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5.2 Die Beschreibung der elektrisch evozierten Potentiale

5.2.1 Die tonotope Ableitung von elektrisch evozierten Potentialen am auditorischen Cortex

Zur Charakterisierung der tonotopen Reizverarbeitung innerhalb der Hörbahn wurden die Amplituden der elektrisch evozierten Potentiale in Abhängigkeit vom

Stimulationsort im Colliculus inferior (IC) untersucht. Im IC werden die Frequenzen entlang eines Gradienten präsentiert, der von dorsolateral (niedrige Frequenzen) nach ventromedial (hohe Frequenzen) verläuft (Ehret u. Schreiner 2005; Brown et al.

1997; Gonzalez-Hernandez et al. 1989). Der Elektrodenkontakt 1 der Mittelhirnelektrode war im dorsolateralen Bereich des IC und der

5. Diskussion

Elektrodenkontakt 20 im ventromedialen Bereich lokalisiert. Die elektrische Stimulation basaler Kontakte der Mittelhirnelektrode (EK1-5) im IC erzeugte die höchsten Amplituden im caudalen Teil des auditorischen Cortex. Im Gegensatz dazu konnten nach der Stimulation apikaler Kontakte der Mittelhirnelektrode (EK16-20) die größten Amplituden im rostralen Bereich des auditorischen Cortex abgeleitet werden, analog zu den in Kapitel 5.1.8 beschriebenen Ergebnissen nach akustischer

Stimulation. Bei Stimulation der basalen Kontakte der Mittelhirnelektrode kommt es also zur Aktivierung der niedrigen Frequenzen und bei Stimulation der apikalen Kontakte zur Aktivierung der hohen Frequenzen. Nach Untersuchungen von

Merzenich et al. (1975) und Woolsey u. Walzl (1942) sind die niedrigen Frequenzen im caudalen Bereich des auditorischen Cortex lokalisiert und die hohen Frequenzen werden im rostralen Gebiet repräsentiert.

5.2.2 Die elektrisch evozierten Potentiale in Abhängigkeit von der Reizstärke

Bei Potentialmessungen nach elektrischer Stimulation im Colliculus inferior (IC) mit der Mittelhirnelektrode konnten am auditorischen Cortex bis zu vier Potentiale abgeleitet werden, A, B, Pa und P0. Der IC wird in der Literatur häufig als

wahrscheinlicher Entstehungsort für P V der FAEP genannt (Hoth u. Lenarz 1994, Melcher et al. 1996, Achor u. Starr 1980, Jewett 1970). Da die elektrische Stimulation im IC erfolgte sind die Generatoren der vier cortical abgeleiteten Potentiale in der zentralen Hörbahn vermutlich zwischen dem IC und dem auditorischem Cortex lokalisiert. Vergleiche mit den Ergebnissen nach akustischer Stimulation ergaben nahezu identische Interpotentiallatenzen für diese vier abgeleiteten Potentiale. Die IPL A-B betrug nach akustischer Stimulation mit 4 kHz 1,41 ms und nach elektrischer Stimulation mit einer Reizstärke von 600 µA 1,45 ms. Die IPL P0-Pa lag nach

akustischer Stimulation bei 4,81 ms und nach elektrischer Stimulation bei 4,80 ms.

Bei den Messungen konnte eine Abhängigkeit der Potentiallatenzen von der Reizstärke festgestellt werden. Mit zunehmender Reizstärke kam es zu einer Verkürzung der Latenzen. Die Latenz t Pa betrug bei einer Reizstärke von 100 µA 11,30 ms und reduzierte sich um 0,20 ms auf 11,10 ms bei Stimulation mit 600 µA.

Van den Honert u. Stypulkowski (1986) und Popelar et al. (1995) beschrieben eine

5. Diskussion

vergleichbare Latenzverkürzung mit ansteigender Reizstärke in ähnlichen

Stromstärkebereiche n. Eine mögliche Erklärung für diese Latenzverkürzung könnte im neuronalen Verarbeitungsprozess an den Synapsen zu finden sein, bedingt durch die unterschiedliche Freisetzungsgeschwindigkeit des Neurotransmitters in den synaptischen Spalt. Durch elektrische Stimulation wird möglicherweise an den Synapsen die Übertragungsgeschwindigkeit bzw. die zeitliche Auflösung erhöht (Hoth u. Lenarz 1994). Im Vergleich mit den akustisch evozierten Potentialen ist die reizstärkenabhängige Latenzverkürzung nach elektrischer Stimulation häufig kleiner.

Die Latenz-Intensitätsveränderungen sind bei akustischer Stimulation vornehmlich auf periphere Verarbeitungsprozesse in der Cochlea zurückzuführen. Bei der elektrischen Stimulation im IC haben nur zentrale Verarbeitungsprozesse Einfluss auf die Reizleitung.

Die Interpotentiallatenzen sind unabhängig vom Reizpegel. Die IPL A-B betrug bei Stimulation mit 100 µA 1,40 ms und bei Stimulation mit 600 µA 1,45 ms. Die relativ konstanten Interpotentiallatenzen ergeben sich aus dem parallelen Verlauf der Potentiallatenzen und beruhen auf der annährend konstanten Geschwindigkeit neuronaler Verarbeitungsprozesse.

Die Amplituden der elektrisch evozierten Potentiale vergrößern sich mit

zunehmender Reizstärke. Die Amplitude P0 betrug bei einer Stimulusintensität von 100 µA 2,82 µV und bei 600 µA 5,98 µV. Vergleichbare Ergebnisse zeigten sich in den Untersuchungen von Van den Honert u. Stypulkowski (1986) und Popelar et al.

(1995). Eine Ursache für die intensitätsabhängige Amplitudenzunahme kann die zusätzliche Rekrutierung benachbarter Nervenfasern bei zunehmender Reizstärke sein, die zu einem größeren Summenaktionspotential führt (Hick1997). Die elektrisch evozierten Potentiale erreichen oftmals höhere Amplituden als die akustisch

evozierten Potentiale bei hohen Reizstärken. Van den Honert u. Stypulkowski (1986) führen als mögliche Begründung an, dass durch akustische Click-Stimuli nur die Fasern der basalen charakteristischen Frequenzen synchronisiert werden und bei elektrischer Stimulation Fasern aller Frequenzen antworten.

5. Diskussion

5.2.3 Die elektrisch evozierten Potentiale in Abhängigkeit von der Pulsbreite des Stimulus

Die elektrisch evozierten Potentiale zeigten mit zunehmender Pulsbreite im Bereich von 60-200 µs bei konstanter Stromstärke, eine Verkürzung der Latenz. Die Latenz t Pa betrug bei einer Pulsbreite von 60 µs 9,90 ms und reduzierte sich um 0,30 ms auf 9,60 ms bei einer Pulsbreite von 200 µs. Ein Reiz setzt sich zusammen aus der Intensität und der Reizdauer. Diese Komponenten entsprechen bei einem Stimulus der Amplitude [µA] und der Pulsbreite [µs]. Das Produkt von Intensität und Pulsbreite ergibt die Ladung, die ins Gewebe eingebracht wird. Je stärker der Reiz ist, desto schneller wird ein Aktionspotential am Nerven ausgelöst (Silbernagl 1991). Daher könnte eine Ursache der Latenzverkürzung mit zunehmender Pulsbreite in

Anlehnung an Kapitel 5.2.2 die durch elektrische Stimulation variable Übertragungsgeschwindigkeit der Synapsen sein.

Die Interpotentiallatenzen zeigten keine Abhängigkeit von der Pulsbreite, vergleichbar mit Kapitel 5.2.2.

Die Amplituden der elektrisch evozierten Potentiale waren häufig bei Stimulation mit einer Pulsbreite von 60 µs am kleinsten und bei einer Pulsbreite von 160 µs am größten. Die Stimulation mit einer Pulsbreite von 200 µs ergab etwas geringere Amplituden. In der Literatur wurde die Abhängigkeit der Amplitudenhöhe von der Pulsbreite des Stimulus noch nicht intensiv untersucht. Ursächlich für den

Amplitudenrückgang oberhalb einer Pulsbreite von 160 µs könnte eine Sättigung im Bereich der synaptischen Übertragung sein. Zunächst steigt die Amplitude mit zunehmender Pulsbreite an, da es durch eine erhöhte Frequenz der

Aktionspotentiale im Axon zu einer vermehrten Freisetzung von Transmittersubstanz kommt. Bei Erschöpfung der Transmittervorräte kann es allerdings anstelle einer Potenzierung zu einer Depression kommen. Das bedeutet, das pro Reiz eine geringere Transmittermenge freigesetzt wird. Daraus könnte eine

Amplitudenabnahme trotz höherer Pulsbreite resultieren.

5. Diskussion