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II. Einblicke in die Branche

9. Vernetzungen und Zusammenarbeit

9.1. Bestattungsunternehmen

Vernetzungen und Zusammenarbeit

Ich möchte im folgenden Kapitel mit einer Kategorie fortfahren, die zwar zum Arbeitsalltag eines Trauerredners hinzugerechnet werden kann, aber eher weniger jene direkten und konkreten Aufgabenfelder der Branche betrifft, die im vorangegangenen Kapitel beschrieben wurden. Demzufolge soll die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure, die Kooperation und der Grad der Vernetzung der Branche sowohl untereinander als auch mit anderen Akteuren des Themenfeldes dargestellt werden. Diese Ebene scheint, so hat es sich in den Gesprächen herausgestellt, vor allem in Bezug auf die Hinterbliebenen und die Bestattungsunternehmen äußerst wichtig zu sein, denn in gewissem Sinne sind beide, also sowohl die Bestatter als auch die Hinterbliebenen, Auftraggeber – weswegen sich an dieser Stelle mitunter diffizile Situationen ergeben können, die konkrete Auswirkungen auf den Arbeitsalltag der Branche haben und zur Komplexität desselben beitragen können.

9.1. Bestattungsunternehmen

Hierfür möchte ich aber zunächst einen Schritt in der zu folgenden Chronologie zurückgehen. Hat sich der Einstieg in die Branche vollzogen, so ist die nächste Stufe zur vollständigen Etablierung als Trauerredner die Vorstellung bei möglichst vielen Bestattungsunternehmen, um die Aufnahme in deren Trauerredner-Pool zu erreichen. Diese anzustrebende Zusammenarbeit mit den Bestattungsunternehmen ist für die Branche unverzichtbar, denn die Mehrheit der Aufträge kommt „zu 90-95% über Bestatter“ zustande. Zwar unterhalten viele Trauerredner eine 468 eigene Internetseite, trotzdem ist es bislang noch nicht so, dass private Aufträge 469 über die jeweiligen Homepages der Trauerredner gestellt werden. Ein

Interview mit Herr O. vom 28.04.2014.

468

Wer keine eigene Internetseite unterhält, kann sich auf einem der bereits benannten

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Onlineportale mit Namen, Kontaktdaten und Angebot eintragen lassen und ist so für Interessierte, geordnet nach Postleitzahlen, schnell zu finden.

Interviewpartner gab an, er bekomme „so im Durchschnitt alle 6-8 Wochen mal einen privaten Auftrag.“ Auch die Bindung an entsprechende Portale im 470 Internet gibt es, eine Vermittlung darüber findet aber ebenso eher selten statt. 471 Dennoch tragen sich viele Trauerredner auf solchen Seiten ein, oft als Versuch im Markt ein „Segel“ hochzuziehen, „damit der Wind eine Angriffsfläche kriegt“ und in Sachen Klientenakquise „nichts unversucht“ gelassen wird, wie ein 472 Interviewpartner die Notwendigkeit jedweder Außendarstellung trotz wenig guter Erfolgsaussichten beschrieb: „Wie gesagt: Ich lebe davon, ich brauche Aufträge, sonst kann ich es sein lassen.“ Das entscheidende Moment in der Generierung 473 von Aufträgen ist jedoch weniger das Schalten öffentlicher Werbeannoncen, sondern die Eigendarstellung im Kontakt mit dem Bestatter, die scheinbar immer noch eher durch eine persönliche Korrespondenz von Erfolg gekrönt zu sein scheint denn durch die virtuellen Auftritte.

Die Bestattungsunternehmen unterhalten immer mehrere Redner in ihrem jeweiligen Pool, was schon deswegen wichtig ist, damit es zu keinen Engpässen kommt,

„weil es gibt ja so die speziellen Freitage, die ja so die Lieblingstage sind für die Hinterbliebenen, weil da können ja angeblich die anderen Trauergäste am besten an der Trauerfeier teilnehmen, aber dann wird auch die Luft dünn mit den Terminen. [...] Also braucht man schon aus dem Grund mehrere [Trauerredner, Anm. d. Verf.].“ 474

So entscheidet über die Auftragsvergabe zum einen der Zeitfaktor, zum anderen wird jedoch seitens der Bestattungsunternehmen eruiert, wer inhaltlich passen könnte: Während für eine Trauerrede mit eventuell religiöser Prägung oder bei religiösen Wünschen der Hinterbliebenen eher die bereits erwähnten Trauerredner mit theologischem Vorwissen in Frage kommen, wird bei jüngeren Todesfällen oft gesagt „da können wir jetzt nicht unbedingt unsere ältesten Mitarbeiter hinschicken.“ 475

Interview mit Herr O. vom 28.04.2014.

470

Vgl. Interview mit Herr K. vom 06.01.2014.

471

Wie – und vor allem wie gut – die Zusammenarbeit und die Vermittlung von Aufträgen zwischen Trauerredner und Bestattungsunternehmen läuft, hängt nicht nur, aber vor allem vom Professionalisierungsgrad und dem damit zusammenhängenden Anspruch sowohl des Trauerredners als auch des jeweiligen Bestattungsinstituts ab. Was den Professionalisierungsgrad der Bestattungsunternehmen betrifft, existieren laut Aussage einiger Interviewter große Unterschiede, wobei sich indirekt in den Gesprächen herausgestellt hat, dass sich gerade die Zunahme alternativer Bestattungsunternehmen in den Großstädten zunächst mehrheitlich positiv auf die alltägliche Zusammenarbeit zwischen Bestattungsinstitut und Branche auswirkt. Eine Interviewpartnerin hat 476 die Zusammenarbeit mit einem alternativen Bestattungsunternehmen, das auf professionell hohem Niveau arbeitet und dementsprechend auch mit dem eigenen Rednerpool sehr professionell umgeht, recht eingängig dargelegt, weswegen sie hier etwas ausführlicher zu Wort kommen soll:

„Ich würde sagen, ich habe sehr großes Glück gehabt. 2003 habe ich angefangen zu reden und da hat auch das Bestattungshaus hier aufgemacht und da bin ich in einer Sonderposition: Das heißt, die arbeiten halt anders als andere Bestattungshäuser, ich hab da andere Ausgangsbedingungen und kann einfach anders arbeiten. Es gibt noch zwei, drei andere Institute, die auch so in dem Zeitraum aufgemacht haben, als welche mit dem Anspruch, es doch ein bisschen anders zu machen und die auch woanders herkamen zum Teil und mit denen bin ich auch in Verbindung, da rede ich auch zum Teil, so dass ich in der ziemlich guten Situation bin, fast ausschließlich mit solchen Bestatterinnen und Bestattern zusammenzuarbeiten, was natürlich auch vom Austausch her eine wichtige Geschichte ist. Weil das sind alles Leute, die Interesse haben an meiner Arbeit. Denen das nicht egal ist, wer da redet und wie die reden. Das heißt, die sind da immer

Eines der bekanntesten alternativen Bestattungsunternehmen ist das Trostwerk in Hamburg, mit

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dessen Unterstützung, so die Eigenbeschreibung, „die Grenzen allzu standardisierter Bestattungsroutine” überschritten werden sollen, „um in lebendiger Weise einen wirklich persönlichen Abschied” zu gewährleisten. Vgl. http://www.trostwerk.de/andere.bestattungen/

trost.html (Stand vom 22.08.2015) Hier deutet sich schon an, dass es zum Konzept solcher Bestattungshäuser gehört, mit allen Akteuren auf Augenhöhe zusammenarbeiten zu wollen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Hinterbliebenen gerecht zu werden. Wo es durchaus nicht unüblich ist, dass Bestatter und Trauerredner lediglich per Telefon kommunizieren und die Aufträge dergestalt vermittelt werden, bilden jene alternativen Bestattungshäuser eine Vorhut der Professionalisierung des gesamten Bestattungsgewerbes.

mit drin und hören immer mit zu. Das empfinde ich als total unterstützend. Und im Vorfeld werde ich gut informiert, also ich kriege nicht irgendwie nur so ein Faxblatt rübergeschickt, sondern ich erfahre: Was ist passiert, es ist ja oft auch ein sensibler Prozess, die Toten abzuholen – und die erzählen mir dann wie das passiert ist und wie das war und wie die Leute so sind und was da los ist. Ich kriege also relativ gute und viel Informationen im Voraus – und auch im Nachhinein kann man darüber reden. [...] Da bin ich glaube ich in einer ziemlich exklusiven Situation, die meisten haben so etwas nicht.“ 477

Als sozusagen extremes Gegenbeispiel zu dieser positiven Zusammenarbeit nannten zwei Interviewpartner die in den letzten Jahren vermehrt auftretenden

„Discountbestatter“, die letztlich als negative, weil kommerzialisierte Kehrseite der Professionalisierung und Ausdifferenzierung des Bestattungswesens und auch der Trauerkultur gelten und gemeinhin für ihr Vorgehen nicht zu Unrecht in der Kritik stehen. Seit ein paar Jahren werben so genannte Discountbestatter oder 478 Billigbestatter vor allem mit günstigen Preisen. Bestattungen werden „dann als

‚Pakete’ zu Pauschalpreisen meist bundesweit angeboten – mitunter zu verschiedenen Tarifen je nach Region.“ Wie der Name nahe legt, „sparen 479 Discountbestatter bei Personal und Service und bieten dem Preisniveau entsprechend nur das Notwendige an Waren und Dienstleistungen an. Gewinn wird insbesondere über die Menge an Fällen gemacht.“ 480

Abgesehen von den kritikwürdigen Konzepten und Angeboten vieler Discountbestatter, die oftmals nicht zu Unrecht als Spiegelbild einerseits einer Wegwerfgesellschaft und deren Entsorgungsmentalität gedeutet werden können, in denen vom viel zitierten würdevollen und individuellen Abschied kaum die

Interview mit Frau R. vom 15.01.2014

477

Zur Thematik der Discountbestattungen vgl. auch Uden, Ronald: Totenwürde zwischen

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Discountbegräbnis und Erinnerungskultur. In: Roland, Oliver (Hg.) Friedhof – Ade? Die Bestattungskultur des 21. Jahrhunderts, Mannheim 2006, S. 61-78. Allerdings muss an dieser Stelle hinzugefügt werden, dass es sich bei der gemeinhin geäußerten Kritik zumeist um einen wohlfeilen Blick auf dieses Phänomen handelt, denn es gälte nicht nur die konkreten Umtriebe solcher Discountbestatter zu kritisieren, sondern vor allem den Blick auf jene gesellschaftlichen Verhältnisse zu lenken, die Hinterbliebene oftmals erst dazu nötigen, möglichst wenig Geld für eine Bestattung ausgeben zu wollen.

Zitiert nach einem Eintrag auf der Homepage von Aeternitas, der Verbraucherinitiative für

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Bestattungskultur, online abgerufen unter http://www.aeternitas.de/inhalt/trauerfall/themen/

bestatter/bestattersuche/discountbestatter (Stand vom 12.07.2015) Ebd.

480

Rede sein, andererseits aber auch einer Gesellschaft, in der sich eine zunehmende Anzahl von Menschen keine angemessene Bestattung mehr leisten kann, wirkt sich eine Zusammenarbeit zwischen Trauerredner und Discountbestatter ganz konkret auch zum Nachteil der ersteren aus, wie einer der Interviewten eindrücklich zu berichten wusste:

„Das lief dann so ab, dass der 50 Filialen in ganz Deutschland hat.

Alle Leichen werden in einem zentralen Krematorium verbrannt. Und dann ist es so gelaufen – und da musste ich mich erst kundig machen, ob das legal ist –, dass die vor Ort gar niemanden hatten, sondern da musste ich sozusagen die Urne in Empfang nehmen und habe sie eben mitgebracht zur Trauerfeier. Es gab also niemanden von Bestatterseite, der sich darum gekümmert hat. Und es war auch schwierig, das Geld zu bekommen. Ich war da bestimmt ein halbes Jahr hinterher.“ 481

Etwas deutlicher, auch wie die insgesamt billigen Preise der Discountbestatter letztendlich sich auf die Branche auswirken, wurde eine Trauerrednerin, die ebenfalls für einen Discountbestatter gearbeitet hat:

„1500.-, da kriegen sie alles. Da ist auch schon die Rede integriert. Ich krieg’ da nur 175.- für meine Rede, da ist die Mehrwertsteuer schon drin und ich mache aber das gleiche [wie bei einem Auftrag über eines ihrer Stammbestattungsunternehmen, mit dem sie einen höheren Preis ausgehandelt hat, Anm. d. Verf.].“482