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Auflösung des Patriarchats

Im Dokument Besitz und Ideal (Seite 97-103)

VI. Das Patriarchat

6.2.2. Auflösung des Patriarchats

Vor dem Hintergrund der viktorianischen Zeit ist Edwin für die Generation repräsentativ, die die patriarchalischen Familienstrukturen nicht in ihren eigenen Haushalt übernimmt.

So verlangt er von seinem Stiefsohn nicht, die Druckerei zu übernehmen, sondern toleriert dessen Wunsch, Architektur zu studieren. Darüber hinaus verlangt es ihn nach dem Tod seines Vaters nicht danach, unter den Geschwistern die Stellung einzunehmen, die ihm als dessen einzigem Sohn von rechts wegen zusteht. So überläßt er seinem Schwager Albert die Testamentsvollstreckung.

The division of his father’s estate according to the will had proved unjust to himself; but he had not cared in the least. He had let Albert do as Albert and Clara pleased. (440)

Edwins fehlende Bereitschaft, die zu seinen Ungunsten vorgenommene Aufteilung von Darius’ Erbschaft zu beanstanden, ist ein eindeutiges Zeichen dafür, daß er an Macht und Besitz desinteressiert ist. Dies zeigt sich auch daran, daß er sich nie dafür interessiert hat, ob sein Vater ihn in seinem Testament bedenken würde oder nicht. Seiner Schwester Clara und seinem Schwager Albert konnte es hingegen nicht schnell genug gehen, ihren Anspruch auf die Erbschaft geltend zu machen.

„They disgust me,“ [Edwin] said briefly. „Here the thing isn’t a day old, and they begin worrying about his will! They go slobbering all over him downstairs, and upstairs it’s nothing but his will they think about.“ (349/50)

Darüber hinaus reagiert Edwin verärgert, als er erfährt, daß Clara und Albert befürchten, er selbst werde versuchen, aus der Erbschaft den größtmöglichen Profit zu ziehen.

„If they think,“ he muttered, with cold acrimony - „I’m the sort of person to take the slightest advantage of being the son - well, they must think it - that’s all! Besides, they can always talk to [father] themselves - if they’re so desperately anxious.“ (349)

Claras und Alberts Gier, in den Besitz der Erbschaft zu gelangen, führt zu dem Schluß, daß bei ihnen die moralische Gesinnung dort ein Ende findet, wo das Macht- und

Besitzdenken einsetzt. Edwin läßt sich von seiner Familie in diesem Denken nicht beeinflussen, da sein Leben von ideellen Wertvorstellungen geprägt ist. Dies zeigt sich auch daran, daß er Hilda und nicht Janet, die Tochter des vermögenden Architekten Oswald Orgreave heiratet, obwohl sich ihm dazu die besten Voraussetzungen böten und eine Ehe mit ihr dem Geschäft zugute käme. Da durch Edwin als Darius’ einzigem männlichen Nachkommen der Name Clayhanger erhalten bleibt, erlischt das Macht- und Besitzdenken in dieser Familie. Dadurch steht auch der Auflösung des Patriarchats nichts mehr im Wege.

6.3. The Years

6.3.1. Paterfamilias

Der pensionierte Oberst Abel Pargiter bildet den Prototyp des viktorianisch-patriarchalischen Familienoberhauptes.9

A stick grated in the hall. "It's Papa!" Milly exclaimed warningly. Instantly Martin wriggled out of his father's armchair; Delia sat upright. Milly at once moved forward a very large rose-sprinkled cup that did not match the rest. (12)

Aus Oberst Pargiters Festhalten an Konventionen läßt sich sein Anspruch ableiten, den er auf seine patriarchalische Stellung erhebt.10 Seine Familie ist durch ihre Unterwürfigkeit ihm gegenüber in ihrer individuellen Entfaltung eingeschränkt.11 Harper schreibt:

When he is at home he seems interested mainly in bullying his children and avoiding his wife. He is impatient for her to die so that he can be - he imagines - free.12

9 Für Abel Pargiter hat Woolf ihren Vater, Sir Leslie Stephen zum Vorbild gewählt (vgl. A. Zwerdling.

Virginia Woolf and the Real World. S. 159).

10Zwerdling schreibt hierzu: „By the end of Victoria's reign the whole ‘family system’ had begun to seem a crushing burden that offered no space for individual freedom. For women particularly, the large victorian family created a formidable, exhausting set of obligations.“ (A. Zwerdling. Virginia Woolf and the Real World. S. 154) Zwerdling geht sogar soweit „to think of the victorian family as life-destroying and as a institution that took more than it gave.“ (A. Zwerdling. Virginia Woolf and the Real World. S. 155)

11Die patriarchalische Haltung Abel Pargiters gleicht der, die Leslie Stephen einnahm, wenn er mit seiner Frau und seinen Töchtern zusammen war. Da auch er der Stellung der Frau in der Gesellschaft weniger Bedeutung beimaß als der des Mannes, hielt er es für ganz natürlich, daß die Frau sich ihm unterzuordnen hatte (vgl. J. Klein. Virginia Woolf. Genie - Tragik - Emanzipation. S. 33). Leaska urteilt über Leslie Stephen: „The damaging effects of Abel Pargiter's world on each of his sons and daughters somehow got translated into the accumulated injuries and their effects on Virginia Woolf herself as a result of obedience to the world of Sir Leslie Stephen.“ (M. A. Leaska. The Novels of Virginia Woolf. S. 197) Leslie Stephen schöpfte sein Selbstbewußtsein ganz im Sinne des viktorianischen Zeitalters aus seiner häuslichen Position als unangefochtenes Oberhaupt der Familie.

Die Beziehung zu ihr war nicht mehr als eine Machtbeziehung, die auf Befehl und Gehorsam ausgerichtet war. Während sich ihm seine Frau Julia und seine Stieftochter Stella Duckworth bereitwillig unterordneten, forderten seine Töchter Virginia und Vanessa von ihm dieselbe Anerkennung, die er dem sogenannten „starken“ Geschlecht entgegenbrachte (vgl. Q. Bell. Virginia Woolf. A Biography. S. 72).

12H. Harper. Between Language and Silence. S. 255

Oberst Pargiters Interesse am Börsengeschäft und die Tatsache, daß er regelmäßig die Finanzzeitung liest, sind eine Bestätigung für das dem Patriarchat übergeordnete Macht-und Besitzstreben. Seine Teilnahme an der Niederschlagung der indischen Mutiny von 1857 erinnert an Jollys Entscheidung, gegen die Buren in den Krieg zu ziehen. Das Macht- und Besitzstreben beider bleibt nicht ungestraft. Jolly stirbt an Typhus, Oberst Pargiter kehrt mit einer verstümmelten Hand aus dem Krieg zurück. Durch Spekulationen erwirbt er sich ein Vermögen, von dem er seine Frau, sieben Kinder, die Villa Abercorn Terrace, Dienstpersonal und eine Mätresse unterhält. Als er stirbt, haben seine drei Söhne, Edward, Morris und Martin, bereits berufliche Karrieren eingeschlagen, da er ihnen als männlichen Nachkommen ein Studium an der Universität Oxford ermöglichte. Daran, daß an ihr auch er selbst und sein Vater bereits studiert hatten, ist sein konventionelles Denken erkennbar.13

[Edward] was thinking [...] how [his father] had insisted upon looking up the rooms that his own father had had when [he] was at college. (47)

Über die College-Erziehung Oberst Pargiters schreibt Harper:

Although [Colonel Pargiter] is said to gone to Oxford, he has no discernible intellectual interests and very little social assurance.14

Seine Töchter sind gegenüber den Bildungsprivilegien und den damit verbundenen beruflichen Aussichten ihrer Brüder im Nachteil. Milly und Delia sichern sich daher durch ihre Ehen finanziell ab. Rose und Eleanor gehen ehrenamtlichen Beschäftigungen nach:

Rose arbeitet in der Frauenrechtsbewegung15 und Eleanor in der Sozialfürsorge. Beide Frauen bleiben unverheiratet und leben von dem Geld, das ihr Vater ihnen bewilligt.

Radin bewertet Eleanors Hingabe an die Gesellschaft trotz ihrer Stellung als Frau, durch die sie in das Abhängigkeitsverhältnisses zu ihrem Vater gezwungen wird, wie folgt:

13Rosenthal schreibt über die upper class: „Of all the institutions that helped sustain the values and priorities of a patriarchal world, the upper class victorian family was certainly one of the most potent.

Dispensing privileges unequally, exploiting some members for the benefit of others, victorian families, such as that presided over by Abel Pargiter, guaranteed that male privilege, like the Empire, would rule forever.“ (M. Rosenthal. V. Woolf. S. 172)

14H. Harper. Between Language and Silence. S. 254

15Im Jahre 1905 setzte durch die Teilnahme zweier Suffragetten auf einer Wahlversammlung Sir Edward Greys eine Expansion der seit den achtziger Jahren bestehenden Frauenrechtsbewegung ein.

Dies führte dazu, daß immer häufiger Sitzstreiks, Demonstrationen und Verhaftungen das Straßenbild bestimmten (vgl. J. Schmidt-Liebich. Daten der englischen Geschichte. S. 195). Doch erst 1928 wurde ein Gesetz verabschiedet, das der Frau die gleichen Rechte zusicherte wie dem Mann (vgl. J. Schmidt-Liebich. Daten der englischen Geschichte. S. 220). Zwerdling schreibt hierzu: „The patriarchal victorian family has been displaced by more honest and equal relationships; women's suffrage has been won; women are free to take up a profession or lead independent lives.“ (A.

Zwerdling. Virginia Woolf and the Real World. S. 155)

Eleanor is a cheerful, cabable woman whose enthusiasm for people and good works carries her buoyantly through life. Though given to introspection when alone, she is usually able to find some justification, however vague, for her faith in humanity.16

Neben ihrer ehrenamtlichen Arbeit versorgt Eleanor als älteste Tochter den Haushalt ihres Vaters. Der Teil der Pargiters, der sich nicht, wie beispielsweise Rose durch ihr Engagement in der Frauenrechtsbewegung, über patriarchalische Vorschriften hinwegsetzte, beginnt, über die Einschränkungen nachzudenken, die ihm dadurch im Leben auferlegt wurden.17 So konnte Martin kein Architekturstudium aufnehmen, da er der Familientradition entsprechend in die Fußstapfen seines Vaters treten mußte.

16G. Radin. Virginia Woolf's The Years. S. 81

17Im Unterschied zu Oberst Pargiter betrieb Virginia Woolfs Vater, Leslie Stephen, einen sehr hohen Aufwand für die Ausbildung seiner Töchter. Aus einem Brief an Julia aus dem Jahre 1877 geht hervor: „What I chiefly hold is that women ought to be as well educated as men, indeed a great deal better than men are now. [A woman] ought to learn something thoroughly when she grows up, thoroughly enough to be able to make her living by it, if it is of the paying kind, or to be an authority upon it, if it is not. What the something should be must of course depend upon her tastes, whether literary, scientific or artistic or whatever they may be. But I hate to see so many women's lives wasted simply because they have not been trained well enough to take an independent interest in any studies or to be able to work effectively at any profession.“ (L. Stephen. Letter to Julia Duckworth. v. 18. 7.

1877) Vanessa und Virginia erhielten Hausunterricht im Lesen, Zeichnen, Rechnen, Singen, Klavierspielen, Reiten, Tanzen und in alten und neuen Sprachen. Die Eltern übernahmen den Unterricht zum Teil selbst. Dennoch fühlten die Töchter sich in späteren Jahren gegenüber ihren Brüdern benachteiligt, weil ihnen deren Bildungsprivilegien an der Universität versagt blieben (vgl.

J. M. Wilson. Virginia Woolf. Life and London. S. 31). Ihnen standen zwar Frauen-Colleges offen, die ab 1860 durch Spenden von Frauen errichtet worden waren, doch war das Studienangebot im Vergleich zu dem ihrer männlichen Studienkollegen geringer. Darüber hinaus wurde ihnen kein Universitätsabschluß zuerkannt (vgl. J. M. Wilson. Virginia Woolf. Life and London. S. 31). Im englischen College-System spiegelte sich die patriarchalische Struktur Englands wider. Oxford und Cambridge wurden im 12. Jahrhundert gegründet und vom Königshaus und reichen Adligen finanziell unterhalten, um den Söhnen eine akademische Ausbildung zu ermöglichen. Im 19.

Jahrhundert begann die upper middle class durch Stiftungen dazu beizutragen, diese Universitäten zu unterstützen. Die beiden 1866 gegründeten Frauen-Colleges Newnham und Girton zeichneten sich dagegen durch eine entsprechend dürftigere Ausbildung aus, da sie ihre Kosten aus Spenden und durch die Veranstaltung von Basaren decken mußten (vgl. T. Riedl. Emanzipation bei Virginia Woolf. S. 32). Virginia studierte 1899 am King's College Philosophie und Geschichte und gab von 1905 bis 1907 am Morley College einen Abendkurs in englischer Literatur für die arbeitende Bevölkerung aus den unteren sozialen Schichten. Leslie Stephen hatte die Begabung seiner Töchter gefördert. Sie wurden von klein auf ans Lesen herangeführt und hatten von frühester Jugend an freien Zugang zu seiner Bibliothek. Vanessa, die ein Talent im Malen und Zeichnen besaß, begann 1901 mit Zustimmung ihres Vaters, an der Royal Academy Malerei zu studieren. Leslie Stephen sah keine Benachteiligung darin, daß seinen Töchtern der Weg seiner Söhne versperrt blieb, da er dem universitären Bildungssystem gegenüber seine Zweifel hegte. Zwerdling schreibt über ihn: „He had serious doubts about the general quality of university education, [...] he believed that individual vocation should determine the training provided. When it became clear that Vanessa wanted to be a painter, she received the kind of formal instruction appropriate to that ambition. Virginia's equally precocious choice of a literary vocation was taken seriously from the start and fostered by her father.

He would not have thought a university education particularly useful for a writer, male or female, and though Virginia Woolf was to see her lack of academic training as a deprivation, there is something to be said for Stephen's view. Her striking intellectual independence owes a good deal to her freedom from the constraints imposed by the standard university degree programs.“ (A. Zwerdling. Virginia Woolf and the Real World. S. 341/2) Virginia Woolf fühlte sich dennoch zeitlebens unzulänglich

"Wishing I'd been an architect," he said. "But they sent me into the army instead, which I loathed."

(362)

Martins Bruder Edward hat nur unter dem Einfluß der Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden, die Gelehrtenlaufbahn eingeschlagen.

"My wasted youth [...]" (160)

"If I'd my way [...] I should have been [...]" But his sentence is never finished, and not even his sister Eleanor can imagine how it would have ended. (378)

Eleanor fühlt sich aufgrund der Verpflichtungen ihrem Vater gegenüber momentan um die Verwirklichung ihrer Ideale gebracht, als sie Renny, den Mann ihrer Cousine Maggie, kennenlernt.

That is the man, she said to herself [...] that I should like to have married. She recognized a feeling which she had never felt. But he's twenty years younger than I am [...] and married to my cousin. For a moment she resented the passage of time and the accidents of life which had swept her away - from all that. (285)

Eleanors Cousine Kitty Malone ist nur in die nobility aufgestiegen, um die Erwartung ihrer Mutter zu erfüllen, die für ihre Tochter statt einer Berufsausbildung eine für das Ansehen und das Vermögen der Familie vorteilhafte Ehe ins Auge faßte.18

Edward, [Mrs Malone] mused, is in love with Kitty, but I don't know that I want her to marry him, she thought. [...] No, not Edward. [...] There was young Lord Lasswade. [...] That would be a nice marriage. [...] Not that I want her to be rich, not that I care about rank [...] No, but he could give her what she wants. [...] What was it? [...] Scope, she decided. (80)

Im Alter gibt Kitty zu, daß sie lieber einen anderen Lebensweg eingeschlagen hätte.

"I'd have given anything to be a farmer! But in my youth that wasn't allowed." (380)

Eleanor und ihre Geschwister können durch die patriarchalische Stellung Oberst Pargiters, Kitty durch den dominanten Einfluß ihrer Mutter ihr Leben nicht nach ihren Vorstellungen einrichten. Eleanor ist nach dem Tod ihres Vaters die erste, die ihr Leben auf eine ideelle Grundlage stellt. Da Oberst Pargiter ihr nie ihre finanzielle Unabhängigkeit zugestand, lebte sie in beständiger Abhängigkeit von ihm.19 Zwerdling stellt hierzu kritisch fest:

gebildet und schrieb die Ursache dafür der Unterdrückung ihres Geschlechts zu (vgl. Q. Bell. Virginia Woolf. A Biography. S. 91).

18vgl. L. Gordon. Virginia Woolf. A Writer's Life. S. 254

19Virginia Woolf einigte sich mit ihrem Mann darauf, daß jeder sein eigenes Konto hat. Zwerdling schreibt dazu: „In 1927, after fifteen years of marriage, Virginia and Leonard apparently decided at her insistence to have separate checking accounts for the first time [...] From the year 1928 on, [Virginia's] income from her writing increased dramatically, and she must have been pleased to think that her earned income alone could now easily have covered all their joint expenses. For the first time in her life, she was not dependent on money inherited from her father or earned by her husband. She was financially her own mistress, and the sharp pleasure this fact gave her must have made her more conscious than ever that a woman's financial independence had an importance out of all proportion to the things money could buy.“(A. Zwerdling. Virginia Woolf and the Real World. S. 231/2)

Eleanor enters her father's study to go over the household accounts rather like a clerk approaching her superior. [...] The power of the purse confirms a position of authority that seems to radiate from every object in his room.20

Oberst Pargiter sieht eine Selbstverständlichkeit darin, daß sich nach dem Tod seiner Frau die älteste Tochter um ihn kümmert.21 Zwerdling schreibt:

Eleanor stays on to run her father's house after her mother's death, since she is the eldest daughter and is needed. Without questioning the system, she automatically accepts the categorical obligation.22

Als Oberst Pargiter stirbt, ist Eleanor bereits über fünfzig.23 Ihr gealtertes Äußeres symbolisiert im Zusammenhang mit ihrer festen Einbindung in den patriarchalischen Haushalt, daß sie am Leben vorbeigelebt hat.

That she was getting old was obvious; there were wrinkles across her forehead; hollows and creases where the flesh used to be firm. (189)

6.3.2. Gleichberechtigung

Nach dem Tod Oberst Pargiters wächst der Zusammenhalt zwischen den Geschlechtern mit zunehmender Umorientierung des Mannes in seiner Rolle als Ehemann. So trägt der Franzose Renny in seiner Familie zu einer Lebensform bei, die für viktorianische großbürgerliche Verhältnisse undenkbar gewesen wäre.

20A. Zwerdling. Virginia Woolf and the Real World. S. 231

21Auch Leslie Stephen verlangte nach dem Tod seiner Frau, daß sich seine älteste Tochter um ihn kümmerte (vgl. V. u. A. Nünning. Virginia Woolf. S. 22).

22A. Zwerdling. Virginia Woolf and the Real World. S. 155

23Woolf schrieb über ihr Leben mit Leslie Stephen: „I shrink from the years 1897-1904 - the seven unhappy years.“ (J. Schulkind (Hrsg.). Virginia Woolf. A Sketch on the Past. S. 117) Auch Bell nimmt in seine Biographie über Virginia Woolf ihre Gedanken mit auf: „How could her father behave with such brutality and why was it that he reserved these bellowings and screamings for his women?

With men his conduct was invariably gentle, considerate and rational.“ (Q. Bell. Virginia Woolf. A Biography. S. 63) Virginia Woolf empfand überhaupt eine starke Abneigung gegen jede Form von Abhängigkeit und Unterdrückung, wie aus ihren Tagebüchern und Briefen hervorgeht (vgl. A. O.

Bell (Hrsg.). The Diary of Virginia Woolf. Vol. III. S. 195). Am 28. November 1928 schrieb sie über ihren Vater in ihr Tagebuch: „Father's birthday. He would have been 96 today; & could have been 96 [...] but mercifully was not. His life would have entirely ended mine. What would have happened? No writing, no books; - inconceivable.“ (A. O. Bell (Hrsg.). The Diary of Virginia Woolf. Vol. III. S. 208) Trotz ihrer Emanzipation begann sie nach dem Tod ihres Vaters ihre schriftstellerische Tätigkeit mit zwiespältigen Gefühlen, da sie infolge ihrer Erziehung eine untergeordnete Rolle dem Mann gegenüber zu spielen gewohnt war. Es bedeutete für sie eine Umstellung, bei der Rezension von Büchern, die von Männern geschrieben waren, Kritik zu üben, da dies der Regel ihrer viktorianischen Vergangenheit widersprach, nach der das Verhalten der Frau ihnen gegenüber frei von jeder Kritik zu sein hatte. Sie wagte dennoch den Schritt an die Seite der Männer, an der sie als Frau aus deren Sicht nichts zu suchen hatte, da sie eine Gefahr darin sahen, daß mit der Verbreitung der Werke von Frauen deren Wunsch nach sozialer Gleichstellung mit ihnen verstärkt um sich greifen könnte.

Außerdem herrschte unter den Männern noch immer die Meinung über sie, die Woolf in Three Guineas aufgriff: „You shall not learn; you shall not earn; you shall not own.“ (Virginia Woolf. Three Guineas. S. 190)

Seine Bereitschaft, häusliche Pflichten zu übernehmen, führt zu einer neuen Form des Umgangs der Eheleute miteinander. Maggie entwickelt in ihrer Ehe mit ihm eine freie und glückliche Art zu leben, die für Eleanor zum Maßstab des in der nachviktorianischen Epoche erzielten Fortschritts im Zusammenleben der Geschlechter wird.24 Um eine Ehe darzustellen, in der beide Partner gleichberechtigt sind, wählt der Erzähler einen Franzosen, da dessen Weltbild nicht viktorianisch geprägt ist. Radin schreibt:

„Only by changing the upbringing of both sexes, [Woolf] believed, could the direction of civilization be changed.“25

Im Dokument Besitz und Ideal (Seite 97-103)