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BEDEUTUNG VON INDIKATOREN FÜR DIE UMSETZUNG EINER NACHHALTIGEN

Der Versuch, alle politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entscheidungen auf den unter-schiedlichen Ebenen einer Gesellschaft vor dem Leitbild der Nachhaltigkeit zu hinterfragen, ist zweifelsohne ein hoher Anspruch. Um dieses anspruchsvolle Ziel auch erfüllen zu können, muß nachhaltige Entwicklung an geeigneten Indikatoren (Maßzahlen) festgemacht werden.

Für alle drei Teilbereiche der Nachhaltigkeit existieren bereits heute separate Indikatoren, die teilweise auch eine erhebliche politische Relevanz aufweisen. So ist beispielsweise das Bruttosozialprodukt als Summe aller Güter und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft ein etablierter Indikator, um den wirtschaftlichen Zustand einer Volkswirtschaft beurteilen zu können. Auch für die ökologischen und sozialen Bereiche der Gesellschaft bzw. für das Verhältnis Mensch – Umwelt gibt es eine Reihe von Indikatoren, mit denen Einzelaspekte erfaßt werden können. Hierbei lassen sich Zustands-, oder, bei Vorhandensein von Zeitreihen, auch Trendberechnungen durchführen. Insofern ist die Diskussion über Indikatoren zur Erfassung der Nachhaltigkeit keineswegs eine neue Entwicklung, sondern muß im Gesamtkontext der Quantifizierung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Zuständen und Veränderungen gesehen werden.

Die Diskussion über die Möglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung beschäftigt sich erst seit kurzem verstärkt mit der Nutzung von Indikatorsystemen. Häufig wurde schlicht an das ökologische Gewissen der Menschen appelliert und veränderte Wertvorstellungen als Grundlage einer Verhaltensumkehr gefordert. Die ersten umfassenden Publikationen zur Nachhaltigkeit schlossen überwiegend mit vagen Vorstellungen über die praktische Um-setzung einer nachhaltigen Entwicklung, und nur sehr vereinzelt wurden konkrete Vorstellun-gen diskutiert (siehe z. B. FRANCIS et al. 1990, HATFIELD und KARLEN 1994, LINCKH et al.

1997, EL BASSAM et al. 1998).

Abb. 1: Anzahl der Veröffentlichungen zum Thema Nachhaltigkeit (Sustainability) und Indi-katoren und Nachhaltigkeit von 1980 bis 1999 anhand der Literaturdatenbank des CAB

Dass die Frage der Indikatoren im Zusammenhang mit der Diskussion um Fragen der Nach-haltigkeit erst in den letzten Jahren eine größere Bedeutung erlangt hat, belegt die Auswer-tung der Schlagwörter in Veröffentlichungen (Abb. 1). Eine der wenigen wissenschaftlichen Arbeiten im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit, die schon früher auch die Frage nach der konkreten Umsetzung in den Vordergrund stellt, ist die Publikation von REID (1995, S. 165).

Danach soll als Grundlage auf dem Weg zur Nachhaltigkeit eine regulierte Volkswirtschaft nach den übergeordneten Kriterien der Suffizienz, Gleichheit und Sicherheit organisiert wer-den. Konkret fordert REID (1995) folgende Maßnahmen:

• Begrenzung der rein ökonomischen Interessen auf den Märkten

• Sicherstellung, dass Preise die tatsächlichen Kosten der Produktion widerspiegeln und so auch externe Kosten berücksichtigt werden

• Umverteilungspolitik in Bereichen, in denen die frühere Politik zu ungerechten Verteilun-gen der ökonomischen Machtverhältnisse geführt hat

• Unterstützung von kleinen Wirtschaftseinheiten, die schwerpunktmäßig die lokalen Ressourcen nutzen. Eine solche Unterstützung ist notwendig, um die Zentralisierung der ökonomischen Macht zu verhindern.

Stärker auf die Betriebsebene ausgerichtet fordern PADGITT und PETRZELKA (1994) für die Umsteuerung in Richtung auf eine nachhaltige Landwirtschaft vier wesentliche Grundlagen:

• Problembewußtsein

• Informationen über Alternativen in der Anbautechnik

• Motivation für Veränderungen

• Verfügbarkeit von materiellen und immateriellen Ressourcen, um eine Veränderung zu erreichen.

Die eigentliche Frage nach der Messung und Operationalisierung wird allerdings auch in die-sen Untersuchungen noch nicht gestellt. Bei den hier genannten Punkten wird deutlich, dass es zur Anwendung von Indikatorsystemen eine Reihe von Berührungspunkten gibt, denn Pro-blembewußtsein und auch die Information über Zustände und Veränderungen sind nur mit geeigneten Indikatoren zu erreichen.

Es muß an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden, dass es durchaus ablehnende Stim-men zur Nutzung von Indikatoren und Grenzwerten bei der Bewertung von Nachhaltigkeit gibt. Nach dem Verständnis, dass es sich bei der Nachhaltigkeit eher um einen gesell-schaftlichen Prozess, als um ein Optimierungsproblem nach wissenschaftlich fundierten Kri-terien handelt, wird daher von einigen Kritikern Nachhaltigkeit als wissenschaftliches Kon-zept grundsätzlich in Frage gestellt. In Anlehnung an die Systemwissenschaft ist Nachhaltig-keit als ein naturwissenschaftliches Optimierungsproblem auf der Basis einer Vielzahl vernetzter Ursache-Wirkungs-Beziehungen anzusehen. Diese Beziehungen werden dabei als hochkomplex angesehen, können aber mit entsprechendem Aufwand nach naturwissen-schaftlich fundierten Kriterien optimiert werden. Nach Aussagen von SIEBENHÜNER (2000) sollten dabei besonders auch ethische Überlegungen berücksichtigt werden.

Im Unterschied dazu wird im Rahmen der sozial orientierten Systemwissenschaft der Aspekt der gesellschaftlich-sozialen Gesichtspunkte wesentlich stärker betont, so dass nach naturwis-senschaftlichen Kriterien keine Lösungen erkennbar sind. Bei dieser Sichtweise der Nachhal-tigkeit wird darüber hinaus in Anlehnung an die Dokumente von Rio, auch der partizipatorische Charakter bei der Veränderung von Systemeigenschaften betont (POUDEL et al. 2000). Diese Argumentation ist nicht von der Hand zu weisen, da in der Diskussion um die Grundlagen einer nachhaltigen Entwicklung immer wieder die soziale, politische und auch ethische Dimension betont wurde. Im Kern der Nachhaltigkeit steht zweifelsfrei die Verbin-dung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkten aus Verantwortung für

die Zukunft. Fraglich ist allerdings, ob eine solche Definition zu gänzlich anderen Handlungs-optionen für die Erfassung und Implementierung einer nachhaltigen Entwicklung führt, oder ob - wissend um die soziale und politische Dimension - Indikatorsysteme entwickelt werden müssen, die diesen Aspekten gerecht werden. Sicherlich ist im Hinblick auf die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung von herausragender Bedeutung, dass die unterschiedlichen Motivationen für menschliches Handeln einerseits und auch möglichst viele gesellschaftliche Gruppen andererseits ausreichend berücksichtigt werden. Um die Nachhaltigkeit zu imple-mentieren, sind die weichen Methoden wie Partizipation, Mediation und das soziale Lernen daher wichtige Ansatzpunkte. In diesem Kontext besteht somit kein grundsätzlicher Wider-spruch zwischen den beiden Sichtweisen der Nachhaltigkeit. Im Gegenteil, die naturwissen-schaftlich quantifizierbare Nachhaltigkeit kann in dieser Gedankenführung als Subsystem der Nachhaltigkeit in einem weiteren gesellschaftlichen Verständnis insgesamt angesehen werden (HEINS 1994, WORKING GROUP ON SUSTAINABLE AGRICULTURE 1993, HANSEN 1996, RÖLING

1997, BOSSHARD 2000).

Es sei an dieser Stelle darüber hinaus noch kurz auf die Unterscheidung in harte und weiche Nachhaltigkeit verwiesen. Hierbei wird in Anlehnung an ökonomische Theorien als weiche Nachhaltigkeit die Möglichkeit einer vollständigen Substitution der einzelnen Teilbereiche angenommen, während bei der harten Nachhaltigkeit davon ausgegangen wird, dass keine vollständige Substitution möglich ist (PEARCE 2000). Diese Überlegungen sind im Zusam-menhang mit der Frage der Aggregierung der Einzelinidikatoren durchaus bedeutsam (siehe Kap. 7). Auch für die konkrete praktische Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung ist diese Frage von herausragender Bedeutung, so dass an dieser Stelle auch auf das ent-sprechende Kapitel verwiesen wird (Kap.: 8 "Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung von Indikatorsystemen").

In der gewerblichen Wirtschaft werden inzwischen häufig zertifizierte Umweltmanagement-systeme nach EG-Öko-Audit-Verordnungen oder nach entsprechenden DIN und/oder ISO-Normen zur Beurteilung der Umweltwirkung der Produktion eingesetzt. Vergleichbare An-sätze werden auch in der landwirtschaftlichen Produktion fortgeführt und teilweise einfache Gleichsetzungen der Methoden vorgenommen (DALAL et al. 1999). Die Vorgehensweise ist jedoch im Regelfall im Rahmen einer Ökobilanz (Life cycle assessment, LCA) auf einzelne Produkte beschränkt. Ökonomische, soziale und ökologische Konsequenzen für die gesamte Betriebsorganisation werden dagegen kaum oder gar nicht berücksichtigt. Aufgrund der be-sonderen Komplexität der landwirtschaftlichen Produktion ist eine Übertragung kaum mög-lich. Zum Vergleich unterschiedlicher Produktlinien oder anbautechnischer

Alternativver-fahren haben Ökobilanzen sicherlich ihre Berechtigung, für eine Gesamtbeurteilung auf Be-triebs- oder Regionsebene ist dieser Ansatz jedoch wenig geeignet (JOLLIET und CRETTAZ

1997, NEITZEL 1997, SALZGEBER und LÖRCHER 1997, ANDERSSON und OHLSSON 1999, BENTRUP et al. 2001).

4. Gesamtansätze zur Quantifizierung einer nachhaltigen Entwicklung mittels