• Keine Ergebnisse gefunden

Die Konstitution des Feldes

Der Stromsektor als organisationales Feld

4.1 Die Konstitution des Feldes

Die Konstitution eines Handlungsfeldes zu einem gegebenen Zeitpunkt lässt sich anhand dreier – teilweise interdependenter – Bestimmungskriterien erfassen. Zunächst ist das Feld geprägt von der Figuration der in ihm han-delnden Akteure, deren Zugang zu im Feld relevanten Ressourcen sowie (da-mit zusammenhängend) deren Macht. Dazu ist die Koordination der Hand-lungen im Feld durch dessen institutionelle Rahmung geprägt. Schließlich verfügt das Feld über ein spezifisches technologisches Profil, welches (in unter-schiedlichem Ausmaß) dessen Konstitution (mit-)bestimmt.

4.1.1 Akteure, Ressourcen und Macht

Zunächst stellt sich die Frage nach den Kriterien zur Bestimmung der Zuge-hörigkeit zum Feld – das heißt welche Akteure das Feld umschließt – und damit gleichzeitig die Frage nach den Grenzen des Feldes. Ein Handlungs-feld formiert sich jeweils um ein spezifisches Thema. Das kann, im Falle eines diskursiven Feldes, etwa ein zur Verhandlung stehender Sachverhalt sein. Zum Feld zugehörig sind dann alle Akteure, die Bezug zu dieser The-matik nehmen und sich an den Aushandlungen beteiligen. Ein Wirtschafts-sektor als strategisches Handlungsfeld formiert sich dagegen um ein Produkt und umschließt sämtliche Akteure, welche sich an Entwicklung, Produktion, Handel oder Vertrieb dieses Produktes beteiligen – dabei kann es sich selbst-verständlich auch um ein nichtmaterielles Produkt wie etwa eine Dienstleis-tung handeln. Die Grenzen des Feldes sind demnach nicht starr, sondern verändern sich stetig in Abhängigkeit der aktuellen Situation. Die Akteursfi-guration des Feldes ist also als situativ zu verstehen und befindet sich in stetigem, wenn auch meist nur geringfügigem, Wandel (Fligstein und McAdam 2012, S. 10).

Neben der Abgrenzung des Feldes nach außen ist aber vor allem die Frage nach den relativen Positionen der Akteure innerhalb des Feldes relevant. Die Struktur eines Feldes wird durch die Machtverhältnisse zwischen den Akteuren bestimmt. Diese Machtverhältnisse stehen wiederum in engem Zusammen-hang mit der Verteilung der Ressourcen im Feld (Bourdieu und Wacquant

1992, S. 128). Fligstein und McAdam führen zwei Idealtypen von Feldakteu-ren ein: Die Incumbents sowie die Challenger.17 Die Incumbents sind die eta-blierten Akteure eines Feldes. Es sind »those actors who wield dispropor-tionate influence within a field and whose interests and views tend to be heavily reflected in the dominant organization of the strategic action field«

(Fligstein und McAdam 2012, S. 13). Die Incumbents werden durch die be-stehende Ordnung des Feldes begünstigt. Nicht nur ist das institutionelle Setting zu ihren Gunsten ausgestaltet, sie haben auch Anspruch auf den größten Teil der im Feld umkämpften Ressourcen. Daher liegt ihr Augen-merk auf der Aufrechterhaltung der Stabilität des Feldes und damit der Ge-währleistung ihrer Macht. Die Challenger auf der anderen Seite besetzen we-niger privilegierte Nischen und haben üblicherweise wenig Einfluss auf die Ausgestaltung des Feldes. In der Regel sind sie dazu gezwungen sich an die vorherrschende Ordnung anzupassen, bleiben jedoch stets wachsam gegen-über Gelegenheiten, diese in Frage zu stellen – sie repräsentieren also Her-ausforderer der etablierten Ordnung.

Der Zusammenhang zwischen Ressourcen, Macht und der Position von Akteuren im Feld wird bei Fligstein und McAdam nicht weiter ausgearbeitet.

Bourdieu bietet hier eine systematische Konzeption an: »The structure of the distribution of capital […] determine the structure of the field, that is to say, the relation of forces among firms: the mastery of a very large propor-tion of capital (of the overall energy) in effects confers a power over the field, and hence over the firms least well endowed (relatively) in terms of capital« (Bourdieu 2005, S. 195). Kapital ist dabei gleichzeitig im Feld um-kämpfte Ressource als auch das Mittel, mit welchem dieser Kampf ausge-fochten wird (Bourdieu und Wacquant 1992, S. 128). Bourdieu unterschei-det verschiedene Formen von Kapital – herkömmlicherweise ökonomisches, kulturelles,18 soziales und symbolisches Kapital. In the social

——————

17 Diese Typologie geht gemäß Fligstein und McAdam ursprünglich auf Gamson (1975) zu-rück. Bourdieu (2005) verwendet ebenfalls den Begriff der Challenger. Anstatt von In-cumbents spricht er, wenn er auf marktmächtige Akteure abstellt, von »dominant« oder

»hegemonic firms«, jedoch ohne diese Begriffe als explizite Terminologien einzuführen.

18 Kulturelles Kapital bezieht sich auf den Besitz von materiellen Kulturgütern (objektivierte Form), Bildung sowie kulturelle Fertigkeiten (inkorporierte Form) sowie Titel (institutio-nalisierte Form). Diese Kapitalkategorie wird in der vorliegenden Arbeit nicht aufgenom-men, da die für die Analyse von ökonomischen Feldern relevanten Aspekte kulturellen Kapitals (wie etwa Fertigkeiten und Know-how) sich in den wirtschaftssoziologischen Ar-beiten Bourdieus in der Kategorie technologisches Kapital wiederfinden.

structures of the economy findet sich eine (weitere) Ausdifferenzierung verschie-dener Kapitalformen, welche spezifisch auf die Analyse ökonomischer Fel-der zugeschnitten ist (Bourdieu 2005, S. 194). Da Bourdieu hier jedoch we-der eindeutige Definitionen einführt noch eine klare Abgrenzung we-der verschiedenen Kapitalsorten vornimmt, will ich an dieser Stelle – ausgehend von den bestehenden Arbeiten – eine eigene Typologie vorschlagen:

– Ökonomisches Kapital benennt alle Formen materiellen Reichtums (Bohn/Hahn 2003: 263). Dies schließt nicht nur den Besitz an Produkti-onsmitteln ein, sondern auch die Unterformen des finanziellen Kapitals als »the direct or indirect mastery (through the access to banks) of finan-cial resources« sowie kommerzielles Kapital im Sinne der »mastery of dis-tribution networks […], and marketing and after-sales services« (Bourdieu 2005, S. 194).

– Technologisches Kapital umschließt das Portfolio an wissenschaftlichen Res-sourcen (Forschung und Entwicklung) sowie technologischen Ressour-cen im Sinne von Fähigkeiten, Know-how sowie Routinen, die der Gü-terproduktion dienen. Das technologische Profil eines Sektors (siehe unten) bestimmt den Wert spezifischen technologischen Kapitals im Handlungsfeld. Die Position eines Akteurs im Feld kann also nur be-stimmt werden, wenn dessen technologisches Kapital gemeinsam mit dem technologischen Profil – also dem Charakter der Technologien eines Feldes – gedacht wird.

– Soziales Kapital bezieht sich auf die Menge und Intensität von (formellen oder informellen) Beziehungen zu anderen Feldakteuren sowie zu Akteu-ren relevanter benachbarter Felder. Dies können Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern sein oder Verbindungen zu anderen Feldakteuren – etwa durch Kooperationen oder finanzielle Verflechtungen. Nach Bourdieu bemisst sich der Wert sozialen Kapitals durch den Zugang zu anderen Kapitalsorten, welchen es ermöglicht: »Social capital is the total-ity of resources (financial capital and also information etc.) activated through a more or less extended more or less mobilizable network of relations […]« (Bourdieu 2005, S. 194 f.).19

——————

19 Weiterhin heißt es da, »[…] which produces a competitive advantage by providing higher returns on investment« (Bourdieu 2005, S. 194 f.). Da sich der monetäre Output von so-zialer Vernetzung auf Basis der zur Verfügung stehenden Daten in aller Regel nicht be-stimmen lässt, scheint es für die vorliegende Arbeit wenig sinnvoll, diese Definition voll-ständig zu übernehmen.

– Symbolisches Kapital besteht in der Bekanntheit und Anerkennung eines Ak-teurs im Feld (ebd., S. 195). Darüber hinaus umfasst symbolisches Kapi-tal im weiteren Sinne verschiedenste Phänomene im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Legitimität, wie etwa das Unternehmensimage, der ge-sellschaftliche Rückhalt oder die Deutungsmacht im öffentlichen Dis-kurs.

Macht ist damit weitgehend eine Funktion der Kapitalausstattung von Akt-euren. Jedoch mit einer Reihe von Einschränkungen: Erstens münden die einem Akteur zugänglichen Ressourcen nicht per se in Macht, sondern müs-sen erst zu diesem Zweck mobilisiert werden. Macht gründet also in der Ent-scheidung, solche Kräfte ins Feld zu führen (vgl. Dolata 2003, S. 57). Die Gestalt einer solchen Entscheidung ist wiederum von der Wahrnehmung und Interpretation der Feldumwelt durch den Akteur bestimmt. So können etwa Gelegenheiten zur Ausspielung von Macht aufgrund von Unkenntnis versäumt werden oder es werden aufgrund von Fehlinterpretationen zweck-fremde Ressourcen eingesetzt. Zweitens muss eine Ressource immer im Kon-text der situativen Konstitution des Feldes gedacht werden. Kapital ist in seiner Wertigkeit kontextabhängig sowie zeitlichen Veränderungen ausge-setzt. So kann beispielsweise hochspezialisiertes Expertenwissen (technolo-gisches Kapital), das als Alleinstellungsmerkmal über lange Zeit die überge-ordnete Position eines Unternehmens im Feld festigt, in einer Phase technologischen Umbruchs seinen Wert verlieren und die damit einherge-hende Macht des Unternehmens erodieren (ebd.). In ähnlicher Weise sind die Netzwerke zu wichtigen Entscheidungsträgern (soziales Kapital) keine Ressource von konstanter Wertigkeit. Vielmehr müssen sie zum einen in stetigem Austausch gepflegt und gefestigt werden (auch in Konkurrenz zu anderen Feldakteuren, die dasselbe versuchen) und zum anderen können sie ihren Nutzen verlieren, wenn die entsprechenden Personen aufgrund einer Verschiebung der Schwerpunktsetzungen im Feld oder einer Verminderung ihres Einflusses an Bedeutung verlieren. Auch untersteht das Image eines Unternehmens (symbolische Kapital) stetiger Neuaushandlung im öffentli-chen Diskurs und wird durch Framing-Strategien anderer Feldakteure zu unterminieren versucht. Jedoch nicht nur: Auch Ereignisse außerhalb der Kontrolle eines Akteures können maßgeblichen Einfluss auf dessen Legiti-mität haben.

4.1.2 Die institutionelle Rahmung des Feldes

Ein Feld wird darüber hinaus maßgeblich durch die institutionellen Rahmen-bedingungen strukturiert, an welchen die Feldakteure ihre Handlungen aus-richten. Dies sind zum einen formelle Regeln in Form von Gesetzen, welche in einem Aushandlungsprozess zwischen Feldakteuren und staatlichen Akt-euren entworfen und weiterentwickelt werden. Zum anderen werden die Handlungen der Akteure durch eine Vielzahl von (informellen) Normen, Konventionen und tradierten Vorgehensweisen angeleitet, welche von den Handelnden in unterschiedlichem Ausmaß als selbstverständlich erachtet und weitergetragen oder eben auch alteriert werden.

Als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen zur institutionellen Rah-mung eines Feldes werden zunächst die Arbeiten des Neoinstitutionalisten Richard Scott herangezogen. Scott (2008) differenziert die konstitutiven El-emente von Institutionen entlang von drei sogenannten Säulen – der regu-lativen, der normativen sowie der kulturell-kognitiven. Die regulative Säule bezieht sich auf den gesetzlich festgeschriebenen Teil von Institutionen und stellt damit auf formelle Regeln ab, deren Befolgung durch damit betraute Einrichtungen überwacht und deren Überschreitung entsprechend rechtlich sanktioniert wird. Die normative Säule bezeichnet verbindliche Erwartungen, über welche implizite Übereinkunft herrscht. Sie beschreibt Werte und Nor-men und damit die moralischen EleNor-mente von Institutionen. Die kognitiv-kulturelle Ebene umfasst schließlich geteilte Überzeugungen und Interpreta-tionsschemata. Diese bewegen sich in der Regel auf einer vorbewussten Ebene, werden als selbstverständlich erachtet und leiten nicht nur das Han-deln der Akteure an, sondern formen auch deren Wahrnehmung und Deu-tung der Wirklichkeit (Scott 2008, S. 50). Die Unterscheidung dieser drei Ebenen ist rein analytisch. Im empirischen Fall ist zu erwarten, dass spezifi-sche Institutionen von allen drei Säulen getragen werden – wenn auch zu unterschiedlichem Gewicht. So sind Praktiken denkbar, welche von den Feldakteuren als selbstverständlich weitergetragen werden und darüber hin-aus normativ gestützt sowie gesetzlich festgeschrieben sind. Genhin-auso ist je-doch denkbar, dass eine Institution alleine oder schwerpunktmäßig auf einer Säule fußt – etwa Gesetzte, welche zwar formell festgeschrieben sind, aber weder als selbstverständlich erachtet werden noch ihren Ausdruck im mora-lischen Konsens einer Gesellschaft finden (ebd., S. 62).

Das hier angelegte Verständnis der institutionellen Rahmung eines Fel-des soll in zwei wichtigen Punkten vertieft werden: Dem Grad an Institutiona-lisierung von spezifischen Regelungsmustern sowie der Offenheit der Regeln für individuelle Deutungen durch die Feldakteure.

Fligstein und McAdam betrachten Feldregeln als dynamisch, das heißt sie werden in einem stetigen Aushandlungsprozess zwischen den Feldakteu-ren re-etabliert und weiteFeldakteu-rentwickelt. Im Fall der formell-regulativen Ele-mente der institutionellen Rahmung geschieht dies in Interaktion mit staat-lichen Akteuren, ein Aspekt welcher ausführlich in Abschnitt 4.2.2 thematisiert wird. Bezüglich der »weichen« Elemente von Institutionen – den normativen sowie den kulturell-kognitiven – besteht gemäß Fligstein und McAdam ein gewisser Grundstock an Überzeugungen, welcher von al-len Feldakteuren geteilt wird. Dieser Grundstock umfasst ein geteiltes Ver-ständnis darüber, worum es in dem Feld geht und was auf dem Spiel steht, ein wechselseitig einigermaßen übereinstimmendes Verständnis der Feldteil-nehmer darüber, wie sie relational zueinander stehen – das heißt ein Ver-ständnis für die Positionen der Akteure im Feld – sowie eine implizite Über-einkunft darüber, welche Handlungen im Feld möglich, sinnvoll und legitim sind. Damit weisen die Interpretationsschemata sowie das normative Ver-ständnis der Akteure einen gemeinsamen Nenner auf, der es ihnen erlaubt, die Vorgänge im Feld sinnhaft zu verstehen (Fligstein und McAdam 2012, S. 10). Abgesehen von diesem weitestgehend geteilten Grundstock sind die Feldregeln stets Objekt von Verhandlungen und Umdeutungen.

Die Interpretation der Vorgänge im Feld sowie die Deutung der institu-tionellen Rahmung des Feldes – allgemeiner, die Wahrnehmung des Feldes – ist dabei von der Position eines Akteurs im Feld bestimmt (Bourdieu und Wacquant 1992, S. 128). Jeder Akteur ist also in seiner Wahrnehmung durch seinen spezifischen Blick auf das Feld geprägt.20 Dies betont, dass sowohl das normative Werteverständnis der Feldakteure wie auch deren grundle-gende kulturelle Deutungsmuster voneinander abweichen. Hierin liegt die Basis von Konflikten über (informelle) Feldregeln. In diesen Auseinander-setzungen führen Akteure ihre spezifische soziale Kompetenz ins Feld, das heißt ihre »ability to induce cooperation by appealing to and helping to create shared meanings and collective identities« (Fligstein und McAdam 2012, S. 46). Die etablierten Akteure wählen dabei üblicherweise konservative

——————

20 Damit grenzen sich Fligstein und McAdam von dem Konzept der Institutional Logics (etwa Thornton und Ocasio 2008) ab, welches ein größeres Ausmaß an Konsens gegen-über den Feldregeln unterstellt (Fligstein und McAdam 2012, S. 10).

Strategien, die auf die Stabilisierung des Status quo abzielen, während die Herausforderer versuchen, aus einer unterprivilegierten Position heraus Koalitionen mit anderen Feldakteuren zu schmieden, um über Framing-Strategien oder Agenda-Setting im Diskurs Fuß zu fassen (ausführlicher ebd., S. 50 ff.).

Die Handlungen der Feldakteure werden also durch eine Vielzahl von Institutionen angeleitet, welche zu unterschiedlichem Ausmaß durch regula-tive, normative sowie kulturell-kognitive Elemente getragen werden. Diese sind wiederum zu einem unterschiedlichen Grad verfestigt und in ihrer Deu-tung von den Positionen der Akteure im Feld abhängig.

4.1.3 Das technologische Profil des Feldes

Die Konstitution eines Feldes lässt sich nicht vollständig auf die im Feld geltenden sozialen Regeln und die Ressourcenausstattung der Feldakteure zurückführen. Vielmehr spielen auch die in einem Feld hergestellten, entwi-ckelten und genutzten Technologien eine Rolle für dessen Strukturation.

Dolata verweist auf die Relevanz von Technik als »strukturbildender Be-standteil aller Wirtschaftssektoren« (2011, S. 18) und betont: »[…] ohne eine Vorstellung von den eigenständigen und jeweils spezifischen Strukturierun-gen, die die Techniken eines Sektors auf ihn ausüben, lässt sich kein Wirt-schaftssektor auf den Begriff bringen« (ebd.). Im Folgenden soll zunächst das begriffliche Verständnis von Technik eingegrenzt werden, bevor der Frage nach der Rolle von Technik für die Konstitution eines Handlungsfel-des nachgegangen wird.

Ein soziologisches Verständnis von Technik geht weit über ein rein me-chanistisches oder materielles Verständnis hinaus. Schulz-Schaeffer (2008) etwa definiert Techniken als »künstlich erzeugte und in der einen oder an-deren Weise festgelegte Wirkungszusammenhänge, die genutzt werden kön-nen, um hinreichend zuverlässig und wiederholbar bestimmte erwünschte Effekte hervorzubringen« (Schulz-Schaeffer 2008, S. 1). Betont werden da-mit die Zweckorientierung, die Wiederholbarkeit sowie die Zuverlässigkeit von Technik. Zudem wird klar, dass Technik sowohl materielle wie auch nicht-materielle Phänomene umschließen kann, es geht also nicht nur um (physikalische) Gerätschaften oder Werkzeuge, sondern etwa auch um (nor-mierte) Vorgehensweisen oder Verfahren. Die Trennung zwischen materieller und nicht-materieller Technik ist jedoch nur idealtypisch denkbar – in aller

Regel sind Mischformen zu erwarten. So stehen etwa materielle Technolo-gien in einem bestimmten (veränderlichen) Anwendungszusammenhang oder es werden zur Ausführung bestimmter Verfahren sachgerechte, mate-rielle Artefakte entwickelt.21 Dazu ist zu betonen, dass eine Technologie stets – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – interpretations- und anwen-dungsoffen ist, sie unterliegt also sozialen Aushandlungsprozessen. Weyer (2008) etwa betont, dass »bei der Entwicklung und dem Einsatz von Technik immer Entscheidungsspielräume existieren, die in unterschiedlicher Weise ge-nutzt werden können« (Weyer 2008, S. 24. Hervorhebung im Original). Da-mit wirken Technologien nicht aufgrund etwaiger materieller Eigenschaften deterministisch auf soziale Gegebenheiten ein, noch folgt die Entwicklung und Nutzung von Technologien ausschließlich gesellschaftlichen Erforder-nissen. Ein soziologisches Technikverständnis sollte also eine Vermittlung zwischen den technik- und sozialdeterministischen Extrempolen versuchen (ebd., S. 30).

Diese Ausführungen deuten bereits die Schwierigkeiten an, die sich er-geben, wenn man versucht, das eigene Verständnis von Technik klar zu de-finieren. Das soll an dieser Stelle bewusst nicht geschehen. Vielmehr soll eine forschungspragmatische Konzeption vorgestellt werden, mit deren Hilfe sich die Rolle von Technik für einen Wirtschaftssektor empirisch be-stimmen lässt. Hierzu eignet sich der von Dolata (2011) eingeführte Begriff des technologischen Profils eines Sektors. »Das für einen Sektor charakteristische technologische Profil trägt ähnlich wie gehärtete soziale Strukturen und In-stitutionen zur Ausprägung distinkter Handlungs-, Organisations- und Re-gulierungskorridore bei. Es strukturiert und begrenzt Wahlmöglichkeiten«, wenn auch nicht in determinierender Weise (Dolata 2011, S. 24). Dolata (2003, 2011) führt verschiedene Klassifikationsmerkmale auf, anhand derer sich das technologische Profil eines Sektors eingrenzen lässt. Abweichend

——————

21 Nicht-materielle Aspekte von Technik sowie die spezifischen Nutzungsmuster von tech-nologischen Apparaturen lassen sich freilich in vielen Fällen konzeptionell auch als Insti-tutionen greifen. Die Trennung der institutionellen Rahmung eines Feldes von dessen technologischem Profil erfolgt in der vorliegenden Arbeit idealtypisch. Eine tiefere Ein-lassung auf jahrzehntelange wissenschaftliche Debatten über den Zusammenhang von Technik und Institution (vgl. etwa Pinch 2008) versprechen für die Analyse des vorliegen-den Falles keine tiefergreifenvorliegen-den Erkenntnisse.

von den ursprünglichen Anführungen werden diese Merkmale in der vorlie-genden Arbeit teilweise anders benannt, zugeschnitten und voneinander ab-gegrenzt:22

1. Größenordnung: Wie organisations- und kapitalintensiv sind die in einem Feld entwickelten, verwendeten und produzierten Technologien? Han-delt es sich etwa um großtechnische Anlagen oder kleinteilige dezentrale Technologien?

2. Spezialisierung: Stehen die Technologien in einem klaren, engen Funkti-onszusammenhang oder sind sie von einer größeren Anwendungsoffen-heit gekennzeichnet und können in verschiedenen Kontexten unter-schiedlichen Nutzungen zugeführt werden? Handelt es sich etwa um explizit für einen Sektor hergestellte hochspezialisierte Fertigungsanla-gen oder um Technologien, die in unterschiedlichen Sektoren verschie-dene Rollen einnehmen?

3. Wissensbasis: Wie voraussetzungsvoll ist die Aneignung sowie die Weiter-entwicklung der Technologien eines Sektors? Dolata unterscheidet etwa zwischen Techniken, die auf akademischer Grundlagenforschung auf-bauen und solchen, die maßgeblich auf praxisorientiertem, anwendungs-nahem Ingenieurswissen beruhen (Dolata 2003, S. 93). Darüber hinaus können Technologien eines Sektors auch – wenn sie keine spezialisierte Wissensbasis erfordern – privater, individueller Nutzung offenstehen und unterliegen damit stärker dynamischen Umnutzungen oder Umdeu-tungen durch die Anwender.

4. Innovatorische Unabhängigkeit: Werden die Technologien eines Sektors in-nerhalb des Sektors (weiter-)entwickelt oder nutzt der Sektor extern ent-wickelte Technologien? Dies stellt auf die Schwerpunkte der For-schungs- und Entwicklungsaktivitäten der Feldakteure ab und auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Entwicklung einer Technologie sie an deren (Weiter-)Entwicklung teilhaben. Betreiben sie technologische Grundlagenforschung oder steigen sie erst in die Entwicklung einer Technologie ein, wenn diese bereits von anderen Akteuren (anderer Fel-der) auf einen Entwicklungsstand gebracht wurde, der anwendungsbe-zogene Praxistests erlaubt?

——————

22 Die von Dolata aufgeführte Kategorie »Nutzungsmuster- und voraussetzung« wurde bei-spielsweise nicht aufgenommen, da sie meines Erachtens weitestgehend in den Kategorien Größenordnung, Spezialisierung und Wissensbasis aufgeht.

Dabei scheint es grundlegend sinnvoll, das technologische Profil eines Sek-tors entlang der Wertschöpfungskette zu differenzieren. So unterscheidet sich in der Regel das Profil der in einem Sektor zur Güterproduktion genutz-ten Technologien von den im Sektor hergestellgenutz-ten und gehandelgenutz-ten gien. Wenn es der jeweilige Fall erfordert, lassen sich zudem die Technolo-gien, welche für Transport, Handel oder Vertrieb der im Sektor produzierten Güter verwendet werden, jeweils differenziert in den Blick nehmen.

Auf Basis der oben aufgestellten Klassifikationsmerkmale von Techno-logien lassen sich spezifischere Aussagen über den Zusammenhang

Auf Basis der oben aufgestellten Klassifikationsmerkmale von Techno-logien lassen sich spezifischere Aussagen über den Zusammenhang