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4.2 Instrumente zur Messung struktureller Ver¨ ande- ande-rungen sowie zur Prozessbeschreibung in der ande-rungen sowie zur Prozessbeschreibung in der

4.2.1 Die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD)(OPD)

In der vorliegenden Arbeit wurde zur Auswahl der wichtigsten und das Leben der Patienten bestimmenden Beziehungs-, Konflikt- und Strukturthemen sowie zur Erfassung der Struk-turniveaus der Patienten die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik-1 verwendet.

Obwohl mittlerweile eine zweite Version des OPD entwickelt wurde, werden in der vor-liegenden Arbeit die Begriffe der OPD-1 benutzt. Dies hat seine Ursache darin, dass das

zweite Manual (OPD-2) in der Anfangsphase des MBWPs noch nicht vorlag. Um die Ver-gleichbarkeit der Ergebnisse der verschiedenen im Rahmen dieses Projektes entstandenen Diplom- und Promotionsarbeiten zu erm¨oglichen, wurde also trotz der neuen Auflage aus dem Jahr 2006 weiterhin von den Begriffen und Fokusbenennungen der ¨alteren Version Gebrauch gemacht.

1992 wurde in Deutschland von Psychoanalytikern, Psychosomatikern und Psychiatern der Arbeitskreis Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik gegr¨undet. Er setzte sich das Ziel, die unbefriedigenden, weil ausschließlich symptomatologisch-deskriptiv orientierten Klassifikationen psychischer St¨orungen (aktuell Diagnostic and Statistical Manual of Men-tal Disorders (DSM)-IV und International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD)-10) um grundlegende psychodynamische Dimensionen zu erweitern und entwickelte zu diesem Zweck das diagnostische Inventar OPD (OPD, 2006, S. 27).

Die OPD bezieht sich mit einer einheitlichen Sprache und Begrifflichkeit auf ein schul¨ uber-greifendes, relativ umfassendes Konzept der Pers¨onlichkeit und sie stellt beobachtungs-nahe Beschreibungen zur Verf¨ugung. So werden dem Diagnostiker klinisch-diagnostische Leitlinien zur Auswahl angeboten, die jedoch so offen formuliert sind, dass ihm gen¨ugend Spielraum f¨ur eine eigene Beurteilung bleibt. Weil durch die OPD psychodynamische und ph¨anomenologische Klassifikationen besser einge¨ubt werden k¨onnen, eignet sie sich auch gut f¨ur die Ausbildung. Außerdem f¨uhrt sie zu einer Verbesserung der Kommunikation

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uber die Konstrukte der psychodynamischen Theorie innerhalb der scientific community und sie kann zugleich, wie in dieser Arbeit, als Forschungsinstrument f¨ur wissenschaftliche Untersuchungen eingesetzt werden (OPD, 2006, S. 34).

Die OPD konstituiert sich insgesamt aus vier psychodynamischen und einer deskripti-ven Achse. Die ersten vier Achsen entstammen einem aus der Psychoanalyse abgeleiteten Verst¨andnis und stimmen mit psychoanalytischen Teilkonzepten (Pers¨onlichkeitsstruktur, intrapsychische Konflikte, ¨Ubertragung) ¨uberein, wobei Schlussfolgerungen auf die Ebene des Unbewussten nur mit Vorsicht und unter Bezug auf die vorgegebenen Operationali-sierungen erfolgen sollen. Die f¨unfte Achse beschreibt mit Hilfe der etablierten deskriptiv-ph¨anomenologische Diagnostik der ICD-10 psychische und psychosomatische St¨orungen des Patienten (OPD, 2006, S. 35).

Im Folgenden werden die drei f¨ur diese Arbeit relevanten Achsen detaillierter beschrieben.

Die Achse II bzw. Beziehungsachse steht f¨ur interpersonelles Verhalten, das in allen psy-chotherapeutischen Schulrichtungen als ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer St¨orungen verstanden wird. Wie ein Mensch seine Bezie-hungen zu anderen gestaltet, lebt und erlebt, ist in der psychodynamischen Psychothera-pie von zentraler diagnostischer Bedeutung. Das Beziehungsverhalten ist ein Ausdruck der Dynamik zwischen den mehr oder weniger bewussten Beziehungsw¨unschen, den damit ver-bundenen intrapsychisch wirksamen ¨Angsten und den Bef¨urchtungen, wie das Gegen¨uber

auf die W¨unsche reagieren k¨onnte. Die permanente psychosoziale Kompromissbildung zwi-schen den W¨unschen und den Bef¨urchtungen in Beziehungen wird als habituelles Bezie-hungsverhalten verstanden. Entsprechend sinddysfunktionelle habituelle Beziehungsmuster spezifische, f¨ur den Patienten leidvolle Konstellationen, die sich aus seinem habituellen Be-ziehungsverhalten und den typischen Reaktionsweisen seiner Sozialpartner ergeben. Im Rahmen der OPD-Diagnostik werden diejenigen interpersonellen Einstellungen festgehal-ten, die beim jeweiligen Patienten nach außen hin als dominant und mehr oder weniger durchg¨angig wirksam erscheinen. Diese fest gef¨ugten Beziehungserfahrungen werden in den Erz¨ahlungen des Patienten h¨aufig in Form von erinnerten und erz¨ahlten Alltagsepisoden deutlich. Ebenso wichtig f¨ur die Diagnose ist, wie der Therapeut sich w¨ahrend des Ge-spr¨achs innerhalb der Therapeut-Patient-Beziehung erlebt. So wird das Beziehungsverhal-ten des PatienBeziehungsverhal-ten auch in der klinischen Situation unbewusst inszeniert und somit erlebbar und beobachtbar ( ¨Ubertragung) w¨ahrend das Gegen¨ubertragungserleben des Therapeu-ten Informationen dar¨uber liefert, wie andere sich ihrerseits in der Interaktion mit dem Patienten f¨uhlen und eventuell verhalten (OPD, 2004, S. 47 f.). Die Einsch¨atzung des Beziehungsverhaltens erfolgt im Anschluss an ein ca. einst¨undiges klinisch-diagnostisches Gespr¨ach und ergibt sich aus den folgenden vier Positionen bzw. Erlebensebenen: wie der Patient sich selbst immer wieder erlebt, wie andere den Patienten immer wieder erleben, wie andere sich gegen¨uber dem Patienten immer wieder erleben und schließlich wie der Patient andere immer wieder erlebt. R¨uckschl¨usse auf unbewusste Motive oder Absichten sollten bei der Beurteilung jedoch nur mit Vorsicht gezogen werden (OPD, 2004, S. 57;

Rudolf u. Grande, 2006, S. 280).

Die Achse III bzw. Konfliktachse fasst die Konflikte zusammen, die als Zusammentreffen gegens¨atzlicher Positionen, als Widerstreit von Motiven, W¨unschen, Bed¨urfnissen, Werten und Wertvorstellungen verstanden werden. Der Mensch wird in der Psychoanalyse, wie in dem Unterkapitel 2.1.1 bereits dargestellt, insgesamt als konflikthaftes Wesen betrachtet, dessen Leben durch sich immer wieder neu aufwerfende, innere und ¨außere Gegens¨atze gepr¨agt ist. Intrapsychische Konflikte haben in dieser Sichtweise ihren Ursprung in verin-nerlichten konflikthaften Beziehungserfahrungen. Der Konflikt wird jedoch erst zur Neuro-se und damit dauerhaft, wenn bestimmte Minimalgrenzen der Befriedigung unterschritten werden. Ein zeitlich ¨uberdauernder psychodynamischer Konflikt bedeutet dar¨uber hinaus rigide Fixierungen in einem unaufl¨osbaren Entweder-Oder, ohne dass es gelingt, zu einer Entscheidung zu kommen. So f¨uhrt z.B. Erlebnishunger in einer entsprechenden Situation immer wieder zu ¨ahnlichen Verhaltensmustern, ohne dass dies dem Betroffenen bewusst w¨are (OPD, 2004, S. 58 f.; Rudolf u. Grande, 2006, S. 278). Das Vorhandensein inne-rer unbewusster Konflikte ist an bestimmte ich-strukturelle Voraussetzungen gebunden.

Nach heutigem klinischem Wissensstand stellen Konflikt und Struktur Pole einer klini-schen Erg¨anzungsreihe dar (Sch¨ußler, 2008, S. 400) bzw. steht die Struktur f¨ur funktionelle Voraussetzungen der psychischen Regulation und bildet damit gleichsam die Architektur der B¨uhne, auf der sich Konflikte dramatisch entfalten k¨onnen (Rudolf u. Grande, 2006, S. 279). Die Konfliktfoki der OPD-1 sind aus der Tabelle 4.1 zu entnehmen.

Die Achse IV bzw. die Strukturachse umfasst im psychologischen Sinne das ganzheitliche Gef¨uge von psychischen Dispositionen. Sie beinhaltet alles, was im Verhalten und Erleben des Einzelnen regelhaft und repetitiv abl¨auft, sei es bewusst oder bewusstseinsfern. Dabei ist Struktur nicht starr und unver¨anderlich, sondern zeigt einen lebenslangen Entwicklungs-prozess. Dispositionen sind als solche nicht sichtbar, sie realisieren sich aber in konkreten, aktuellen Situationen, von denen aus auf ¨uberdauernde Strukturmerkmale geschlussfolgert werden kann. In der Psychoanalyse steht der Begriff Struktur f¨ur die Konstanz, die das Er-leben und Verhalten eines Individuums in verschiedenen inneren und ¨außeren Situationen charakterisiert. Er wird meist in vier Bedeutungen gebraucht: im allgemein-psychologischen Sinne f¨ur die Art, in der verschiedene Teile des Ganzen zusammenh¨angen, f¨ur die Gliede-rung des Ganzen; im topographischen Strukturmodell f¨ur die Gliederung des psychischen Organismus in Es, Ich und ¨Uber-Ich; als Synonym f¨ur Charakter (Charakterstruktur, Neu-rosenstruktur) und schließlich f¨ur alle psychischen Organisationen, die dauerhaft sind oder sich nur relativ langsam ver¨andern (OPD, 2004, S. 69 f.; Rudolf u. Grande, 2006, S. 279).

Die Operationalisierung von Achse IV in der OPD-1 erfolgt anhand von sechs strukturellen Kategorien mit ihren jeweiligen Unterkategorien, die aus der Tabelle 4.1 zu entnehmen sind.

Strukturelle St¨orung bedeutet, wie dies in den Unterkapiteln 2.1.2, 2.1.3 und 2.1.4 bereits sehr ausf¨uhrlich geschildert wurde, dass im Sinne eines Entwicklungsdefizits bestimmte strukturelle Differenzierungen und Integrationsschritte nicht erfolgt sind. So ist das Selbst nicht mehr autonom, die Struktur hat sich zwar entwickelt, sie ist jedoch nicht stabil genug, so dass in Situationen innerer und ¨außerer Belastungen regressive Prozesse einsetzen. Um Ausmaß und Qualit¨at struktureller St¨orung unterscheiden und kennzeichnen zu k¨onnen, wurden auf der Grundlage psychotherapeutischer Erfahrungen im ambulanten und stati-on¨aren Setting vier Integrationsniveaus der Struktur definiert:

Das Niveau der guten Integration ist erreicht, wenn das autonome Selbst ¨uber einen psychischen Binnenraum verf¨ugt, in dem intrapsychische Konflikte ausgetragen wer-den k¨onnen. Konflikthaftes Geschehen kann die strukturellen M¨oglichkeiten zeitwei-se beeintr¨achtigen. In der Gegen¨ubertragung werden jene Gef¨uhlsregungen sp¨urbar, welche durch die ¨Ubertragung von Konflikten mit lebensgeschichtlich bedeutsamen Personen ausgel¨ost werden (OPD, 2006, S. 259 f.).

Das Niveau der m¨aßigen Integration l¨asst eine geringere Verf¨ugbarkeit regulierender Funktionen und eine schw¨achere Ausdifferenzierung psychischer Substrukturen er-kennen. Die intrapsychischen Konflikte haben auf diesem Integrationsniveau archai-schere Inhalte und heftigere Affekte. Es werden ¨uberh¨ohte Idealvorstellungen und rigide Strafinstanzen sichtbar. Die Gegen¨ubertragung ist durch gelegentlich schwer auszuhaltende Affekte gekennzeichnet, die sich auf relevante Beziehungserfahrungen zur¨uckf¨uhren lassen (OPD, 2006, S. 260).

Das Niveau der geringen Integration ist dadurch gekennzeichnet, dass der seelische Binnenraum und die psychischen Substrukturen wenig entwickelt sind, so dass Kon-flikte kaum intrapsychisch, sondern vorwiegend interpersonell ausgetragen werden.

Tabelle 4.1: OPD-1 Foki

OPD-1 OPD-1 Foki

Nr. Achse Achsenbezeichung Foki Abk¨urzung

1 II Beziehung Beziehungsdynamische Formulierung B

2

III Konflikt

Abh¨angigkeit vs. Autonomie K1

3 Unterwerfung vs. Kontrolle K2

4 Versorgung vs. Autarkie K3

5 Selbstwertkonflikt K4

6 Schuldkonflikt K5

7 Odipal-sexueller Konflikt¨ K6

8 Identit¨atskonflikt K7

9 Eingeschr¨ankte Konflikt- und Gef¨uhlswahrnehmung K8

10

IV Struktur

Selbstwahrnehmung - Selbstreflexion S1.1

11 Selbstwahrnehmung - Selbstbild S1.2

12 Selbstwahrnehmung - Identit¨at S1.3

13 Selbstwahrnehmung - Affektdifferenzierung S1.4

14 Selbststeuerung - Affekttoleranz S2.1

15 Selbststeuerung - Selbstwert S2.2

16 Selbststeuerung - Impulssteuerung S2.3

17 Selbststeuerung - Antizipation S2.4

18 Abwehr - Gegenstand S3.1

19 Abwehr - Erfolg S3.2

20 Abwehr - Stabilit¨at S3.3

21 Abwehr - Flexibilit¨at S3.4

22 Abwehr - Form S3.5

23 Objektwahrnehmung -

Subjekt-Objekt-Differenzierung

S4.1

24 Objektwahrnehmung - Empathie S4.2

25 Objektwahrnehmung - Ganzheitliche

Objektwahr-nehmung

S4.3

26 Objektwahrnehmung - Objektbezogene Affekte S4.4

27 Kommunikation - Kontakt S5.1

28 Kommunikation - Verstehen fremder Affekte S5.2

29 Kommunikation - Mitteilung eigener Affekte S5.3

30 Kommunikation - Reziprozit¨at S5.4

31 Bindung - Internalisierung S6.1

32 Bindung - Losl¨osung S6.2

33 Bindung - Variabilit¨at der Bindungen S6.3

Die Gegen¨ubertragung ist durch die Heftigkeit und anhaltende Wirkung von Gef¨ uhls-regungen gekennzeichnet (OPD, 2006, S. 261).

Das desintegrierte Niveau ist durch Fragmentierung und psychotische Restitutionen der Struktur charakterisiert. Ein koh¨asives Selbst konnte nicht ausgebildet werden, bei Belastungen besteht die Gefahr der psychotischen Desintegration. Die fragile Struktur erlangt ihre Stabilit¨at dadurch, dass wesentliche Triebimpulse und narziss-tische Bed¨urfnisse abgespalten oder verleugnet werden (OPD, 2006, S. 261 f.).

Auch wenn sie mit den ¨alteren Begrifflichkeiten operiert, so wurden die Ideen der

OPD-2, insbesondere die der Fokusbestimmung und der Prozessorientierung, dennoch in diese Arbeit integriert. Die OPD-2 ist n¨amlich nicht nur eine ¨uberarbeitete Auflage des Origi-nalmanuals, sondern auch ein Instrument f¨ur Therapieplanung und Ver¨anderungsmessung.

Die wichtigsten Ver¨anderungen, die bei der ¨Uberarbeitung des OPD vorgenommen wurden, sind deshalb sehr wohl relevant f¨ur die vorliegende Arbeit:

Erfassung von Ressourcen

In dem neuen Manual werden auf Achse II neben der Formulierung der dysfunktio-nalen Beziehungsmuster auch Beziehungsthemen identifiziert, die eine Ressource f¨ur den Patienten darstellen. Auf Achse IV besteht ebenfalls die M¨oglichkeit, F¨ahigkeiten des Patienten zu beschreiben, die ihm eine ad¨aquate Beziehung zu seinem Umfeld und sich selbst erlauben (OPD, 2006, S. 30).

Schnittstellen der Achsen

In der OPD-2 wird eine theoretische Integration der Achsen versucht. Es werden Schnittstellen zwischen den einzelnen Achsen konzeptuell erl¨autert, aber auch die praktischen Folgen f¨ur Diagnostik und Fokusauswahl entwickelt. W¨ahrend in der OPD-1 die Achsen eher nebeneinander standen und voneinander unabh¨angig konzep-tualisiert wurden, sieht die neue Version z.B. dysfunktionales Beziehungserleben und -verhalten sowohl als Ergebnis von lebensgeschichtlich determinierten inneren Kon-flikten, als auch als Ergebnis von Strukturdefiziten und Vulnerabilit¨aten. So m¨ussen Therapeuten die Frage f¨ur sich beantworten, ob sie die leidvolle Beziehungsgestaltung und die Zusammenh¨ange mit der Symptomatik eher als konflikt- oder als strukturbe-dingt sehen oder aber als ein Zusammenspiel beider Faktoren. Aus dieser Entschei-dung bez¨uglich der Diagnose ergeben sich unterschiedliche therapeutische Strategien (OPD, 2006, S. 30).

Fokusbestimmung und Therapieplanung

Alle Achsen erlauben in der neuen Version des Manuals die Bestimmung eines Fo-kus. Im Verlauf der Therapie soll sich hinsichtlich dieser Foki etwas ¨andern, wenn ein substanzieller therapeutischer Fortschritt erreicht werden soll. Weil das Gewicht der Struktur- oder Konfliktanteile je nach Art der St¨orung unterschiedlich ist, muss sich dieses Verh¨altnis in der Auswahl der Foki widerspiegeln. In eindeutigen F¨allen k¨onnen ausschließlich Konflikt- oder Strukturfoki gew¨ahlt werden, meist sind jedoch beide Aspekte bedeutsam (OPD, 2006, S. 31), weil Konflikt und Struktur in der Pra-xis nicht v¨ollig unabh¨angig voneinander zu verstehen, sondern aufeinander bezogen sind. So erwachsen biographische Konflikte meist auf dem Hintergrund einer konflikt-haften Beziehungserfahrung, d.h. aus wiederkehrenden Beziehungsmodi, die bis hin zu Traumatisierung gehen k¨onnen. Die Folgen extremer Traumata in der Entwicklung werden sich aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ¨uberwiegend als strukturelle De-fizite nachweisen lassen, also als Entwicklungsbehinderungen sowie - verz¨ogerungen.

Prozessorientierung

Schließlich kann man mit Hilfe der OPD-2 zus¨atzlich zu der durch die ,,Statusdiagno-stik” erfassten Beschreibung des Patienten auch den Ver¨anderungsprozess beschrei-ben, d.h. psychotherapeutisch induzierte Ver¨anderungen k¨onnen in den identifizierten OPD-Kategorien im Prozess verfolgt werden. Somit erf¨ullt die OPD-2 den aktuellen Anforderungen der Psychotherapieforschung, die Effekte der Ver¨anderungen erfassen m¨ochte, um Wirkmechanismen von Psychotherapie zu identifizieren. Erkenntnisse

¨uber den Prozess gehen außerdem bei ¨Uberlegungen zu therapeutischen Ansatzpunk-ten und geeigneAnsatzpunk-ten Interventionen in jeden Schritt der Behandlung ein. Ziel ist es, den therapeutischen Prozess f¨ur den Patienten g¨unstig zu gestalten (OPD, 2006, S.

29).

Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der psychometrischen Untersuchungen zu OPD-1 und OPD-2 vorgestellt.

Die psychometrische G¨ute der OPD-1 wurde in zahlreichen Studien best¨atigt (Zimmermann u. a., 2010, S. 69). Im Detail geht es dabei um folgende Aspekte:Validit¨at betrifft insgesamt die Frage, inwieweit die vier Achsen, die Skalen der Achsen sowie die Items bzw. die Katego-rien der Skalen tats¨achlich das messen, was sie zu messen vorgeben.Inhaltsvalidit¨at ist dann gegeben, wenn der Inhalt der Skalen und deren Kategorien die zugrunde liegenden psycho-analytischen Konstrukte hinreichend definieren. Kriteriumsvalidit¨at hingegen besteht aus Ubereinstimmungsvalidi¨¨ at und Vorhersagevalidit¨at. Die ¨Ubereinstimmungsvalidit¨at zeigt an, ob das Instrument das Gleiche wie andere Instrumente mit ¨ahnlicher Intention misst.

Die Vorhersagevalidit¨at bzw. diepr¨adiktive Validit¨at zeigt, ob das Instrument als Pr¨adiktor f¨ur relevante Kriterien, z.B. therapeutische Ver¨anderungen, verwendet werden kann. Die Konstruktvalidit¨at zeigt schließlich, ob die Kategorien und Achsen der OPD die zugrunde liegende Konstrukte repr¨asentieren und stellt die Frage, ob ¨uberhaupt die Achsen abge-bildet worden sind, die auch klinisch relevant sind. Sie schließt inhaltliche Validit¨at und kriteriumsbezogene Validit¨at mit ein (Cierpka u. a., 2001, S. 123).Reliabilit¨at sagt hingegen aus, ob ein Instrument, das was es misst, auch genau genug misst.

Zur inhaltlichen Operationalisierung der Beziehungs- und Konfliktachse konnte auf eine Reihe von bereits anerkannten und erprobten Instrumenten zur¨uckgegriffen werden. Bei-spiele daf¨ur sind: die SASB (von Benjamin, 1994), die ZBKT (von Luborsky u. Crits-Christoph, 1990), die Rollen-Beziehungskonflikt-Konstellation (von Horowitz, 1991), das Cyclic Maladaptive Pattern (CMP) (von Strupp und Binder, 1991) und die idiographische Konfliktformulierung (von Perry et al., 1989). Zur Operationalisierung der Strukturachse wurde auf Erfahrungen mit Instrumenten wie mit dem Rorschach-Test und sp¨ater auch der tachistoskopischen Darbietung zur¨uckgegriffen. Die inhaltliche Validit¨at der OPD konnte so f¨ur die Achsen II, III und IV festgestellt werden (Cierpka u. a., 2001, S. 124 f.). In der Untersuchung der Konstruktvalidit¨at der Beziehungsachse zeigte sich die Mehrzahl der OPD-Beziehungs-Cluster konstruktkonform. In einem kriteriumsbezogenen Vergleich be-zogen auf die ¨Ubereinstimmung mit dem IIP (von Horowitz et al., 1993) kamen bez¨uglich

einiger Verhaltens- und Erlebenscluster inhaltliche Differenzen zum Vorschein, die auch unterschiedliche klinische Pr¨agnanz ausdr¨ucken k¨onnten (Cierpka u. a., 2001, S. 126 ff.).

Den Autoren zufolge scheint insgesamt die pr¨adiktive Validit¨at der Beziehungsachse f¨ur zuk¨unftige klinische Outcome-Studien erfolgversprechend zu sein (Cierpka u. a., 2001, S.

128). Die wissenschaftlichen Schwierigkeiten in der ¨Uberpr¨ufung der Validit¨at der Kon-fliktachse sind allerdings betr¨achtlich, weil nur Außenkriterien f¨ur die Konflikte vorliegen und es kein bereits validiertes Instrument zur Erfassung intrapsychischer und unbewuss-ter Konflikte gibt. Die Anwendungserfahrung zeigt jedoch, dass die Konfliktachse offenbar eine gute Erfassung psychodynamischer Konflikte erm¨oglicht (Cierpka u. a., 2001, S. 129).

Als Ergebnis der Validierungsuntersuchungen f¨ur die Strukturachse l¨asst sich zusammen-fassend sagen, dass diese sich zur Beschreibung einer psychodynamisch konzeptualisier-ten Pers¨onlichkeitsstruktur zu eignen scheint, die interpersonelle Gesichtspunkte im Sinne der Objektbeziehungstheorie hervorhebt. Sie steht zudem im Einklang mit mehreren vali-dit¨atsverwandten Testverfahren und die ¨Ubereinstimmung mit ¨außeren Kriterien ist erwie-sen. Die Verkn¨upfung von Instrument und Konstrukt kann angenommen werden (Cierpka u. a., 2001, S. 131). Bez¨uglich Reliabilit¨aten zeigten sich in verschiedenen Untersuchungen f¨ur die Anwendung der OPD-1 im Forschungskontext in Bezug auf die Achsen Beziehung, Konflikt und Struktur gute Ergebnisse. F¨ur die Beziehungsachse wurden z.B. in zwei Un-tersuchungen mit videographiertem Material Gesamtwerte von 0.56 und 0.62 gefunden.

In einer dieser Studien wurde f¨ur die Konfliktachse ein Wert von 0.61 ¨uber alle Konflikte erreicht (Range: 0.48-0.71). Am besten fiel die Reliabilit¨at f¨ur die Strukturachse aus. Hier wurden in zwei Studien mittlere Werte von 0.71 (Range: 0.62-0.78) und 0.70 (Range: 0.60-0.81) gefunden. Noch unbefriedigend sind, so Cierpka u. a., die Werte f¨ur die Anwendung in der klinischen Praxis (Cierpka u. a., 2001, S. 124).

Zimmermann fasst die derzeit laufenden f¨unf Projekte zur Validierung der OPD-2 folgen-dermaßen zusammen: Erstens sind die zentralen Konstrukteigenschaften mit den Ergeb-nissen zu OPD-1 kompatibel, zweitens h¨angen die OPD-Diagnosen systematisch mit dem Erleben der Patienten zusammen und sind f¨ur den Verlauf der Therapien von prognos-tischer Bedeutung, und drittens weist die OPD-2 in einer Studie von H¨orz und Rentrop (2009) empirisch bedeutsame und theoretisch sinnvolle ¨Uberschneidungen (konvergente Va-lidit¨at) mit einem unabh¨angig durchgef¨uhrten, alternativen Verfahren psychodynamischer Diagnostik auf, in diesem Fall mit der deutschen Version des Strukturiertes Interview zur Pers¨onlichkeitsorganisation (STIPO) (STIPO-D, siehe auch Clarkin et al., 2004) auf (Zim-mermann u. a., 2010, S. 71). In ihrer Untersuchung ¨uber die OPD-2-Strukturachse aus dem Jahr 2009 konnten Benecke et al. (2009) mittlerweile auch f¨ur diese eine zufriedenstellende bis sehr gute Reliabilit¨at nachweisen (Benecke u. a., 2009). F¨ur die Konfliktachse und die neue Version der Beziehungsachse sind aber noch weitere Untersuchungen notwendig und in Vorbereitung.