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Die kognitive Konstruktion von Wahrnehmung / die

Bevor die kognitive Rekonstruktion von Perspektivität und die Rolle der ToM im Zuge des-sen näher beleuchtet werden kann, stellt sich allerdings die Frage, was genau mit diesem Begriff bezeichnet wird. Ansgar Nünning (2001) zufolge ist der Begriff der Figuren- bzw.

Erzählperspektive nicht nur an eine räumlich-zeitliche Koordinate innerhalb des Fiktions-weltmodells gebunden (Wer sagt wann was), sondern ebenfalls an eine Reihe von unter-schiedlichen Daten über die Konfiguration der informationsvermittelnden Instanz:

A character-perspective [and by analogy to the term character-perspective, the concept of narrator-perspective] could […] be defined as an individual’s fictional system of preconditions or subjective worldview – the sum of all the models he or she has constructed of the world, of others, and of herself. A character-perspective is governed by the totality of an individual’s knowledge and belief sets, intentions, psychological traits, attitudes, ideological stance, and system of values and norms that have been internalized […]. (Nünning, 2001, S. 211)

Das Verstehen von literarisch vermittelten Informationen ist (vergleichbar wie subjektiv ge-brochen vermittelte Informationen in der realen sozialen Interaktion) an bestimmte perspek-tivische Parameter gebunden. Leser müssen diese Parameter bei ihrer Interpretation berück-sichtigen. Konkreter gesagt: Sie müssen den semantischen Gehalt aller in einem bestimmten Kontext vergebenen Informationen daraufhin prüfen, in welchem Verhältnis sie zum

Urhe-ber der Aussage stehen und in welche Beziehung sie zum bestehenden Modell der Fiktions-welt zu setzen sind. Aus der Perspektive von Figur A bedeutet ein Satz X ggf. nicht dasselbe, wie derselbe Satz, wenn er von Figur B oder dem Erzähler ausgesprochen wird. Bei der Interpretation dieses Satzes spielen daher zum Beispiel der Wissenstand, der Wahrneh-mungszugang und die intentionale Grundhaltung, um nur einige Beispiele zu nennen, die dem Urheber einer Aussage innerhalb des Textes zugeschrieben werden, eine entscheidende Rolle. Hat ein Leser solche Parameter identifiziert, bedingen sie das Verständnis einer lite-rarischen Passage in entscheidender Form. Die beginnende ontogenetische Entwicklung bzw. Reifung der für das Erkennen der Perspektivgebundenheit von Wahrnehmung und Handlung relevanten kognitiven Mechanismen zeigt sich erstmals im kindlichen Verhalten des ‚joint attention‘ (‚JA‘). Wie im ersten Teil der Arbeit näher beschrieben, sind Menschen ca. ab ihrem 12. Lebensmonat in der Lage, Objekte in einen gemeinsamen und koordinierten Aufmerksamkeitsfokus mit einer oder mehreren Bezugspersonen zu stellen. Dieses soziale Verhalten wird hauptsächlich durch eine Reihe kommunikativer deiktischer Gesten (z. B.

Zeigegesten), der Körperhaltung der Beteiligten oder der Fähigkeit, Blickrichtungen zu fol-gen, ermöglicht und gesteuert. Mittels dieser Verhaltensweisen entsteht eine triadische Wahrnehmungssituation, die sich folgendermaßen charakterisieren lässt: „Each subject is aware, in some sense, of the object as an object that is present to both subjects. There is, in this respect, a ‚meeting of the minds‘ between both subjects, such that the fact that both are attending to the same object is open or mutually manifest“ (Eilan, 2005, S. 5). Während jede an einer solchen Interaktionssituation beteiligte Person ein Objekt aus der jeweils eigenen Perspektive repräsentiert, steht gleichzeitig auch der ‚mentale Fokus‘ des jeweiligen Gegen-übers im Zentrum der eigenen Aufmerksamkeit. Um einen Gegenstand als Objekt fremder Wahrnehmung repräsentieren zu können, müssen bestimmte perspektivgebundene Parame-ter berechnet werden. Mit anderen Worten: Von einem Standpunkt der Person A stellt sich ein Gegenstand gegebenenfalls anders dar als von einem Standpunkt der Person B. Um dies kognitiv verarbeiten zu können, müssen wir nicht nur den Gegenstand selbst unter Berück-sichtigung einer fremden Perspektive rekonstruieren, sondern ihn ebenfalls sowohl als Ob-jekt der eigenen als auch als ObOb-jekt fremder Wahrnehmung anerkennen. Gesunde Erwach-sene sind dazu in die Lage, den Wahrnehmungskontext eines anderen zu repräsentieren und die Erscheinung ein und desselben Gegenstandes unter Berücksichtigung verschiedener Per-spektiven kognitiv zu modellieren. Im Zuge einer JA-Episode beziehen sie die individuelle Perspektive des Gegenübers in das Situationsverständnis ein, um die fremde Wahrnehmung

zu verstehen. Dieser Mechanismus bildet einen wichtigen Teil der kognitiven ‚Architektur‘

der ToM.

Wenn es die Informationsstruktur eines literarischen Textes gestattet, wird dieser Mechanis-mus auch dann aktiviert, wenn die Aufgabe lautet, literarisch vermittelte Perspektivität zu verstehen und in die Interpretation eines Textes einzubinden. Ob das der Fall ist, lässt sich mit einem Blick auf eine Reihe von bestimmten Merkmalen literarischer Erzähltexte klären.

Auch hier – wie im Fall der kognitiven Ereignisrekonstruktion – fallen Unterschiede zwi-schen der Kognitionssituation der Textlektüre und derjenigen der realen sozialen Interaktion auf und es gilt zu klären, ob aufgrund dessen grundlegend andere Kognitionsmechanismen für die Textinterpretation notwendig sind. Wenn sich im Zuge einer JA-Situation die Wahr-nehmung zweier Individuen auf ein Objekt bzw. auf die WahrWahr-nehmung dieses Objektes durch den jeweils anderen richtet, dann wird dies zumeist mit Hilfe von interaktiven kom-munikativen Strategien (v. a. nonverbale Mittel wie Zeigegesten, Mimik, Blickkontakt usw.) initiiert und gesteuert. Im Zuge der Textlektüre kann jedoch keine direkte Interaktion zwi-schen Lesern und dem Kommunikationspartner (z. B. dem Autor des Textes oder auch einer fiktiven Instanz innerhalb des Textes) im Sinne des JA stattfinden. Es besteht kein zeitglei-cher und gleichwertiger Zugang zu einem gemeinsamen Wahrnehmungskontext. Der litera-rische Text selbst lässt sich jedoch, wie an anderer Stelle bereits näher ausgeführt, als Ver-mittlungsmedium beschreiben, durch das z. B. Autoren und Leser in eine ‚mentale Interak-tion‘ miteinander treten können.Die grundlegende Annahme, die dieser Überlegung voran-steht lautet, dass Autoren und Leser im Zuge der Textproduktion und -rezeption mentale Modelle von Situationen repräsentieren, die durch die textuellen Propositionen initiiert und aktualisiert werden. Die in ihnen zu einem komplexen Fiktionsweltmodell zusammenge-stellten Informationen bilden einen gemeinsamen Referenzrahmen für einen Autor und sei-nen Leser. Mit anderen Worten: Als Ersatz für die reale kommunikative Interaktion finden sich in den Propositionen eines Textes sprachlich realisierte ‚Zeigegesten‘. Der Zugang zu diesem Wahrnehmungskontext ist nicht perzeptueller Natur, sondern entsteht durch die ge-genseitige Attribution von kognitiven Interpretations- und Repräsentationsvorgängen. Der Text als Vermittlungsmedium dient in diesem Kontext als ‚Anleitung‘ zur geordneten Re-konstruktion des dargestellten Geschehens unter Berücksichtigung der jeweils relevanten Perspektiven.

Eine geeignete Erklärung für die Vorgänge, die es einem Leser ermöglichen, Perspektiven im Rahmen der Lektüre zu rekonstruieren, bietet die Deictic Shift Theory (‚DST‘) an. Die

zentrale These der DST lautet, dass Leser während der Lektüre eines literarischen Erzähl-textes das eigene deiktische System der Realität in ihrer Wahrnehmung gegen dasjenige der Fiktionswelt eintauschen:

DST models the common perception of a reader ‚getting inside‘ a literary text as the reader taking a cognitive stance within the mentally constructed world of the text. […] In other words, readers can see things virtually from the per-spective of the character or narrator inside the text-world, and construct a rich context by resolving deictic expressions from that viewpoint. (Stockwell, 2005, S. 46 f.)

Zusätzlich zu der Verlagerung des deiktischen Orientierungssystems in die Fiktionswelt hin-ein (also die Übernahme desjenigen Koordinatensystems, das innerhalb der Fiktionswelt gültig ist), ist es dem Leser nun möglich, innerhalb der Fiktionswelt verschiedene deiktische Bezugspunkte zu modellieren, wenn die Informationsstruktur des Textes dies vorgibt. Hier-für, d. h. für die Konstruktion unterschiedlicher ‚Wahrnehmungsfixpunkte‘, sind eine Reihe von lexikalischen Hinweisen notwendig, die dem Leser das Gefühl vermitteln, dass Figuren, die Erzählinstanz und der Leser selbst das fiktive Geschehen von einem jeweils festgelegten

‚Standpunkt‘ aus betrachten. Es sind vor allem lexikalische Hinweise, z. B. durch die Ver-wendung von Personalpronomen, Demonstrativpronomen und direkte Referenzen aber auch Verben, wie denken oder glauben, die mentale Zustände beschreiben, die die Grundlage für die Identifikation und Lokalisation von Figuren und Gegenständen im Gefüge der Fiktions-welt steuern. Entsprechend situieren lokale sowie temporale Präpositionen und Adverbien die Figuren im zeitlichen und räumlichen Gefüge der Handlung.

Die wichtigsten Mittel, die hier die kognitive Rekonstruktion von unterschiedlichen perspek-tivischen Standpunkten innerhalb einer Fiktionswelt bedingen, sind die deiktischen Struktu-ren eines Textes. Sie ersetzen die kommunikativen ‚Zeigegesten‘ innerhalb einer direkten sozialen Interaktion. Als deiktisch werden Zeichen oder Ausdrücke dann bezeichnet, wenn sie keine festgelegte semantische Bedeutung tragen, sondern eine, die sich relativ zu dem Kontext verhält, in der dieses Zeichen oder dieser Ausdruck steht. Die Interpretation eines solchen Zeichens oder Ausdruckes ist in der Identität des Sprechers, des Angesprochenen, deren räumlicher Situation sowie dem Zeitpunkt der Äußerung verankert (Zubin & Hewitt, 1995, S.129). Ein Ausdruck wie zum Beispiel ‚Du musst an der nächsten Ecke links abbie-gen‘ lässt sich dementsprechend nur dann korrekt interpretieren, wenn die deiktischen Ele-mente der Passage ‚Du‘ ‚links‘ und ‚an der nächsten Ecke‘ sowohl zu einem räumlich-zeit-lichen Koordinatensystem als auch zu den Identitäten von Sprecher und Adressat in Relation

gesetzt werden können. Kognitive Modelle von fiktiven Szenarien besitzen ebenso wie Mo-delle von realen Szenarien ein räumlich-zeitliches bzw. deiktisches Gefüge, zu dem alle In-formationen über stattfindende Ereignisse und handelnde Personen in Relation gestellt wer-den können. Jeder Leser, der zunächst einmal mit dem eigenen Hier und Jetzt seiner Realität ein deiktisches Koordinatensystem zur Orientierung besitzt, muss daher ein eigenes solches Koordinatensystem für die Fiktionswelt erstellen. In dieses Koordinatensystem kann er (z.

B. mit Hilfe eines räumlichen, zeitlichen, kausalen, personalen oder motivationalen Index) die Figuren, die die jeweilige Fiktionswelt bewohnen, und die Gegenstände, die zu dieser Welt gehören, einordnen. Zubin und Hewitt schreiben: „Just as constructing a mental model of the story world involves importing world knowledge into the interpretation of fictional text, so the deictic construction of narrative is derivative of the reader’s experience of deictic centering in the here/now/I/you of the everyday world“ (ebd., S. 131). Ein Leser kann daher – wenn er Aussagen innerhalb des Textes auf das deiktische Koordinatensystem der Fikti-onswelt bezieht – auf vergleichbare Art und Weise prädiktive Schlüsse ziehen, wie innerhalb der realen Welt. Hierfür muss er jedoch die geschilderten Ereignisse konstant auf ein deik-tisches Zentrum beziehen, das nicht mit seinem eigenen übereinstimmt. Das ‚Links‘ in einer bestimmten Situation innerhalb der Fiktionswelt stimmt allerdings nicht notwendigerweise mit dem gegenwärtigen ‚links‘ der eigenen Realität überein. Das muss ein Leser bei der Interpretation einer Aussage im Text berücksichtigen. Er muss sich sozusagen in die fiktive Welt ‚hineinversetzen‘. Der Wechsel des deiktischen Bezugssystems, also dieses ‚Hinein-versetzen‘ schafft eine Ähnlichkeit der Voraussetzungen für die kognitive Informationsver-arbeitung im Rahmen realer Kontexte und im Zuge der Lektüre eines literarischen Textes, die mittels der kognitiven Modellierung von Situationen erzielt wird. Die vergleichbare Ver-arbeitung von textuell vermittelten Informationen wiederum ist eine mögliche Begründung für die subjektive Empfindung von Lesern, die in der wissenschaftlichen Literatur bereits unter den Stichworten ‚transportation‘, ‚loss of self-awareness‘, ‚flow‘ und ‚identification‘

von mehreren Seiten besprochen wurde.28

Warum ein Leser im Zuge der Textlektüre dazu angehalten ist, ‚die Perspektive zu wech-seln‘, lässt sich am besten an Hand eines Beispiels illustrieren. Die nachfolgend zitierte Pas-sage aus Virginia Woolfs Mrs. Dalloway (1925) veranschaulicht, inwiefern das subtile deik-tische Webmuster eines Textes den Leser zwingt, eine Situation aus verschiedenen Blick-richtungen oder Wahrnehmungsstandpunkten zu rekonstruieren. Sein eigener Fokus wird

28 Für eine umfassendere Zusammenfassung der verschiedenen Ansätze zur Erklärung dieses Effekts vgl. Bu-selle & Bilandzic (2008), S 260 f.

dabei durch die impliziten ‚Zeigegesten‘ der deiktischen Feinstruktur der Textpassage ge-steuert:

„Who can – what can,” asked Mrs. Dalloway (thinking it was outrageous to be interrupted at eleven o’clock on the morning of the day she was giving a party), hearing a step on the stairs. She heard a hand upon the door. She made to hide her dress, like a virgin protecting chastity, respecting privacy. Now the brass knob slipped. Now, and in came – for a single second she could not remember what he was called! So surprised she was to see him, so glad, so shy, so utterly taken aback to have Peter Walsh come to her unexpectedly in the morning! (She had not read his letter.)

„And how are you?” said Peter Walsh, positively trembling; taking both her hands; kissing both her hands. She’s grown older, he thought, sitting down. I shan’t tell her anything about it, he thought, for she’s grown older. She’s looking at me, he thought, a sudden embarrassment coming over him, though he had kissed her hands. Putting his hand into his pocket, he took out a large pocket-knife and half opened the blade.

Exactly the same, thought Clariszsa; the same queer look; the same check suit; a little out of the straight his face is, a little thinner, dryer, perhaps, but he looks awfully well, and just the same. (S. 45)29

Bei der Lektüre dieser kurzen Passage müssen Leser zunächst drei distinkte wahrnehmende Instanzen identifizieren, wobei zwei davon sowohl durch Namen als auch Personalprono-men eindeutig gekennzeichnet sind. Bei der dritten Instanz handelt es sich um die Erzäh-linstanz selbst, die sich durch den Akt des Erzählens selbst zu erkennen gibt und dem Leser vermittelt, dass Peter seine Hand in seine Tasche steckt, ein Taschenmesser herausnimmt und die Klinge zur Hälfte öffnet. Den Perspektivwechsel zwischen den beiden interagieren-den Figuren initiiert jeweils das Mentalverb ‚thought‘, ergänzt durch einen Namen oder ein Personalpronomen. Eine exakte Zeitangabe ‚eleven o’clock on the morning of the day she was giving a party‘, situiert das Geschehen im temporalen Nexus der Gesamthandlung des Werkes. Das zweifach gereihte Temporaladverb ‚now‘, sowie die parallele Syntax der Sätze:

‚She heard a hand upon the door. She made to hide her dress, like a virgin protecting chastity, respecting privacy. Now the brass knob slipped. Now the door opened […]‘ gliedern die innere zeitliche Abfolge dieser kurzen Textpassage. Um die Art der Beziehung der beiden Figuren einordnen zu können, stehen direkte Informationen über die Gefühlsreaktion des weiblichen Charakters zur Verfügung. Sie ist überrascht, erfreut, verlegen und erstaunt, zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort Peter zu sehen. Die Umbruchstelle zwischen den beiden

29 Die zitierte Ausgabe ist die Folgende: Woolf, V. (1960). Mrs. Dalloway. London: Hogart Press.

Innensichten der beteiligten Figuren ist scharf gezeichnet. Sieht der Leser die Situation zu-nächst einmal ‚durch die Augen‘ Clarissas, zwingt ihn die Deixis des Textes zum Verlagern des Fokus auf Peters Gedankenwelt. Diese Verlagerung, der so genannte Shift, wird allein durch das Mentalverb ‚thought‘, in Verbindung mit einem Namen (in diesem Fall ‚Peter‘), ausgelöst. Dabei wird eine Verlagerung der Wahrnehmungsperspektive und damit des

‚Standpunktes‘ innerhalb des deiktischen Koordinatensystems des Textes initiiert. In diesem speziellen Fall wird durch die direkte Darstellung von Gedankengängen eine Verbindung zwischen dem kognitiv generierten Blickwinkel des Lesers auf die geschilderten Ereignisse und dem textuell vermittelten Blickwinkel der Figur statt, so dass Leser – so kommt es ihm vor – die fiktive Situation aus der Perspektive der jeweiligen Figur erfassen können. Diese Strategie ist nur eins von zahlreichen denkbaren Beispielen. Im Zuge einer kognitivistischen Textanalyse ist es notwendig nach den jeweils individuellen Strukturen zu fragen, die die kognitive Rekonstruktion von Situationen, Ereignissen und Wahrnehmungsperspektiven lenken.

In den vergangenen Kapiteln ist deutlich geworden, dass Leser trotz der oberflächlichen Un-terschiede in den Informationsstrukturen und -Medien die ToM im Zuge der Textlektüre ebenso für die Interpretation des geschilderten Geschehens einsetzen können, wie im realen sozialen Kontext. Wenn Menschen zu Gunsten solcher Verstehensprozesse mentale Modelle bilden, dann entstehen vergleichbare Kognitionsbedingungen für entsprechende prädiktive oder attributive Interpretationsakte. Außerdem bilden die besonderen Mechanismen der ToM wichtige Voraussetzungen der literarischen Rezeption so wie wir sie kennen. Sie er-lauben es uns, Handlungsmotivationen zu entschlüsseln, Perspektivität an Hand von deikti-schen Hinweisen innerhalb eines Textes zu berechnen und generelle Aussageintentionen zu attribuieren. Ein möglicher Grund hierfür könnte sein, dass literarische Werke in der Regel auch von Menschen geschaffen werden, die über eine funktionierende ToM verfügen.