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2.2 Die physiologischen Grundlagen der Hörbahn

Ein adäquater Reiz für das Gehörorgan sind Schallwellen. Der Hauptschallträger ist die Luft. An der Schallquelle wird die Luft abwechselnd verdünnt (niedriger Druck) und verdichtet (erhöhter Druck). Diese Druckschwankungen breiten sich mit Schallgeschwindigkeit (c) aus, die in Luft bei 0°C 332 m/s beträgt. Trägt man die Schalldruckschwankungen graphisch auf, ergeben sich wellenförmige Kurven. Der Abstand zweier benachbarter Orte gleichen Schalldrucks wird mit Wellenlänge (λ) bezeichnet, die maximale Abweichung des Druckes von der Ruhelage als Amplitude.

Vergrößert sich die Wellenlänge, wird ein tieferer Ton gehört, verkleinert sich die Wellenlänge nimmt man einen höheren Ton wahr. Eine Veränderung der Amplitude hat zur Folge, dass ein Ton lauter bzw. leiser wahrgenommen wird. Die Tonhöhe wird meist durch Angabe der Tonfrequenz (f) charakterisiert, die angibt, wie oft an einer Stelle des Schallfeldes der gleiche Schalldruck wiederkehrt. Die Einheit der Frequenz ist Hertz (1 Hz = 1/s). Der Hörbereich des Menschen reicht von 20 Hz bis 16 000 Hz (Zenner 1997). Die obere Hörgrenze der Katze liegt bei 50 000 Hz (Nickel,

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Schummer, Seiferle 1992). Ein in der Praxis häufig verwendetes logarithmisches Maß für den Schalldruck ist der Schalldruckpegel mit der Einheit Dezibel [dB].

Schallwellen erreichen über den äußeren Gehörgang das Trommelfell. Von dort werden die Schalldruckschwankungen mittels der Gehörknöchelchen auf die Membran des ovalen Fensters (Innenohr) übertragen. Die Aufgabe der

Gehörknöchelchen besteht in der Anpassung des niedrigen Schallwellenwiderstands der Luft an die hohe Schallimpedanz des flüssigkeitsgefüllten Innenohrs. Ohne diese Impedanzanpassung würde ein großer Teil des Schalls am ovalen Fenster reflektiert werden, was einen Hörverlust von ca. 20 dB zur Folge hätte.

Im Innenohr befindet sich die Cochlea, die aus drei übereinanderliegenden Kanälen besteht, die spiralig um den Modiolus geformt sind. Zwei der drei Kanäle, die Scala vestibuli und die Scala tympani sind mit Perilymphe gefüllt und gehen am

Helikotrema ineinander über (Abb. 2.3). Die Scala vestibuli beginnt am ovalen Fenster und die Scala tympani endet am runden Fenster. Zwischen diesen beiden Schläuchen befindet sich die Scala media (Ductus cochlearis), ein mit Endolymphe gefüllter Schlauch, der durch die Reissner-Membran und die Basilarmembran gegen die Scala vestibuli und die Scala tympani abgegrenzt wird. Der Basilarmembran sitzt das Corti-Organ auf, welches die Haarzellen (Rezeptorzellen) enthält.

Abbildung 2.3: Darstellung von Mittelohr und Cochlea (aus Zenner 1997)

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Die Beschallung des Trommelfells ergibt eine Druckeinwirkung auf das ovale

Fenster, was wiederum zu einer Volumenverschiebung der Perilymphe in der Scala vestibuli und Scala tympani bis hin zum runden Fenster führt. Dadurch kommt es zu Verformungen des Endolymphschlauchs, die eine zur Spitze der Schnecke laufende Wellenbewegung der Basilarmembran zur Folge haben (Wanderwellentheorie). Der Ort der maximalen Auslenkung ist charakteristisch für die Wellenlänge des gehörten Klanges. Hohe Frequenzen erzeugen das Maximum der Wanderwelle nahe des ovalen Fensters, tiefe Frequenzen hingegen haben ihr Amplitudenmaximum an der Schneckenspitze. Somit ist jeder Schallfrequenz eine bestimmte Stelle des

Endolymphschlauchs zugeordnet (Tonotopie). Die Bewegung des

Endolymphschlauchs bewirkt eine Verschiebung der Basilarmembran gegenüber der Tektorialmembran wodurch eine Abbiegung der Sinneshärchen (Stereozilien) der Haarzellen verursacht wird (Abb. 2.4). Diese Abscherung der Stereozilien stellt den adäquaten Reiz für die Haarzelle dar. Dadurch wird ein Transduktionsprozess eingeleitet, der das mechanische Schallsignal in elektrische und chemische Signale umwandelt. An den inneren Haarzellen kommt es dabei zur Freisetzung eines Transmitters, der schließlich die Aktionspotentiale in den zugehörigen afferenten Fasern der Hörnerven auslöst (Zenner 1997). Etwa 95% der ungefähr 30 000 Nervenfasern ziehen afferent von den inneren Haarzellen zu den bipolaren, im Modiolus befindlichen Ganglienzellen und weiter zum Nucleus cochlearis beider Seiten (Lehnhardt 1996).

Abbildung 2.4: Querschnitt durch das Corti-Organ (aus Zenner 1997)

Für die Reizfortleitung im Hörnerv müssen einige Schallinformationen verschlüsselt werden. Die unterschiedlichen Schallfrequenzen werden entlang der Cochlea

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getrennt präsentiert und in getrennten Fasern der Hörbahn weitergeleitet um schließlich zentral identifiziert zu werden.

Eine höhere Lautstärke zeigt sich in häufigeren Aktionspotentialen und es kann zur Rekrutierung benachbarter Nervenfasern bei der Informationsweiterleitung kommen.

Die Zeitdauer eines Schallreizes wird durch die Zeitdauer der Aktivierung der Nervenfasern verschlüsselt.

Vom Hörnerv aus wird die neuronale Erregung dann über mindestens 5 -6 hintereinander geschaltete, durch Synapsen verbundene Neurone bis zum

auditorischen Cortex weitergeleitet. Bei den primären Neuronen der Hörbahn handelt es sich um bipolare Zellen, die das Ganglion spirale bilden und mit ihren peripheren Fortsätzen in Kontakt mit den inneren und äußeren Haarzellen stehen (Nieuwenhuys et al. 1991). Vom Cortischen Organ ziehen primäre akus tische Fasern im Hirnstamm zum Nucleus cochlearis ventralis bzw. Nucleus cochlearis dorsalis, wo die

Umschaltung zum zweiten Neuron erfolgt. Vom Nucleus cochlearis ventralis zieht ein Teil der Fasern zum oberen Olivenkomplex der gleichen Seite, ein Teil kreuzt aber auch auf die andere Seite. Die vom dorsalen Nucleus cochlearis kommenden Fasern ziehen in gleicher Weise zum Nucleus lemnisci lateralis. Im zweiten Neuron kreuzt ein wesentlicher Teil der Fasern auf die kontralaterale Seite. Dadurch ist jedes Innenohr mit der rechten und der linken Hörrinde verbunden. Ferner können in den Nervenzellen des Olivenkomplexes erstmals im Verlauf der Hörbahn binaurale akustische Signale miteinander verglichen werden, was bedeutend für das Richtungshören ist. Vom oberen Olivenkomplex ziehen die Fasern teils auf der gleichen Seite, teils auf der gegenüberliegenden Seite zum Colliculus inferior und danach zum Corpus geniculatum mediale um schließlich zur primären Hörrinde des Temporallappens zu gelangen. Das Prinzip der Tonotopie, das heißt bestimmte Schallfrequenzen werden an bestimmten Orten repräsentiert, bleibt in der gesamten Hörbahn bis hin zum auditorischen Cortex erhalten. Höhere Neurone sind

zunehmend auf hochkomplexe Schallmuster spezialisiert. Für das räumliche Hören zum Beispiel werden in hochspezialisierte zentralen Neuronen

Intensitätsunterschiede und Laufzeitunterschiede zwischen der Reizung des rechten und des linken Ohrs ausgewertet (Zenner 1997).

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