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Teil 3: Lösung des Regelungsdefizits

A. Straftatbestand Bestechlichkeit und Bestechung im privaten Sektor

II. Deutschland

4. Zusammenfassung

Es existieren mithin mehrere internationale Vereinbarungen, die nationale Maßnahmen gegen Bestechlichkeit und Bestechung im privaten Sektor vorsehen. Den Vereinbarungen ist dabei gemein, dass sie grundsätzlich einen sehr weiten Anwendungsbereich der Tatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung vorsehen. Personell ist jede Person erfasst, die in irgendeiner Form für ein Unternehmen tätig ist. Sachlich erfassen die Tatbestände jede Pflichtverletzung der bestochenen Person gegenüber ihrem Geschäftsherrn.

Aus den dargestellten Vereinbarungen sind die Mitgliedstaaten jedoch nicht zwangsläufig verpflichtet, Straftatbestände mit einem derart weitreichenden Anwendungsbereich einzuführen. Die UN-Konvention und das Europarat-Übereinkommen entfalten ihre Verbindlichkeit ohnehin erst ab dem Zeitpunkt ihrer Ratifizierung. Eine Pflicht zur Ratifizierung der Vereinbarungen besteht nicht.

Die UN-Konvention verlangt zudem von den unterzeichnenden Staaten lediglich, einen Straftatbestand gegen aktive und passive Bestechung im privaten Sektor in Erwägung zu ziehen. Erfolgt dies nicht, begründet dies mithin keine Verletzung der UN-Konvention.

Das Europarat-Übereinkommen beinhaltet seinerseits in Artikel 37 eine Vorbehalts-möglichkeit für die Mitgliedstaaten, nach der sich diese von der Umsetzung einiger Vorgaben befreien können. Erklärt ein Mitgliedstaat also mit der Ratifizierung einen Vorbehalt bezüglich der Art. 7 und 8 des Europarat-Übereinkommens, so ist er nicht verpflichtet, entsprechende Straftatbestände einzuführen.

Der EU-Rahmenbeschluss ermöglicht es den Mitgliedstaaten schließlich, den Geltungsbereich auf Handlungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Waren oder gewerblichen Leistungen zu beschränken. Aufgrund der Verbindlichkeit des EU-Rahmenbeschlusses kann sich ein Mitgliedstaat der Vorgabe in Art. 2 Abs. 1 also nicht komplett entziehen, der einzuführende Straftatbestand kann jedoch in seinem Geltungsbereich beschränkt werden.

1. Einführung von § 299 StGB

Im Jahre 1998 reformierte der Gesetzgeber in Deutschland die Straftatbestände zur Korruption. Im Rahmen dessen wurde unter anderem die bis dahin in § 12 UWG aF verankerte Norm gegen Bestechung und Bestechlichkeit im wirtschaftlichen Bereich als

§ 299 StGB ins Strafgesetzbuch übernommen. Die Reichweite dieser Norm bzw. die Notwendigkeit einer Ausweitung des Schutzbereiches wurde im Gesetzgebungsverfahren eingehend erörtert. Dem Gesetzgeber war daher bewusst, dass der Tatbestand mit der gewählten Formulierung einige gesellschaftlich hoch brisante Korruptionsfälle, darunter zum Beispiel die Bestechung von Schiedsrichtern im Sport, nicht erfassen wird.257

Im Vergleich zu den internationalen Vereinbarungen werden Bestechlichkeit und Bestechungen im privaten Sektor in Deutschland durch § 299 StGB nur eingeschränkt strafrechtlich erfasst. § 299 StGB steht gegenüber den internationalen Vorgaben insbesondere an drei Punkten zurück:

Der Kreis der erfassten Personen ist beschränkt auf Angestellte und Beauftragte eines geschäftlichen Betriebs und schließt damit insbesondere Inhaber des Unternehmens aus.

Es ist eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb durch die bestochene Person erforderlich. Eine bloße Pflichtverletzung gegenüber dem Geschäftsherrn reicht hingegen nicht aus.

Die Bevorzugung durch die bestochene Person muss sich auf den Bezug von Waren oder Dienstleistungen beziehen.

Eine Anpassung an die internationalen Vorgaben nach der Einführung von § 299 StGB erfolgte zunächst nur durch die Ergänzung von Absatz 3 zur Umsetzung der Gemeinsamen Maßnahme vom 22. Dezember 1998 betreffend die Bestechung im privaten Sektor258 im Ausführungsgesetz vom 22. August 2002.259

257König, JR 1997, 397; Dölling, ZStW 2000, 336

258ABl. L 358 vom 31.12.1998, S. 2

259BGBl. I 2002, S. 3387

2. Umsetzung der internationalen Vereinbarungen

Eine Umsetzung der übrigen internationalen Rechtsakte, die Deutschland alle unterzeichnet hatte, ist hingegen aus verschiedenen Gründen nicht erfolgt.

Das Europarat-Übereinkommen und die UN-Konvention hat Deutschland bis heute zwar unterzeichnet aber nicht ratifiziert. Ihre Vorgaben sind daher noch nicht verbindlich. Eine Anpassung an die Vorgaben in den Art. 7 und 8 des Europarat-Übereinkommens bzw. an Art.

21 der UN-Konvention war mithin bisher noch nicht erforderlich.

Hinsichtlich des EU-Rahmenbeschlusses hat Deutschland bei dessen Annahme die Beschränkung des Geltungsbereichs der Bestechlichkeit und Bestechung im privaten Sektor nach Art. 2 Abs. 3 erklärt.260 Zugleich hat Deutschland in diesem Zusammenhang eine Protokollerklärung abgegeben, dass das Merkmal „im Rahmen von Geschäftsvorgängen“

nach deutscher Interpretation dahingehend auszulegen sei, dass nur Handlungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Waren oder Dienstleistungen erfasst sind.261 Jedenfalls aufgrund der Erklärung nach Art. 2 Abs. 3 widerspricht zumindest die Beschränkung des Geltungsbereichs der Norm auf die Bevorzugung beim Bezug von Waren und Dienstleistungen nicht dem EU-Rahmenbeschluss.

Die Vorgaben der internationalen Rechtsakte waren mithin lange Zeit für Deutschland nur in sehr eingeschränkter Form verbindlich. Aus diesem Grund wurde die gesetzliche Regelung in

§ 299 StGB für ausreichend erachtet, um die verbleibenden Vorgaben zu erfüllen.

3. Gesetzentwurf 2007

Trotz der dargestellten Überzeugung, dass die deutsche Gesetzeslage die internationalen Vorgaben erfüllt, arbeitete die Bundesregierung im Jahre 2007 schließlich doch einen Gesetzentwurf zur Anpassung von § 299 StGB an die internationalen Vorgaben aus.262Dieser sah vor, zur Erfüllung der Vorgaben des Europarat-Übereinkommens und des EU-Rahmenbeschlusses den Tatbestand des § 299 StGB auf eine Pflichtverletzung gegenüber dem Geschäftsherrn zu erweitern.263 Dies wurde als einziger Punkt erachtet, an dem

260Ratsdokument 11700/03 ADD 1 vom 3.11.2003, S. 8

261Ratsdokument 11700/03 ADD 1 vom 3.11.2003, S. 7

262BT-Drs. 16/6558

263BT-Drs. 16/6558, Teil A, Abs. III.3, S. 9

§ 299 StGB von den internationalen Vorgaben abweicht und daher eine Anpassung erforderlich sei.

Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs über Bevorzugungen im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen hinaus war in diesem Gesetzesentwurf hingegen explizit nicht vorgesehen. Aufgrund der deutschen Auslegung des Merkmals „im Rahmen von Geschäftsvorgängen“ wurde eine Anpassung diesbezüglich für nicht erforderlich erachtet.264 Daher war diese Beschränkung auch explizit für die neue Alternative der Pflichtverletzung gegenüber dem Geschäftsherrn vorgesehen.265

Der Gesetzentwurf verlief letztendlich im Sande, da sich das Verfahren durch den Ablauf der Wahlperiode erledigte. Er verdeutlichte jedoch die Position, die der deutsche Gesetzgeber hinsichtlich der Umsetzung der internationalen Vereinbarungen vertrat.

4. Aktueller Stand

Seit dem Gesetzentwurf 2007 hat sich politisch in Deutschland zum Thema Bestechlichkeit und Bestechung im privaten Sektor nicht viel bewegt. Dies ist bemerkenswert, da sich die Rahmenbedingungen seither wesentlich verändert haben.

a. Verbindlichkeit des Europarat-Übereinkommens und der UN-Konvention

Unverändert ist die Lage hinsichtlich der Vorgaben des Europarat-Übereinkommens und der UN-Konvention geblieben. Eine Ratifizierung beider Rechtsakte ist bis heute nicht erfolgt.

Sollte Deutschland das Europarat-Übereinkommen in Zukunft ratifizieren, besteht weiter die Möglichkeit, einen Vorbehalt nach Artikel 37 Abs. 1 bezüglich der Umsetzung der Artikel 7 und 8 zu erklären. Die UN-Konvention fordert auch im Fall der Ratifizierung ohnehin nicht zwingend die Einführung einer Strafrechtsnorm.

Unbeschadet der Vorbehaltsmöglichkeit im Europarat-Übereinkommen ist die Staatenvereinigung gegen Korruption (Groupe d’Etats contre la corruption – „GRECO“) in ihrem dritten Evaluationsbericht zu Deutschland vom 4. Dezember 2009 zu dem Ergebnis gekommen, dass § 299 StGB als deutsche Gesetzesmaßnahme gegen Bestechlichkeit und Bestechung im privaten Sektor die Vorgaben der Art. 7 und 8 des

Europarat-264BT-Drs. 16/6558, Teil B, Zu Nummer 10, Abs. 4, S. 14

265BT-Drucksache 16/6558, Teil B, Zu Nummer 10, Abs. 2, S. 14

Übereinkommens nicht erfüllt. Das Evaluationsteam kritisiert dabei unter anderem, dass der Anwendungsbereich des § 299 StGB auf Handlungen im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen beschränkt ist, während die Art. 7 und 8 des Europarat-Übereinkommens alle Handlungen im Rahmen einer Geschäftstätigkeit erfasst. Das Evaluationsteam sieht es also zur Erfüllung der internationalen Vorgaben für erforderlich an,

§ 299 StGB zu erweitern und den weiten Anwendungsbereich der Art. 7 und 8 des Europarat-Übereinkommens zu übernehmen.266 GRECO erteilt damit indirekt auch der deutschen Interpretation des Merkmals „im Rahmen von Geschäftsvorgängen“ eine Absage. Eine Beschränkung der Tatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung auf Handlungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Waren oder Dienstleistungen kann diesem Merkmal nach Ansicht von GRECO nicht entnommen werden.

Dass eine Umsetzung der Empfehlungen zu § 299 StGB nicht erfolgt ist, hat GRECO nochmals im Umsetzungsbericht vom 9. Dezember 2011 festgestellt. Zwar berücksichtigt der Umsetzungsbericht die Vorbehaltsmöglichkeit nach Art. 37. GRECO verweist jedoch darauf, dass die Vorbehalte nicht als Dauerlösung konzipiert sind und appelliert daran, die Vorbehalte soweit wie möglich einzuschränken.267

b. Verbindlichkeit des EU-Rahmenbeschlusses

Wesentlich verändert haben sich mittlerweile hingegen die Rahmenbedingungen hinsichtlich des EU-Rahmenbeschlusses. Grund dafür ist, dass die ursprüngliche Erklärung des Vorbehalts durch Deutschland nach Art. 2 Abs. 3, aufgrund dessen eine Beschränkung der Straftaten auf Handlungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Waren oder gewerblichen Leistungen zulässig war, seit dem 22. Juli 2010 aufgrund des Ablaufs der Frist nach Art. 2 Abs. 4 außer Kraft ist. Eine nach Art. 2 Abs. 5 mögliche Verlängerung wurde bislang nicht beschlossen. Entsprechend hat auch die EU-Kommission in ihrem Bericht vom 6. Juni 2011 über die Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses (in der Folge: Kommissionsbericht) festgestellt, dass die von Deutschland abgegebene Erklärung nicht mehr gültig ist.268

Die Beschränkung des § 299 StGB auf eine Bevorzugung beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen stellt daher mittlerweile eine Verletzung des EU-Rahmenbeschlusses dar.

266GRECO Evaluierungsbericht, Abs. 112, S. 34

267GRECO Umsetzungsbericht, Abs. 24

268KOM(2011) 309, Abs. 2.1.2.5, S. 5

Auch dies stellt der Kommissionsbericht fest.269Daraus lässt sich zudem erneut ableiten, dass die europäischen Institutionen eindeutig davon ausgehen, dass das Merkmal „im Rahmen von Geschäftsvorgängen“ keine Beschränkung auf Handlungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Waren oder Dienstleistungen beinhaltet.

Jedenfalls aufgrund des EU-Rahmenbeschlusses wird Deutschland also in den nächsten Jahren die strafrechtliche Erfassung von Bestechlichkeit und Bestechung im privaten Sektor überarbeiten und an die Vorgaben in Abs. 2 des EU-Rahmenbeschlusses anpassen müssen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kommission ab dem 1. Dezember 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV gegen Mitgliedstaaten, die den Rahmenbeschluss nicht umsetzen, einleiten kann.270