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Der Untergang

Im Dokument Besitz und Ideal (Seite 49-53)

III. Der Familienwohnsitz

3.5. The Herries Chronicle

3.5.2. Der Untergang

1833 zieht Walter in die Burg ein. Auf seine Cousine Silvia wirkt sie wie eine Festung.

"She found it cold and bleak. There was too much grey stone about it, and the towers and sham battlements were hideous. It was like a fortress. (III, 802)

Westaways, das er verkauft hat, wird vier Jahre später von seinen neuen Besitzern abgerissen. Dadurch verschwinden nicht nur alle farbige Pracht und aller Glanz des 18.

Jahrhunderts, sondern auch ein Zeugnis Herriesscher Familiengeschichte.

A little cloud of dust rising slowly over the tumbling brick! (III, 829)

Walter führt den Niedergang der Herries von seiner Burg aus weiter. Aus fortwährender Angst vor ihm stirbt Jennifer schließlich. Auf Walters Sohn Uhland hat sich der Haß auf die Verwandten in Uldale übertragen, den besonders Francis’ Sohn John zu spüren bekommt.

John was seized with the chill of apprehension and discomfort that always attacked him whenever [Uhland] was near him. (III, 788/9)

Uhlands Haß gegenüber John steigert sich, als er erfährt, daß dieser seine Schwester Elisabeth geheiratet hat.

[Uhland] admired her as a valuable family possession, and the thought that young Herries should be familiar with her revolted him. (III, 790)

Da er sie als „valuable family possession“ betrachtet, fühlt er sich durch die Heirat um seinen Besitz gebracht. Doch nicht nur die Heirat, auch Johns gutes Aussehen trägt zu seinem Haß bei. Er selbst dagegen symbolisiert in dem Stammbaum die Dekadenz seines Vaters, da er als jüngster Sproß in der Familie seiner Physiognomie nach von Krankheit gezeichnet ist. Er ist schmächtig, blaß und lahm auf einem Bein. In seiner krankhaften Boshaftigkeit reist er John nach London nach, um ihn dort zu bespitzeln. John erhält auf die Frage nach dem Grund für diese Bespitzelung zur Antwort:

"It has amused me to make you uncomfortable.“ (III, 918)

John, der Uhlands Psycho-Terror nicht länger ertragen kann, fordert ihn zu einer Auseinandersetzung heraus, die tödlich für ihn endet, worauf Uhland, da er sich des Opfers seiner Boshaftigkeit beraubt sieht, Selbstmord begeht. Damit ist der Höhepunkt der Fehde, zugleich aber auch ihr Ende erreicht. Als Folge des familiären Verfalls stirbt Walter 1880 als physisch und psychisch gebrochener Mann völlig vereinsamt in seiner Burg.

Old broken-down Sir Walter [...] „What a life he's led! Nothing better now than an idiot!“ (IV, 1088)

1887 ist die Burg, die Walter letztlich auch aus dem Grund bauen ließ, um dem Namen Herries Unsterblichkeit zu verleihen, unbewohnt und baufällig.

How desolate the Fortress had become. The building was dark, naked and repellent. The stone seemed to have blackened under rain as though it had been smoked. [...] A pile of earth stood near the flagged path in the garden as though in preparation for a grave, and all the plants were beaten down with the wind. (III, 1006)

[The] house is damp. [...] The damp's come in just as everything else has gone out. (III, 1009)

The floor, where the fine opening Ball had been given, was filmed with dust, there was a large patch in the gilded ceiling, a corner of the tapestry flapped drearily against the wall, a chair was overturned, and there were birddroppings on the long window-sill. (III, 917)

All the other rooms were damp-smelling and foetid. (III, 956)

Die Ironie des Erzählers äußert sich darin, daß er Walters Enkel Benjie, den Sohn Johns und Elis abeths, die mit ihrer Heirat die Fehde beenden wollten, beschließen läßt, die Burg zu verkaufen, von der aus Walter und Uhland soviel Unheil über die Familie brachten. Damit ist der Gegensatz zwischen materiellem und ideellem Denken zugunsten des letzteren unter den Herries aufgehoben.

Aber auch Fell House findet ein tragisches Ende. 1883 brennt es aus ungeklärter Ursache ab. Damit haben die Herries' auch ihr letztes Zeugnis großbürgerlicher Familientradition verloren.

Als Benjie im Alter nach Cumberland zurückkehrt, um dort in der Nähe all der Menschen, die dem Leben auf dem Land und den jahrhundertealten Traditionen treu geblieben sind, und umgeben von einer Landschaft, die von ihrer Schönheit her an Arkadien erinnert, seinen Lebensabend zu verbringen, erinnert er in seiner Naturverbundenheit an Lady Lasswade in The Years sowie an den alten und den jungen Jolyon in The Forsyte Saga. Ihnen allen ist eine von materieller Orientiertheit losgelöste Lebensweise eigen, die den wahren Wert der Dinge an der Größe ihrer Natürlichkeit mißt.

When [Benjie and John Holly] came to Kendal, it was just like going home. There's a brow of the hill between Kendal and Windermere when the waters of the Lake are suddenly revealed. It was as though a door were unlocked. Benjie caught Holly's shoulder. "Look at that, John, and thank your Maker." (IV, 1476)

Benjie, der nie das Macht- und Besitzdenken seines Großvaters geteilt hat, zieht es vor, mit seinem Diener John Holly in einem Wohnwagen zu leben. Dieser steht unweit des Hauses, in das Francis Herries vor 200 Jahren, 1730, mit seiner Familie zog. Damit schließt sich der Kreis um die Familienchronik der Herries. 19

Aus der Darstellung der Familienwohnsitze in den untersuchten Romanen lassen sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede ableiten. In The Forsyte Saga und The Herries Chronicle wird der Wohnsitz zum entscheidenden Instrumentarium im Kampf zwischen ideellen und materiellen Wertvorstellungen unter den einzelnen Familienmitgliedern. Zusammen mit Lady Lasswades Landsitz in The Years und Cumberland in The Herries Chronicle versinnbildlicht Robin Hill in The Forsyte Saga aber auch Harmonie und Idylle einer idealen Welt. Der Wohnsitz wird in The Years darüber hinaus für die Beschreibung des sozialen Abstiegs einiger Mitglieder der

19Zum Wandel der Darstellungsform des Landsitzes im englischen Roman vom 18. bis frühen 20.

Jahrhundert vgl. P. Goetsch. Der Landsitz im spätviktorianischen Roman. S. 300 ff.

Pargiter-Familie und der Entfremdung, zu der es innerhalb dieser Familie durch dessen Verkauf kommt, herangezogen. Demgegenüber ist in The Triumph of Time und The Clayhanger Family der Wohnsitz gleichbedeutend mit der Abkehr von der Tradition. Ein besonderer Stellenwert kommt ihm jedoch in Verbindung mit Besitzdenken und ideellen Wertvorstellungen zu.

Im Dokument Besitz und Ideal (Seite 49-53)