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Die Verbindung YbGaGe

Im Dokument Festk¨orperphysik II (Seite 31-36)

2.5 Invar-Materialien

2.5.2 Die Verbindung YbGaGe

F¨ur das Invar-Verhalten der Verbindung YbGaGe wird ein anderer Mechanismus verantwort-lich gemacht. Messungen der magnetischen Suszeptibilit¨at zeigen (Abb. 2.23), dass das effek-tive magnetische Moment mit steigender Temperatur zunimmt. Dies wird so interpretiert, dass mit steigender Temperatur mehr und mehr Yb-Atome vom diamagnetischen Valenz-zustand Yb2+ in den paramagnetischen Valenzzustand Yb3+ ¨ubergehen (effektives Moment von freiem Yb3+-Ion: 4,54µB). Da das Volumen von Yb3+ wesentlich kleiner ist als jenes von Yb2+ bedingt dieser Effekt eine Volumenverkleinerung mit steigender Temperatur (negati-ve thermische Ausdehnung). Kombiniert mit der normalen (Phononen-bedingten) positi(negati-ven thermischen Ausdehnung ergibt sich insgesamt der experimentell beobachtete Invar-Effekt (Abb. 2.24). Die elementaren Anregungen dieses Valenz¨ubergangs sind Valenzfluktuationen.

Temperature (K)

Abbildung 2.23: Magnetische Suszeptibilit¨at (links) und ihr Inverses (rechts) als Funktion der Temperatur von YbGaGe [Salvador et al., Nature 425 (2003) 702].

Temperature (K)

Abbildung 2.24: Temperaturabh¨angigkeit des Einheitszellenvolumens von zwei leicht unstoi-chiometrischen YbGaGe Verbindungen YbGa1+δGe1−δ (oben) und YbGa1−δGe1+δ (unten) [Salvador et al., Nature425 (2003) 702].

Kapitel 3

Landau’sche Theorie der Fermifl¨ ussigkeit

Die Landau’sche Theorie der Fermifl¨ussigkeit wurde 1956 von Laudau entwickelt, um die Eigenschaften von 3He zu erkl¨aren. Ihre Bedeutung geht aber weit ¨uber diesen Spezial-fall hinaus: grunds¨atzlich kann sie zur Beschreibung aller fermionischen Systeme verwendet werden. Die Landau’sche Theorie der Fermifl¨ussigkeit gilt heute als eine der bedeutendsten Theorien der Festk¨orperphysik und ist derzeit das

”Standardmodell“ der Metalle. Sie erkl¨art, warum sich ein System aus stark wechselwirkenden Teilchen ann¨ahernd wie ein System freier Teilchen verhalten kann und gibt an, wie man die ¨Anderungen, die die Wechselwirkungen hervorrufen, quantifizieren kann.

3.1 Das Konzept der Quasiteilchen

Dass einfache Metalle sehr gut mit der Sommerfeld-Theorie freier Elektronen beschrieben werden k¨onnen (vgl. Abschnitt 2.1, spezifische W¨arme von Au und Paulisuszeptibilit¨at von Na) ist eigentlich ¨uberaus erstaunlich, denn die Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Elek-tronen ist trotz Abschirmung keineswegs vernachl¨assigbar klein. Sie ist in Metallen von der gleichen Gr¨oßenordnung wie die kinetische Energie der Elektronen. Warum kann eine Theo-rie, die die Coulomb-Wechselwirkung g¨anzlich außer Acht l¨asst, dann so gut funktionieren?

Die Antwort liegt in Landau’s Konzept der Quasiteilchen.

Tats¨achlich haben wir mit den Beziehungen freier Elektronen n¨amlich nicht die freien Elektronen selbst beschrieben, sondern den Elektronen ¨ahnliche (Landau’sche) Quasiteil-chen. Obwohl sich der Grundzustand des wechselwirkenden Systems erheblich von dem des nichtwechselwirkenden Systems unterscheiden kann, haben die elementaren Anregungen des wechselwirkenden Systems (die Quasiteilchen) praktisch die gleichen Eigenschaften wie die urspr¨unglichen Elektronen: sie haben die gleiche Ladung, den gleichen Spin und den gleichen maximalen Impuls pF. Nur ihre effektive Masse m und damit auch ihre Energie p2/(2m) kann sich erheblich von der freier Elektronen unterscheiden. Zudem ist die Gesamtenergie mehrerer Quasiteilchen ann¨ahernd gleich der Summe ihrer Einzelenergien. Man kann damit komplizierte angeregte Zust¨ande einfach als Summe von vielen Quasiteilchen beschreiben.

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Abbildung 3.1: Grundzustand des freien Fermigases im ~k-Raum mit einer Teilchen-Loch-Anregung [Schofield, Contemporary Physics40 (1999) 95].

Zur Einf¨uhrung der Quasiteilchen bedient man sich des Konzepts der ”adiabatischen Kontinuit¨at“. Wir gehen in einem Gedankenexperiment von einem Metall aus, in dem wir die Wechselwirkung zwischen den Quasiteilchen ¨uber einen Regler variieren k¨onnen: bei 0 verschwindet die Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Elektronen und wir haben ein frei-es Fermigas, bei 1 erreicht die Wechselwirkung ihre volle Gr¨oße. Wir gehen vom Zustand in Abb. 3.1 aus, also vom Grundzustand mit einem angeregten Zustand bei Reglerstellung 0. Nun regeln wir die Wechselwirkung ganz langsam hoch. Dabei fangen die Elektronen in-nerhalb der Fermifl¨ache an, miteinander und mit dem Elektron außerhalb der Fermifl¨ache zu wechselwirken. Wenn der Regler nur langsam genug bewegt wird, gehen wegen der adia-batischen Kontinuit¨at die Eigenzust¨ande des nichtwechselwirkenden Systems kontinuiert-lich in Eigenzust¨ande des wechselwirkenden Systems ¨uber. Die Quantenzahlen der freien Elektronen k¨onnen also von den Quasiteilchen ¨ubernommen werden, obwohl sich ihre Wel-lenfunktionen und Energien ver¨andern. Man spricht von einer Eins-zu-eins-Korrespondenz zwischen Quasiteilchen und freien Elektronen. Zur Konstruktion der Landau’schen Theorie der Fermifl¨ussigkeit ist es allerdings n¨otig, dass der Regler in einer Zeit von 0 auf 1 gedreht wird, die kleiner ist als die Streuzeit der Quasiteilchen. Da die Streuzeit (bei T = 0) nahe der Fermifl¨ache divergiert, kann hier der Regler immer so langsam wie f¨ur die adiabatische Kontinuit¨at n¨otig gedreht werden. Weiter von der Fermifl¨ache entfernt (oder bei h¨oheren Temperaturen) ist dies allerdings nicht mehr der Fall. Hier zerfallen die Quasiteilchen be-reits bevor die Wechselwirkung vollst¨andig eingeschaltet wurde. Bei endlicher Temperatur w¨achst die Streurate mitT2 an. Das Quasiteilchen-Konzept ist also nur bei tiefen Tempera-turen und f¨ur niederenergetische Anregungen g¨ultig.

Im Folgenden machen wir die Energie- und Temperaturabh¨angigkeit der Streurate plau-sibel. Das Quasiteilchen in Abb. 3.1 habe eine Energie ǫ1, die gr¨oßer als die Fermienergie ǫF

ist (vgl. Abb. 3.2 (A)). Es kann nur an einem Teilchen einer Energie ǫ2 < ǫF streuen, da ausschließlich elektronische Niveaus mit Energien kleinerǫF besetzt sind (vgl. Abb. 3.2 (B)).

Das Pauliprinzip fordert nun, dass diese beiden Teilchen nur in unbesetzte Niveaus gestreut werden k¨onnen, dass also ǫ3 > ǫF und ǫ4 > ǫF. Damit dies energetisch m¨oglich ist, muss

Abbildung 3.2: (A) Ausgangszustand, bestehend aus einem Quasiteilchen mit der Energie ǫ1 oberhalb der Fermienergie ǫF. (B) Endzustand nach einem Wechselwirkungsprozess, bei dem ein Teilchen von unterhalb nach oberhalb der Fermienergie gestreut wird und das ur-spr¨ungliche Quasiteilchen seine Energie ¨andert[Condensed Matter Physics, Michael P. Mar-der].

2−ǫF| ≤ ǫ1−ǫF gelten, muss also ǫ2 n¨aher am Ferminiveau liegen als ǫ1 (oder h¨ochstens gleichweit davon entfernt sein). Da die Energie erhalten sein muss (ǫ12 = ǫ34), gilt weiters, dass ǫ3 −ǫF < ǫ1 −ǫF und ǫ4−ǫF < ǫ1−ǫF. F¨ur den Streuprozess kommen also nur Zust¨ande innerhalb einer Schale mit einer Dicke der Gr¨oßenordnung ǫ1 −ǫF um die Fermifl¨ache in Frage. In der Sprache der Streutheorie kann man sagen, dass der Phasen-raum, der f¨ur den Streuprozess verf¨ugbar ist, mit dem Abstand von Quasiteilchen 1 zum Ferminiveau abnimmt. Am Ferminiveau selbst, also f¨ur ǫ1F, gibt es keinen Phasenraum f¨ur den Streuprozess und die Lebensdauer des Quasiteilchens ist (beiT = 0) unendlich. Die Streurate 1/τ ist proportional zum Quadrat von ǫ1−ǫF

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τ ∼(ǫ1−ǫF)2, (3.1)

da sowohl die Energieǫ2 als auch die Energieǫ3 innerhalb der erlaubten Schale gew¨ahlt wer-den muss. F¨urǫ4 ergibt sich die Energie auf Grund der Energieerhaltung dann automatisch.

Betrachtet man zus¨atzlich zur gef¨ullten Fermikugel nicht ein einzelnes Quasiteilchen, sondern eine thermische Gleichgewichtsverteilung von Quasiteilchen bei einer von null ver-schiedenen Temperatur, so sind nun teilweise gef¨ullte Niveaus innerhalb einer Schale der Dicke kBT um ǫF verf¨ugbar. Damit ergibt sich selbst f¨ur ǫ1F die endliche Streurate

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τ ∼(kBT)2. (3.2)

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