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II. Einblicke in die Branche

8. Der konkrete Arbeitsalltag

8.3. Dritte Phase: Inszenierung und Begleitung

Ist die Konzeption und Vorbereitung der Trauerrede beziehungsweise der Trauerfeier abgeschlossen, beginnt mit dem Zeitpunkt der Trauerfeier die wichtigste und sensibelste Phase sowohl für die Branche, als auch für die Hinterbliebenen, denn in dieser geht es zum einen um die öffentliche Darstellung der eigenen Arbeit und zum anderen um den erfolgreichen Anstoß eines erfolgreichen Trauerprozesses, dessen Gelingen alle Interviewpartner als erstes Anliegen der eigenen Arbeit betonten.

Die Rolle der Trauerrede innerhalb der Trauerfeier

Als wichtiger Teil dieser Phase kann immer noch das Verlesen oder das Vortragen der jeweiligen Trauerrede auf der Trauerfeier gelten, wo und wie auch immer diese letzten Endes stattfinden wird. Dies bedeutet, dass jeder Trauerredner immer wieder aufs Neue sowohl einen persönlichen Stil als auch eine allgemeine Sprache finden muss, welche vor allem der Sprache der Hinterbliebenen entsprechen und den inhaltlichen Rahmen angemessen darstellen sollte. Dieser rhetorische Stil kann von möglichst frei und „erzählend“ bis hin zu rhetorisch 409 verfeinertem Ablesen reichen. Es wurde seitens der Gesprächspartner darüber hinaus darauf hingewiesen, eine Balance zwischen notwendigem Pathos und einer gewissen Unaufgeregtheit im Tonfall zu wahren. Während der Trauerrede solle demnach ganz allgemein auf „eine angenehme, persönliche, ergreifende, aber nicht dramatisch-erdrückende Stimmung“ geachtet und Floskeln vermieden werden, die während des Vortragens auf einer Trauerfeier „zu sehr auf die Tränendrüsen drücken“ – gleichwohl eindringlich in den Gesprächen darauf 410 hingewiesen wurde, dass es während der Rede nicht nur darum gehe, wie gesprochen wird sondern vor allem „was [...] man an welchem Moment“ sagt. 411

Interview mit Frau M. vom 18.12.2013.

409

Bender 2015, S. 45.

410

Interview mit Frau M. vom 18.12.2013.

411

Den Aussagen der Interviewpartner nach scheint sich auch aufgrund der Notwendigkeit, die richtigen Worte zum richtigen Moment zu sagen, der strukturelle Aufbau einer solchen Trauerrede – selbstverständlich mit graduellen und inhaltlichen Unterschieden, die der jeweiligen Biografie und den jeweiligen benannten äußerlichen Begebenheiten geschuldet sind – im Großen und Ganzen zu ähneln. Während die Eingangsworte, die – mit Variationen – in jeder Ansprache wiederholt werden und eine Art liturgische Einstimmung bedeuten, zumeist dergestalt aussehen, dass es vor der Trauerrede „ein Ankommen gibt, wo noch nichts wichtiges gesagt wird, sondern wo Leute einfach erstmal in einer neuen Situation ankommen,“412 konzentriert sich der darauf folgende Teil auf die Phase des Sterbens. Die letzten Tage und Wochen werden an dieser Stelle verbalisiert, Ängste und Gefühle der Hinterbliebenen sollen in deren Anwesenheit zum Ausdruck gebracht werden. Hierauf folgt ein erinnernder Teil, in dem meist

„einzelne Sequenzen, Szenen aus dem Leben des Verstorbenen“413 zur Sprache kommen. Dorthinein gehört auch ein biographisches „Portrait“414 unter Berücksichtigung des individuellen Charakters des Verstorbenen, das zum Ziel hat, den Verstorbenen „symbolisch nochmal reinzuholen.“415 Dabei wird seitens des Trauerredners versucht, „ein Bild zu entwerfen, wo die Lebendigkeit wieder zum Ausdruck kommt.“416 Diesem Teil wiederum folgt ein Ausblick für die Angehörigen im Sinne einer Formulierung troststiftender Anknüpfungspunkte, wie ein Interviewpartner beschrieb:

„Und im letzten Teil, da entwickle ich immer so einen Gedanken, mit dem die Angehörigen wieder zurück ins Leben können. Ohne das jetzt vorschnell zu forcieren, aber schon auch immer einen Weg zu weisen, wie es jetzt nach dieser Trauerfeier weitergehen kann.“ 417

Auffällig in der Darstellung dieser Phase war hierbei auch die Selbstverständlichkeit, mit der das Einbeziehen von Pop-, Rock- oder

Ebd.

412

Schoener 2007, S. 218.

413

Interview mit Herr O. vom 28.04.2014.

414

Interview mit Frau M vom 18.12.2013.

415

Interview mit Herr O. vom 28.04.2014.

416

Ebd.

417

anderweitiger Musik in die Struktur der Rede und der Feier angesprochen wurde und etwa in folgender Interviewsequenz zur Geltung kommt:

„Beim Reingehen das erste Musikstück. Dann sprechen wir ein Gedicht. Dann das zweite Musikstück und danach die Rede. Und zum Ende lassen wir dann zur Ehre des Verstorbenen alle erheben. Und dann klingt das dritte Musikstück und dann gehen wir raus ans Grab und sprechen dort nochmal ein Gedicht. Das ist immer so der allgemeine Ablauf, wenn die Leute damit einverstanden sind.“ 418

Einen festgelegten musikalischen Rahmen gibt es dabei nicht, es „kann alles gespielt werden, es ist ja eine weltliche Rede.“ Diese Selbstverständlichkeit 419 scheint „eine der Kirche entlehnte [...] Ausdrucksform“ zu sein, durch die im Sinne des individuellen Anspruchs und einer tendenziell modernen Gestaltung der Trauerfeier „der Tote selbst angesprochen werden“ soll, indem man „etwa seine Lieblingsmusik noch einmal erklingen lässt,“ um damit unter den 420 Hinterbliebenen Gefühle der Trauer und der Erinnerung auszulösen, also emotional verstärkend die rhetorischen Bezugspunkte der Trauerrede in Szene zu setzen.

Die Rolle des Trauerredners als Ritualdesigner

Die bereits angesprochenen Erweiterungen des Angebots der Branche in Richtung des sogenannten Ritualdesigns führen oft auch zwangsläufig zu einer veränderten Rolle des Trauerredners während der dritten Phase. Für jene Trauerredner, zu deren Angebot nicht nur die Trauerrede gehört, bedeutet dies im konkreten Auftragsfalle somit eine passivere Rolle während dieser Phase einzunehmen: Weil diese vor allem während der zweiten Phase ihr Wissen und ihre Erfahrung den Angehörigen zur Verfügung stellen, sie aktiv bei der Vorbereitung der Trauerfeier beraten, etwa beim Schreiben einer eigenen Rede und ihnen dann „Sicherheit“ 421 geben, indem etwa der Text vorher eingefordert und begutachtet wird, bleiben sie während der Trauerfeier eher passiv unterstützend und zurückhaltend. Jenen

Interview mit Frau H. und Herr H. vom 12.10.2013.

418

Ebd.

419

Caduff 2000, S. 159.

420

Interview mit Herr K. vom 06.01.2014.

421

Trauerrednern kommt dann zumeist die Rolle des Moderators zu, der durch die verschiedenen rituellen Versatzstücke der Trauerfeier als eine Art Anleiter führt, obgleich deren Präsenz auch dann erfahrungsgemäß wichtig zu sein scheint, wie ein Interviewpartner, der einige Erfahrung in der Durchführung solcher weniger klassischen Angebote hatte, betonte: „Ich lasse sie [die Hinterbliebenen, die sich um eine eigene Rede bemühen, Anm. d. Verf.] auch nicht alleine am Pult stehen, sondern bleibe bei ihnen. [...] Im Zweifelsfall übernehme ich das und lese das ab.“422

Ebd.

422