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Dieser Beitrag besteht aus zwei Themenkomplexen.

Zum einen wird ein Überblick über den Umsetzungs-stand bzw. den Einsatz der doppelten Buchführung (Doppik) in den deutschen Bundesländern gegeben.

Zum anderen werden Erfahrungswerte und Empfeh-lungen in Bezug auf die Einführung und Nutzung der Doppik auf Landesebene diskutiert.

Umsetzung der Doppik in den deutschen Bundesländern

Im Folgenden wird eine Übersicht über den Stand der Einführung bzw. Verwendung der Doppik in den 16 deutschen Bundesländern gegeben. Dazu wird die je-weilige Reform zur Einführung neuer Steuerungsele-mente vorgestellt und deren Bestandteile aufgezeigt.

Im Zuge dieser Erläuterung wird insbesondere auf die Einführung der Doppik bzw. erweiterten Kameralistik als auch auf Controlling- und Steuerungsinstrumente wie der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) und/

oder eines Produkthaushalts eingegangen.

Baden-Württemberg

Das Land Baden-Württemberg hat im Rahmen der

„Neuen Steuerungsinstrumente (NSI)“ eine erwei-terte Form der Kameralistik eingeführt. Weitere Ele-mente sind die Implementierung von Zielvereinba-rungen, die Durchführung von Benchmarkings und die Einführung eines Produkthaushalts. Zusätzlich wurden verschiedene Führungsinformationssysteme implementiert und die KLR eingeführt.

Zudem steht für die doppisch buchenden Landesein-richtungen, Hochschulen und Universitäten ein Lan-des- bzw. Hochschulmaster zur Verfügung, der ver-schiedene Module von SAP FI/CO bis MM integriert.1

Die Doppik in den verschiedenen Verwaltungsebenen – Praxisberichte aus dem Arbeitskreis

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resabschluss wurde zum 31.12.2006 und der erste Konzernabschluss zum 31.12.2007 vorgelegt.7 Ende 2013 verabschiedete die Bürgerschaft des Landes die deutschlandweit erste Doppische Landeshaus-haltsordnung.8

Weitere Elemente des „Projekts Doppik“ waren die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung, ein zentrales Controlling und die interne Leistungsver-rechnung.9

Hessen

Das Land Hessen hat im Rahmen der Reform „Neue Verwaltungssteuerung (NVS)“ die doppelte Buchführung auf Landesebene eingeführt. Stichtag der Eröffnungsbi-lanz war der 01.01.2009 und der erste doppische Jah-resabschluss wurde zum 31.12.2009 vorgelegt.10 Die „Neue Verwaltungssteuerung“ besteht zudem aus der Einführung eines Produkthaushalts inklu-sive eines Kennzahlensystems.11 Darüber hinaus wurden die Kosten- und Leistungsrechnung, ein de-zentrales Controlling und die innerbehördliche Leis-tungsverrechnung eingeführt.12

Mecklenburg-Vorpommern

Mecklenburg-Vorpommern hat im Jahr 2004 mit der Einführung einer erweiterten Kameralistik im Rahmen des Projekts „Landes-Kosten-Leistungs-rechnung Mecklenburg-Vorpommern (Landes-KLR M-V)“ inkl. Einführung von SAP ERP begonnen. Teil dieses Projekts sind ebenfalls die Kosten- und Leis-tungsrechnung und ein zentrales Controlling.13

Niedersachsen

Das Land Niedersachsen hat von 2004 bis 2005 mit der Reform „Leistungsorientierte Haushalts-wirtschaft Niedersachsen (LoHN)“ die bestehende Kameralistik erweitert.

Die Reform beinhaltete zudem die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung, eines zentralen

Controllings, eines Berichtswesens sowie eines Pro-dukthaushalts und der Festsetzung von Zielverein-barungen.14

Nordrhein-Westfalen

Nordrhein-Westfalen arbeitet seit dem Jahr 2003 an der Einführung der doppelten Buchführung.

Die Reform trägt den Namen „Einführung von Produkthaushalten zur outputorientierten Steue-rung. Neues Rechnungswesen (EPOS.NRW)“ und beinhaltet neben der Einführung der Doppik die Kosten- und Leistungsrechnung, ein zentrales Controlling und einen Produkthaushalt. Die tech-nische Umsetzung erfolgt in Form der Einführung von SAP ERP.15

EPOS.NRW befindet sich aktuell im Rollout. Die-ser soll bis Ende 2017 abgeschlossen sein. Im Anschluss sind eine „Nachevaluation“ sowie eine Umstellung des Landeshaushalts auf den entwi-ckelten Produkthaushalt geplant.16

Rheinland-Pfalz

Das Bundesland Rheinland-Pfalz hat die beste-hende Kameralistik um die Kosten- und Leis-tungsrechnung, die Einführung eines Produkt-haushalts und die Nutzung von Leistungsaufträ-gen erweitert. Zudem wurde für einzelne Bereiche wie bspw. die Immobilienverwaltung die Doppik eingeführt.17

Saarland

Das Saarland plant die Erweiterung der bestehen-den Kameralistik durch die Reform „Neue Steu-erung“. Die Elemente dieser Reform sind bisher nicht veröffentlicht.18

Sachsen

Das Land Sachsen sieht durch das „Neue Steue-rungsmodell (NSM)“ die Erweiterung der zum Ein-satz kommenden Kameralistik um die Elemente der

7 http://www.hamburg.de/fb/haushaltsmodernisierung/

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Abb. 1: Übersicht über die Umsetzungen und Vorhaben inkl. der enthaltenen Elemente je Bundesland

Produktbildung, der Kosten- und Leistungsrechnung, des zentralen Controllings und der Festsetzung von Zielvereinbarungen vor. Die stufenweise Einführung hat Ende 2008 begonnen.19

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt plante mit der Reform „Neue Steue-rungsinstrumente (NSI)“ die Erweiterung der beste-henden Kameralistik um die Kosten- und Leistungs-rechnung. Aktuell finden sich keinerlei Verweise des Landes mehr auf dieses Projekt oder ähnliche Vor-haben.

Schleswig-Holstein

Das Land Schleswig-Holstein plant die Einführung einer erweiterten Kameralistik. Diese Erweiterung findet im Rahmen des Projekts „Neue Steuerung“

statt und besteht aus der Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung, eines zentralen Controllings und einem Berichtswesen.20

Thüringen

Das Bundesland Thüringen plant die Erweiterung der bestehenden Kameralistik um das Element der Kos-ten- und Leistungsrechnung.21

Übersicht

Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die zu-vor zu-vorgestellten Umsetzungen und Vorhaben inkl.

der enthaltenen Elemente.

Erfahrungen mit der doppelten Buchführung auf Landesebene

Die Einführung der Doppik auf Landesebene ist auf Grund der Vielzahl der damit im Zusammenhang ste-henden notwendigen Änderungen in den Verwaltungs-abläufen als auch der Beschaffung und Implementie-rung der notwendigen technischen Unterstützung in Form eines in der Regel neuen Buchhaltungssystems

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Abb. 2: Finanzentwicklung des Landes Hessen

Abb. 3: Finanzentwicklung des Landes Hamburg

Abb. 4: Finanzentwicklung des Landes Bremen

ein aufwändiges und eine lange Zeit in Anspruch neh-mendes Vorhaben. Meist werden im Rahmen dieser Reformen noch weitere neue Steuerungselemente ein-geführt, die den Umfang und damit die Komplexität solcher Projekte weiter erhöhen. Hinzu kommen kön-nen dann noch Erweiterungen, die weder etwas mit der

Doppik noch mit weiteren Steuerungselementen zu tun haben, so zum Beispiel technische Unterstützungen zur Fakturierung, automatisierte Einkaufsfunktionen (zum Beispiel über elektronische Kataloge) oder auch Sonderfunktionen zur Immobilienbewirtschaftung. Bei der Ermittlung der Kosten der Umstellung auf die

Dop-pik besteht damit die Schwierigkeit, die Kosten zu ermitteln, die tatsäch-lich auf die Doppikeinführung entfal-len und diese von den Kosten für die anderen Elemente zu trennen. Meist ist das aufgrund der engen Zusam-menhänge der notwendigen Projektar-beiten kaum möglich.

Die ersten Erfahrungen mit der Doppik in den Ländern, die sie seither verwen-den, ist eher ernüchternd. Das Interes-se der Politiker und Bürger an dieInteres-sen Zahlen ist eher gering, die Nettoneu-verschuldung bleibt weiterhin die inte-ressierende Kennzahl.

Vielfach versprach man sich durch die Einführung der Doppik eine Verbesse-rung der finanziellen Situation des je-weiligen Landes, was aber nicht einge-treten ist. Die folgenden Grafiken zei-gen, dass sich das Eigenkapital nach der jeweiligen Einführung der Doppik bedingt durch die Verluste des jewei-ligen Jahres bei allen Ländern weiter verringert hat. Zudem sind die Ver-pflichtungen der Länder in Form von Verbindlichkeiten und Rückstellungen immer weiter angestiegen.

Der Grund dafür liegt in der Tatsa-che begründet, dass die Doppik le-diglich in der Lage ist, die Vermö-gensverhältnisse zu einem Stichtag und einen periodengerechten Res-sourcenverbrauch den Erträgen ge-genüberzustellen und die Ergebnis-se zu präErgebnis-sentieren. Eine Änderung an den tatsächlichen Verhältnissen der Vermögens-, Finanz- und Er-tragslage des jeweiligen Landes er-gibt sich dadurch zunächst nicht.

Erst wenn es gelingt, doppische Zie-le (zum Beispiel Eigenkapitalver-änderung) zu formulieren und die Kennzahl Nettoneuverschuldung in den Hintergrund tritt, wird die Dop-pik neben der bisherigen Informati-onsfunktion auch einen Beitrag zur

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Konsolidierung der Haushalte leisten. Konterkariert wird diese Zielvorstellung von der Tatsache, dass die im Grundgesetz22 und in den Landesverfassungen23 verankerte Schuldenbremse stets kameral definiert wurde. Selbst bei den Doppikvorreitern Hessen und Hamburg findet man kamerale Schuldenbremsen. In der Praxis führt das dazu, dass sich doppische Kenn-zahlen nicht durchsetzen werden, sondern weiterhin kamerale Ziele verfolgt werden. Der deutliche Vorteil der Doppik gegenüber der Kameralistik, nicht nur die Schulden, sondern auch das gegenüberstehende Ver-mögen und auch Verpflichtungen zu betrachten, für die es in der Zukunft keine Gegenleistungen geben wird (zum Beispiel Pensionsrückstellungen), wird nicht genutzt. Eine doppische Schuldenbremse aus-gerichtet am jährlichen doppischen Ergebnis und da-mit an der Eigenkapitalveränderung, wäre der besse-re Weg gewesen, da er Belastungen künftiger Gene-rationen, die die Kameralistik nicht zeigt, aufdecken und verhindern würde.

Auffällig ist die Tatsache, dass zum Beispiel in Hes-sen, die Doppik in allen Kommunen und auch im Land eingeführt wurde, man auf Landesebene eine kamerale Schuldenbremse in der Landesverfassung

definierte (vgl. Art. 141 HV i.V.m. Art. 161 HV), den Kommunen aber einen doppischen Haushaltsaus-gleich vorschreibt (vgl. § 92 II Hessische Gemein-deordnung).

Es erscheint symptomatisch für den gesamten Re-formprozess, dass dieser nicht einem geraden und geordneten Pfad folgt, sondern stets von Rückschrit-ten und erneuRückschrit-ten Anläufen gekennzeichnet ist. Bun-desweit betrachtet wirken die Reformbemühungen halbherzig. Lediglich den Ländern Hessen, Hamburg und auch Bremen ist eine Vorreiterrolle zu attestie-ren.

Hoffnung auf einen geradlinigen Weg hin zur Doppik machen derzeit die Bestrebungen der Europäischen Kommission im Rahmen der Entwicklung der „Euro-pean Public Sector Accounting Standards (EPSAS)“, die auf der Doppik basieren.24 Hierdurch könnte eine flächendeckende Einführung erreicht werden. Dabei darf jedoch nicht verkannt werden, dass die EPSAS lediglich zur Berichterstattung dienen sollen, eine Steuerungsfunktion wird der Doppik damit nicht zu-kommen und die möglichen Wirkungen werden nicht erreicht werden.

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Seit Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhun-derts hat sich die hessische Landesverwaltung einem tiefgreifenden und umfassenden Modernisierungspro-zess unterzogen. Übergreifendes Ziel war und ist noch immer, Transparenz, Effektivität und Effizienz staat-lichen Handelns als Voraussetzung für „Good gover-nance“ zu steigern und zu verbessern. Reformen im Bereich der öffentlichen Haushaltswirtschaft ist hier-bei eine herausgehobene Rolle zugekommen: Breite-re und substanzielleBreite-re Informationen über die Haus-halts- und Finanzlage des Landes sollten zur Verfü-gung gestellt und einem gezielteren Einsatz der – auch zu damaligen Zeiten ohne verschärfte Schuldenbrem-se schon knappen – öffentlichen Mittel Vorschub ge-leistet werden. Um diesen Intentionen näherzukom-men, sind im Wesentlichen zwei Handlungsfelder identifiziert worden: das öffentliche Rechnungswesen einerseits und die titelbezogene kamerale Haushalts-darstellung andererseits. Die hier initiierten Reform-maßnahmen haben sich in einer flächendeckenden Einführung der kaufmännischen Buchführung sowie der Neugestaltung des Haushalts als Produkthaushalt niedergeschlagen; sie sind im Rahmen einer ganzheit-lichen Projektstrategie von der Hessischen Landesre-gierung geplant, beschlossen und umgesetzt worden.

Beide Reformstränge befinden sich mittlerweile schon einige Jahre im Regelbetrieb, so dass der folgende Be-richt sich nicht auf eine bloße Schilderung des Um-stellungsprozesses beschränken muss, sondern auch dabei gemachte Erfahrungen und gewonnene Erkennt-nisse einschließen kann.

Dem Arbeitsauftrag der Arbeitsgruppe „Strategi-sches Finanzmangement“ Rechnung tragend liegt der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen auf der Ein-führung der Doppik in Hessen nebst Bilanzerstellung, umfasst im Sinne des verfolgten ganzheitlichen Ansat-zes aber auch den zweiten Modernisierungsstrang in Form des Produkthaushalts.

sion des Hessischen Landtages („Künftige Aufga-ben des Hessischen Landtages an der Schwelle zum 21. Jahrhundert“) sowie diverse Grundsatzentschei-dungen der Hessischen Landesregierung in Form von Kabinettbeschlüssen. Von besonderer Bedeutung und prägend für den Gesamtprozess war dabei der Umstand, dass Hessen mit diesem Vorhaben im Kon-zert der Bundesländer absolutes Neuland betrat und Anlehnungsmöglichkeiten inhaltlicher und prozedu-raler Art zum damaligen Zeitpunkt praktisch nicht vorhanden waren. Folge dieser Vorreiterrolle war ein arbeitsintensiver, aufwändiger und in Teilschritte un-terteilter Umsetzungsprozess, der sich über einen Zeitraum von rund 15 Jahren erstreckt hat.

Umsetzung

Die Steuerung dieses Prozesses wurde dem Finanz-ministerium übertragen. Hier wurde eine Gesamtpro-jektleitung mit der Aufgabe eingerichtet, die politi-schen, ressortspezifischen als auch fachlichen Anfor-derungen zur Einführung des kaufmännischen Rech-nungswesens und des Produkthaushalts zu bündeln und miteinander zu verknüpfen.

Kaufmännisches Rechnungswesen und Bilanz Maßstab für die Einführung des neuen Rechnungs-wesens bildeten hierbei die Vorschriften des HGB als ein langjährig bewährtes und erprobtes Regel-werk, das durch die Grundsätze ordnungsgemä-ßer Buchführung (GoB) sowie eine umfangreiche Sammlung von Einzelfällen über Bewertungsfragen und Geschäftsvorfälle abgerundet wird. Zudem ge-währleistet das HGB eine vorsichtige und objekti-vierte Gewinnermittlung und leistet so möglichen Bemühungen um „geschönte“ Wertermittlungen keinen Vorschub. Vertiefte Überlegungen zur