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2 Wissenschaftliche Ausgangslage: Methoden, Theorien und Befunde

2.5 Diskussion der wissenschaftlichen Ausgangslage, Ableitung von

2.5.2 Die Übertragung des Prinzipal-Agent-Spiels in die fMRT-Forschung:

Für eine Untersuchung des Verhaltens von Versuchspersonen in Reaktion auf empfangenes Vertrauen und der damit einhergehenden neurophysiologischen Aktivierungen bietet das von Falk und Kosfeld (2006) vorgestellte Prinzipal-Agent-Spiel mehrere Vorteile gegenüber dem klassischen Vertrauens-Spiel von Berg und Kollegen (1995; siehe Kapitel 2.3.3.2; S.50ff.):

Erstens ist, wie in Kapitel 2.5 (S.92) gefordert, der Empfang von Vertrauen für den Agenten nicht konfundiert mit dem Empfang von Geld. De facto haben Versuchspersonen laut Falk und Kosfeld (2006) dann, wenn ihnen Vertrauen entgegengebracht wird, nicht nur keinen ökonomischen Gewinn, sondern zumeist einen durch sie selbst willentlich herbeigeführten finanziellen Verlust.

Zweitens ist es möglich, die Reaktion auf empfangenes Vertrauen durch das Prinzipal-Agent-Spiel sehr differenziert zu messen: Dem Agenten stehen 120 Punkte zur freien Verfügung, die er nach Gutdünken mit dem Prinzipal teilen kann. Im Gegensatz zu den meisten bereits veröffentlichten neuroökonomischen Studien mit dem Vertrauens-Spiel, in denen dem Trustee nur eine Wahl zwischen zwei Optionen offen steht (zu kooperieren oder zu betrügen), bietet das Prinzipal-Agent-Spiel also die Möglichkeit zu messen, wie stark ein Agent das ihm entgegengebrachte Vertrauen honoriert – je mehr Punkte er an den Prinzipal überweist, desto mehr belohnt er die Entscheidung seines Gegenübers.

Ernst Fehr (2009) beschreibt, was man bei der Planung einer neuroökonomischen Studie unbedingt beachten muss: Um soziale Präferenzen zu messen, sollten mehrere Spiele mit nur einem Durchgang (engl.: one-shot-games) mit echten Geldeinsätzen zwischen anonymen Interaktionspartnern gespielt werden. Die Spieler sollten sich nicht persönlich kennen oder begegnen. Außerdem sollte das Spiel nicht aus Simultanzügen bestehen, sondern sequenziell gespielt werden. Dabei sollte die Versuchsperson über die vorangegangene Entscheidung eines Mitspielers informiert werden und darauf reagieren.

Diese Implementierung einer Serie von einmaligen Interaktionen kann ein ernstes Problem darstellen, denn man muss der Versuchsperson eine sehr große Anzahl von Partnern nacheinander präsentieren. Die Versuchsperson an dieser Stelle zu täuschen, könnte sich negativ auf die Reputation des Untersuchers auswirken. Die von Ernst Fehr (2009) als

ideal dargestellte Lösung besteht darin, die Teilnehmer an der Studie im Scanner mit den Entscheidungen von Interaktionspartnern zu konfrontieren, die ihre Wahlen in vorangegangenen Befragungen zum gleichen Spiel gemacht haben. Diese Vorgehensweise wird in den nachfolgend beschriebenen experimentellen Studien umgesetzt (siehe unten und Kapitel 3).

Ein grundlegendes Forschungsinteresse des Autors der vorliegenden Arbeit besteht darin, die Befunde von Falk und Kosfeld (2006) auf Replizierbarkeit zu prüfen. Deshalb wird in Studie 1 und Studie 3 getestet, ob Prinzipale in Experimenten, die eng an Falk und Kosfeld (2006) angelehnt sind, eher dazu tendieren einem Agenten freie Wahl zu lassen, als ihn zur Abgabe eines Mindestbetrages zu zwingen. In Studie 1 treffen sehr viele Prinzipale diese Entscheidung und ihre Wahlen bilden daraufhin die Grundlage der Spiele in Studie 2, in der Agenten im fMRT-Scanner auf die Entscheidungen der Prinzipale aus Studie 1 reagieren.

In Studie 2 wird erhoben, ob Agenten dazu bereit sind, an vertrauensvolle Prinzipale höhere Abgaben zu leisten als an misstrauische Prinzipale. Neben einer ausführlichen Befragung der Agenten zu ihren Gedanken, Empfindungen und Motiven, soll die während der Entscheidungsphase aufgezeichnete Hirnaktivität zusätzlich Hinweise darauf geben, welche kognitiven Prozesse an der Wahrnehmung von Vertrauen und Misstrauen und der Reaktion darauf beteiligt sind. Besonderes Augenmerk wird hierbei darauf gelegt, ob belohnungsassoziierte Areale auch in einem Paradigma aktiviert werden, bei dem Vertrauen nicht mit finanzieller Belohnung konfundiert ist.

Weiterhin wird die Funktion der anterioren Insula und des dorsalen anterioren cingulärem Cortex im Fokus stehen. In den vorangehend aufgeführten Befunden zur Entscheidungsfindung, dem sozialen Erleben und der Neuroökonomie werden beide Regionen wiederholt aufgeführt – z.B. als Korrelate von Konfliktverarbeitung (Mansouri, Tanaka & Buckley, 2009), unangenehmer Körperempfindungen (Craig, 2009), Empathie für das Leid Anderer (Singer, 2009) oder sozialem Schmerz (Eisenberger, Jarcho, Lieberman & Naliboff, 2006; Eisenberger & Lieberman, 2004). Dass diese Areale ebenso in einer fMRT-Studie mit dem Ultimatum-Spiel (Sanfey, Rilling, Aronson, Nystrom &

Cohen, 2003) eine Rolle spielen, wenn Versuchspersonen in der Rolle der Reagierenden mit unfairen Angeboten des Verteilenden konfrontiert sind, wird von verschiedenen Autoren sowohl als mögliches Zeichen für eine emotional aversive Reaktion auf das unfaire Angebot interpretiert (Sanfey et al. 2003), als auch als Zeichen für den Konflikt

zwischen egoistischen Motiven und sozialen Präferenzen (Fehr 2009), im Sinne von ´Man sollte das unfaire Angebot annehmen, denn wenig Geld haben ist immer noch besser als kein Geld haben!´ vs. ´Man sollte den Verteilenden dafür bestrafen, dass er solch ein unfaires Angebot macht und durch Ablehnung des Angebotes dafür sorgen, dass er gar nichts erhält!´.

Durch die Verwendung des Prinzipal-Agent-Spiels kann potentiell zwischen beiden Interpretationen differenziert werden: Wenn Aktivität in dACC und AI neurophysiologische Anzeichen für Empörung und Wut sind, dann sollten die Regionen bei der Wahrnehmung von Misstrauen stärker involviert sein als bei der Wahrnehmung von Vertrauen. Wenn eine Aktivierung von dACC und AI hingegen eher ein Anzeichen für einen Konflikt zwischen egoistischen und sozialen Motiven ist, dann sollten beide beim Erleben von Vertrauen stärker beteiligt sein als beim Erleben von Misstrauen.

In Studie 3 treffen andere Prinzipale die Wahl zwischen den zwei Optionen Vertrauen und Misstrauen und beantworten danach einen ausführlichen Fragebogen zu ihren Motiven, Überzeugen und Gefühlen bei dieser Entscheidung. Dies soll eine eingehende Charakterisierung der Mechanismen ermöglichen, die dem Verhalten der Prinzipale zugrunde liegen.

Studie 4 soll die Vermutung, dass Agenten in der Entscheidung des Prinzipals den Ausdruck einer Überzeugung des Gegenübers wahrnehmen und entsprechend dieser Wahrnehmung handeln, überprüfen.

Studie 5 beschäftigt sich abschließend mit der Frage, inwieweit das oben mehrfach angesprochene framing, also die Art und Weise, wie eine Spielsituation beschrieben wird, beim Prinzipal-Agent-Spiel eine Bedeutung hat. Eine Studie berichtet (Branas-Garza, 2007), dass prosoziales Verhalten im Diktator-Spiel allein dadurch gesteigert werden kann, dass der Standardinstruktion der Beisatz “Note that he relies on you“ (zitiert nach Branaz-Garza, 2007; S. 477) zugefügt wird. Falk und Kosfeld (2006) haben aus dem Wissen um das framing heraus in Instruktion und Experiment auf sozial-normativ geladene Ausdrücke wie Vertrauen und Misstrauen verzichtet. Der Autor der vorliegenden Arbeit hat aber die Vermutung, dass die stattdessen verwendeten Begriffe Zwang und freie Wahl ähnlich stark normativ besetzt sind und dass durch diese Begrifflichkeiten die Vertrauen-belohnenden und Misstrauen-bestrafenden Reaktionen der Agenten gefördert werden. Um den tatsächlichen Einfluss des framing zu klären, wird in Studie 5 eine weitere, völlig neutrale Beschreibung der Spielsituation des Prinzipal-Agent-Spiels umgesetzt.