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5. BEURTEILUNG DER VERSCHIEDENEN EINZELINDIKATOREN

5.8. B IODIVERSITÄT

Biodiversität als Gesamheit aller in einem bestimmten Areal vorkommenden Organismen ist ein wichtiger Maßstab zur Beurteilung und Klassifikation von Ökosystemen. Die Biodiversi-tät wird daher in den meisten bislang vorgeschlagenen Indikatorsystemen als Kriterium für den ökologischen Zustand des Agrar-Ökosystems angesehen. Darüber hinaus gibt es auch eine Reihe von Autoren, die in der Biodiversität eine Möglichkeit sehen auf indirektem Wege den Zustand einer Kulturlandschaft in seiner Gesamtheit zu beurteilen (WASCHER 1997, PAOLETTI 1999).

Ökosysteme zeichnen sich dabei durch eine extrem hohe Komplexität sowie nicht-lineares Verhalten aus. Vorhersagen über die Reaktion von Ökosystemen auf Veränderungen sind daher nur sehr eingeschränkt möglich, so dass Fragen der Wahrscheinlichkeit und des Risikos von irreversiblen Schäden der Funktionsfähigkeit von Ökosystemen bedeutsam sind. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass gerade die Frage der Biodiversität von besonde-rer methodischer Brisanz ist.

Trotz dieser grundsätzlichen Übereinstimmung hinsichtlich der Bedeutung der Biodiversität für eine nachhaltige Entwicklung, ist die konkrete Messung der Biodiversität ein

hochkom-plexes Problem, das bislang nur in Teilaspekten als gelöst betrachtet werden kann. Ursache dieser erheblichen Komplexität ist zum einen das nicht-lineare Verhalten von Ökosystemen.

Prognosen über das mögliche Verhalten lassen sich daher nur sehr eingeschränkt aus Erfah-rungen über das Verhalten in einem anderen Kontext ermitteln (CHAVAS 2000). Zum anderen ist die Abgrenzung von Ökosystemen nicht in jedem Falle möglich, so dass eine Zuordnung der verschiedenen Systemkomponenten nicht eindeutig sein kann. Ein erhebliches Problem bei der Nutzung von Biodiversität als Indikator für nachhaltige Entwicklung liegt in den hohen Anforderungen, die bei der Erstellung der Daten notwendig sind. PAOLETTI (1999) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in Zukunft computergestützte Systeme bei der genauen Bestimmung erhebliche Beiträge liefern werden.

Die Biodiversität steht in engem Zusammenhang mit dem gesamten Anbausystem, wobei insbesondere die Fruchtfolge, das Kulturartenspektrum, Düngungsniveau und Einsatz von Pflanzenschutzmitteln das Auftreten von Fauna und Flora im Agrar-Ökosystem beeinflussen.

Wiederum ist eine einfache Lösung anhand von vorhandenen Leitbildern nur eingeschränkt verwertbar, da auch im ökologischen Landbau die Fortschritte in der mechanischen Unkraut-bekämpfung zur Verminderung der Biodiversität führen. Van ELSEN (2000) sowie STOBBELAAR und van MANSVELT (2000) fordern daher, Biodiversität konkret als Zielvorstel-lung mit in die EntwickZielvorstel-lung von Anbausystemen aufzunehmen. Ein wesentlicher Gesichts-punkt ist daneben auch die räumliche Struktur eines Betriebs oder einer gesamten Region.

Neben dem absoluten Flächenanteil von naturnahen oder naturbelassenen Flächen innerhalb der Agrarlandschaft kommt hierbei dem Vorhandensein von Saumbiotopen, Hecken, Knicks und Feldrainen eine besondere Bedeutung zu. Größe und Häufigkeit dieser verbindenden Elemente kann daher auch indirekte Informationen über den Zustand der Biodiversität in ei-nem Landschaftsgebiet ermöglichen (PAUWELS und GULINCK 2000, van ELSEN 2000). Wie-derum ist das Vorhandensein derartiger Biotopbestandteile eng an die jeweilige Funktion ge-bunden. So können zwei Trockenrasenflächen nicht über einen Graben verbunden werden.

Außerdem besteht bei dieser Vorgehensweise immer die Gefahr der Separierung in einen Anteil an naturnahen oder naturbelassenen Flächen und in einige Bereiche, die intensiv zur Produktion genutzt werden.

Als Alternative zu der aufwendigen Bestimmung einzelner Arten als Maß für die Biodiversi-tät wird daher vorgeschlagen, indirekte Parameter wie den Anteil der ökologisch-landeskultu-rellen Vorrangfläche oder tatsächlichen Schutzgebiete und die Teilnahme an Agrar-Umweltprogrammen heranzuziehen (HÜLSBERGEN und DIEPENBROCK 1997, ECKERT et al.

1999). Ein gewisser Bezug zur Biodiversität ergibt sich aus Informationen zur Schlaggröße

und Schlagform sowie aus der Kulturartendiversität. Besonders geeignet erscheint dabei der Anteil der ökologisch-landeskulturellen Vorrangflächen, da hiermit alle landwirtschaftlich nicht oder nur extensiv genutzten Flächen in einer Agrarlandschaft berücksichtigt werden.

Hierzu gehören Gehölze, Hecken, Wegraine, Knicks, Rasenflächen (Hutungen), Ruderalflächen bis hin zu Gewässern. Mit dieser Gesamtheit ist der Begriff daher weiter gefaßt als die geschützten Biotope nach dem Naturschutzgesetz. Durch ökologisch-landeskulturelle Vorrangflächen wird die räumliche und zeitliche Diversität von Agrarlandschaften erhöht. Nach Angaben von HÜLSBERGEN (2001) bestehen damit einige Überschneidungen zu den gleichermaßen nutzbaren Indikatoren Beteiligung an Förderprogrammen und Anteil an Schutzgebieten. Die ökologisch-landeskulturellen Vorrangflächen gehen jedoch durch den räumlichen Bezug und die Berücksichtigung des landeskulturellen Wertes über die reine Naturschutzbetrachtung hinaus.

Die verschiedenen Indikatoren können auf unterschiedlichem Skalenniveau kartiert werden, teilweise ist eine Datengrundlage durch entsprechende Landschaftspläne, Biotopkartierungen oder Geländekartierung bereits vorhanden. Durch die beträchtlichen Unterschiede in Abhän-gigkeit vom betrachteten Naturraum ist eine Grenzwertfähigkeit nur sehr eingeschränkt gegeben. Für ein höheres Skalenniveau haben WETTERICH und KÖPKE (2001) die Verwendung des Anteils von ökologisch wirtschaftenden Betrieben in einer Region als Indikator vorgeschlagen. Hintergrund dieses Vorschlages sind laut WETTERICH und KÖPKE

(2001) Untersuchungen, nach denen auf Ökobetrieben eine höhere Biodiversität nachgewiesen wurde als auf integriert wirtschaftenden Vergleichsbetrieben. Die Datengrundlage für eine solche Betrachtung kann zumindest für die Bundesrepublik als vergleichsweise gut angesehen werden. Problematisch ist allerdings, dass der Gesichtspunkt des Naturschutzes in den Richtlinien des ökologischen Landbaus nicht ausreichend verankert ist und so keineswegs von einem engen Zusammenhang ausgegangen werden kann. BOSSARD

(2001) weist in diesem Zusammenhang sogar auf die mangelnde Verankerung von Landschaft und Biodiversität bei biologisch wirtschaftenden Landwirten hin und fordert hier eine Ergänzung der bestehenden Richtlinien.

Simulationsmodelle zur Abschätzung und Bewertung von Biodiversität in Agrarökosystemen finden sich in der Literatur erst in Ansätzen. Dies liegt sicherlich an der relativen Neuheit des Konzeptes der Agro-Biodiversität und an seinen sehr komplexen Zusammenhängen. Jedoch gibt es Modellansätze, in denen Möglichkeiten der Beschreibung der Biodiversität, ihrer Auf-gaben und ihrer Beeinflussung durch Bewirtschaftungsmaßnahmen erörtert werden. Allge-mein wird dabei von den meisten Wissenschaftlern berücksichtigt, dass die Bewertung der

Biodiversität auf verschiedenen Ebenen stattfinden soll. So schlägt YLI-VIIKARI (1999) drei Ebenen vor, die genetische, die Arten- und die Ökosystemebene. Dabei unterscheidet er zwi-schen den kosten- und zeitintensiven Felduntersuchungen und grundlegenden Land-schaftsbeschreibungen. Die Beschreibung letzterer könnte in der Praxis mittels “Geographic Information Systems” (GIS) und Diversitätsindizes erfolgen. ALTIERI (1999) stellt ein Modell vor, das die Beziehungen zwischen der Bewirtschaftung eines Agarökosystems und somit der geplanten Biodiversität auf der einen Seite und der damit in Beziehung stehenden Biodiversi-tät auf der anderen Seite, die sich z.B. aus Arten der umgebenden Umwelt zusammenstellt, widerspiegelt. Dabei verdeutlicht das Modell die Funktionen und die Abhängigkeiten der ver-schiedenen Organismen dieses Ökosystems. Damit werden auch die Lücken ersichtlich, die durch den Wegfall vieler Arten entstünden und künstlich aufgefüllt werden müßten, z.B.

durch mineralische Düngung, wenn Bodenmikroorganismen zur Zersetzung von organischer Substanz fehlten.

Die OECD (1998) hat ansatzweise ein Modell in Anlehnung an ihr “Pressure-State-Response-Modell” zur Beurteilung der Biodiversität entwickelt. Dabei werden indirekte Einflüsse, wie beispielsweise veränderte Flächennutzung und Transportinfrastruktur, und direkte Einflüsse, wie Lebensraumveränderungen und Bodenbedeckung, berücksichtigt. Die aktuelle Situation der Biodiversität soll vor allem über den Indikator bedrohte Pflanzen- und Tierarten charakte-risiert werden. Zuletzt schlägt die OECD zur Bewertung der Reaktion die Erfassung von Schutzgebieten, des Ökosystemtyps und geschützter Arten vor. DUMANSKI und PIERI (2000) regen an, die Frage zu klären, wie Biodiversität besser in den Prozess der Intensivierung der Landwirtschaft integriert und wie der Genpool in der Pflanzen- und Tierproduktion besser genutzt werden könnte. Berücksichtigt werden sollten außerdem die Möglichkeiten zur Er-haltung der Diversität und gesunder Lebensbedingungen für Bodenorganismen und der Ko-existenz von natürlichen Arten insbesondere Wildarten in Agarsystemen. Indikatoren wie das Management von Naturräumen, die Intensität und Diversität der Landbewirtschaftung und die Bodenbedeckung sollen zur Bewertung der Agrarökosysteme eingesetzt werden.

Auch ECKERT et al. (1999) beschäftigen sich mit der höheren Ebene und schlagen vor, das Gefährdungspotential von Artenverlusten und –einbußen über den Anteil an ökologisch-lan-deskulturellen Vorrangflächen (ÖLV) abzuschätzen. Die Autoren legen optimale Anteile an ÖLVs für verschiedene Standorte fest. Ziel ist schließlich die Festsetzung der ÖLV Anteile in einem sog. “Agrarnutzungs und -pflegeplan”. Auch DALAL et al. (1999) heben den Wert von naturbelassenen Arealen in ihrem Modellansatz hervor. Sie beschreiben außerdem, wie eine wissenschaftlich nicht unumstrittenen Technik (“rapid biodiversity assessment”) zur

Bepro-bung unterschiedlicher Bereiche angewandt werden könnte. Zur Auswertung der Diversität auf Artenebene schlägt PAOLETTI (1999) die Berücksichtigung einer Vielzahl von Bioindika-toren vor, zu denen er vor allem Invertebraten zählt. Dabei sollten bei der Untersuchung an-stelle nur weniger Arten ganze Gruppen berücksichtigt werden (s. Kap. 5.9). Die Datenerhe-bungen sollten nicht auf die Festellung deren Vorkommens bzw. Nicht-Vorkommens be-schränkt sein, sondern ihre Anzahl, Biomasse und Dominanz einbeziehen. Jedoch bemerkt PAOLETTI (1999) einschränkend, dass nur eine unzureichende Auswertung der Daten möglich ist, da noch viele kausale Beziehungen unbekannt sind und so die Bedeutung der Ergebnisse für das Agrarökosystem schwerlich abgeschätzt werden kann. Für die weitere Entwicklung der Biodiversitätsbewertungen- und modelle regt er vor allem die Einbeziehung ökonomi-scher Betrachtungen an.

Insgesamt muß die Beurteilung der Biodiversität noch als sehr unzureichend angesehen wer-den. Neben der Entwicklung von Ertrags- und Wachstumsmodellen als Grundlage von Agro-Umwelt-Modellen kann daher die Ermittlung und Bewertung der Biodiversität als zentrale Forderung für die Verbesserung von Indikatorsystemen angesehen werden.

Die Biodiversität wird einheitlich als wichtiger Parameter für die Beurteilung der Nachhaltig-keit landwirtschaftlicher Produktionssysteme oder Agrarlandschaften angesehen. Als Indika-tor ist Biodiversität jedoch sehr problematisch, da sich hinter diesem Begriff eine standort- und regionsspezifisch extrem heterogene Situation widerspiegelt. Die Datengrundlage muß hierbei als unzureichend angesehen werden. Als Indikatoren sind daher eher indirekte Merk-male wie Anteil von Landschaftsschutzgebieten oder ökologisch-landeskulturellen Vorrang-flächen geeignet. Hierfür ist die Datengrundlage auf unterschiedlichen Skalenebenen besser und nach der Berücksichtigung regions- und bewirtschaftungstypischer Besonderheiten ließe sich sogar eine eingeschränkte Grenzwertfähigkeit definieren.