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E INSATZ VON P FLANZENSCHUTZMITTELN

5. BEURTEILUNG DER VERSCHIEDENEN EINZELINDIKATOREN

5.5. E INSATZ VON P FLANZENSCHUTZMITTELN

Eine große Zahl von Autoren betont, dass die Nachhaltigkeit eines Produktionssystems durch Pflanzenschutzmaßnahmen mittels chemischer Substanzen maßgeblich beeinflußt wird.

Während Pflanzenschutzmittel ohne Frage einen entscheidenden Beitrag zur Ertrags-steigerung und Qualitätssicherung leisten, gibt es eine Reihe potentiell negativer Auswir-kungen im Ökosystem. Hierbei können Effekte in unterschiedlichen Bereichen auftreten. Zu nennen wären insbesondere Kontaminationen von Grund- und Oberflächenwasser, Einfluß auf Wasserorganismen, Veränderung von Bodeneigenschaften, Bioakkumulation, eventuelle Humantoxikologie, Veränderung von Nützlingspopulationen. Zur allgemeinen Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes wird vor allem die Nutzung von natürlichen Regu-lationsmechanismen und Schadensschwellen im Rahmen des integrierten Pflanzenschutzes empfohlen. Hierbei werden konkret eine Vielzahl unterschiedlicher vorbeugender Maß-nahmen durchgeführt, um das Auftreten und die Schadwirkung von Unkräutern und Schäd-lingen zu minimieren. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erfolgt dann unter Berücksich-tigung von Schadensschwellen (LEVITAN et al. 1995, LEWIS et al. 1997, WIJNANDS 1997, LEVITAN 2000, OECD 1999, LEWIS et al. 2000)

Quantitative Daten zum Pflanzenschutzmitteleinsatz können leicht betrieblich ermittelt wer-den. Zur Quantifizierung des Pflanzenschutzmittel Einsatzes werden in der Literatur verschie-dene Einheiten vorgeschlagen, wie kg/km2 (OECD 1998) oder DM/ha!a (ECKERT et al. 1999).

Jedoch ist hierbei bedenkenswert, dass die verfügbare Wirkstoffmenge von Pflanzenschutz-mitteln alleine weder als Kriterium für die Intensität des Pflanzenschutzes noch als Risikoindikator geeignet ist (GUTSCHE 1997, HÜLSBEREN und DIEPENBROCK 1997, SCHMIDT

und GUTSCHE 2000). Die Menge der eingesetzten Pflanzenschutzmittel hat sich im Laufe der letzten Jahre deutlich verringert, was allerdings auf einen höheren Wirkungsgrad moderner Pflanzenschutzmittel mit einer folglich teilweise deutlich geringeren Aufwandmenge zurück-zuführen ist. Insgesamt besteht in diesem Bereich aber noch beträchtlicher Forschungsbedarf, da die Eigenschaften vieler Pflanzenschutzmittel und ihr Einfluß auf die Umwelt noch unzu-reichend erfaßt sind. Die OECD (1998) schlägt daher eine international vereinbarte Liste von Substanzen mit entsprechenden Gewichtungsfaktoren vor. Auch VAN DER WERF (1996) ist der Meinung, dass für die Beurteilung von Pflanzenschutzmitteln mindestens zwei Basisgrößen erfaßt werden müssen: die Aufwandmenge und die Toxizität der Pflanzenschutzmittel auf Nicht-Zielorganismen. Eine weitere Datenunsicherheit ergibt sich aus der Tatsache, wenn Pflanzenschutzmitteleinsatzmengen nicht eindeutig auf die behandelte Fläche, sondern nur

auf die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche bezogen werden können. Hierbei sind da-her Indikatorkonzepte mit schlagspezifiscda-her Auflösung notwendig. Zu einer komplexen Ein-schätzung von Einflüssen, die ein Pflanzenschutzmitteleinsatz auf die Nachhaltigkeit von Produktionssystemen haben könnte, sind außerdem Daten nötig, die die vielfältigen Wech-selwirkungen mit anderen Parametern widerspiegeln. Dies sind beispielsweise Anbauverhält-nis und –art, Fruchtarten und Sorten, Bodenart und Humusversorgung, Abbaurate, Verla-gerbarkeit in der Umwelt und Anwendungsfaktoren wie die Methode der Ausbringung. Ge-rade in den letzten Jahren gab es beispielsweise in der Entwicklung der Spritztechnik erhebli-che Fortschritte, die zu einer beträchtlierhebli-chen Verminderung der Abdriftgefahr geführt haben (VERHOEVEN et al.1994, VAN DER WERF 1996). Auch die Berücksichtigung des Energieauf-wandes, der mit der Produktion und dem Einsatz von Pflanzenschutzmittel verbunden ist, wird als weiterer Maßstab der Beurteilung der Nachhaltigkeit erwähnt (FLUCK 1992).

Eine Möglichkeit den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu beurteilen ist der sogenannte Umweltmaßstab (Environmental Impact Points, kurz EIP). Hierbei werden alle Pflanzen-schutzmittelwirkstoffe nach chemischen Eigenschaften, Toxizität, Aufwandmenge und allge-meinen Umweltbedingungen bewertet. Auf diese Weise ist eine Gesamtbewertung ver-gleichsweise heterogener Stoffe und Anwendungsgebiete möglich. Um den Landwirten selbst eine Abschätzung der Wirkung von Pflanzenschutzmittel auf die Umwelt zu ermöglichen, wurde in den Niederlanden dieses EIP Modell entwickelt. Mittels der Linearen Optimierung können einzelne Parameter wie z.B. Fruchtarten- oder Sortenwahl so verändert werden, dass der Umwelteinfluß reduziert werden kann, ohne finanzielle Einbußen (VERHOEVEN et al.

1994). In Simulationsrechnungen haben VERHOEVEN et al. (1994) ermittelt, dass eine Nutzung von EIP auf Betriebsebene unter Verwendung der Linearen Optimierung geeignet ist, gleich-zeitig Einsatzniveau und Umwelteinfluß der Pflanzenschutzmittel deutlich zu vermindern.

Das Konzept der ökonomischen Schadschwellen (economic injury levels= EILs) wird von HIGLEY and WINTERSTEEN (1992 in VAN DER WERF 1996) durch die Komponente der Um-weltkosten erweitert. Risikoschwellen für einzelne Pflanzenschutzmittel basieren auf Krite-rien wie chemischen und physikalischen Bedingungen und Toxizitätsparametern. Zur Beur-teilung von negativen Wirkungen auf die Wasserqualität schlägt HORNSBY (1992 in VAN DER

WERF 1996) Indizes vor, mit denen der Landwirt das Ablauf- und Versickerungspotentials eines Standortes beurteilen kann.

Ein wichtiger Einflußfaktor bei der Abschätzung des Gefährdungspotentials von Pflanzen-schutzmitteln für das Grund- und Trinkwasser, liegt in den spezifischen Bodeneigenschaften.

Insbesondere Bodentextur und -struktur beeinflussen Transport- und Sorptionsprozesse. Der

präferentielle Fluß in Makroporen kann zu extrem schnellen Verlagerungen führen und wird mit den heute üblichen Modellvorstellungen nur sehr unzureichend beschrieben (MEYER -WINDEL 1998, LENNARTZ et al. 1999). Im Hinblick auf diese Makroporen ist daher auch die Interaktion mit der Bodenbearbeitung und der Aktivität von Regenwürmer und anderen tief-wühlenden Bodenbewohnern bedeutsam. Aber auch eine Vielzahl anderer Parameter beein-flussen das Verhalten von Pflanzenschutzmitteln im Boden. Dies sind z.B. der Abbau durch Mikroorganismen, der chemische Abbau (z.B. Hydrolyse), Sorption an organische und mine-ralische Bodenbestandtteile und Aufnahme durch Pflanzenwurzeln. Diese Merkmale variieren in großen Bereichen, so hat z.B. die Temperatur einen überragenden Einfluß auf die Ge-schwindigkeit des Wirkstoffabbaus (VAN DER WERF 1996). Der Einsatz von Pflanzenschutz-mitteln und damit das Gefährdungspotential hängt darüber hinaus auch stark ab vom Be-wirtschaftungssystem. Wiederum sind Anbaustruktur und -verfahren, angestrebtes Ertrags-potential, Fruchtart und –folge und die Sortenwahl entscheidende Parameter, die mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beträchtliche Interaktionen aufweisen.

Allen bisherigen Modellansätzen ist gemein, dass sie nur Angaben über die potentiellen Um-weltrisiken des Pflanzenschutzmittel erfassen, nicht aber die realen Effekte (Anonym 1999/2000). Die extrem komplexen Verlagerungsvorgänge beeinträchtigen auch auf Feld-ebene Möglichkeiten für Simulationen und Vorhersagen von Pflanzenschutzmittelausträgen.

VAN DER WERF (1996) stellt fest, dass entsprechend aufwendige Modellansätze nötig sind, um den Umwelteinfluß eines konkreten Pflanzenschutzmitteleinsatzes hinreichend beurteilen zu können. Dabei sollten nach Ansicht des Autors in einem Modell berücksichtigt werden:

• Menge des eingesetzten Pflanzenschutzmittels

• Ausbringungsort

• Anteil und seine Konzentration in Luft, Boden, Oberflächenwasser und Boden-wasserbereichen

• Abbaurate in jedem Bereich

• Toxizität für die jeweiligen Arten in diesen Bereichen

In der Praxis werden aus Gründen der Praktikabilität viele Beurteilungssysteme mit ver-einfachten und aggregierten Indikatorsystemen verwendet. Erste Ansätze, den Austrag von Pflanzenschutzmitteln auf regionaler Ebene zu modellieren, sind jedoch vielversprechend und lassen in den nächsten Jahren weitere Fortschritte erwarten. Eine ausreichende Genauigkeit der Simulationsergebnisse vorausgesetzt, kann sogar auf kostspielige und methodisch auf-wendige Messungen zumindest teilweise verzichtet werden. So wurden Modelle zur Er-fassung der Kontamination von Oberflächenwassern mit Pestiziden für Teilregionen

Deutschlands entwickelt (HUBER et al. 2000). Es gibt zwei Benutzerzielgruppen, für die Mo-delle entwickelt wurden, Landwirte auf der einen Seite und politische Entscheidungsträger auf der anderen Seite. Im Rahmen des EU-Projektes “CAPER” (Concerted Action on Pesticide Environmental Indicators) befassen sich Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Modellen zur Bewertung von Umweltwirkungen des chemischen Pflanzenschutzes in verschiedenen Berei-chen (HEYER 2000). Das SYNOPS Modell (Synoptisches Bewertungsmodell für Pflanzen-schutzmittel) nach GUTSCHE und ROSSBERG (1997) ist ein Simulationsmodell zur Einschät-zung der Risikoentwicklung durch Pflanzenschutzmitteleinsatz im Laufe der Zeit. Politikein-schätzungen zu Pflanzenschutzregulierungen sind dabei möglich. Die potentiellen Risiken durch Pflanzenschutzmittel Kontamination für Boden, Wasser und Luft wurden z.B. durch die Indikatorsysteme EEP (Environment Exposure to Pesticides) und IPEST (Indicator of Pesticide Environmental Impact) beschrieben (DE MOL et al. 1999, VEREIJKEN 1995 in VAN DER WERF 1996). Im Hinblick auf die Beschreibung der Zusammenhänge ist es bedauerlich, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum kombinierte Modelle der Ertragsbildung und der Krankheitsentwicklung für die wichtigen Kulturarten vorliegen. Aus diesem Grund sind Aus-sagen fast ausnahmslos auf ex post Betrachtungen beschränkt.

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist ein bedeutender Indikator zur Beurteilung der Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Produktionssysteme. Die Beurteilung wird allerdings durch die hohe Komplexität unddie Schwierigkeiten bei der Bewertung (Aufwandmenge, Ausbringungshäufigkeit) erschwert. Eine Abschätzung der Risiken eines Pflanzenschutzmitteleinsatzes sind zwar ansatzweise vorhanden, jedoch mangelt es derzeit noch an der genauen Quantifizierung.