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Dichte der Grenzflächenzustände zwischen Oxid und Halbleiter

3.5 Elektrische Charakterisierung der MOS-Struktur mittels C-V-Messung

3.5.5 Dichte der Grenzflächenzustände zwischen Oxid und Halbleiter

Die Zustände an der Grenzfläche zwischen Oxid und Halbleiter beeinflussen die C-V-Kurven auf unterschiedliche Weise (vgl. Abschn. 2.5.3). Zum einen bilden die dort gefangenen Ladungen eine zusätzliche Kapazität Cit, die in die Ersatzschaltung der MOS-Diode integriert werden muss.

Dies ist aber lediglich für die quasistatische Messmethode zu berücksichtigen, da die Grenz-flächenzustände ihren Ladungszustand einem hochfrequenten Signal nicht schnell genug anpassen können. Zum anderen tritt bei der realen C-V-Kurve durch vorhandene Grenzflächenzustände eine Streckung gegenüber einer idealen Kurve auf.

Über diese beiden Mechanismen lässt sich die Dichte der Grenzflächenzustände aus den C-V-Kurven verschiedener Messarten berechnen.

a) Die Hochfrequenzkapazität-Methode

Die als erste publizierte Methode zur Bestimmung der Grenzflächenzustandsdichte wurde von Terman [72] 1962 vorgestellt und beruht auf der Messung der Kapazität der MOS-Struktur als Funktion der angelegten Gatespannung bei einer Frequenz, die so hoch ist, dass die Ladungs-änderung der Grenzflächenzustände der Wechselspannung nicht folgen kann. Die Ladungen der Grenzflächenzustände können aber weiterhin der langsamen Änderung des Gleichspannungsanteils der Gatespannung folgen, welcher die verschiedenen Bereiche des MOS-Kondensators zwischen Akkumulation und Inversion hervorruft.

Dies führt dazu, dass die Ladungen der Grenzflächenzustände keine zusätzliche Kapazität zur hf-C-V-Kurve beisteuern, die Kurve aber entlang der Spannungsachse strecken. Diese Streckung wird dadurch bewirkt, dass die Besetzung der Grenzflächenzustände zusätzlich zur Ladung der Verarmungsschicht geändert werden muss. Sie spielt bei dieser Bestimmungsmethode die Schlüs-selrolle und ist in Abbildung 3.16 an einem Beispiel veranschaulicht.

Die Streckung wird durch eine Veränderung der Bandverbiegung ψS hervorgerufen. Die Be-stimmung derψS(VG)-Abhängigkeit für eine MOS-Diode mit Grenzflächenzuständen wurde in Abschnitt 3.5.4a dargelegt. Allein diese ψS-VG-Beziehung enthält alle Informationen über die Grenzflächenzustandsdichte und muss somit bestimmt werden.

Das Ausmaß der Streckung, welches durch dVGS quantifiziert werden kann, bestimmt den Wert für Dit. Durch Ableiten derψS(VG)-Kurve wird demzufolge der Differentialquotient dVGS errechnet und die Kapazität der Grenzflächenzustände kann unter Verwendung von Gleichung (2.62) berechnet werden mit

Cit(ψS) =COX

S dVG

−1

−1

!

CS(ψS) . (3.23)

Die Dichte der Grenzflächenzustände wird daraus berechnet mit Dit = Cit

q . (3.24)

3.5 Elektrische Charakterisierung der MOS-Struktur mittels C-V-Messung 53

Abbildung 3.16: Durch Grenzflächenzustände gestreckte hochfrequente C-V-Kurve, verglichen mit theoretischer C-V-Kurve gleicher Dotierstoffkonzentration und Oxiddicke ohne Grenzflächenzustände.

Aus [49].

b) Die Niederfrequenzkapazität-Methode

Nach einer von Berglund [71] 1966 vorgestellten Methode kann die Dichte der Grenzflächenzustände Dit alleine aus der niederfrequent (bzw. quasistatisch) gemessenen Kapazität-Spannung-Kurve bestimmt werden. Dabei wird die bei niedrigen Frequenzen zusätzlich messbare KapazitätCit

dieser Zustände ausgenutzt. Die in Abschnitt 2.5.3 hergeleitete Gesamtkapazität für niedrige Frequenzen berechnet sich mit

1

Clf = 1

COX + 1

CS+Cit , (3.25)

sodass für die Grenzflächenzustandsdichte folgt:

Dit = Cit q = 1

q 1

Clf − 1 COX

−1

CS

q . (3.26)

Die Oxidkapazität COX lässt sich, wie in Abschnitt 3.5.1 beschrieben, aus der C-V-Kurve in Akkumulation ablesen. Die Halbleiterkapazität CS(ψS) kann mit Gleichung (2.49) bestimmt und mit Kenntnis der BandverbiegungψS(VG) in CS(VG) umgerechnet werden.

Wie bei der Hochfrequenzkapazität-Methode ist auch hier die Berechnung einer theoretischen Kurve nötig, was eine Fehlerquelle dieser Bestimmungsmethoden darstellt. Allerdings ist in beiden Fällen nur die Messungeiner C-V-Kurve für die Bestimmung der GrenzflächenzustandsdichteDit

notwendig.

c) Kombinierte Hoch-Niederfrequenzkapazität-Methode

Die Kapazität der GrenzflächenzuständeCit lässt sich auch direkt aus dem Vergleich der nieder-mit der hochfrequenten C-V-Kurve bestimmen. Dies wurde erstmals 1971 von Castagné und Vapaille [73] vorgeschlagen.

Bei der niederfrequenten C-V-Messung muss das Ersatzschaltbild einer MOS-Diode um die Kapazität der GrenzflächenzuständeCit erweitert werden, wohingegen bei einer hochfrequenten C-V-Messung diese Kapazität nicht berücksichtigt wird. Auf diese Weise kann die Bestimmung einer fehlerbehafteten theoretisch berechneten HalbleiterkapazitätCS, wie sie für die Hoch- und die Niederfrequenzkapazität-Methode notwendig ist, vermieden werden.

In Abbildung 3.17 sind an einem Beispiel hoch- und niederfrequente C-V-Kurven sowie die daraus resultierende Verteilung der Grenz-flächenzustandsdichteDit dargestellt.

Abbildung 3.17: (a)Hochfrequenz- und(b)Niederfrequenz-C-V-Kurve eines Au-Cr-SiO2-Si MOS-Kondensators (NA = 1,5·1015 cm−3, dOX = 500 Å). Die resultierende Verteilung der Grenz-flächenzustandsdichte in der Bandlücke des Halbleiters ist im eingefügten Diagramm zu sehen. Aus [68].

Aus den Ersatzschaltbildern in Abbildung 2.21 in Abschnitt 2.5 folgt für die Kapazitäten der beiden Messmodi:

Chf = 1 COX + 1

CS −1

(3.27) und

Clf = 1

COX + 1 CS+Cit

−1

. (3.28)

Cit ergibt sich als Differenz beider Kapazitäten zu Cit =qDit=COX·

Clf COX

1−CClf

OX

Chf COX

1−CChf

OX

. (3.29)

3.5 Elektrische Charakterisierung der MOS-Struktur mittels C-V-Messung 55 Für den Messbereich, innerhalb dessen die Bestimmung der Grenzflächenzustandsdichte verläss-liche Ergebnisse liefert, gelten folgende zwei Beschränkungen. Einerseits gibt es nach [46] einen von der Dotierung des Halbleitersubstrats abhängigen minimal detektierbaren Dit-Wert, der in Tabelle 3.1 aufgelistet ist.

Dotierstoffkonzentration [cm−3] Minimale detektierbare ZustandsdichteDit [cm−2eV−1]

1014 4·109

1015 1·1010

1016 3·1010

1017 9·1010

1018 3·1011

Tabelle 3.1:Übersicht über die minimal detektierbarenDit-Werte in Abhängigkeit von der Dotierung des Halbleitersubstrats der MOS-Struktur. Aus [46].

Andererseits wird das messbare Energieintervall in der Bandlücke durch den Übergang der Gate-spannung vom gültigen Bereich der Verarmung in die ungültigen Bereiche der Akkumulation und der Inversion begrenzt. Bei einer Dotierstoffkonzentration von 1016 cm−3 und einer Oxiddicke von 100 nm liegt der Energiebereich, in dem der Messfehler unter 10% beträgt, ungefähr zwischen EV+ 0,3 eV undEV+ 0,75 eV [46].

Obwohl die Beeinflussung von Dit durch eine fehlerhafte Bestimmung des CS-Werts bei der kombinierten Hoch-Niederfrequenzkapazität-Methode entfällt, ist eine fehlerfreie Bestimmung derDit-Verteilung über den gesamten Gatespannungsbereich folglich nicht gewährleistet. Weitere Fehler ergeben sich zum Beispiel durch die ungleichmäßige Verteilung der Dotierung, die ungleich-mäßige Verteilung der Grenzflächenladung oder Fehler bei der Aufnahme der Messkurven. Eine ausführliche Fehlerdiskussion zu dieser Bestimmungsmethode befindet sich bei Barbottin et al.

[55, S. 278ff] und Nicollian et al. [49, S. 333ff].

Energetische Lage der Grenzflächenstörstellen

Um die energieabhängige Verteilung der GrenzflächenzustandsdichteDit in der Bandlücke des Halbleiters zu ermitteln, ist die Berechnung der einer bestimmten Gatespannung zugeordneten Energie nötig. Diese wird anhand des Banddiagramms eines n-dotierten Halbleiters (Abb. 3.18) erklärt und gilt für p-dotierte Halbleiter analog. Für die Berechnung muss zunächst der Zu-sammenhang der Bandverbiegung ψS mit der GatespannungVG bekannt sein (Herleitung vgl.

Abschn. 3.5.4).

Durch das äußere Anlegen einer bestimmten Gatespannung VG findet an der Grenzfläche im Silizium eine Verbiegung der Bänder der LeitungsbandkanteEC, der ValenzbandkanteEV und des intrinsischen Fermi-NiveausEium denselben Betrag ψS statt (vgl. Abb. 3.18). Die Niveaus haben somit an allen Orten den gleichen Abstand voneinander undEi befindet sich bei

Ei= EV+EC 2 = Eg

2 , (3.30)

also in der Mitte der Bandlücke der GrößeEg. Abhängig von der Dotierstoffkonzentration ND unterscheidet sich die Lage des Fermi-Niveaus EF von der des intrinsischen Niveaus Ei,0 im Volumen des Halbleiters um [49]

ψ0 = kBT

q ·lnND

ni . (3.31)

Folglich befindet sichEF an der Grenzfläche |ψSψ0|von Ei entfernt.

Erreicht das Fermi-NiveauEFnun durch eine bestimmte angelegte SpannungVGein Energieniveau

Abbildung 3.18: Bänderdiagramm eines n-Typ Halbleiters in einer MOS-Struktur, das den Zu-sammenhang der Bandverbiegung ψSmit der Lage der Fermi-Energie EF in der Bandlücke an der Grenzfläche zum Oxid zeigt. Nach oben weisende Pfeile geben ein negatives Potential an, nach unten weisende Pfeile ein positives. Aus [49].

eines GrenzflächenzustandsEt=EF, so ändert sich dessen Ladung und es gilt ECEt

q = Eg

2q +ψSψ0 . (3.32)

Auf diese Weise kann die gesamte Bandlücke durch Ändern der Bandverbiegung, also letztlich durch Variation der Gatespannung, nach Grenzflächenzuständen „abgetastet“ werden.

Für einen p-dotierten Halbleiter ergibt sich analog EtEV

q = Eg

2q +ψSψ0 . (3.33)

Bei allen Untersuchungen in dieser Arbeit wird als Vergleichswert die Grenzflächenzustandsdichte in der Bandlückenmitte des Halbleiters angegeben, da die sich dort befindenden Energieniveaus am rekombinationsaktivsten sind [12].