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Die Versicherungspflicht im Lichte der EVG-Praxis

(Fortsetzung)

2.

Erwerbstätigkeit in der Schweiz

Neben dem zivilrechtlichen Wohnsitz nennt das Gesetz als besonderen Anknüpfungspunkt für die Versicherungspflicht die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz. Nach Artikel 1, Absatz 1, Buchstabe b, AHVG sind auch natürliche Personen obligatorisch versichert, die ohne Wohnsitz in der Schweiz daselbst eine Erwerbstätigkeit ausüben. Die Erwerbstätigkeit gilt somit nur für jene Personen als Unterstellungs-kriterium, die nicht gemäß Artikel 1, Absatz 1, Buchstabe a, AHVG be-reits kraft Wohnsitzes obligatorisch versichert sind. Vorbehalten bleiben allfällige von diesem Grundsatz abweichende Vorschriften der von der Schweiz ratifizierten Sozialversicherungsabkommen. Danach sind gege-benenfalls vom einzelnen Staatsvertrag erfaßte Personen der obligato-rischen AHV auch dann nicht zu unterstellen, wenn sie in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben. Dies gilt namentlich für die von einem im Ausland domizilierten Arbeitgeber in die Schweiz entsandten Arbeit-nehmer, für in der Schweiz beschäftigte Bedienstete ausländischer Trans-portunternehmungen, öffentlicher Verwaltungsbetriebe sowie von diplo-matischen und konsularischen Vertretungen in der Schweiz.

a) Der Begriff der Erwerbstätigkeit

Das Gesetz umschreibt den Begriff der Erwerbstätigkeit nicht. Er ist daher anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu ermitteln. Dabei sei vorweg festgestellt, daß es für die begriffliche Um-schreibung der Erwerbstätigkeit nicht darauf ankommen kann, ob sich der zivilrechtliche Wohnsitz einer in der Schweiz erwerbstätigen Person im In- oder Ausland befindet. Dies will besagen, daß die Grundsätze, die das Gericht im Falle der in der Schweiz wohnhaften und erwerbstätigen Personen bezüglich der Erwerbstätigkeit ausgebildet hat, ebenfalls auf Personen mit Wohnsitz im Ausland und Erwerbstätigkeit in der Schweiz anwendbar sind. Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht wieder-holt ausgeführt hat, ist als Erwerbstätigkeit im Sinne der AHV grund-sätzlich jede Tätigkeit zu betrachten, aus der Einkünfte resultieren

(Urteile i. Sa. E. F., vom 17. Januar 1953, ZAK 1953, S. 113; i. Sa. D. H., vom 2. Februar 1953, ZAK 1953, S. 219). Wesentlich ist nach der Recht-

vgl. ZAK 1959, S. 231 ff.

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sprechung der Kausalzusammenhang zwischen einer Tätigkeit und dem Zufließen geldwerter Leistungen. Nach der Auffassung des Gerichtes braucht mit dem Begriff der Erwerbstätigkeit keineswegs die Ausübung eines Gewerbes oder Berufes gemeint zu sein, sondern es genügt eine erwerbliche Tätigkeit im weitesten Sinne des Wortes (vgl. Urteil vom 2. Februar 1951, i. Sa. L. Z., ZAK 1951, S. 167). Nicht von Bedeutung für die Annahme einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz ist gemäß der Rechtsprechung auch die Art und das Ausmaß der Tätigkeit, die Intensi-tät der zur Einkommenserzielung aufgewendeten persönlichen Arbeit (EVG i. Sa. L. H., vom 22. Dezember 1949, ZAK 1950, S. 79; i. Sa. S. G., vom 18. Februar 1952, ZAK 1952, S. 270). Ausgehend von diesen Grund-sätzen hat das Gericht im weitern folgerichtig festgestellt (vgl. Urteil vom 2. Februar 1953 i. Sa. D. H., ZAK 1953, S. 219), daß es nicht darauf ankommen könne, ob die Tätigkeit überhaupt nicht oder nicht vorwie-gend mit Erwerbsabsicht ausgeübt werde, beispielsweise weil ideelle oder gemeinnützige Zwecke im Vordergrund stehen. Unerheblich ist auch, ob die Tätigkeit freiwillig oder in Ausübung einer vertraglichen Ver-pflichtung ausgeübt wird. Gleichgültig für die obligatorische Unterstel-lung einer Person auf Grund von Artikel 1, Absatz 1, Buchstabe b, AHVG dürfte im weitern sein, ob es sich bei der in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit um eine Haupt- oder Nebenerwerbstätigkeit handelt.

b) Erwerbstätigkeit und Einkommensrealisierung

Es kann in diesem Zusammenhang die Frage gestellt werden, ob schon die Ausübung einer Erwerbstätigkeit an sich unbekümmert um die Realisierung eines Einkommens - für die Anwendung der Vorschrift von Artikel 1, Absatz 1, Buchstabe b, AHVG genügt. Es sind die wohl seltenen Fälle zu erwähnen, wo eine im Ausland domizilierte Person in der Schweiz zwar eine Erwerbstätigkeit ausübt, daraus jedoch keinerlei Einkommen erzielt. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung allein wäre der Einbezug einer Person in die obligatorische Versicherung nicht zum vorneherein als unmöglich zu betrachten (Art. 1, Abs. 11, lit. b, AHVG). Bis heute mußte das Eidgenössische Versicherungsgericht zu dieser Frage nicht Stellung nehmen. Das Problem dürfte - wie bereits erwähnt in der Praxis nicht von Bedeutung sein.

Dagegen kann es im Falle der obligatorischen Unterstellung einer Person auf Grund einer in der Schweiz ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht darauf ankommen, wann und wo das aus der Tätigkeit erzielte Ein-kommen realisiert wird. Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in einem neuern Entscheid bezüglich eines Unselbständigerwerbenden 294

erklärt hat, wird auf die Erhebung von Beiträgen vom Salär eines Arbeit-nehmers, dessen Tätigkeit oder Wohnsitz vor der Zahlung - d. h. also vor der Realisierung des Einkommens aufgegeben wurde, nicht ver- zichtet. Ebenso lasse sich dem AHVG keine Bestimmung entnehmen, die es verbieten würde, Einkommen aus selbständiger Tätigkeit nach Auf-gabe des Wohnsitzes und der Erwerbstätigkeit in der Schweiz zu erfassen, wenn es aus einer Tätigkeit in der Schweiz herrührt und der Selbständig-erwerbende im Zeitpunkt seiner Tätigkeit in der Schweiz wohnte.

c) Unselbständige und selbständige Erwerbstätigkeit in der Schweiz Für die Unterstellung einer Person unter die obligatorische Versicherung gemäß Artikel 1, Absatz 1, Buchstabe b, AHVG ist es unerheblich, ob sie in der Schweiz eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätig-keit ausübt. Während aber bei Unselbständigerwerbenden mit Wohnsitz im Ausland die Tätigkeit in der Schweiz regelmäßig auch einen tatsäch-lichen Aufenthalt in der Schweiz voraussetzt, ist dieses Moment bei den Selbständigerwerbenden nicht unbedingt erforderlich. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat wiederholt entschieden, daß im Ausland wohn-hafte Teilhaber von Einzelfirmen und Kollektivgesellscwohn-haften mit Sitz in der Schweiz auch dann obligatorisch versichert sind, wenn sie sich nicht persönlich in der Schweiz aufhalten und an der Geschäftsführung nicht teilnehmen (Urteile i. Sa. L. II., vorn 22. Dezember 1949, ZAK 1950, S. 79;

i. Sa. M. Y., vorn 16. Februar 1950, ZAK 1950, S. 161; i. Sa. S. G., vom 18. Februar 1952, ZAK 1952, S. 270). Es genüge in solchen Fällen die bloße Befugnis zur Einflußnahme auf den Geschäftsbetrieb in der Schweiz, um die obligatorische Versicherungspflicht des im Ausland wohnhaften Teilhabers zu begründen; auch wenn sich dieser darauf be-schränke, die Vorkehren der Geschäftsführung stillschweigend zu ge-nehmigen, oder wenn er dank der modernen Uebermittlungstechnik auf Distanz disponiere, so sei dieses Verhalten als Ausübung einer Erwerbs-tätigkeit in der Schweiz im Sinne von Artikel 1, Absatz 1, Buchstabe b, AHVG zu betrachten. Zu beachten ist, daß die Umschreibung der nach Steuerrecht pfliehtigen Personen mit Wohnsitz im Ausland für die Be-stimmung der gemäß AHV-Recht obligatorisch versicherten Personen nicht maßgebend sein kann.

3. Im Ausland erwerbstätige Schweizerbürger

Im Ausland niedergelassene und erwerbstätige Personen sind, allfällige staatsvertragliche Bestimmungen vorbehalten, nicht obligatorisch ver-sichert. Eine Ausnahme besteht gemäß Artikel 1, Absatz 1, Buchstabe c,

AHVG lediglich für diejenigen Schweizerbürger, die im Ausland für einen Arbeitgeber in der Schweiz tätig sind und von diesem entlöhnt werden.

Das Eidgenössische Versicherungsgericht hatte bis heute nur verein-zelt zu dieser Vorschrift Stellung zu nehmen. In einem nicht publizierten Entscheid vom 12. Oktober 1949 i. Sa. F. M. hat das Gericht ausgespro-chen, der direkten Entlöhnung durch den Arbeitgeber in der Schweiz sei die Zahlung des Lohnes durch einen Dritten im Ausland aus Mitteln, die der in der Schweiz domizilierte Arbeitgeber im Ausland besitzt, gleichzu-stellen. Damit hat es die Zugehörigkeit eines derart entlöhnten Schwei-zers im Ausland zur obligatorischen AHV bejaht. Ein weiterer Fall be-traf einen Schweizer, der als Geschäftsführer in der ausländischen Filiale einer in der Schweiz domizilierten Unternehmung tätig war. Das Gericht hat mit Rücksicht darauf, daß die Lohnzahlung regelmäßig durch die Gesellschaft in der Schweiz erfolgte, erkannt, beitragspflichtiger Arbeit-geber sei die Unternehmung in der Schweiz und nicht der von ihr ab-hängige Filialbetrieb im Ausland. Eine Befreiung des Unternehmens in der Schweiz von der AHV-Beitragspflicht als Arbeitgeber wäre nur dann möglich gewesen, wenn die Firma in der Schweiz die Lohnzahlungen auf Rechnung eines Dritten geleistet hätte, der Arbeitgeber und damit eigent-licher Lohnschuldner des Filialleiters gewesen wäre (Urteil i. Sa. R. E., vom 22. März 1954, ZAK 1954, S. 225). Daraus folgt, daß die Voraus-setzung für die Unterstellung eines Schweizerbürgers im Sinne von Artikel 1, Absatz 1, Buchstabe c, AHVG dann als erfüllt zu betrachten ist, wenn dieser im Ausland für einen in der Schweiz domizilierten Arbeit-geber tätig ist und die Lohnzahlung zu dessen Lasten erfolgt. Zur Frage, ob die erwähnte Vorschrift auch dann zur Anwendung gelangt, wenn der Schweizerbürger im Ausland nur zum Teil durch den Arbeitgeber in der Schweiz entlöhnt wird oder noch eine anderweitige Beschäftigung ausübt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht bis heute nicht Stellung genommen.

II. Das Beitragsobjekt

Das AHVG selbst grenzt in räumlicher Hinsicht das Beitragsobjekt nicht ab. Indessen hat das Eidgenössische Versicherungsgericht erkannt, grundsätzlich schulde eine erwerbstätige Person, die in der Schweiz ihren zivilrechtlichen Wohnsitz habe, AHV-Beiträge von ihrem gesamten Er-werbseinkommen, gleichgültig, ob sie dieses in der Schweiz oder im Aus- land in selbständiger oder unselbständiger Stellung erziele. Das Gericht hat Artikel 6, Absatz 1, AHVV, der auch das Auslandseinkom-

men als Beitragsobjekt behandelt, ausdrücklich als gesetzeskonform er-klärt (vgl. Urteile i. Sa. F. 5., vom 31. Dezember 1949, ZAK 1950, S. 118, und i. Sa. R. N., vom 22. März 1957, ZAK 1957, S. 314). Soweit es sich um im Ausland erzieltes Einkommen handelt, ist allerdings jeweilen zu prüfen, ob nicht eine vom AHVG abweichende staatsvertragliche Norm anzuwenden ist, da zur Vermeidung von Doppelversicherung in den zwischenstaatlichen Abkommen der Geltungsbereich der beidseitigen na-tionalen Gesetzgebungen abweichend von der innerstaatlichen Ordnung umschrieben sein kann. Für das AHV-Recht nicht entscheidend sei auch die steuerliche Behandlung des Auslandseinkommens, da das Steuer-recht lediglich für die sachliche, nicht aber auch für die räumliche Be-grenzung des Beitragsobjektes maßgebend sei. So könne es für die Frage der Beitragspflicht insbesondere nicht auf allfällige von der Schweiz abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen ankommen (Urteil i. Sa.

F. 5., vom 31. Dezember 1949, ZAK 1950, S. 118). Dabei dürfte es im Prinzip gleichfalls unerheblich sein, ob das Auslandseinkommen in die Schweiz transferierbar ist oder nicht. Diese Grundsätze gelten auch für nichterwerbstätige Personen mit zivilrechtlichem Wohnsitz in der Schweiz. Für die Bemessung der Beiträge solcher Personen ist folglich das gesamte Renteneinkommen und Vermögen in der Schweiz und im Ausland zu berücksichtigen.

Ist dagegen eine im Ausland wohnhafte Person gleichzeitig im Aus-land und in der Schweiz erwerbstätig, so können nach Auffassung des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes AHV-Beiträge nur von dem in der Schweiz erzielten Einkommen erhoben werden. Nach Sinn und Zweck von Artikel 1, Absatz 1, Buchstabe b, AHVG unterliege daher lediglich das in der Schweiz erzielte Erwerbseinkommen der AHV-Beitragspflicht, während das von einem festen Mittelpunkt im Ausland aus erworbene Einkommen ausgeschlossen sei (Urteil i. Sa. C. B., vom 13. Februar 1956,

EVGE 1956, S. 33). (Fortsetzung folgt)

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Gesetzliche Erlasse, zwischenstaatliche