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Ebene 0: Gebäude und Nutzung

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 122-128)

3. Berechnung der Lebenszykluskosten von Immobilien

3.1 Ziel der Berechnung

3.2.2 Wahlmöglichkeiten im Abbildungsvorgang

3.2.2.1 Ebene 0: Gebäude und Nutzung

Grundstück Größe, Zuschnitt

Baurechtliche Eigenschaften etc.

Gebäude Gebäudetypologie Klima

- Lage: Zentralität

Urbanität (städtische Kultur) Struktur der Nachbarschaft

Nähe zu Infrastruktureinrichtungen Nähe zu Grünflächen

Erreichbarkeit

Verkehrs-/ Emissionsbelastung

- Gestaltung: Tragwerk

Technische Ausstattung

Gebäudeautomatisation, Sicherheitstechnik Raumstruktur (Höhe, Proportion, Zuordnung) Flexibilität

Qualität der Materialien Fassade

Gestaltung des Eingangs

Erlebniswert von Wegen durch das Gebäude Außenraumbezug

Orientierung, Belichtung

Corporate Identity/ einprägsamer Ort Angemessenheit/ Harmonie

- Umwelt: Baubiologie (für schadstoffarme Raumluft) Energieverbrauch

Einsatz erneuerbarer Energien Wasserverbrauch

Einsatz nachwachsender Rohstoffe Recyclingfähige Bauweise

Flächenverbrauch

Tabelle 7: Ebene 0 - Gebäude

Ausgangspunkt ist das Gebäude. Dabei interessiert, welche seiner Eigenschaf-ten in den Abbildungsvorgang mit einbezogen werden. Wird z.B. die Lage des Gebäudes in Bezug zur umgebenden Stadt bzgl. Vermietbarkeit, Effizienz der Erschließung, etc. berücksichtigt? Wird nach Hochhaus, „Mehrgeschosser“,

Reihen-, Einfamilienhaus, etc. unterschieden? Spielt die Gestaltung z.B. von Fassade und Eingang eine Rolle für die Bestimmung von Erneuerungszyklen?

Wird der Nutzen einer Verwendung von natürlichen Baumaterialien abgebildet?

Werden die örtlichen klimatischen Verhältnisse durch Bezug auf Wetterdaten integriert? Werden die Orientierung und die Verschattung durch Bäume oder Häuser berücksichtigt?358

Tabelle 7 führt verschiedene Eigenschaften von Immobilien auf, die den Ablauf des künftigen Lebenszyklus beeinflussen können. Die Einzelaspekte von Lage, Gestaltung und Umwelt wurden in Kapitel 2 näher erläutert. Die Nutzung eines Gebäudes ist für die Entwicklung der Lebenszykluskosten von so großer Be-deutung, dass einige Verfahren speziell für eine bestimmte Nutzung (z.B. Büro-nutzung im Programm BUBI) entwickelt wurden. Nutzungsart und –intensität, aber auch die Wahrscheinlichkeit und der Umfang einer möglichen Nutzungs-änderung sind bestimmend für Verschleiß und Verbräuche. Da das Geschlecht der Nutzer statistisch gesehen offenbar einen Einfluss auf den Wasser-verbrauch in sanitären Anlagen hat359, ist auch dieses eine sinnvolle Information (vgl. Tabelle 8).

Nutzung Nutzungsarten Nutzungsintensität

Nutzungsänderung Anzahl der Nutzer Geschlecht der Nutzer sonstige

Tabelle 8: Ebene 0 - Nutzung

3.2.2.2 Operationalisierung

Eine Operation ist ein Arbeitsschritt einer Rechenanlage, bzw. die Durchführung einer logischen oder mathematischen Vorschrift360. Werden nun die

358 der sommerliche Wärmeschutz muss nach EnEV ab einem Fensterflächenanteil von über 30% nachgewiesen werden, vgl. Spitzner, 2003, S. 20.

359 vgl. Riegel, 2004, S. 118.

360 Brockhaus, 1993 101, Bd. 4.

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ten von Gebäude und Nutzung operationalisiert361 in Bezug auf die damit ver-bundenen Prozesse, so bedeutet dies, dass von einer quantitativ erfassten Ei-genschaft oder Nutzungsanforderung mittels einer mathematischen Verknüp-fung auf Quantität – und Qualität – des daraus folgenden Prozesses geschlos-sen werden kann.

Die verwendete mathematische Verknüpfung basiert häufig auf Kennzahlen, die mit Mengen (aus Ebene 0) multipliziert werden. Ein Beispiel: Reinigungs-aufwand in Std. je m² unverstellte Bürofläche. Im Falle des Reinigungsaufwan-des könnte die Aufwands-Kennzahl durch weitere Kennzahlen modifiziert wer-den, z.B. für die Oberflächenbeschaffenheit der Fläche, für den Flächenzu-schnitt, den Verschmutzungsgrad, etc.362. Neben der beschriebenen Multiplika-tormethode bestehen nach Back-Hock als weitere Methoden der Aufwand-schätzung: Analogiemethode, Relationsmethode, Gewichtungsmethode, Para-metrische Schätzgleichung, Prozentsatzmethode363.

Die Genauigkeit der Abbildung hängt damit entscheidend von der Qualität der Kennzahlen oder Vergleichswerte ab. Einige Kennzahlen, z.B. für die Energie-bedarfsberechnung, können Gesetzestexten, technischen Regelwerken oder Normen entnommen werden. Andere werden von den Herstellern zur Verfü-gung gestellt, z.B. Energieverbrauchswerte für elektrische Geräte und Leuchten oder aber Ökobilanzen für Baustoffe364. Für viele Prozesse wird man jedoch auf eigene oder fremde Erfahrungswerte zurückgreifen müssen. Dabei ist die Be-schaffung externer Erfahrungswerte für Nutzungsprozesse deutlich schwieriger als für die Prozesse der Herstellung. Offenbar werden erstere seltener erforscht

361 Koschnick, 2004.: Operationalisierung wird definiert als „Methode, durch die theoretische Begriffe auf der empirischen Ebene konkretisiert … werden.“ In diesem Falle wird der kau-sale Zusammenhang zwischen Gebäude und zukünftigen Prozessen operationalisiert. Ein weitere Definition von Operationalisierung findet sich bei Müller-Böling/Klandt, 1996, S.12.

362 bei Riegel werden für die Kostengruppe der Gebäudereinigung 5 Einflussfaktoren unter-schieden: Reinigungsturnus, Raumnutzung, Bodenbelagsart, Überstellungsgrad und Verschmutzungsintensitiät, vgl. Riegel, 2004, S. 109ff.

363 vgl. Back-Hock, 1988, Anhang II.

364 z.B. in Form von EPD: Environmental Product Declaration, vgl. Five Winds, 2004.

und in öffentlich zugänglicher Weise dokumentiert365.

Die wesentliche Entscheidung, die im Abbildungsschritt der Operationalisierung getroffen werden muss, betrifft die Datenstrukturierung: folgende Strukturen werden je nach LzPh gewählt und parallel oder ergänzend zueinander verwen-det (vgl. Tabelle 9):

Operationalisierung nach Räumen

nach funktionaler Einheit nach Serviceeinheit nach DIN 277/Flächen nach DIN 276/Baukosten nach Gewerken

nach DIN 18960/Nutzungskosten nach Nutzern

nach technischer Lebensdauer nach wirtschaftlicher Nutzungsdauer nach Potenzialen (Risiko/Chance) etc.

Tabelle 9: Abbildungsschritt 1- Operationalisierung

Am präzisesten arbeitet die raumweise Zuordnung von Prozessen. Basis dafür ist das Raumbuch, welches häufig als Hilfsmittel für Konzeption, Planung („be-sondere Leistung“ nach HOAI366) und Bewirtschaftung genutzt wird.

Eine funktionale Einheit fasst verschiedene Bauteile zusammen, die gemein-sam eine Funktion erfüllen367: z.B. Außenwand aus Putz, Wärmedämmung, tragender Konstruktion und Innenwandbekleidung, oder Geschossdecke, incl.

Bodenaufbau, Tragkonstruktion und ggf. Deckenabhängung.

Näher an der Nutzungsstruktur arbeitet das Konzept der Serviceeinheit. Diese kann z.B. ein Raum für ein mit EDV- und Papierablage arbeitendes Team aus ca. fünf Personen sein. Damit wird die Flächeneffizienz von Grundrissen

365 vgl. Naber, 2002, S. 28ff.

366 vgl. HOAI, 2002, §15.5.

367 „Die funktionale Einheit widerspiegelt die Funktion eines Systems, …“ in: Pulli, 1998, S. 21.

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gleichbar gemacht. Zur Serviceeinheit gehört auch ein Zeitbezug368, der in die-sem Falle durch den Betrachtungszeitraum, bzw. durch die Berechnungsperio-den bestimmt wird.

Die DIN 277 unterscheidet nach Konstruktions- und Netto-Grundfläche. Letztere wird weiter unterteilt in Technische Funktionsfläche, Verkehrsfläche und Nutz-fläche369.

Die DIN 276 wird vornehmlich für die Abbildung der Baukosten verwendet. Al-lerdings erlaubt sie keine realitätsnahe Beschreibung von Bauprozessen, da einzelne Positionen mehrere Prozesse implizieren können.

Zur Abbildung von Bauprozessen eignet sich eher die klassische Ausschrei-bung nach Gewerken zur Einzelvergabe an verschiedene Handwerksfirmen.

Sie listet alle qualitäts- und kostenbestimmenden Aktionen und Materialien auf.

Auch die DIN 18960 wurde speziell für eine einzelne Phase des Immobilien-Lebenszyklus entwickelt. Die Nutzungskosten gliedern sich in Kapital-, Verwal-tungs-, Betriebs- und Instandsetzungskosten370.

Eine Operationalisierung nach Anzahl und Art der unterschiedlichen Nutzer ist z.B. für die Verbräuche von arbeitsplatzbezogenen Installationen, z.B. Compu-ter, Arbeitstischleuchte, etc. sinnvoll.

Da die DIN 276 nicht auf eine Differenzierung von Bauteilen entsprechend ihrer zu erwartenden Lebensdauer angelegt ist (Beispiel Fenster: Fensterrahmen (mittlere Lebenserwartung nach Leitfaden Nachhaltiges Bauen, Anlage 6: ca.

50 Jahre) und –verglasung (mittlere Lebenserwartung nach Leitfaden Nachhal-tiges Bauen, Anlage 6: ca. 25 Jahre)), muss diese um eine Strukturierung nach der technischen Lebensdauer oder der wirtschaftlichen Nutzungsdauer ergänzt werden, um so die Instandhaltungszyklen eines Elementes und die damit ver-bundenen Prozesse abbilden zu können.

368 vgl. Ritthoff/Rohn/Liedtke, 2002, S. 19f.

369 vgl. DIN 277, 2005.

370 vgl. DIN 18960, 1999, vgl. Anhang 2.

Eine Abbildung auf Prozesse anhand der Potenziale bestimmter Gebäudeei-genschaften kann sowohl im positiven Sinne, als Entwicklungspotenzial bzw.

Chance als auch im negativen Sinne, als Risikopotenzial erfolgen. Ein Beispiel wäre ein verlängerter (verkürzter) Lebenszyklus, d.h. ein geringerer (höherer) Stoffstrom und Arbeitsaufwand je Lebensjahr durch (fehlende) Drittverwen-dungsfähigkeit. Weitere Strukturen sind denkbar.

Ein anderer Faktor, der die realitätsnahe Abbildung beeinflusst, ist die Voll-ständigkeit. Ein systematisches Erfassen sämtlicher mit einer Immobiliennut-zung verbundener Prozesse wird nur in der Theorie möglich sein. Praktisch muss sich die Vollständigkeit daran messen lassen, ob sie alle für das Erkennt-nisziel wesentlichen Prozesse erfasst (vgl. Abbildung 13). In diesem Zusam-menhang sei auf das Pareto-Prinzip verwiesen: 20% der aufgewandten Energie erbringt 80% der Ergebnisse371. Ein weiterer praktischer Aspekt, der die anzu-strebende Vollständigkeit begrenzt, sind die Informationskosten; sie determi-nieren die Anwendbarkeit eines Modells372.

Notwendige Vereinfachung Vollständigkeit

Wesentlich in Bezug zur

Aufgabenstellung

Notwendige Vereinfachung Vollständigkeit

Wesentlich in Bezug zur

Aufgabenstellung

Abbildung 13: Spannungsfeld - Vollständigkeit vs. Vereinfachung

371 vgl. Preißner/Engel/Herwig, et al., 1995, S. 102.

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