incumbents) im Feld der Stromerzeu-gung dar. Auf den darunterliegenden Ebenen waren Regionalversorger so-wie Stadtwerke für die Verteilung und zu geringerem Ausmaße für die Erzeugung von Elektrizität zuständig.

Die etwa 70 Regionalversorger waren hauptsächlich für die Stromverteilung an lokale Versorgungsunternehmen und Endverbraucher zuständig. Ob-gleich sie ebenfalls in gewissem Umfang eigene Kraftwerkskapazitäten besa-ßen, bezogen sie ihren Strom weitgehend aus den Großkraftwerken der Ver-bundunternehmen. Sie deckten etwa neun Prozent der öffentlichen Stromerzeugung ab und hatten einen Anteil von 36 Prozent an der Strom-abgabe an die Verbraucher. Dabei versorgten sie vorwiegend Nicht-Bal-lungsgebiete. Die Beziehungen zwischen den Regionalversorgern und den Verbundunternehmen waren zudem durch Kapital- und Personalverflech-tung gekennzeichnet, wodurch Letztere beträchtlichen Einfluss auf die

regi-onale Verteilebene ausübten. Viele Regionalversorger stellten damit gewis-sermaßen regionale Vertriebstöchter der Verbundunternehmen dar (Latkovic 2000, S. 117, 123; Monstadt 2004, S. 83).

Auf der untersten Ebene folgte ein relativ heterogener Block von über 900 Stadtwerken. Die meisten Stadtwerke zeigten sich neben der Stromver-sorgung auch für die VerStromver-sorgung mit Gas, Wasser und Fernwärme sowie in einigen Fällen für den öffentlichen Personennahverkehr zuständig. Nach Latkovic waren 166 der 538 im Verband kommunaler Unternehmen (VKU) organisierten Stadtwerke reine Weiterverteiler und besaßen keine eigenen Erzeugungsanlagen. Die Erzeugungsanlagen waren auf dieser Stufe jedoch sehr ungleichmäßig verteilt: Auf die gemessen am Stromaufkommen 20 größten Stadtwerke entfiel 1997 etwa 58 Prozent der kommunalen Stromer-zeugung. Insgesamt deckten die Stadtwerke 11 Prozent der öffentlichen Stromerzeugung ab und hatten einen Anteil von etwa 31 Prozent an der di-rekten Stromabgabe an die Verbraucher (Latkovic 2000, S. 118).

Aufgrund dieser Feldordnung, welche durch die oben aufgeführten Ge-setze und Vertragsformen bestimmt und zusätzlich durch Verflechtungen zwischen den Unternehmen verfestigt war, bot sich wenig Raum für neue Akteure im Sektor Fuß zu fassen, es fand also praktisch kein Wettbewerb statt. Obgleich es auch zu Monopolzeiten Herausforderer gab – etwa in Ge-stalt von Akteuren, die Strom aus regenerativen Quellen produzierten52 – war deren Marktanteil zum Zeitpunkt der Marktöffnung marginal. 1998 stammte lediglich 4,7 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Ener-gien, wovon der größte Teil (3,4 Prozent) in Wasserkraftwerken produziert wurde, die sich wiederum maßgeblich in Besitz der Verbundunternehmen befanden. Die relationale Position der Akteure im Feld war also durch eine Vielzahl von Mechanismen stabilisiert, welche nur geringen Raum für Dy-namik ließen.

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52 Gewisse, wenn auch eingeschränkte Möglichkeiten erneuerbare Energien einzuspeisen boten etwa das Stromeinspeisungsgesetz von 1990 und weitere staatliche Förderpro-gramme. Die frühen Entwicklungen der Erneuerbare-Energien-Branche lassen sich bei Mautz et al. (2008) nachlesen.