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DIE DEUTSCHEN MARITIMEN UNTERNEHMUNGEN DER 1860ER JAHRE

Im Dokument Geographie Meeres (Seite 81-84)

BEOß1{11TUNGEN,

5.2. DIE DEUTSCHEN MARITIMEN UNTERNEHMUNGEN DER 1860ER JAHRE

anwendeten und die Deutschen zur gleichen Zeit dafür das Wort "Thalasso-graphie" benutzt hätten. Dieser aus dem griechischen Wort für Meer

11Thalassa" oder 11Thalatta" hergeleitete Terminus scheint vielmehr in Italien geboren und verbreitet gewesen zu sein, wo er in zahlreichen ozea-negraphischen Aufsatztiteln der 1880er und 90er Jahre vorkommt (vgl.

di PAOLA 1868) und seinen Niederschlag fand in dem "Reale Comitato Talassografico11 sowie dem heute noch existenten Institute Talassografico in Triest.

5.2. DIE DEUTSCHEN MARITIMEN UNTERNEHMUNGEN DER 1860ER JAHRE

J[insichtlich wissenschaftlich-maritimer Unternehmungen sind die 1860er Jahre gekennzeichnet durch das Ausklingen des mit der Österreichischen

"Novara" -Expedition (1857 -59) endenden fast hundertjährigen n Zeitalters der großen Weltumseglungen" sowie durch die Hinwendung zu intensiverer Forschungstätigkeit in regional begrenzten Meeresräumen. Im Vorder-grund des Interesses rangierte dabei aus naheliegenden Gründen eindeutig der Nordatlantik einschließlich der Nebenmeere und des Nordpolargebietes Deutscherseits erfolgte Anfang der 1860er Jahre allerdings zunächst noch eine weiträumigere 0 s t a sie n- Expedition, die einen auslösenden amerikanischen Vorläufer hatte. 1853-55 hatte eine US-amerikanische Expeditionsflotte unter Commodore M.C. PERRY eine 11Reise um die Welt nach Japan" unternommen~ über die unter eben diesem Titel der deutsche Landschaftsmaler und Schriftsteller Wilhelm IIEINE (1856) aus-führlich berichtete. In ein zweites dreibändiges Werk über "Die Expedi-tion in die See von China~ Japan und Ochotsk" (1858/59) baute er auch authentische wissenschaftliche Berichte anderer Expeditionsteilnehmer ein. Durch dieses Unternehmen wurde Japan nach ZOOjähriger Abgeschlos-senheit von der Welt für diese wieder geöffnet. Nach Berlin zurückgekehrt, warb HEI~'"E dort eifrig für die Aufnahme von Beziehungen zu Japan, wo-durch die Entsendung einer preußischen Handelsdelegation unter Leitung des Grafen Friedrich v. EULENBURG ausgelöst wurde. An dieser Expedi-tion, die von 1860-62 mit den drei Kriegsschiffen "Arconan, "Thetis" und

"Frauenlob" die ostasiatischen Gewässer von Japan bis Java befuhr~ nah-men außer zeitweilig

'V.

HEINE (1864) mehrere Naturwissenschaftler teil, neben Eduard v. MARTENS als Zoologe und Georg v. MARTENS als Bota-niker der Geowissenschaftler Ferdinand v. RICHTHOFEN. der auf dieser Reise seinen Wandel vom Geologen zum Geographen begann, die Anregung für seine 1868 von Kalifornien aus begonnenen vierjährigen China-ForschUJ genund sozusagen dienmaritimen Weihen11 für sein späteres Direktorat im 1900 neugegründeten Institut für Meereskunde zu Berlin erhielt. Das amt-liche Expeditionswerk, das aus 11 Bänden bestehend (BERG 1864-73) zu den unbekanntesten der Reiseliteratur gehört und noch der Auswertung harrt - die Expedition fehlt in fast allen Listen wissenschaftlicher

See-unternehmungen -, enthält leider keine Beiträge- v. RICHTHOFENs weger.

seiner anschließenden elfjährigen Reisetätigkeit in Hinter- und Ostindien, Kalifornien und China. Jedoch flossen viele seiner Eindrücke und Erkennt-nisse in spätere Publikationen, so über das staffelförmige Absinken Ost-asiens zum Pazifik und in diesen hinein (1900-03), über 11Beobachtungen bei Seefahrten11, die Abrasionsarbeit des Meeres oder die Küstenbildung und -klassüikation im 11Führer für Forschungsreisende11 (1886) oder schließlich in seine Universitätsrede über "Das Meer und die Kunde vom Meer" (1904; 4, vgl. KORTUM 1983).

Die 1860er Jahre brachten dann auch den Beginn der deutschen Nord-po 1 a r forsch u n g, wobei der Anstoß, wie zu erwarten, wiederum von der Geographie ausging. Die treibende Kraft dabei war August PETER-MANN, der sein Projekt einer deutschen Nordpolar-Expedition geradezu z:.:

einer deutschen Nationalfrage zu propagieren verstand. Er trat schon sei~

seiner Londoner Zeit in seinen kartographischen Darstellungen der Xord-atlantischen Strömungen für die Vorstellung einer Dreiteilung des Golf-stromes mit einer breiten, durch das Europäische Nordmeer bis Spitz-bergen und in die Barentsee hineinsetzenden warmen nordostatlantischen Strömung ein (vgl. ausführlich bei KRUG 1901; 28ff. u. PETERMANN 1865c; 155). Dies war "in erster Linie das Verdienst A. PETERI\.1AN:\s, mit dessem Name die letzte Periode in der Entwicklung des Golfstrom-bildes aufs engste verknüpft ist11 (KRUG 1901; 33), was von britischer (DEACON 1971, GASKELL 1968) wie amerikanischer Seite (STOMMEL 1950 u. 58; SCHLEE 1974) meist übersehen wird. Da die Entwicklung un-serer Kenntnis von den letzten Ausläufern des Golfstromes mit der Ge-schichte der Entschleierung des Nordpolarmeeres einhergeht, finden wir spätestens seit den 1860er Jahren auch in Deutschland Polar- und Meeres-forschung durch August PETERMANNs Initiativen bis zur heutigen Antark-tisforschung hin in engster Verbundenheit.

Angeregt durch die zahlreichen britischen und US-amerikanischen Expedi-tionen ins Nordpolarmeer während der 1850er Jahre, die sich auf der Suche nach der seit 1847 verschollenen Polarexpedition Sir John FRAXK-LINs alle im arktisch-amerikanischen Archipel bewegten und nur nebenbei wissenschaftliche Ziele verfolgten, hatte sich August PETERMANN be-reits in den Jahren 1852-55 in zahlreichen englischen Veröffentlichungen (vgl. PETERMANN 1865a; 99, Anm. 1) über die arktische Geographie ver·

breitet, u. a. mit einer 11Polar Chart1: showing the chief physical features of the Arctic Regions11 (London 1852). Und als 1865 in der Londoner Royal Geographical Society erneut der Plan einer britischen Nordpol-Expedition vom Amerikanischen Archipel aus durch den Smith-Sund diskutiert wurde, schaltete sich PETERMANN (18 65a/b) mit zwei Sendschreiben an den Prä-sidenten der Geographischen Gesellschaft ein, in denen er ganz entschiede:-.

für seinen alten Vorschlag der Erreichung des Nordpols durch die Spitz-bergen-See per Schüf eintrat, obwohl er kein kritikloser Anhänger der

seit den 50er Jahren aufgekommenen Hypothese eines 11offenen Polarmee-res11 war. Im gleichen Jahr begann PETERMANN dann auf der ersten Ver-sammlung deutscher Geographen in Frankfurt sowie in den 11Geograpische::

::\.Iitteilungen11 seine Agitation und unermüdliche Werbung für eine deutsche Xordpol-Expedition, vor allem auch zur Erkundung der letzten Ausläufer des Golfstromes im Nordpolarbecken. Dazu hatte PETERMANN seinem Aufsatz 11Der Nordpol und der Südpol11 und "die Wichtigkeit ihrer Erfor-schung in geographischer und kultur-historischer Beziehung" (1865c) zwei Karten der arktischen und antarktischen Regionen mit den außertro-pischen 1leeresströmungen beigegeben, die der Göttinger Klimataloge A. A. 1\ILTr-IRY (181 0-88) zu einer theoretischen Untersuchung ''Über das System der l\'leeresströmungen im Circumpolar-Becken der Nord-Hemi-sphäre" (1876) verv.rendete. Nachdem dieser bereits in seiner "Klimata-graphischen Cbersicht der Erde" (1862) den Versuch unternommen hatte,

ein System der großen Meeresströrr.ungen aufzustellen, das seinen bis dahin vollendetsten kartographischen Niederschlag in Heinrich BERG HAUS' begabtem Schüler und Neffen Hermann BERGHAUS' Großer und Kleiner Weltkarte (1863/64) fand, hat 1\fÜHRY sein System zu einer selbständigen :\lonographie 11Über die Lehre von den l\feeresströmungen11 (1869 u. 1874) ausgebaut, deren theoretische Ansätze - Centrifugalkraft sowie Tempe-ratur- und Dichteunterschiede als Hauptursachen der Meeresströmungen sich jedoch auf die Dauer als nicht haltbar erwiesen (vgl. 0. KRÜMMEL 1887; Il, 335ff.).

Im Sommer 1868 startete die erste Deutsche Nordpolar-Expedition mit der

"Grönland" unter Kapitän K. KOLDEWEY. ausgestattet mit den von A.

PETERMANN abgefaßten wissenschaftlichen Instruktionen (1868). Der äußerlich erfolglosen Reise - über ihre wissenschaftlichen Ergebnisse berichtete \V. v. FREEDEN (1869) - folgte nach ergiebigen Tempera-turmessungen und Eisbeobachtungen westlich und östlich von Spitzbergen durch den Physiker F. J. DORST und den Zoologen E. BESSELS auf den ROSENTIIALschen Robbenschlägern ''Bienenkorb'1 und ''Albert'' 1869/70 die zweite Deutsche Nordpolar-Expedition mit der 11Germania" (Kap. K.

KOLDE\VEY) und der "Hansa'' (Kap. Fr. HEGEI'vlANN). Sie ging laut den Instruktionen von PETERI\IANN (1870a) wiederum nach Ostgränland und brachtetrotz des Verlustes der 11IIansa0 im Packeis eine reiche wissen-schaftliche Ausbeute, die ihren Niederschlag u. a. auch in Vorträgen der Kapitäne und wissenschaftlichen Expeditionsmitglieder vor der Berliner Gesellschaft für Erdkunde fand (vgl. KOLDEWEY u. a. 1871). Die Teil-nahme des Österreichischen Offiziers J. PAYER als alpinen Gletscherfach-mann (vgl. seinen ausführlichen Bericht 1871), zog zwei Österreichische Xordpolar-Expeditionen nach sich (1871/72, 1872-74), wie überhaupt die Jahre ab 1868 dank PETERMANNs internationaler Agitation für eine inten-sive Polarforschung durch einen europäisch-amerikanischen Expeditions-ansturm im Nordpolarbereich gekennzeichnet sind. Als ein erstes bedeut-sames Ergebnis der auf diesen Reisen bis 1870 gemessenen und von zahl-reichen meteorologischen Diensten gelieferten Daten der Luft- und Meeres-temperaturen im Nordatlantik hat PETERMANN (1870b) in einer quasi-monographischen Darstellung des Golfstromes die bis dahin gerrauesten Kar-ten der sommerlichen und winterlichen Temperaturverteilung im Nordatlan-tischen Ozean und auf den angrenzenden Landgebieten geliefert, So stellt

die Wiederaufnahme der Polarforschung und ihre Begründung in Deutsch-land unter rein wissenschaftlichen Gesichtspunkten seit Mitte der 1860er Jahre unbestreitbar eine echte Leistung der deutschen Geographie dar, repräsentiert in erster Linie durch August PETER1'IANN, seine "Geo-graphischen Mitteilungen" sowie die Berliner Gesellschaft für Erdkunde im Zusammenwirken verschiedenster wissenschaftlicher Fachvertreter und der deutschen Handelsmarine.

5.3. ERSTE ANSÄTZE ZUR BILDUNG VON ZENTREN DER

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