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Bericht des Expeditionsleiters

Von F . Spieß, Fregattenkapitän und Kommandant.

Die Deutsche Atlantische Expedition verdankt ihre Entstehung und Organisation unserem in der Blüte seiner Jahre und im Zenith seines Schaffens uns durch ein tragisches Geschick zu Beginn der Reise entrissenen, bisherigen Expeditionsleiter Professor Dr. A l f r e d M e r z . In langjähriger gründlicher Vertiefung in das über den Atlan-tischen Ozean bisher vorliegende Beobachtungsmaterial hat dieser auf dem Gebiet der Meereskunde führende deutsche Forscher neue, den bisherigen Anschauungen zum Teil scharf widersprechende Auf-fassungen von der großen ozeanischen Zirkulation im Atlantischen gewonnen. Sie durch eigene Beobachtung auf einer großen meeres-kundlichen Forschungsfahrt zu prüfen, war ihm das Ziel seiner höchsten Wünsche. Jetzt war dieses Ziel erreicht; durch die Expedition des

„Meteor" konnte seine wissenschaftliche Lebensarbeit ihre Krönung und Bestätigung finden. Und nun hat auch ihm ein unerforschliches Geschick verweigert, die reifen Früchte seines Schaffens selbst zu ernten. Denn wir dürfen schon nach unseren bisher vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnissen sagen, daß M e r z mit seinen An-schauungen auf dem richtigen Wege war und daß die praktischen Be-obachtungen seine Theorien durchaus bestätigen.

Es entspricht einem Wunsche des Verstorbenen, daß, wie über die meisten großen ozeanographischen Expeditionen, auch über die Deutsche Atlantische Expedition in der Zeitschrift der Berliner Gesell-schaft für Erdkunde berichtet werden sollte, mit welcher ihn viele Bande lange Jahre hindurch verknüpften; so werden denn in gewissen Zeiträumen durch den Expeditionsleiter und die einzelnen Teilnehmer in dieser Zeitschrift Reise- und wissenschaftliche Tätigkeitsberichte erscheinen.

D i e V o r g e s c h i c h t e d e r E x p e d i t i o n .

Als im Jahre 1919 die Verschrottung des nicht im Versailler Diktat zugebilligten deutschen Kriegsschiffsmaterials bevorstand, wurde auf Anregung des damaligen hydrographischen Sektionschefs in der nauti-schen Abteilung der Admiralität, Kapitän zur See N i p p e , die Frei-gabe des Kanonenbootsneubaus „ C " zwecks Verwendung als Vmessungs- und Forschungsschiff von der Marinekontrollkommission erwirkt. Der Vorschlag, das Schiff auf eine große überseeische E x p e -dition hinauszuschicken, fand in dem damaligen Chef der Admiralität, Admiral v. T r o t h a , einen begeisterten Förderer; bot sich ihm doch so die ersehnte Gelegenheit, die Flagge der jungen Reichsmarine auf fernen Meeren zu zeigen. Unter dem Namen „Meteor", der an alte stolze Marinetradition anknüpft, wurde der nur bis zum leeren Schiffs-körper gediehene Neubau auf der Marinewerft Wilhelmshaven weiter-gebaut. Die Marineleitung forderte dann im Jahre 1920 von der

Deut-2 F. S p i e ß :

sehen Seewarte in H a m b u r g und dem Berliner Institut für Meereskunde Vorschläge und Pläne für eine größere ozeanische Expedition ein.

Professor M e r z brachte eine eingehende dreijährige Untersuchung des Pazifischen Ozeans zur Erforschung des Problems der ozeanischen Zir-kulation in Vorschlag. Obwohl die Marineleitung sich für diesen seinen Plan, der auch die Zustimmung führender wissenschaftlicher Kreise fand, entschieden hatte, scheiterte die Durchführung an der unglück-lichen Finanzlage des Reiches, die es nicht zuließ, durch Einrichtung des ,,Meteor" als Dieselmotorschiff dem Schiff den für die Durch-führung des Expeditionsplanes erforderlichen großen Fahrbereich von

12000 Seemeilen zu geben und die hohen Kosten für eine so große Reise bereitzustellen. Der Chef der Marineleitung, Admiral B e h n c k e, entschied sich daher im Jahre 1921 dafür, „Meteor" im Rahmen der ge-ringen verfügbaren Etatsmittel als Vermessungsschiff für den Dienst in den heimischen Gewässern durch die schweren Nachkriegsjahre hin-durch fertigzustellen und gleichzeitig die Einrichtungen für seine Ver-wendung als Forschungsschiff einzubauen, was sich infolge der Geldnot bis Ende 1924 hinauszog. „Meteor" erhielt eine Dampfmaschinen-anlage, die ihm bei 9 Seemeilen Geschwindigkeit in der Stunde einen Fahrbereich von 6000 Seemeilen verleihen sollte.

Auf Anregung des Präsidenten der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, Exzellenz Dr. S c h m i d t - O t t , t r a t dann Professor M e r z im Januar 1924 an die Marineleitung heran mit einem Plan für eine zweijährige atlantische Expedition, deren Durchführung innerhalb der Grenzen der Leistungsfähigkeit des Vermessungsschiffes „Meteor"

lag, und deren wissenschaftliche Ausrüstung zu finanzieren der Prä-sident der Notgemeinschaft übernommen hatte, ebenso wie die Mehr-kosten, die der Marineleitung durch die lange Forschungsreise ent-stehen würden. Die Marineleitung, die inzwischen einen Stab von im hydrographischen, meteorologischen und biologischen Dienst ausgebil-deten Offizieren sowie eine aus Vermessungspersonal bestehende Be-satzung bereitgestellt hatte, stimmte dem Vorschlag freudig zu.

D e r E x p e d i t i o n s p l a n .

Die Idee, die M e r z seinem Expeditionsplan zugrunde legte, stellt das fundamentale Problem der ozeanischen Zirkulation im Atlantischen in den Mittelpunkt aller Untersuchungen. Während für die anderen Ozeane, den Pazifischen und den Indischen, bisher so wenig hydro-graphisches Beobachtungsmaterial vorliegt, daß hier erst in großen Zügen die hydrographischen Verhältnisse aufgeklärt werden müßten, sind im Atlantischen die Grundzüge der Hydrographie durch die exten-sive Arbeit zahlreicher Expeditionen (von den neun großen ozeano-graphischen Expeditionen sind allein sieben deutsche) bekannt. Hier mußte also intensive, systematische Forschung einsetzen, um das Zirku-lationsproblem exakt zu erfassen. Bei den früheren Expeditionen konnte dieses Problem noch nicht genügend gefördert werden, weil die Beobachtungsmethoden nicht ausreichten, um die feinsten Unterschiede von Temperatur, Salzgehalt usw. mit der" Genauigkeit zu ermitteln, die erforderlich ist, um daraus die Wasserbewegung einwandfrei zu er-kennen. Auch war die Theorie der Berechnung der Wasserbewegung

Bericht des Expeditionsleiters. 3 aus Dichte und Druck damals noch nicht entwickelt. Die neuzeitlichen

Instrumente und die Beobachtungsgenauigkeit, anderseits eine weit-entwickelte Theorie gestatten heute eine genaue Messung der er-wähnten Elemente und ermöglichen auch auf rechnerischem Wege die Erkenntnis der Zirkulation in allen Einzelheiten, wenn nur genügend exaktes Beobachtungsmaterial vorliegt. Schließlich hatten die früheren Expeditionen, welche in der Regel den Atlantischen in Nord-Süd-schnitten durchfuhren, im wesentlichen nur Material zur Erfassung der meridionalen Komponenten der Zirkulation beigebracht. Die räum-liche Erfassung dieser Probleme erforderte nunmehr engabständige Querprofile in West-Ostrichtung.

Der Plan sieht daher die systematische Bearbeitung des Atlan-tischen Ozeans von 20 Grad nördlicher Breite bis zur antarkAtlan-tischen Eis-grenze vor, während er den bereits gut erforschten nördlichen Atlan-tischen freiläßt. Bei einem Reisewege von 64 000 Seemeilen sind auf 14 in engen Abständen quer über den Atlantischen gelegten Profilen in enger Folge im ganzen etwa 360 Beobachtungsstationen vorgesehen, auf denen in allen Schichten von der Oberfläche bis zum Meeresboden im ganzen etwa 7000 Messungen von Temperatur und Salzgehalt vor-genommen werden sollen- Die Stationen sind so angeordnet, daß sorg-fältig alle schon vorliegenden Beobachtungen und die topographischen Verhältnisse des Meeresbodens, welche die Zirkulation wesentlich beeinflussen, berücksichtigt wurden (siehe Abbild. 1).

Ein so engmaschiges Stationsnetz gestattet neben der Erfassung des Zirkulationsproblems auch die Klärung der Probleme des gesamten Wasser- und Wärmehaushalts, der Chemie, der Biologie und der Geo-logie des Atlantischen Ozeans, die in enger Beziehung zueinander stehen. Im Gegensatz zu den bei den bisherigen Expeditionen vor-wiegenden chemischen Untersuchungen auf Sauerstoffgehalt des Meeres beabsichtigte M e r z auf Grund seines langjährigen Zusammen-arbeitens mit Hydrobiologen die Verteilung der für die Organismen wichtigsten Nährstoffe durch chemische Untersuchungen festzustellen, denn er hoffte aus der Zirkulation des Meerwassers als verfrachtender Kraft und der Verteilung der Nährstoffe als einer Ursache für geringere oder stärkere Vermehrung die für den Biologen wichtigen Faktoren zu finden, die für die geographische Verteilung der Organismen von aus-schlaggebender Bedeutung sind.

Da mit jeder Beobachtungsstation eine Lotung und das Herauf-holen einer Bodenprobe verknüpft werden kann, wird dadurch nicht nur ein genaues Bild des Bodenreliefs gewonnen, das noch vervollständigt und verfeinert wird durch die dem Schiff mitzugebenden akustischen Lotapparate, sondern auch der Bodenbedeckung des Ozeans. Somit kann auch für die Morphologie und Geologie des Atlantischen reiches Material beschafft werden.

Mit den hydrographisch-physikalischen lassen sich eingehende meteorologische Beobachtungen nicht nur an der Meeresoberfläche, son-dern auch in den höheren Luftschichten verbinden. Hier kann von der Expedition Grundlegendes geleistet werden, da von der Aerologie des ganzen Gebietes wenig bekannt ist.

F. S p i e ß :

Der Aufgabenkreis, der später noch erweitert und ausgebaut wurde, verlangte die Einschiffung eines großen wissenschaftlichen Stabes von 4 Ozeanographen, 2 Meteorologen, 1 Biologen, 1 Geologen und 1 Chemiker, während die Offiziere des Schiffes die von der Marine beabsichtigten topographischen Aufnahmen des Meeresbodens, erdmagnetische Messungen und andere Untersuchungen anstellen sollten. Die endgültige Zusammensetzung und die Arbeitsteilung des wissenschaftlichen und militärischen Stabes ist folgende:

Wissenschaftlicher Stab des Forschungsschiffes „Meteor".

2 wird für die Profile

IX bis XIV a b bis Anfang Juni 1925.

Nach Prof. Merz' E r k r a n -k u n g Ozeanographische Leitung.

Drahtlotungen u n d Meeres-sedimente.

Gasgehalt u n d Nährstoffe des Meeres. Ma-schinen u n d Instrumente.

Bericht des Expeditionsleiters.

Militärischer Stab des Forschungsschiffes „Meteor".

•z,

Ferner: i Laborant für Geologie.

Die Besatzung beträgt g Offiziere, 9 Wissenschaftler, 1 Deck-offizier, 6 Feldwebel, 23 Unteroffiziere, 79 Mannschaften. 6 Zivil-angestellte, im ganzen 133 Köpfe.

Unter dem Vorsitz des Präsidenten der Notgemeinschaft trat sofort eine Kommission für die Deutsche Atlantische Expedition zu-sammen, der angehörten: Professor Dr. M e r z , der Direktor des In-stituts für Meereskunde, der Präsident der deutschen Seewarte Geheim-rat C a p e 11 e , der Direktor des Aeronautischen Observatoriums Lindenberg Geheimrat H e r g e s e l l , der Direktor des Zoologischen

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Staatsmuseums in Hamburg Professor L o h m a n n , der Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für physikalische und Elektrochemie Geheim-rat H a b e r und die Marineleitung durch die Dezernenten in der Nau-tischen Abteilung, Professor W e d e m e y e r und Fregattenkapitän S p i e ß , später Korvettenkapitän C o n r a d . Die Kommission traf die Auswahl der wissenschaftlichen Expeditionsteilnehmer und beriet die Vorbereitung und Durchführung der Expedition im einzelnen. Der Expeditionsplan wurde zum erstenmal dem Vorstand des Deutschen Naturforschertages zu Innsbruck bekanntgegeben und fand begeisterte Zustimmung.

D i e V o r b e r e i t u n g d e r E x p e d i t i o n .

Die wissenschaftliche und instrumentelle Vorbereitung der Expe-dition reicht weit zurück und war bei der Finanznot der Nachkriegs-jahre besonders schwierig. Seit dem ersten Entschluß zu einer großen Forschungsreise im Jahre 1920 haben Marineleitung und Institut für Meereskunde gemeinsam an den Vorbereitungen gearbeitet. Die all-mähliche Beschaffung von Beobachtungsinstrumenten und Maschinen und deren höchste Vervollkommnung auf Grund eigener Versuche und der neuesten Erfahrungen fremder Expeditionen, die theoretischen Vor-arbeiten des Instituts für Meereskunde, wie Reduzierung, karto-graphische und kartothekische Ordnung aller bisher vorliegenden hydro-graphischen Beobachtungen, die Zeichnung von Strömungskarten, Salz-gehalts- und Temperaturschnitten der verschiedenen Ozeane schufen eine außerordentlich wertvolle Grundlage, auf der dann im Jahre 1924 die spezielle Vorbereitung der Atlantischen Expedition, nachdem diese beschlossene Sache war, einsetzen konnte. Und hier hat nun M e r z in dem einen Jahr, das ihm zur Verfügung stand, mit den Assistenten seines Instituts wahrhaft Vorbildliches geleistet. Man darf sagen, daß wohl noch niemals eine ozeanographische Expedition so bis ins kleinste vorbereitet und durchdacht hinausgegangen ist. Und wenn die Arbeiten der Expedition bisher trotz dem unersetzlichen Verlust, den der Tod des wissenschaftlichen Leiters für das Unternehmen bedeutet, so gut vorwärtsschreiten, so liegt das an der organisatorisch großartigen und weitschauenden Arbeit, die M e r z in die Vorbereitungen gesteckt hat. Während über die Vorarbeiten auf den einzelnen wissenschaft-lichen Gebieten die Berichterstatter selbst zu Worte kommen sollen, möge im folgenden einiges über die instrumentelle Ausrüstung und die Einrichtungen des „Meteor" gesagt sein, an denen der Verfasser, seit Ende 1919 Dezernent in der Nautischen Abteilung der Marineleitung, mitgewirkt hat.

D a s E x p e d i t i o n s s c h i f f u n d s e i n e E i n r i c h t u n g e n . Das Kanonenboot „ C " gehört dem vor dem Kriege in unseren Kolonien erfolgreich verwendeten T y p von Stationären an und zeigte sich in seinen Abmessungen (1300 t Deplacement, 75 m Länge, 4 m Tiefgang) und seinen Seeeigenschaften für die Verwendung als Über-seeforschungsschiff geeignet. U m den verlangten Fahrbereich von 6000 Seemeilen zu erreichen, mußte die Hälfte der vier Wasserrohr-kessel fortfallen und Raum für einen großen Kohlenbunker geschaffen

Bericht des Expeditionsleiters. 7 werden, der das Gesamtfassungsvermögen auf 400 t erhöhte, und die

Maschinenanlage (2 Dreizylinderkolbenmaschinen) mußte für eine öko-nomische Marschleistung von 9 Seemeilen die Stunde eingerichtet werden. Zur Gewinnung des Raumes für ein wissenschaftliches Labo-ratorium, einen Zeichenraum und für die 9 Wohnkammern des wissen-schaftlichen Stabes wurde das offene Mitteldeck zwischen Back und Schanze, das beim Kanonenbootstyp zur Aufstellung der Seiten-geschütze diente, als Wohndeck ausgebaut. Das jetzt glatt durch-geführte Oberdeck dient für die Aufstellung von 3 Motorbeibooten, 4 Lotmaschinen, 1 Drachenwinde, der Tiefseeankereinrichtung usw.

Das neuzeitlich und nach den Wünschen der einzelnen Wissenschaftler eingerichtete Laboratorium enthält die Arbeitsplätze für den Chemiker, Biologen, Geologen und zwei Laboranten. Ein chemischer Herd mit Abzug für giftige Gase, See- und Frischwasserleitung sowie elektrische Stromleitung an jedem Arbeitsplatz, Taglampenbeleuchtung, drei elek-trische Zentrifugen und Mikroskope für die Untersuchung des See-wassers auf Zwergplankton, Apparate für alle Arten der chemischen Gasanalysen, geologische Schlämmapparate, ein Polarisationsmikro-skop, mehrere Chemikalienschränke, Gestelle und Behälter für Büretten,

Gläser aller Art, ein Abstelltisch usw. bilden die Einrichtung des bis zum letzten Winkel ausgenutzten Laboratoriums. In dem anschließenden Zeichenraum sind die Arbeitsplätze für zwei Ozeanographen und einen Laboranten zum Titrieren der Wasserproben, ein Platz für Arbeiten an den meteorologischen Instrumenten und ein Zeichen- und Rechen-tisch für die kartographischen und Reduzierungsarbeiten. Hier sind auch die Fernregistrieranemometer, ein Fernluft- und ein Fernwasser-thermometer sowie das umfangreiche Kartenmaterial, die Kartothek und die wissenschaftliche Expeditionsbibliothek untergebracht. Eine photographische Dunkelkammer im Wohndeck enthält Einrichtungen für die Entwicklung kinematographischer Filme, die von der gesamten Reise, u. a. auch mit Zeitlupe von dem Flug der großen Seevögel zum Studium des Segelfluges, gemacht werden. Ein stereophotographischer Wellenaufnahmeapparat dient dem Studium der Meereswellen. Außer einer Maschinenwerkstatt für größere Reparaturen wurde noch eine Feinmechanikerwerkstatt eingerichtet.

Da neben der indirekten Ermittlung der Wasserbewegungen aus Temperatur und Salzgehalt noch zur Kontrolle direkte Strommessungen in allen Meerestiefen vorgenomen werden sollten, mußte das Schiff eine Einrichtung erhalten, die ihm die Möglichkeit, auf allen vorkommenden Wassertiefen zu ankern, und damit die Sicherheit einwandfreier Strommessung verlieh. Die Tiefseeankereinrichtung, die von der Marinewerft Wilhelmshaven zum erstenmal durchkonstruiert wurde, besteht aus einer 7500 m langen, entsprechend der mit der Wassertiefe zunehmenden Belastung, konischen, drallfrei angefertigten Trosse, einer mit Dampfmaschine getriebenen Trossenrolle zum Aufwickeln, einer Verstärkung der Leistung der bisherigen Ankerlichtmaschine, einer Klemmbackenbremse zum Abstoppen der Trosse, einem Dynamo-meter zum Messen des Zuges, einer Trossenrolle am Bug des Schiffes und einem verhältnismäßig kleinen und leichten, gewöhnlichen Stock-anker. F ü r die ozeanographischen Serienmessungen mit

Wasser-8 F. S p i e ß :

Schöpfern und Kippthermometern sowie für Strommessungen dienen zwei große Heißtrommeln mit je 8000 m 4 mm-Aluminiumbronzelitze, die so stark gebaut sind, daß das gleichzeitige Herablassen von je 10 Wasserschöpfern mit Kippthermometern bis zu den größten Tiefen möglich ist. Den Antrieb für das Heraufholen liefert eine sehr fein arbeitende elektrische Maschine, welche die Einholgeschwindigkeit auf das genaueste regulieren läßt. F ü r biologische Netzfänge und für Strommessungen dient eine auf dem Achterdeck stehende große Lukas-maschine, die mit etwa 5000 m Aluminiumbronzelitze bewickelt ist und ebenfalls mit Elektromotor betrieben wird. Eine ebensolche Maschine, mit 10 000 m Klavierseitendraht bespannt, steht auf der Back und dient für Drahtlotung und das Heraufholen von Bodenproben mittels greiferartiger Grundzangen und schwerer Stoßröhren, die sich in den Boden einrammen und im Gegensatz zu früheren Lotröhren m i t dem Sinkgewicht heraufgeholt werden. Sie bringen in ihrem Innern in einer Glasröhre die Probe des Meeresbodens herauf. In einem beson-deren Raum unter der Kommandobrücke sind die akustischen Lot-anlagen untergebracht, über deren Wirkungsweise und bisherige Er-gebnisse an anderer Stelle ausführlich berichtet wird.

Die meteorologische Ausrüstung besteht aus einer elektromotorisch betriebenen Drachenwinde, einer großen Anzahl von Kastendrachen, Wasserstoffgasflaschen für Pilot- und Registrierballons, Entfernungs-meßgeräten und Spiegeltheodolit für deren Höhen- und Azimut-messung und einem 8,8 cm-Windschießgerät, mit dem Sprengwolken-messungen bis zu 7000 m Höhe zur Windbestimmung vorgenommen werden können. Eine meteorologische Station erster Ordnung befindet sich an Bord und dient dem täglichen Beobachtungsdienst, dazu kommen Regenmesser, Verdunstungsmesser und Strahlungsmesser

ver-schiedener Konstruktionen.

I n d i e n s t s t e l l u n g u n d P r o b e f a h r t e n d e s „M e t e o r".

Am 15. November 1924 stellte ich auf der Marinewerft Wilhelms-haven „Meteor" in Dienst und ließ zum erstenmal Flagge und Wimpel heißen. Die Maschinenerprobungen, Meilenfahrten an der Eckernförder Meile, Versuche mit den akustischen Loten in der tiefen Rinne am Skagerrak, Eichung der Funkpeilanlage und der Einbau der wissen-schaftlichen Maschinen, die Einrichtung des Laboratoriums erstreckten sich trotz angestrengter Arbeit bis Januar 1925. Nur durch die hervor-ragende und schnelle Arbeit der Marinewerft Wilhelmshaven sowie der Besatzung des Schiffes an der Ausrüstung und Instandsetzung gelang es, vor Antritt der eigentlichen Forschungsreise die Zeit für eine Vor-expedition zu gewinnen, auf der alle Maschinen und Instrumente sowie die Maschinenanlage und die Seeeigenschaften des Schiffes erprobt werden sollten und sich der wissenschaftliche Beobachtungsdienst ein-spielen konnte. Wie außerordentlich wichtig die Erprobungsreise war, sollte sich später herausstellen. Erfahrungsgemäß haben viele Expedi-tionen ohne eine systematische Erprobung des Schiffes und seiner Ein-richtungen schwere Verluste an Instrumenten, Geld und Zeit zu ver-zeichnen gehabt, ein Fehler, den wir nicht wiederholen wollten. U m die etwa gleichen Verhältnisse wie auf der Hauptexpedition anzutreffen,

Bericht des Expeditionsleiters. 9 wurde ein Arbeitsgebiet mit ähnlichen geographischen (Tiefen- und

Bodensedimente) und klimatischen Verhältnissen, und zwar der Nord-atlantische in niederen Breiten, gewählt. Dabei war beabsichtigt, soweit es die im Winter ungünstigen Witterungsverhältnissej nötig machen, nach Süden vorzustoßen. Als Stützpunkte waren die Azoren oder, falls dort stürmisches Wetter wäre, Teneriffa und Madeira gewählt. Als Gast auf unserer Vorexpedition durften wir H e r r n Professor W a 1 f r i d E k m a n begrüßen, den bekannten Ozeanographien und Erfinder von auch von uns benutzten Wasserschöpfern und Strommessern.

D i e V o r e x p e d i t i o n n a c h T e n e r i f f a u n d M a d e i r a . Bei dem Auslaufen am 20. Januar hatten sich zum Abschied der Stationschef der Nordseestation, Vizeadmiral B a u e r , sowie Ab-ordnungen der Marine eingefunden. Auf der Jade wurden die Magnet-kompasse und die Kreiselkompaßanlage kompensiert und das Geschütz angeschossen. Noch während der F a h r t zum Kanal, den wir in dichtem Nebel ansteuerten, wurden die zuletzt noch an Bord gebrachten wissen-schaftlichen Instrumente und Ausrüstungsgegenstände sachgemäß ver-staut. Ein unbedeutender Brand im Laboratorium, infolge un-genügender Isolierung des stark überhitzten Schornsteinmantels wurde schnell bekämpft. Bei aufklarendem W e t t e r passierten wir die belebte Enge von Dover, die Kreideklippen bei Beachyhead und die Insel Wight.

Im westlichen Kanal steuerten wir bei frischen Winden aus Südwest auf die Insel Ouessant zu, wo der erste meteorologische Drachenaufstieg stattfand und photographische Vertonungen der Insel mit ihren Leucht-türmen und Landmarken für das Seehandbuch aufgenommen wurden.

Von der Kanalschwelle ab wurde auf tiefem Wasser mit der syste-matischen Erprobung der Echolotanlagen und der Ausbildung des Bedienungspersonals begonnen.

I n der Biskaya wurde ein Luftdruckhoch angetroffen und trotz der winterlichen, im allgemeinen stürmischen Jahreszeit schwache Winde.

Bei wolkenlosem Himmel konnten wir am 24. Januar nachmittags den interessanten Anblick einer schönen, partiellen Sonnenfinsternis beobachten, es sollte der T a g der letzten Geburtstagsfeier unseres E x p e -ditionsleiters sein. Auf flachem Wasser unter Land wurden dann alle Lotmaschinen der Reihe nach erprobt, wobei sich an den elektrischen Maschinen, Schaltungen, Zählwerken Mängel herausstellten, die durch einen von der liefernden Firma auf die Reise mitgegebenen Monteur gleich untersucht werden konnten. In der Nähe von K a p Finisterre wurden nach dessen Landobjekten Entfernungsmeßübungen vor-genommen. An dieser Wendemarke des Weltverkehrs zählten wir gleichzeitig bis zu 12 Dampfer. Abends beobachteten wir an einem klaren Sternenhimmel ein besonders schönes Zodiakallicht, eine in der Richtung des Himmelsäquators aufsteigende Lichtpyramide, die an Breite und Helligkeit die Milchstraße übertraf, so daß schwächere Sterne darin verschwanden. Weiter südwestlich, etwa in der Breite von Lissabon, wurde auf 4700 m Wasser der erste Tiefseeankerversuch gemacht sowie Serien- und Strommessungen und biologische Netzfänge vorgenommen. Auf dieser großen Tiefe zeigten sich abermals

Bei wolkenlosem Himmel konnten wir am 24. Januar nachmittags den interessanten Anblick einer schönen, partiellen Sonnenfinsternis beobachten, es sollte der T a g der letzten Geburtstagsfeier unseres E x p e -ditionsleiters sein. Auf flachem Wasser unter Land wurden dann alle Lotmaschinen der Reihe nach erprobt, wobei sich an den elektrischen Maschinen, Schaltungen, Zählwerken Mängel herausstellten, die durch einen von der liefernden Firma auf die Reise mitgegebenen Monteur gleich untersucht werden konnten. In der Nähe von K a p Finisterre wurden nach dessen Landobjekten Entfernungsmeßübungen vor-genommen. An dieser Wendemarke des Weltverkehrs zählten wir gleichzeitig bis zu 12 Dampfer. Abends beobachteten wir an einem klaren Sternenhimmel ein besonders schönes Zodiakallicht, eine in der Richtung des Himmelsäquators aufsteigende Lichtpyramide, die an Breite und Helligkeit die Milchstraße übertraf, so daß schwächere Sterne darin verschwanden. Weiter südwestlich, etwa in der Breite von Lissabon, wurde auf 4700 m Wasser der erste Tiefseeankerversuch gemacht sowie Serien- und Strommessungen und biologische Netzfänge vorgenommen. Auf dieser großen Tiefe zeigten sich abermals