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Bericht über die biologischen Arbeiten

Von E. Hentschel.

Der Grundgedanke für die biologischen Arbeiten der Expedition ist der, im engsten Anschluß an die ozeanographischen Untersuchungen das Expeditionsgebiet nach seinem Organismengehalt qualitativ und besonders quantitativ zu beschreiben, und soweit möglich aus den P r o -duktionsbedingungen die Dichteverteilung der Pflanzen und Tiere verständlich zu machen. Dies Ziel kann nur durch P l a n k t o n u n t e r -s u c h u n g e n erreicht werden. Für den Biologen i-st die Expedition

daher in der Hauptsache eine Planktonexpedition. D a nun der gegen-wärtige Stand der Planktonmethodik nur dann befriedigende quanti-tative Ergebnisse zu erzielen gestattet, wenn Wassermengen aus ganz

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bestimmten Tiefen an Bord gefördert und erst dort von ihrem Plankton befreit werden, da ferner aus großen Tiefen immer nur geringe Wasser-mengen zu gewinnen sind, so mußte ganz vorwiegend das dichteste und zugleich kleinste Plankton, das Nannoplankton (Zwergplankton), zur Untersuchung kommen. E s ist daher zunächst die Hauptaufgabe, die von H . L o h m a n n ausgearbeitete und auf der „Deutschland"-Expe-dition 1911 während der Reise vom Kanal bis Buenos Aires auf Tiefen von o bis 400 m angewandte Methodik für den ganzen Südatlantischen Ozean und für alle Tiefen nutzbar zu machen.

Demgemäß ist unter den biologischen M e t h o d e n die wichtigste die der Zentrifugierung kleiner Wassermengen, zwischen 100 und 540 ccm, und sofortiger Zählung der darin enthaltenen Organismen in lebendem oder wenigstens frischem Zustande. Für diese Untersuchungen stehen drei Zentrifugen zur Verfügung, jede für 6 Gläser von 30 ccm Inhalt Raum bietend. Das im zugespitzten Unterende der Gläser sich ansammelnde Plankton wird aus sämtlichen Gläsern in eins übertragen und nochmals zentrifugiert, um dann auf einen Objektträger gebracht und unter dem Mikroskop durchgezählt zu werden.

Weiteres quantitatives Material wird gewonnen durch Sedimen-tierung aus J 1 Wasser in Standzylindern, durch Fänge aus 50 und 100 m Tiefe mit Pumpe und Schlauch und durch entsprechende Fänge von der Oberfläche mittels der Deckwaschpumpe des Schiffes, wobei jeweils 200 1 Wasser gefördert und durch feinste Planktongaze filtriert werden. Quantitative Netzfänge mit dem mittleren Apsteinnetz aus Wassersäulen von 200 m Länge sind in Aussicht genommen, doch noch wenig ausgeführt. Qualitative Netzfänge werden regelmäßig mit dem Nansenschen Schließnetz ausgeführt, möglichst so, daß auch dies Ma-terial noch einigermaßen quantitative Ausnutzung gestattet. Die Ar-beiten mit Netzen liegen in der Hauptsache in den Händen des zur Unterstützung des Biologen besonders ausgebildeten Stabsarztes Herrn Dr. Karl K r a f t . Ergänzt werden diese Fänge durch regelmäßige, nach Möglichkeit auch quantitative Beobachtungen über das Tier- und Pflanzenleben der Meeresoberfläche.

Während der A u s r e i s e des „Meteor" wurden täglich Wasser-proben von der Meeresoberfläche mittels der Zentrifuge bearbeitet.

Diese Untersuchungen hatten deswegen besondere Bedeutung, weil der W e g vom Kanal nach Buenos Aires auch von der „Deutschland" durch-fahren worden ist. Allerdings weichen die Reisewege beider Schiffe nicht unwesentlich voneinander ab, und die Jahreszeiten der Unter-suchung waren ganz verschiedene. Trotzdem war ein weitgehendes Zusammenstimmen der Ergebnisse beider Expeditionen zu vermuten, wie es sich auch in der T a t erwiesen hat. Die nicht unwesentlichen Unterschiede, welche anderseits bestehen, können, wie zu erwarten, einstweilen nur unvollkommen erklärt werden, um so mehr, da sich unsere Untersuchungen auf die Oberfläche beschränken mußten. Das Vorkommen oder Fehlen, das Vorherrschen oder Zurücktreten der wichtigsten Planktonten, die Zusammensetzung der Lebensgemein-schaften, die Standorte der „Völker" des Planktons im Ozean, ihre Ausdehnung, die Dichte der Bevölkerung längs des Reiseweges ließen beim Vergleich der beiden Expeditionen keinen Zweifel über die

vor-Bericht über die biologischen Arbeiten. 5 1 treffliche biogeographische Verwertbarkeit des Nannoplanktons. Das

Vorhandensein einer klimatisch bedingten zonalen Verteilung, die gliedernde Wirkung der Strömungen und daneben doch wieder die Selbständigkeit der Völker gegenüber jenen Faktorenkomplexen, Dinge, die L e h m a n n bereits deutlich nachgewiesen hatte, traten gut hervor. Anzeichen einer Periodizität im Ablauf des Planktonlebens schienen vorhanden zu sein.

Eine zweite und zunächst vielleicht die interessanteste Gruppe von Ergebnissen wurde auf den ersten drei Profilen aus der Untersuchung der t i e f e r e n W a s s e r s c h i c h t e n erzielt. Auf der „Deutsch-land"-Expedition waren im allgemeinen, wie gesagt, nur die Tiefen bis zu 400 m bearbeitet worden. Die lichtlose Tiefsee war zum Beginn unserer Expedition für die quantitative Planktonforschung im vollen Sinne des Wortes mare incognitum. Wir haben nun festgestellt, daß im Bereich unserer drei ersten Profile das Wasser in allen Tiefen noch so dicht mit Nannoplankton bevölkert ist, daß in wenig mehr als einem halben Liter (540 cem) Wasser fast ausnahmslos noch einige Organis-men zu finden sind. Dies Tiefenplankton stellt sich nicht nur als ein verarmtes Öberschichtenplankton dar, sondern ist einigermaßen charak-teristisch. Es setzt sich aus Formen zusammen, von denen eine Anzahl ihr Hauptentwicklungsgebiet in der Tiefsee hat, wenn nicht gar auf sie beschränkt ist. Die Arten der Flagellatengattung R h y n c h o -m o n a s z. B. sind sehr bezeichnend dafür. Höchst be-merkenswert ist das regelmäßige Vorkommen olivgrüner Zellen, die augenscheinlich zu den Chroococcaceen gehören.

Wieweit die immer nur niedrigen, aber doch recht wechselnden Zahlenwerte aus diesen Tiefenproben im einzelnen charakteristisch sind, läßt sich einstweilen nicht übersehen. Vorläufige zusammenfassende Berechnungen lassen jedoch zwei Tatsachen deutlich erkennen: Daß die Breiten der beiden südlicheren Profile I und I I I (41 Grad und 48% Grad südlicher Breite) reicher besiedelt sind, als die des nördlich-sten Profils (II, 28 bis 30 Grad südlicher Breite), und daß bei einem Vergleich der Tiefenstufen 700 m, 1000 m, 2000 m und etwa 4000 m noch eine stetige, anfangs schnellere, später langsamere Abnahme der Planktondichte stattfindet.

Im Hauptbereich der Planktonentwicklung, den o b e r e n 400 m W a s s e r , ist das Plankton zu dicht und mannigfaltig, als daß schon an Bord des „Meteor" eine eingehende Auswertung der Zählprotokolle möglich wäre. E s seien nur wenige Plauptcharakterzüge der drei Pro-file hervorgehoben.

Wie zu erwarten, macht sich die zonale Verteilung des Planktons hier sehr deutlich in vielen Einzelheiten kenntlich. Die für das W a r m -wasser bezeichnenden Kokkolithophoriden beherrschen das nördlichste Profil, sind dagegen auf dem südlichsten gewöhnlich nur durch eine Art ( P o n t o s p h a e r a H u x l e y i ) vertreten. Nicht ganz so auf-fallend tritt das Vorherrschen der Diatomeen auf dem südlichsten Profil hervor. Die Bevölkerung des Zwischengebietes hat vielleicht mehr den Charakter eines Zwischenplanktons als den eines bloßen Mischplanktons.

Mit diesen Eigentümlichkeiten der Nordsüdverteilung durch-kreuzen sich solche der Ostwestverteilung. Daß in der Nähe der beiden

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Kontinente andere und zum Teil charakteristischere PlanktonverhäIt<-nisse bestehen als in der Mitte des Ozeans, war nach dem Verlauf der Gberflächenströmungen zu erwarten. Merkwürdig ist, daß dem einheit-lichen Mittelteil des Ozeans im Bereich der Westwinddrift nicht ein gleichförmiges Plankton entspricht. Am auffallendsten und schon qualitativ kommt das darin zum Ausdruck, daß auf dem Profil I einmal (Stat. 10) die Warmwasseralge T r i c h o d e s m i u m , auf dem süd-licheren Profil I I I die Kaltwasserdiatomee C o r e t h r o n V a l d i v i a e an mehreren Stationen unter allmählichem An- und Abschwellen auf-trat. Überraschend war die plötzliche radikale Veränderung des Plank-tons bei der Annäherung an den Agulhasstrom auf Profil I I I . In der unmittelbaren Mähe der Küsten zeigten sich naturgemäß die Einflüsse der geringen Wasser tiefe.

Eine kleine, für die Methodik wichtige Sonderuntersuchung wurde auf der Ankerstation (Stat. 36) ausgeführt, indem in Abständen von 6 Stunden im ganzen acht Überflächenproben entnommen und durch-gezählt wurden.

Über die zahlreichen S c h l i e ß n e t z f ä n g e und die übrigen Fänge mit Netzen kann einstweilen nichts Wesentliches gesagt werden.

Ihre genauere Durcharbeitung wird erst nach der Heimkehr stattfinden.

Von Schließnetzfängen aus mehr als 1100 m Tiefe konnten teils wegen der Witterung (Profil 1 und I I ) , teils wegen der beschränkten Zeit (Profil I I I ) bisher nur wenige ausgeführt werden.

Die Beobachtung der M e e r e s o b e r f l ä c h e und der darüber schwebenden V ö g e l wurde gewöhnlich auch quantitativ ausgeführt.

Die auf den drei Profilen fast immer vorhandenen, meist zahlreichen Vögel wurden für den „hinteren Backbordquadranten" oder die beiden hinteren Quadranten der Meeresfläche möglichst zweimal täglich wäh-rend der F a h r t gezählt. Die Zählung der treibenden und schwimmenden Organismen der Oberfläche fand in der Weise statt, daß der Beobachter, vorn auf der Back stehend, die Unterenden der beiden vordersten Ree-lingsstützen im Auge behielt und während einer Viertelstunde Fahrt den durch die Fortbewegung dieser beiden Punkte abgegrenzten Streifen absuchte. Im übrigen wurde bei jeder bemerkenswerten Erscheinung von Tieren oder Pflanzen der Biologe von dem wachhabenden Offizier benachrichtigt. — E s sei hier ein kurzer Auszug aus den Beobachtungen nebst einigen Mitteilungen über besonders bemerkenswerte bio-graphische Züge der Landungsplätze usw. gegeben.

Nördlich der Kap Verden traten seit dem 26. 4. Blasenquallen (P h y s a 1 i a) auf, die bei der Probestation sehr zahlreich waren, und begleiteten uns bis zu den Inseln, fliegende Fische wurden zuerst am 28. 4., d. h. nahe bei den Kap Verden, beobachtet. Vom 6. 5. bis 15. 5.

waren sie regelmäßig vorhanden. Die Insel St. Vincent zeigt floristisch und faunistisch den Charakter einer Wüste, aus der sich inselartig der Monte Verde mit reichem Pfianzenleben seines von feuchten Winden Und Wolken umzogenen Gipfels erhebt. Das Vogelleben war schon nördlich der Inseln arm geworden. Bei den St. Pauls-Klippen erschienen Tölpel und Tölpelseeschwalben, die dort nisten. Der pflanzenlose, glühend heiße Felsboden der Klippen ist mit Landkrabben übersät. Bei Fernando Noronha waren besonders Fregattvögel und Tropikvögel

Bericht über die biologischen Arbeiten. 5 3 charakteristische Erscheinungen. Am 18. 5. traten wir in das große

Südatlantische Sturmvogelgebiet ein. Der erste Albatros erschien am 19., die erste Kaptaube am 20., der erste „Stinker" (M a j a q u e u s) am 22. 5. zugleich mit der Dominikanermöve. Im Mündungsgebiet des Rio de la Plata wurden als Vorläufer eines südlicheren Faunengebiets See-löwen (O t a r i a) beobachtet.

Auf dem ersten Profil waren Sturmvögel, zumal Kaptauben und die verschiedenen Albatrosarten, immer häufig. Die Verbreitung der treibenden Riesentange konnte stürmischen Wetters und der Plankton-arbeiten wegen nur unvollständig beobachtet werden. Am 12. 7. kam ein vereinzelter Buckelwal zu Gesicht, während gewisse kleine, den Schwertwalen ähnliche, doch deutlich davon unterschiedene Wale seit Station 5 mehrfach in Scharen vorkamen.

Auf Profil I I waren die Sturmvögel in der Hauptsache die gleichen wie auf I und I I I , doch nicht ganz so zahlreich. Dagegen waren Wale häufiger. So wurden am 28. 7. echte Schwertwale, seit dem 6. 8. mehr-fach Buckelwale, seit dem 20. 8. zweimal Finnwale beobachtet. Blasen-quallen (P h y s a 1 i a) traten vom 8 . 8 . bis 19.8. wieder in einem zu-sammenhängenden Bestände auf. — Die Gegend der Insel Sta. Catha-rina wird biogeographisch treffend durch die Tatsache charakterisiert, daß bis hier von Norden Mangroven herabgehen, während von Süden Pinguine heraufkommen. Zwischen Florianopolis und der Mündung des Rio de la Plata wurde am 4. 9. und 5. 9. eine ausgedehnte Wasserver-färbung durch Leuchttierchen (N o c t i 1 u c a) und anderes Plankton genauer studiert.

Ein Ausflug von Buenos Aires in die Sierra de la Ventana gab, ab-gesehen von Beobachtungen über die Tierwelt der Pampa, Gelegenheit zum Anlegen einer kleinen Tiersammlung, die vielleicht wegen der inselartigen Lage dieses Gebirges in der großen Ebene Interesse hat. — Die Falkland-lnseln, biologisch in vieler Hinsicht interessant, boten in den Wäldern von Rieseutangen um ihre Küsten eine jener ein-förmigen Massenerscheinungen des Lebens, wie sie für kalte Meere so bezeichnend sind. — Das dritte Profil ähnelte in allen erwähnten Zügen dem ersten durchaus. Treibende Tange waren bis zum 14. 10. so häufig, daß sie bei der oben besprochenen Zählweise fast ausnahmslos noch beobachtet wurden.