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Die biologischen Untersuchungen

DEUTSCHE ATLANTISCHE EXPEDITION

B. Die biologischen Untersuchungen

1. Aufgabenstellung.

Das Hauptproblem der ozeanographischen Untersuchungen, die Zirkulation, ist auch von fundamentaler Bedeutung für die biologische Forschung. Zunächst hängt von der Zirkulation die Verteilung des Sauerstoffes ab, der für das Leben der Organismen notwendig ist und durch die Vertikalbewegung der Wasser-massen auch in die großen Tiefen dringt und sie so zum Lebensraum macht.

Dann aber bedingt auch die Zirkulation die Verteilung der für die Organismen wichtigen Nährstoffe und ihre stärkere oder geringere Vermehrung und wirkt als verfrachtende Kraft nicht nur der Nährstoffe, sondern auch der kleinsten, willenlos treibenden Organismen, des Planktons selbst, das wiederum den größeren Tieren als Nahrung dient. Durch die Zirkulation werden also die wichtigen Fragen der Gruppierung der Völker kleinster Lebewesen, ihrer geographischen Verteilung und des von ihnen abhängigen Fischreichtums mit geklärt. Es handelt sich somit für den Biologen der Expedition darum, nach denselben Ge-sichtspunkten, nach denen die Ozeanographen das Zirkulationsproblem durch die chemisch-physikalischen Untersuchungen des Meerwassers erforschen, das Expe-ditionsgebiet q u a l i t a t i v und besonders q u a n t i t a t i v auf seinen Organismen-gehalt zu untersuchen. Damit war die biologische Aufgabe der Expedition auf reine Planktonuntersuchung beschränkt. Die ozeanographischen Wasserschöpf-proben bieten die beste Gelegenheit zu quantitativer Planktonuntersuchung, da in großer Anzahl und in Querschnitten zum Ozean aus den verschiedensten korrespondierenden Tiefen Wassereinheiten heraufgebracht werden, die dank dem Stande der Methodik, die von Professor L o h m a n n ausgearbeitet und auf der

„Deutschland" angewandt wurde, auf Plankton untersucht und durchgezählt werden können. Dieser Untersuchung dient in erster Linie das dichteste und zugleich kleinste Nannoplankton (Zwergplankton), da es bis in die größten Tiefen, aus denen immer nur relativ kleine Wassermengen geschöpft werden können, vorkommt.

2. Die biologischen Untersuchungsmethoden.

Das Nannoplankton, welches auch durch das feinste Netz aus Seidengaze, das an Bord dem Fang gröberen Planktons dient, nicht erfaßt werden kann, wird auf dem Wege mehrmaliger Zentrifugierung kleiner Wassermengen ge-wonnen. Von der Oberfläche und den Wasserschöpfern werden Mengen von 100 und 540 ccm aus korrespondierenden Tiefenstufen entnommen und mit drei elektrischen Zentrifugen von dem Plankton befreit, das sich in den zugespitzten unteren Enden der Zentrifugengläser ansammelt und nach Entfernen des Wassers noch im lebenden Zustande unter dem Mikroskop auf seine Organismenformen untersucht und ausgezählt wird. Außer der Auszählung der Zentrifugenproben aus den großen Wassertiefen auf Nannoplankton wird Plankton zur quantitativen Untersuchung gewonnen durch Sedimentierung in Standzylindern, aus etwa 1 bis 4 Litern Wasser. Dann werden mit einem Schlauch aus 50 und 100 m Wasser-tiefe und mit der Deckwaschpumpe von der Wasseroberfläche Mengen von je 200 Litern Wasser gepumpt und durch feine Planktongaze filtriert. Quantitative Netzfänge gröberen Planktons werden ferner aus 200 m Tiefe bis zur Oberfläche mit dem Apsteinnetz, das eine Wassersäule von bestimmtem, errechnetem Quer-schnitt filtriert, gewonnen, und mit dem Nansenschen Schließnetz werden Wasser-schichten verschiedener Tiefe, etwa von 1000 bis 700 m oder von 500 bis 200 m durchfischt, derart, daß auch diese Netzfänge noch eine gewisse quantitative

9) Vgl. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Jahrgangl926, Heft 1. A. S c h u m a c h e r ;

„Ozeanographische Sonderuntersuchungen''.

10 Die Deutsche Atlantische Expedition auf dem Vermessungs- und Forschungsschiff .,Meteor".

Ausnutzung gestatten. Die mikroskopischen Untersuchungen der Zentrifugen-proben werden unmittelbar nach jeder ozeanographischen Serie von dem Bio-logen Professor H e n t s c h e l ausgeführt, während die Planktonnetzfänge kon-serviert werden und erst in der Heimat untersucht werden sollen. Auf einer Tiefseeankerstation auf Profil I I I wurden außerdem in Abständen von 6 Stunden acht Oberflächenproben zur Untersuchung der periodischen Änderung des Plankton-bestandes an der Oberfläche geschöpft und durchgezählt. Schließlich ergänzen möglichst zweimal tägliche, quantitative Beobachtungen über das Tier- und Pflanzen-leben an der Meeresoberfläche in bestimmten Quadranten oder Streifen und während bestimmter Zeitabschnitte die biologischen Untersuchungen. Im übrigen werden vom Biologen alle bemerkenswerten Erscheinungen bezüglich des Vorkommens der Vögel, der Wale und Delphine beobachtet, auch gelegentlich gefangene Tiere, wie Schildkröten, Albatrosse, Quallen und mit dem Bodengreifer des Geologen gefaßte Bodentiere untersucht. Auf der Ausreise und den ersten vier Profilen wurden im ganzen 374 Zentrifugenproben, 127 Deckwaschpumpenfänge, 138 Schließ-netzfänge und 11 Schlauchfänge erzielt.

3. Die vorläufigen Ergebnisse.

Über die vorläufigen Ergebnisse der biologischen Untersuchungen gibt Professor H e n t s c h e l in großen Zügen das Folgende1 0): Die Ausreise nach Buenos Aires, die zur Anlage eines meteorologischen Schnittes benutzt wurde, gestattete auch täglich ohne F a h r t u n t e r b r e c h u n g Oberflächenwasserproben zu schöpfen und auf Nannoplankton zu untersuchen. Es handelt sich um ungefähr dieselbe Strecke, die seinerzeit L o h m a n n durch Planktonuntersuchung bis zu 400 m Wassertiefe erforscht hat. Trotz der Verschiedenheit der Jahreszeiten und Abweichungen im Reiseweg ist eine gute Übereinstimmung in den Ergeb-nissen beider Expeditionen festzustellen. Die Übereinstimmung in der Zusammen-setzung, Dichte und Ausdehnung der verschiedenen Völker des Planktons be-weist die ausgezeichnete Verwendbarkeit des Nannoplanktons für die biologische Forschung. Die Einflüsse des Klimas und der Strömungen, die schon von L o h m a n n nachgewiesen waren, bestätigen sich. Von großer Wichtigkeit waren die Ergebnisse auf den ersten vier Profilen aus der Untersuchung der tieferen Wasserschichten. Während bisher n u r bis zur Tiefe von 400 m Nannoplankton beobachtet worden war, wurde festgestellt, daß auch die lichtlose Tiefsee in allen Schichten noch so dicht mit Nannoplankton bevölkert ist, daß in etwa l/a Liter Wasser fast ausnahmslos noch einige Organismen zu finden sind, zum Teil ganz bestimmte charakteristische Formen. Ein Vergleich der drei ersten Profile mit-einander ergibt bezüglich des Tiefseeplanktons zwei Tatsachen: Die südlichen Profile auf 41° und i8lj20 S-Br. weisen eine reichere Besiedlung auf als das nördliche Profil auf 28° S-Br., und ein Vergleich der einzelnen Tiefenstufen von 700, 1000, 2000 und 4000 m ergibt eine stetige, anfangs schnellere, später lang-samere Abnahme der Planktondichte.

In dem Hauptbereich der Planktonentwicklung bis zu 400 m Tiefe sind folgende Hauptzüge zu erkennen: Deutlich macht sich eine zonale Verteilung derjenigen Arten, die von der wärmeren oder kälteren Wassertemperatur ab-hängig sind, in nordsüdlicher Richtung erkennbar. In der Ostwest-Verteilung macht sich in der Nähe der beiden Kontinente der Einfluß der Oberflächen-strömung geltend. Überraschend war z. B. die Tatsache, daß der Biologe an der plötzlichen, radikalen Veränderung des Planktons als erster den E i n t r i t t des Schiffes in das Gebiet des Agulhasstromes bemerkte. Auch die in dem Gebiet der Grenzwirbel auftretenden Störungen in dem chemisch-physikalischen Zustand der Wassermassen schienen sich in den Dichteverhältnissen des Planktons in den einzelnen Tiefenstufen auszudrücken. Über die Schließnetzfänge des gröberen Planktons, die konserviert wurden und erst in der Heimat untersucht werden sollen, liegen noch keine Ergebnisse vor.

10) Vgl. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Jahrgang 1926, Heft 1, E. H e n t s c h e l : „Bericht über die biologischen Arbeiten".

1. Spiess: Die Aufgaben und bisherigen Arbeiten der Expedition. 11 C. Die chemischen Untersuchungen.

1. Aufgabenstellung.

In engem Zusammenhang mit den Lebens- und Produktionsbedingungen der Lebewesen im Meere steht die räumliche Verteilung der chemischen Eigenschaften des Wassers. Außer dem Sauerstoff, der von dem Oberflächenwasser absorbiert wird und bei dessen Absinken den Tiefen Leben spendet, sind es die der E r n ä h r u n g der Organismen dienenden Stoffe, die Stickstoffverbindungen und die Phosphor-säure, dann aber die im Kreislauf des Lebens so wichtige KohlenPhosphor-säure, die in ihren Beziehungen zur Verteilung des Planktons vom Chemiker an Bord unter-sucht werden. Aber auch für die Erkenntnis des Zirkulationsproblems ist unter Umständen der Sauerstoffgehalt ein wichtiges Hilfsmittel durch Bestätigung und Ergänzung der Ergebnisse der Salzgehalts- und Temperaturmessungen, wo diese an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sind. Des weiteren stehen die Messungen der Wasserstoffionenkonzentration in Beziehung zu der Plankton-untersuchung, dann aber gestatten sie auch durch sofortige Analyse der herauf-geholten Wasserschöpfproben eine Kontrolle darüber, ob die Wasserschöpfer in den richtigen Tiefen geschlossen haben, da sich die Wasserstoffionenkonzentration für ein begrenztes Gebiet mit zunehmender Tiefe nach einer ganz bestimmten Gesetzmäßigkeit ändert. Im Zusammenhang mit den geologischen Untersuchungen steht ferner die chemische Untersuchung des Kohlensäuregleichgewichts im Meer-wasser, welches von Bedeutung ist für die Kalkauflösung und -ablagerung. Das Kohlensäuregleichgewicht wird durch den Kohlensäuredruck und die Wasserstoff-ionenkonzentration sicher und schnell bestimmt.

2. Die Arbeitsmethoden und die vorläufigen Ergebnisse.

Die Sauerstoffanalysen werden so angelegt, daß mit einem dichten Netz von Sauerstoffgehaltswerten die Konstruktion von Quer- und Längsschnitten möglich ist. Auf tiefen Stationen werden 20 Tiefenproben in folgender Anordnung unter-sucht: 0, 50, 100, 200, 400, 600, 800, 1000, 1200, 1400, 1600, 1800, 2000, 2250, 2500, 3000, 3500, 4000, 4500, 5000 m und Grundwasser. Bei Stationen, wo starke Differenzen und Sprungschichten zu erwarten sind, werden noch die Tiefen 150, 250, 300, 500, 700, 900 und 1100 m dazugenommen. Auf diese Weise wurden auf Profil I 340, auf Profil II 507, auf Profil I I I 374 und auf Profil IV 362 Sauerstoffanalysen ausgeführt und in vier Querschnitten verarbeitet. Die Sauerstoffanalysen werden nach der Methode von W i n k l e r ausgeführt.

Für die Bestimmung der Wasserstoffionenkonzentration kommen zwei Methoden in F r a g e : Die bisher angewandte kolorimetrische Methode von S ö r e n s e n und P a l i t z s c h und die noch auf den Profilen mit besserem Wetter zu erprobende elektrometrische Messung mit Hilfe der Chinhydron-Elektrode von B i i l m a n n . Die erstere ist in wenigen Minuten auszuführen und gestattet die vorerwähnte sofortige Kontrolle des richtigen Schließens der Wasserschöpfer.

Auf Stationen von großer Tiefe, 5000 bis 6000 m, entfallen auf die verschiedenen Tiefenstufen 27 Analysen, entsprechend den drei ozeanographischen Serien. Auf Profil I wurden 360, auf Profil II 600, auf Profil I I I 517 und auf Profil IV 403 Bestimmungen vorgenommen.

Die Kohlensäuredruckanalyse wird mit dem von A. K r o g h beschriebenen Apparat ausgeführt, der hier an Bord sehr gut funktioniert. Auf jeder Station werden im allgemeinen sechs bis acht Bestimmungen gemacht, deren Anordnung je nach den zu erwartenden Verhältnissen möglichst charakteristische Schichten erfassen soll.

Ferner werden gelegentlich in verschiedenen Tiefen Alkalinitätsbestimmungen nach der Methode von K j e l d a h l in der von R u p p i n angegebenen Form aus-geführt, um die Beziehungen zwischen Salzgehalt und der an Kohlensäure ge-bundenen Basenmenge, der Alkalinität, zu prüfen. Für die Bestimmung der sehr geringen Phosphorsäuremengen hat sich eine von E. G. M o b e r g geschaffene kolorimetrische Methode sehr bewährt. Auf jeder Station werden im allgemeinen Proben aus folgenden Tiefen untersucht: 0, 50, 100, 300, 500, 700, 1000, 1500,

12 Die Deutsche Atlantische Expedition auf dem Vermessungs- und Forschungsschiff „Meteor".

2000, 3000, 4000 und 5000 m. Auf Profil I wurden 110, auf Profil I I 297, auf Profil I I I 289 und auf Profil IV 249 Phosphorsäurebestimmungen ausgeführt.

F ü r die Bestimmung der Stickstoffverbindungen, die erst auf den weniger stürmischen Profilen ausführbar ist, soll eine neue Methode aus dem Labora-torium von A. K r o g h dienen1 1).

Diese vielseitigen Untersuchungen, die dem Chemiker der Expedition, Dr. W a t t e n -b e r g , der von zwei -besonders als La-boranten ausge-bildeten Vermessungsgästen unterstützt wird, obliegen, erfordern ein Laboratorium, das mit allen Hilfsmitteln eines normalen neuzeitlichen Landlaboratoriums ausgestattet ist. Diese Forderung ist auf „Meteor" trotz der sehr beschränkten Raumverhältnisse in zweckmäßiger Weise erfüllt. Dr. W a t t e n b e r g hat in seinem Bericht über die chemischen Arbeiten der Expedition in der Zeitschrift der Gesellschaft für E r d k u n d e zu Berlin1 2) einige nähere Angaben über die Einrichtung gegeben. In diesem Bericht ist auch über die vorläufigen Ergebnisse kurz das Folgende gesagt:

Die auf Grund der Sauerstoffanalysen konstruierten Querschnitte lassen ein-deutig den Antarktischen Zwischenstrom und den Atlantischen Tiefenstrom erkennen, und zwar ungefähr in denselben Tiefenstufen, welche die M e r z - W ü s t sehen Tem-p e r a t u r - u n d Salzgehaltslängsschnitte angeben. Die Maxima im Sauerstoffgehalt finden sich im Kern dieser Ströme, die Minima in der mehr oder weniger ruhenden Grenzschicht, wo keine Zufuhr sauerstoffreichen Wassers stattfindet.. Auch die Existenz der Konvergenzlinien, die aus Temperatur und Salzgehalt nicht immer deutlich zu erkennen sind, wurde aus dem Sauerstoffgehalt besonders deutlich im Süden von Kapstadt erwiesen, wo die Westwinddrift auf den Agulhasstrom auftrifft; hier läßt sich das untersinkende sauerstoffreiche Wasser bis in große Tiefen verfolgen. Desgleichen wurde auf Profil II in dem auf der Stromkarte von H a n s H. F. M e y e r hervortretenden Konvergenzgebiet Sauerstoffmaxima ge-funden, die das Minimum der ruhenden Zwischenschicht unterbrechen. Die in großen Zügen konstruierten Schnitte der Wasserstoffionenkonzentration zeigten ähnliche Gesetzmäßigkeiten, indem ein Sauerstoffmaximum einem Minimum der Wasserstoffionenkonzentration entsprach und umgekehrt. Die übrigen Faktoren bedürfen noch einer genauen Durcharbeitung zusammen mit der Ozeanographie, Biologie und Geologie, bevor etwas über die Ergebnisse gesagt werden kann.