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Teil 3: Lösung des Regelungsdefizits

B. Eigenständiger Straftatbestand gegen Spielmanipulationen

III. Verfassungsrechtliche Hürden

2. Doppelbestrafung

Verfassungsrechtlich könnte einem neuen Straftatbestand gegen bestechungsbedingte Manipulationen sportrechtlicher Wettbewerbe das in Art. 103 Abs. 3 GG festgesetzte Doppelbestrafungsverbot entgegenstehen. Die Vorschrift verbietet die doppelte Bestrafung derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze.

Wie im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit gezeigt, können Sportler und Schiedsrichter im Fall von bestechungsbedingten Manipulationen des Wettbewerbs nach sportinternen Normen bestraft werden.375 Ein neuer strafrechtlicher Tatbestand würde dieselben Handlungen auch nach staatlichen Normen bestrafen, so dass eine doppelte Bestrafung derselben Tat tatsächlich möglich wäre. Ob dies jedoch gegen Art. 103 Abs. 3 GG verstößt, hängt davon ab, ob die sportinternen Normen als „allgemeine Strafgesetze“ im Sinne des Art. 103 Abs. 3 GG angesehen werden können.

Soweit ersichtlich wird dies nur von Reinhart bejaht.376 Dieser begründet seine Ansicht im Wesentlichen mit der Entstehungsgeschichte des Art. 103 Abs. 3 GG. Der Gesetzgeber hätte ein Nebeneinander von Kriminalstrafen und Disziplinarstrafen nur hinsichtlich traditioneller Disziplinarstrafen, wie dem Disziplinarrecht der Beamten und Soldaten sowie dem Standesrecht der freien Berufe, unberührt lassen wollen. Von diesen „herkömmlichen“

Disziplinarstrafgerichtsbarkeiten unterscheide sich die Sportverbandsgerichtsbarkeit jedoch grundlegend.377 Weder hätten Sportler eine mit Beamten oder Soldaten vergleichbare Lebensführungspflicht, noch hätten diese wie Freiberufler einen Auftraggeber, der ihnen ein erhöhtes Vertrauen entgegenbringt.378Zudem rücke die Sportgerichtsbarkeit mittlerweile stark in die Nähe berufsgerichtlicher Strafgewalten und könne daher kaum noch als von Art. 103 Abs. 3 GG ausgenommene „Privatstrafe“ angesehen werden.379 Reinhart erachtet daher

375Siehe oben Teil 2 A.

376Reinhart, SpuRt 2001, 45 ff.

377Reinhart, SpuRt 2001, 47

378Reinhart, SpuRt 2001, 47

379Reinhart, SpuRt 2001, 48

jedenfalls im Bereich der „kleineren Delikte“380 das Doppelbestrafungsverbot des Art. 103 Abs. 3 GG für anwendbar.

Die Ansicht Reinharts ist zu Recht auf Widerstand gestoßen. Die Formulierung „allgemeine Strafgesetze“ in Art. 103 Abs. 3 GG erfasst wohl unstreitig nur echte Kriminalstrafen und keine Disziplinarstrafen.381 Unter die allgemeinen Strafgesetze im Sinne der Norm fallen lediglich das Kern- und Nebenstrafrecht, nicht aber das Berufs-, Dienst-, Ordnungs- oder Polizeistrafrecht.382 Entgegen der Ansicht Reinharts sind die Normen der Sportverbandsgerichtsbarkeit nicht dem Kern- und Nebenstrafrecht zuzurechnen und damit auch keine allgemeinen Strafgesetze.

Dies ergibt sich bereits aus der ratio der Sportgerichtsbarkeit. Sie überwacht die privaten Regeln des Sports, welche sich die Verbände in eigener Kompetenz frei auferlegt haben und welchen sich die Sportler freiwillig unterwerfen.383 Verstößt ein Sportler gegen eine Verbandsregel, so kann er von der Verbandsgerichtsbarkeit allein aufgrund dieser Regel-verletzung bestraft werden, unabhängig davon ob sein Verhalten in anderen sozialen Bereichen oder nach dem staatlichen Strafrecht pönalisiert ist.384 Die sportinterne Verbandsstrafe ist daher keine Kriminalstrafe sondern eine Disziplinarstrafe, die von Art. 103 Abs. 3 GG gerade nicht erfasst ist.385

Entsprechend sind die Verbandsregeln auch keine „allgemeinen“ Strafgesetze im Sinne des Art. 103 Abs. 3 GG, da sie nicht allgemein, sondern nur für Mitglieder des jeweiligen Verbandes gelten.386 Auch der Wortlaut des Art. 103 Abs. 3 GG spricht also gegen die Ansicht Reinharts.

Darüber hinaus stehen der Ansicht Reinharts noch weitere überzeugende Argumente entgegen. So ist bereits fraglich, wo die von Reinhart vertretenen Grenze zwischen „kleinen

380Dazu zählt Reinhart z.B. Körperverletzungen. Bei gravierenderen Verletzungen müsse die Staatsanwaltschaft hingegen auch nach Ansicht Reinharts ermitteln, vgl. SpuRt 2001, 45, Fn. 2

381BVerfG, NJW 1977, 293; BVerfG, NJW 1967, 1651, 1652 mit Verweis auf die Entstehungsgeschichte der Norm; KK-Pfeiffer/Hannich, Einleitung, Rn. 171; dies erkennt auch Reinhart an, SpuRt 2001, 46

382Jarass/Pieroth, Art. 103 GG, Rn. 74

383So auch BGH, NJW 1995, 583. Zu Unrecht bestreitet Reinhart die Freiwilligkeit der Unterwerfung durch die Sportler (SpuRt 2001, 48). Denn ein Profisportler, der sich zur Berufsausübung den Verbandsregeln unterwerfen muss, unterscheidet sich nicht von einem Beamten oder Soldaten, der mit der Berufswahl zwangsläufig dem jeweiligen Disziplinarrecht unterliegt.

384Vgl. hierzu Reschke, SpuRt 2001, 183

385So auch Hauptmann/Rübenstahl, HRRS 2007, 451 f.

386Reschke, SpuRt 2001, 184

Delikten“ mit Doppelbestrafungsverbot und „großen Delikten“ ohne Doppelbestrafungsverbot zu ziehen wäre. Mag dies bei Körperverletzungsdelikten durch die gesetzliche Unter-scheidung zwischen einfacher und gefährlicher/schwerer Körperverletzung noch denkbar sein, so ist eine Abgrenzung nach der Schwere des Delikts bei den hier untersuchten Vermögens-delikten unmöglich. Jedenfalls ist eine derartige Beschränkung der Anwendung des Art. 103 Abs. 3 GG aber gar nicht möglich. Das Doppelbestrafungsverbot ist ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis387und kann nur einheitlich für alle Delikte angewendet oder nicht angewendet werden.388

Eine unbeschränkte Anwendung des Art. 103 Abs. 3 GG ist jedoch unbedingt abzulehnen. Sie hätte zur Folge, dass der gesamte Bereich des organisierten Sports dem Strafrecht entzogen werden würde. Selbst bei schwersten Delikten würde eine verbandsrechtliche Sanktion die strafrechtliche Verfolgung verhindern, und das obwohl der Verbandsgerichtsbarkeit keine ausreichenden Sanktionsmöglichkeiten bei schweren Delikten zur Verfügung steht.389 Umgekehrt könnte (wenn sich die Verbandsgerichtsbarkeit im Einzelfall aufgrund der Schwere des Delikts mit der Bestrafung zunächst zurück hält) ein strafrechtlich verurteilter Täter nicht mehr verbandsintern gesperrt werden.390

Soweit Reinhart diesem Argument entgegenhält, dass Kapitalverbrechen auf dem Sportplatz irreal seien391, kann das eine Anwendung des Art. 103 Abs. 3 GG nicht begründen. Denn nur weil die Wahrscheinlichkeit von Kapitalverbrechen im Sport gering ist, rechtfertigt dies noch nicht, den gesamten organisierten Sport aus dem Anwendungsbereich des Strafrechts heraus-zunehmen. Eine Erstreckung des „ne bis in idem“ Grundsatzes auf die Sportverbandsgerichts-barkeit würde im Ergebnis keiner Seite helfen, sondern die Verhängung angemessener Strafen behindern.

Das von Reinhart mit seinem Ansatz verfolgte Ziel, die strafrechtliche Verfolgung „kleinerer Delikte“ einzuschränken, kann hinreichend über die §§ 153, 153 a StPO erreicht werden.392 Zwar ist Reinhart darin zuzustimmen, dass das verfassungsrechtliche

Doppelbestrafungs-387Maunz/Dürig-Schmid-Aßmann, Art. 103 GG, Rn. 301; KK-Pfeiffer/Hannich, Einleitung, Rn. 170

388So auch Fahl, SpuRt 2001, 181

389Fahl, SpuRt 2001, 181

390Reschke, SpuRt 2001, 183

391Reinhart, SpuRt 2001, 185

392Fahl, SpuRt 2001, 182

verbot Vorrang vor den prozessualen Opportunitätsmitteln hat.393 Eine Einbeziehung von Sportverbandsstrafen in das Doppelbestrafungsverbot würde daher die strafrechtliche Verfolgung von Delikten im Sport schon auf der Ebene des „Ob“ ausschließen. Wie bereits dargestellt, ist eine derartige uneingeschränkte Anwendung des Art. 103 Abs. 3 GG bei sportverbandsrechtlichen Strafen jedoch inakzeptabel, da sie die Anwendung des Strafrechts im organisierten Sport komplett sperren würde. Eine sachgerechte Verfolgung von Delikten, die derzeit dank der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Strafrechts und der Möglichkeit der Einstellung nach den §§ 153, 153 a StPO gegeben ist, wäre dadurch ausgeschlossen und sowohl die Verbandsgerichtsbarkeit als auch die staatliche Strafjustiz wäre in der Verfolgung und angemessenen Bestrafung von Delikten behindert.

Neben der bereits grundsätzlich richtigen Einordnung von sportverbandsrechtlichen Strafen als Disziplinarstrafen, die dem Doppelbestrafungsverbot nicht unterliegen, sprechen also auch die inhaltlichen Argumente eindeutig für ein Nebeneinander von Verbandsrecht und Strafrecht.394 Ob bzw. in wie weit bereits verhängte Verbandsstrafen bei der Strafzumessung im staatlichen Verfahren zu berücksichtigen sind, ist richtigerweise eine Frage der Angemessenheit395und wird dort noch zu erörtern sein.

Das Verbot der Doppelbestrafung nach Art. 103 Abs. 3 GG steht der Einführung eines neuen Straftatbestandes gegen Bestechlichkeit und Bestechung im Sport mithin nicht entgegen.