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DIE AUSBAUPHASE DER GEOGRAPHISCHEN MEERESKUNDE, 1900-1920

Im Dokument Geographie Meeres (Seite 110-120)

BEOß1{11TUNGEN,

6.3. DIE AUSBAUPHASE DER GEOGRAPHISCHEN MEERESKUNDE, 1900-1920

6. 3 .1. Wichtige Projekte und Tendenzen

ll. BECK (1973) läßt die Frühphase der modernen Geugraphie mit dem Tod F. RATZELs (1904) und F. v. RICI!THOFENs (1905) enden, da er in bei-den die bedeutendsten deutschen Repräsentanten der Geographie dieser Zeit sieht. Ä.h.D.lich gliedert auch WÜST (1 964) in seinem ''Beitrag zur Ge-schichte der Ozeanographiell speziell unter dem Gesichtspunkt der Tief-seeforschung, obwohl er die Zeitspanne 187 3-1914 als 11 Ära der Explora-tionn zusammenfaßt. Die zwei Jahrzehnte 1904-1924 gelten überlappend zur folgenden Periode als ''Übergangsstadium zur systematischen For-schung". Aus unserer speziellen disziplinhistorischen Sicht bietet sich jedoch mehr d.ie Jahrhundertwende sowohl für das Ende der Primphase wie für den Beginn der zweiten bis zum Ende des Ersten Weltkrieges

reichen-den Phase an. An äußeren Ereignissen traten damals ein: 1898 kehrte die so erfolgreiche Tiefsee-Expedition der "Valdivia" zurück und setzte zu-nächst einmal einen gewissen Schlußpunkt unter die großräumig-explora-tive deutsche Tiefseeforschung. Im gleichen Jahr fand der Internationale Geographen-Kongreß unter Vorsitz von F. v. RIC:HTHOFEN in Berlin und damit erst-, aber bis heute auch letztmalig in Deutschland statt, der u. a.

auch die bedeutendsten Ozeanegraphen und Polarforscher versammelte.

Das erstt: Projekt betraf die internationale Kooperatiun zur Erforschung der europäischen Meere (0. PETTERSSON 1 901), die sich - wie schon gezeigt - bereits 1893/94 angebahnt hatte, auf sch"'·edische Initiative hin dann auf Vorkonferenzen in Stockholm (1899) und Christiania (1900) mit 0. KRÜlVIMEL als Delegiertem des Deutschen Reiches geplant und ver-einbart worden war. Zu diesem Zweck wurde 1900 die "Deutsche wissen-schaftliche Kommission für 1\Teeresforbchung" {DWK) gegründet, der einerseits die Kieler "Commission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere11 angegliede:ct (bis 1920), andererseits der 1902 be-gründete "Conseil permanent international pour P exploration de la mer"

mit Sitz in Kopenhagen und 0. KRÜMMEL als ständigem deutschen Mit-glied übergeordnet wurde, Ziel dieser Organisation, die unter der engli-schen Abkürzung !CES heute· noch besteht, war "die Vorbereitung einer rationellen Bewirtschaftung des Meeres auf wissenschaftlicher Grundlage"

im Bereich der nordeuropäischen Meere. Die ''Deutsche wissenschaftliche Kommission" bestand am Anfang aus den beiden Kieler Professoren 0.

KRÜMMEL und K. BRANDT (Zoologie), dem Heringsexperten und Direk-tor der Biologischen Anstalt Helgoland F. HE!NCKE sowie II. IlENKING vom Deutschen Seefischerei-Verein Hannover und dem Vorsitzenden W. HERWIG aus Berlin (vgl. KRÜMMEL 1904).

Das andere Großprojekt, zu dessen internationaler Kooperation auf dem Internationalen Berliner Geographenkongreß die \V eichen gestellt wurden, war die Verständigung über die deutsch-britisch-schwedische Zusammen-arbeit in der Antarktis-Forschung (E. v. DRYGALSKI 1901). Sie brachte nach zwei Vorläufern, der 11Belgica11-Expedition (1897-99) unter A, de GERLACHE und der norwegisch-britischen 11Southern Cross" -Expedition (1898 -1900) unterE. BORCIIGREVINK, zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwischen 1901-04 eine organisatorisch verbundene Kooperation mit ver-abredeter regionaler Arbeitsaufteilung von vier Einzelexpeditionen in der Antarktis zustande: die Deutsche Südpolar-Expedition mit dem "Gauß' unter der wissenschaftlichen Leitung des Berliner Geographen E. v. DRY.

GALSKI, die "Scottian-Expedition unter W. BRUCE, die englische "Dis-covery"-Expedition unter R. SCOTT und die schwedische 11Antarctic11

-Expedition unter 0. NORDENSKJÖLD, gefolgt von der 11 Franc;:ais"-Expe-dition (1903-05) unter J.B. CHARCOT. Damit verbunden war gleichzeitig eine internationale meteorologische Beobachtungskooperation 1901-04 in den Gewässern südlich 30° S.

Als drittes in die Zukunft weisendes Projekt für den Start in das neue Jahr hundert empfahl der Berliner Geographen-Kongreß neben der Schaffung der schon 1891 von A. PENCK angeregten Internationalen Weltkarte 1:1 M auf Antrag von 0, KR ÜMMEL die Inangriffnahme einer allgemeinen Tiefen karte der Ozeane, Dazu trat 1903 in Wiesbaden die in Berlin gebildete Kommission zusammen, bestehend aus Fürst ALBERT I. von Monaco, den deutschen Professoren F. v. RICIITHOFEN, 0. KRÜMMEL und A.

SUPAN, M.R. MILL und J. MURRAY für Großbritannien, J. TIIOULET/

Frankreich, F. NANSEN/Norwegen, 0. PETTERSSON/Schweden und dem russischen AdmirallVIAKAROFF, Hier wurden die Richtlinien für den Blattschnitt und die Gestaltung der 11Carte generale bathymetrique des oceans" festgelegt. die - in 24 Blättern in 1:10 Mio aufgrundvon 18 400 Tiefenlotungen im wissenschaftlichen Kabinett des Fürsten von Monaco bearbeitet - bereits 1904 in erster Auflage dem Internationalen Geogra-phen-Kongreß in New York vorgelegt werden konnte (vgl. VIGLIERI 1968).

Seit 197 5 wird das inzwischen unter dem Namen 11General Bathymetric Chart of the Oceans" oder kurz GEBCO international firmierende Karten-werk in 5, Auflage - unter deutscher Beteiligung am Blatt 5. 01 Norwegia1 Sea - in 18 Blättern völlig neubearbeitet herausgegeben (vgl. ULRICH 198

Schließlich markiert noch ein weiteres bedeutsames Ereignis im Jahre 1900 den Beginn einerneuen Phase meereskundlieber Aktivitäten in Deutscf.

land: die Gründung des Museums und Instituts für Meereskunde in Berlin durch Initiative und unter Leitung von F. v. RICHTHOFEN. Diese Vor-gänge um die Jahrhundertwende, denen man weitere wie die Eröffnung des Kaiser-Wilhelm- oder späteren Nord-Ostsee-Kanals 1896 hinzufügen könnte, lassen die Ansetzung des Beginns einer neuen Phase in der Ent-wicklung der Meereskunde, speziell in Mitteleuropa, zum Zeitpunkt der Jahrhundertwende wohl als berechtigt erscheinen. Hinzu kommen aber noch fundamentale innere Wandlungen sowohl innerhalb der Geographie wie auch der Ozeanographie, die sich, wenn auch zunächst wenig auffällig, zu Beginn des neuen Jahrhunderts anbahnten.

Die ganz überwiegend naturwissenschaftlich geprägte Frühphase der mo-dernen Geographie endete zwar nicht abrupt mit der Jahrhundertwende;

doch beginnt sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts eine allmähliche Schwer gewichtsverlagerung bemerkbar zu machen. Zwei allgemeine Bestrebungen veränderten seit der Jahrhundertwende das Gesicht der Geographie und damit letztlich auch die Gewichtung der Meereskunde: Zum einen die Be-freiung aus den Fesseln des wissenschaftlichen Naturalismus, zum ande-ren das Ringen um ein systematisches Lehrgebäude auch für das Gesamt-gebiet der Kulturgeographie. Unter dem Einfluß Otto SCHLÜTERs (Halle) und Siegtried PASSARGEs (Hamburg) begann sich das Konzept der Land-schaft als zentralen und disziplinspezifischen Forschungsobjektes der Geo-graphie zu entfalten, und entwickelte sich in Verbindung damit, ganz beson-ders von SCHLÜTER vertreten, die Kulturlandschaftsforschung oder Mor-phologie der Kulturlandschaft mit einer ausgeprägt historisch-genetischen Komponente. Es ist die sogenannte 11 morphologische oder physiognomische Periode11 in der Entwicklung der Anthropogeographie (vgl. OVERBECK 1954). Das Landschaftskonzept sollte aber auch für die deutsche Meeres-kunde gerade im Rahmen der Geographie von schwerwiegender Bedeutung werden, nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit den Wandlungen inner-halb der Ozeanographie.

Dort gewannen, teilweise schon vor der Jahrhundertwende, Tendenzen einer immer tiefergreifenden physikalisch-theoretischen Fundierung zur sogenannten "dynamischen Ozeanographie" hin mehr und mehr an Boden -ein paralleler Vorgang zu -einer schon früher -einsetzenden Entwicklung in der Meteorologie~ die nach Gründung zahlreicher nationaler Beobachtungs-netze und meteorologischer Zentralstellen (u. a. Berlin 1830, Wien 1851) bereits 1873 ihren Ersten Internationalen Meteorologen-Kongreß in Wien abhielt und damit den Weg der Eigenständigkeit beschritt. Die vor allem auf theoretischen Erkenntnissen von HELMHOL TZ und KELVIN basierende mathematisch-physikalische Ausrichtung der Meteorologie~ die in einigen Ländern bereits vor der Jahrhundertwende durch eigene Professuren ver-treten war (u. a. Christiana(Oslo H. MOHN, Graz J. HANN), grüf vor allem in Skandinavien (V. W. BJERKNES, W. EKMAN, 0. PETTERS-SON1 J.W. SANDSTRÖM) aus der Erkenntnis gleichartiger physikalischer Prozesse und Gesetzmäßigkelten in der atmo- wie hydrosphärischen Zirku

lation auch die Ozeanographie über (vgl. WELANDER 1968). Da im Aus~

land kaum irgendwo die enge disziplinäre Bindung der I'v1eereskunde an die Geographie wie im deutschsprachigen Raum bestand, gingen auch von dort die frühesten und stärksten Bestrebungen zur Verselbständigung der Ozeanographie im Rahmen der sich ebenfalls um diese Zeit allmählich aus der Geographie lösenden Geophysik aus. So bemühte sich Fürst AL-BERT I. von Monaco seit 1906 um die Durchführung eines ersten inter-nationalen Ozeanographen~Kongresses im Zusammenhang mit der bevor-stehenden Eröffnung des von ihm 1899 begründeten ITMusee oceanographique"

in 1\lonaco. Der Kongreß-Plan scheiterte im Grunde an "the as yet unsuf-ficient evolution of oceanography and •.. the heterogeneityofthe oceanogra-phic community (J. CARP!NE-LANCRE 1968; 165). Der erste interna-tionale ozeanegraphische Kongreß fand bezeichnenderweise erst 1929 in Sevilla statt. Wie auf den Internationalen Geographen-Kongressen in Genf (1908) und Rom (1912) blieb vor allem in Deutschland die 1\leereskunde in der Zeit bis nach dem Ersten Weltkrieg wissenschaftsorganisatorisch fest in der Geographie verankert. Aber die Zeichen der Zeit waren un-übersehbar, sollten sich jedoch erst in der nächsten Entwicklungsphase zwischen den beiden Weltkriegen entscheidend durchsetzen.

6. 3. 2. Deutsche maritime Forschungsunternehmen vor dem I. Weltkrieg

Von diesen sollen hier nur kurz die bedeutsamsten Forschungsreisen und -projekte ohne eingehende \Vürdigung ihrer Ergebnisse zusammenfassend vorgestellt werden. Sehen wir an dieser Stelle von den räumlich enger be-grenzten Dauerforschungsprojekten der Deutschen Wissenschaftlichen Kom-mission für Meeresforschung in der ~ord- und Ostsee sowie der Öster-reicher in der Adria ab und dem Mittelmeer ab, dann sind es vor allem zwei Interessenkomplexe. Der erste betrüft die Antarktis und die angrenzenden 1\.leeresräume. Die von dem Berliner Geographen und Geophysiker Er ich v. DRYGALSKI geleitete Deutsche Südpolar-Expedition 1901/03 mit dem Forschungsschiff 11Gauß11 stellt den ersten Vorstoß der deutschen Forschung in den Südpolarraum dar, sieht man von der subpolaren Beobachtungssta-tion auf Süd-Georgien während des InternaBeobachtungssta-tionalen Polarjahres 1882/83 ab.

Sie ist wiederum, wie schon Ende der 18 60er Jahre die deutsche Nordpo-lar-Forschung durch den Geographen A. PETERMANN, ausschließlich von der deutschen Geographie in Gang gesetzt worden. Nachdem G. v.

?\EUMAYER bereits ab 1872 ''Die Erforschung des Südpolargebietes" (Verh.

Ges. f. E. Berlin) als Fernziel propagiert hatte, war endlich 1895 auf dem Deutschen Geographentag in Bremen mit Unterstützung E. v. DRYGALSKis (1896) und anderer eine Kommission für die Planung einer deutschen Ant-arktis -Expedition gebildet worden. Nach Bewilligung der finanziellen Mittel seitens der Reichsregierung und gründlicher Vorbereitung von Berlin (In-stitut für Meereskunde), Harnburg (Deutsche Seewarte) und Kiel (0. KRÜI\1-MEL) aus konnte von dort 1901 die erste "Deutsche Südpolar-Expedition"

auf die Reise gehen. An ihr nahmen außer dem wissenschaftlichen Leiter Erich v. DRYGALSKI (näheres zur Person siehe später) als Geograph,

Ozeanegraph und Eisspezialist folgende Wissenschaftler teil: Dr. Fried-rich BILDINGSMAIER (Berlin) als Meteorologe und Geophysiker (Erd-magnetismusL Dr. Hans GAZERT als Arzt und Bakteriologe, Dr. Emil PHILIPPI als Geologe, Dr, Ernst VANHÖFF (Kiel) als Zoo- und Plank-tologe sowie für die Kerguelen-Station als Leiter der Botaniker und Pflan-zengeograph Dr. Emil WERTH, der Geophysiker Dr. Kar! LUYKEN und der auf den Kerguelen verstorbene Meteorologe vom Zugspitz-Observa-torium Dr. ENZENSPERGER. Kerguelen-Station und Hauptexpedition, die mit dem "Gaußrr vom 22.2. 1902 bis 8. 2. 1903 im Packeis vor dem von ihr entdeckten und benannten Kaiser-Wilhelm 11. -Land mit dem "Gaußberg11 festsaß und überwinterte. brachten eine so außerordentliche Fülle von Materialien, Daten und Erkenntnissen mit, daß ihre wissenschaftliche Verarbeitung und pubÜkatorische Ausarbeitung unter der Gesamtredaktion E. v. DRYGALSKis 20 Bände und 2 Atlanten füllte und sich über die Zeit von 1905-1932 erstreckte. Um so unverständlicher muß es anmuten, daß in der vom Bundesminister für Forschung und Technologie herausgegebe-nen Schrift über das 11 Antarktisforschungsprogramm der Bundesrepublik Deutschland" (1980) trotzdes Hinweises auf die 11Verpflichtung der Bun-desrepublik Deutschland als traditionsreiche Wissenschafts- und Kultur-nation, an der Erforschung eines weitgehend unerschlossenen Kontinents mitzuwirken", sowohl jeder Hinweis auf die durch die erste Deutsche Süd-polar-Expedition begonnene Tradition der deutschen Antarktis-Forschung wie auch auf die zweite Deutsche Antarktis-Expedition 1911/12 fehlt,

ob-wohl die Forschungsstation arn FILCIINER-RONNE-Schelfeis im Arbeits-gebiet der letzteren nach G. v. NEUMAYER benannt wurde.

Diese von dem deutschen Forschungsreisenden Wilhelm FILCHNER ge-plante, organisierte und geleitete Expedition mit der "Deutschland11 hat zwar ihr ehrgeiziges Ziel einer Durchquerung der Antarktis zwischen Weddell- und Roßmeer nicht erreicht, ist aber im Weddelmeer fast bis 78° S vorgedrungen. Davon tragen heute das angrenzende Prinzregent

Luitpold-Land (zu Ehren des bayrischen Protektors der Expedition) und das FILCHNER-Schelfeis ihre Namen. Vor allem aber hat sie, wenn auch durch den Kriegsausbruch um fast ein Jahrzehnt verspätet, beachtliche wissenschaftliche Ergebnisse auf meereskundliebem Gebiet gebracht. Au-ßer dem Kieler Zoo- und Planktologen H. LOHMANN, der die Expedition bis Buenos Aires begleitete und die Ergebnisse seiner zoo- und insbeson-dere planktologischen Untersuchungen während der Reise zwischen 50° N und 35° S in den Veröffentlichungen des Instituts für Meereskunde Berlin (1912) publiziert hat, sowie einem Geologen (Dr. F. HEIM) und I\1eteoro.

logen (Dr. BARKOW) nahm als Ozeanegraph und Geograph W. BRE:\"KECKE von der Deutschen Seewarte an der Expedition teil. Er hat die bedeutsamen Ergebnisse seiner Reihenmessungen von Temperatur. Dichte, Salz- und Sauerstoffgehalt von 0 bis 3 000 m Tiefe zwischen 80° N und 78° S, dar-gestellt in einem großen Nord-Süd- Vertikalschnitt durch den Atlantik, so-wie die neunmonatige Eistrift der 11Deutschland11 in einem über 200 Seiten starken Werk veröffentlicht (1921). Ein Jahr später erschien W. FILCH-NERs Buch 11 Zum sechsten Erdteil11 (Berlin 1922) - eine Art

Rechtferti-gung der menschlich nicht sehr glücklich verlaufenden zweiten Deutschen Südpolar-Expedition mit der ''Deutschland", die 1913 an die geplante, je-doch durch den Ersten Weltkrieg verhinderte Österreichische Antarktis-Expedition verkauft wurde.

Die zweite Gruppe von Forschungsreisen zur See waren die Fahrten der Vermessungsschiffe der Kriegsmarine, vor allem von S. M.S. "Planet11 und 11Möwe11, die ihre wissenschaftliche Beratung und Aufgabenstellung im wesentlichen von der Deutschen Seewarte, insbesondere durch G.

SCHOTT (1906) erhielten. Bei der Fahrt der" Planet" 1906/07 um das Kap der Guten Hoffnung durch den Indischen Ozean in den Dismarck-Archipel, an der als Ozeanograph wiederum W. BRENNECKE teilnahm, wurden neben Tiefenlotungen und physikalisch-ozeanegraphischen Messungen bei nur be-schränkter Berücksichtigung der Meeresbiologie erstmals auch in größe-rem Umfang von Bord aerologische Höhenluftmessungen und Wetterbeobach-tungen mittels Drachen-, Pilot- und Registrierballonaufstiegen sowie ste-reophotogrammetrische Küstenaufnahmen durchgeführt. Die Ergebnisse sind in fünf Bänden (1909) niedergelegt, die ozeanographischen im Bd. III durch BREN;..'ECKE. Sie wurden ergänzt und räumlich erweitert durch die Fahrten von S.M.S. 11Möwe11 in den Jahren 1911-13 in den west-und ost-afrikanischen Gewässern besonders der deutschen Schutzgebiete. Ein Teil der ozeanegraphischen Messungen und Beobachtungen wurde von G. SCHOTT gemeinsam mit B. SC!IULZ und P. PERLEWITZ ausgewertet (SCHOTT et al. 1914).

An dieser Stelle muß ein Großprojekt erwähnt werden, das - sicherlich aus verschiedenen geistigen Wurzeln - der Initiative zweier Einzelper-sönlichkeiten entsprang. Es ist das Projekt einer "internationalen Erfor-schung des Atlantischen Ozeans in physikalischer und biologischer Hin-sicht11, das zum ersten Mal 1908 auf dem Internationalen Geographen-Kon-greß in Genf von G. SCHOTT als geographischem Ozeanographen und 0.

PETTERSSON/Stockholm als Vertreter der dynamischen Ozeanographie in zwei Vorträgen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

SCHOTT (1908) ging dabei von dem Gedanken aus, daß die wenig bekann-ten ozeanegraphischen wie meteorologischen Vorgänge im Wesbekann-ten des :\ordatlantiks den Schlüssel für das Verständnis für die lebenswichtigen Vorgänge und Phänomene an der europäischen Seite liefern. Dabei sei die Kenntnis der Größe und Gesetzmäßigkelten der wechselnden Schwankungen und unperiodischen \Värmeführung des Golf- und Nordatlantischen Stromes gegebenenfalls im Zusammenhang mit den atmosphärischen Vorgängen -witterungsklimatisch und über die Planktonproduktion fischereibiologisch für Westeuropa von allergrößter Bedeutung. SCHOTT legte dem Kongreß, der nicht nur eine entsprechende Resolution annahm, sondern auch bereits eine Kommission nominierte mit 0. KRÜMMEL und G. SCHOTT als deut-schen Vertretern, zur Lösung 11für eine der dringendsten auf dem Gebiet der Meereskunde zu leistenden Aufgaben11 (Resolution) ganz konkrete me-thodische und organisatorische Vorschläge für ein Arbeitsprogramm vor, das nach dem Muster der Kopenhagener Organisation für die europäischen Meere regelmäßige Terminfahrten mit synoptischen Beobachtungen auf

festgelegten repräsentativen Schnittlinien vorsah. In den folgenden Jahren stand das Projekt auf der Tagesordnung aller einschlägigen internationalen Tagungen - so 1910 bei der feierlichen Eröffnung des ozeanegraphischen Museums in Monaco (SCHOTT 1910), die fast einem inoffiziellen Ozeano-graphen-Kongreß gleichkam, ferner auf dem Internationalen Geographen-Kongreß in Rom 1913 und zuletzt anläßlich der Feier zur Eröffnung des Panama-Kanals 1914. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges setzte dem Projekt ein Ende, bis es 30 Jahre nach der Geburt der Idee - leider ohne ihre Urheber und Vorkämpfer zu erwähnen - 1938 in der Deutschen Nord-atlantischen Expedition des 11Meteor11 (2. Teilfahrt) sowie der Internatio-nalen Golfstrom-Untersuchung 1938 wieder auflebte (DEFANT 1939).

6. 3. 3. Die Entwicklung der Meereskunde in den deutschsprachigen For-schungszentren

Nach der Jahrhundertwende vollzogen sich auch in der Deutschen See-warte in 11 a m b ur g tiefgreifende Wandlungen. 1903 hatte G. v. NEU-MA YER die Leitung der Seewarte nach 28jähriger außerordentlich frucht-barer und auch für die Geographie segensreicher Tätigkeit abgegeben. Im gleichen Jahr richtete \V. KÖPPEN die erste deutsche Drachenstation in Großborstel nahe Harnburg ein, nachdem er im Zuge der von ihm mitge-tragenen Entwicklung der synoptischen Meteorologie und \Vitterungskunde bereits gegen Ende des 19. Jhs, durch seine Freiballonfahrten, Drachen-versuche, Registrier- und Pilotballonaufstiege zum Pionier der Aerologie als Höhenwetterkunde geworden war, Dabei assistierte ihm der 1901 bei KR ÜMMEL in Kiel mit einer Darstellung der Isothermen und thermischen Anomalien des Deutschen Reiches promovierte P. PERLEWITZ, der fort-an der Deutschen Seewarte fort-angehörte, Das neue Jahrhundert aber eröffnete KÖPPEN von Harnburg aus mit seiner ersten °Klassifikation der Klimate'', die bezeichnenderweise in der noch jungen 11Geographischen Zeitschrift'' 1900 erschien und für die moderne Geographie so eminent bedeutungsvoll und folgenschwer werden sollte. Die darin beigegebene Karte gewinnt für unsere Betrachtung eine ganz besondere Bedeutung, weil hier erstmals auch die Ozeane in die klimaregionale Gliederung einbezogen sind, obwohl ihnen das Grundprinzip der KÖPPENsehen Klimaklassifikation, die Vege-tationsbezogenheit, ja eigentlich fehlt.

Ein wichtiger Vorgang war 1903 aber auch die Ernennung G. SCHOTTs zum Vorstand der Abteilung I. Die größeren Möglichkeiten eigenverant-wortlicher Forschungstätigkeit fanden ihren Niederschlag in SCHOTTs großer Zahl von Publikationen der verschiedensten Thematik (vgl. Lit.-Verz. bei SCHULZ 1936), Ganz neue Aufgaben erwuchsen der neuen Ab-teilung durch die weitgehende Umstellung im ozeanischen Verkehr von der Segel- auf die Dampfschiffahrt. Abgesehen davon, daß der Datenfluß durch Schiffsjournale einerseits durch die windunabhängigen verkürzten Dampfer-routen regional lückenhafter wurde, andererseits die größere Saisonunab-hängigkeit der Dampfschiffahrt eine über das ganze Jahr gleichmäßigere Dateninformation gewährleistete, verloren die Segelhandbücher immer meh

an praktischer Bedeutung. Für die Dampfschiffahrt wurden die Oberflä-chenströmungen bedeutsamer als die Windsysteme. Daher erschien SCHOTTs 11 Übersichtskarte der Meeresströmungen und Dampferwege"

bis 1917 in fünf immer wieder verbesserten Auflagen. Das bedeutete für die Meeresströmungsforschung aber auch: weg von den Mittelwerten des durchschnittlichen Strömungsverhaltens und Hinwendung zur Erfassung des jahreszeitlichen, monatlichen oder noch kurzfristigeren periodischen und aperiodischen Strömungsverhaltens. Bereits 1905 wurde von SCHOTTs Abteilung das erste Dampferhandbuch für den Atlantischen Ozean heraus-gebracht. Dem gleichen Zweck dienten zunächst auch die "Monatskarten für den Indischen Ozean11 (1909), die wegen der mit den Monsunen verbun-denen Umwälzungen im Luft- und Wasserozean aber auch von hohem wis-senschaftlichen Wert sind (SCHOTT 1909). Unterstützt wurde SCHOTT seit 1904 durch Dr. Wilh. BRENNECKE (1875-1924), der nach dem Stu-dium der Meteorologie und Geographie in Berlin, wo er von 18 98-1903 zunächst Assistent und häufiger Teilnehmer des berühmten RICHTHOFEN-Kolloqiums war, in Harnburg ganz zum Ozeanegraphen wurde (vgl. oben).

Ihm verdankt die Ozeanographie 11die gesicherte Erkenntnis ••. , daß ein mächtiger, hemisphärischer, horizontaler \Vasseraustausch in mittleren Tiefen des Ozeans (und wohl aller Ozeane) von Süd nach Nord und umge-kehrt stattfindet" (SCHOTT in Anm. d. Hydr. 1924; 50).

Als durch die Begründung des Kolonial-Instituts in Harnburg 1908 auch ein Lehrstuhl filr Geographie mit einem Geographischen Seminar einge-richtet wurde, auf den aus Breslau Siegfried PASSARGE (1867 -1958) be-rufen wurde, da lag es in Anbetracht der vornehmliehen Blickrichtung Hamburgs aufs Meer und nach Übersee nahe, auch die Meereskunde mit in den Forschungs- und Lehrbetrieb einzubeziehen (vgl. PASSARGE 1939).

Dies geschah ab 1910 durch regelmäßige Abhaltung von Vorlesungen und Übungen zur Klimatologie und Meereskunde, an denen ab 1912 auch G.

SCHOTT durch Lehraufträge beteiligt wurde. Als 1910 erstmals die Um-wandlung des Kolonial-Instituts in eine Universität zur Diskussion stand, da \•des PASSARGE (1939; 66ff.) in seiner Eingabe vorrangig auf die Vor-teile Ilamburgs hin, die durch "das außerordentlich reiche Lehr- und Beobachtungsmaterial der Seewarte und die Heranziehung des dortigen

SCHOTT durch Lehraufträge beteiligt wurde. Als 1910 erstmals die Um-wandlung des Kolonial-Instituts in eine Universität zur Diskussion stand, da \•des PASSARGE (1939; 66ff.) in seiner Eingabe vorrangig auf die Vor-teile Ilamburgs hin, die durch "das außerordentlich reiche Lehr- und Beobachtungsmaterial der Seewarte und die Heranziehung des dortigen

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