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3. Ergebnisse

3.1. Demographische Daten und Patientenprofil

In dem Zeitraum von 2005 bis 2016 wurden insgesamt 38 Patienten mit einem fortgeschrittenen idiopathischen Parkinson-Syndrom, welche trotz optimaler oraler bzw. trans- oder subkutaner Pharmakotherapie an relevanten Fluktuationen litten, in der Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie der Medizinischen Hochschule Hannover auf die LCIG-Therapie umgestellt, davon 24 (63%) Patienten männlich und 14 (37%) weiblich.

Das durchschnittliche Alter bei Beginn der Erkrankung (Mittelwert plus/minus Standardabweichung) lag bei 52,7 ± 9,37 Jahren (Median 51), das Alter bei Beginn der LCIG-Therapie bei 67,2 ± 7,7 Jahren (Median 66), und die Erkrankungsdauer bei der Umstellung auf LCIG bei 15,1 ± 5,02 Jahren (Median 14,5). Das mittlere Hoehn & Yahr-Stadium zum Zeitpunkt der Initiation der LCIG-Therapie lag bei 3,92 ± 0,85 (Median 4); 2/3 der Patienten wiesen ein Hoehn & Yahr-Stadium von ≥ 4 auf, d.h. sie hatten prominente axiale Symptome wie posturale Instabilität mit oder ohne Freezing, was ein Gehen ohne Gehhilfe stark beeinträchtigte.

Wie im Stadium des fortgeschrittenen Parkinson-Syndroms typisch, hatte die Mehrheit der Patienten bei Beginn der LCIG-Therapie zusätzlich zu den motorischen Fluktuationen relevante nicht-motorische Symptome (Prozentzahl). 57,8% (n = 22) litten an nicht-dopaminerg vermittelten axialen Symptomen, wie posturale Instabilität, Kamptokormie und Stürze, 47,3% (n =18) an psychiatrischen Komplikationen der dopaminergen (Poly-)pharmakotherapie (Psychose, Halluzinationen, Dopamindysregulations-syndrom, Impulskontrollstörungen). Knapp je 1/3 der Patienten, nämlich 28,9 % (N = 11) wiesen eine leicht bis mittelschwere kognitive Störung (Mini-Mental-State-Test 26-16/30) und affektive Symptome auf. 7 Patienten (18,4%) hatten Hinweise auf eine Dysautonomie (Obstipation, Harninkontinenz, Hypersalivation, orthostatische Dysregulation; Tabelle 1).

24 Patienten (63,2%) litten unter 2 oder mehreren nicht-motorischen Symptomen, 9 Patienten (23,6%) wiesen nur ein nicht-motorisches Symptom auf, und nur bei der Minderheit, nämlich 5 Patienten (13,2%) waren keine nicht-motorischen Symptome nachweisbar.

Die absolute Mehrheit der Patienten, nämlich 34 (89,4%) lebten daheim unterstützt von Ehepartnern oder Kindern, und nur 4 Patienten (10,6%) in einer Pflegeeinrichtung.

21

Beginn der LCIG-Behandlung (Jahr) 15,1 5,02 6-25 14,5 Hoehn & Yahr Stadium

Tabelle 1: Demographische Daten und Patientenprofil. Mean - Durchschnittswert. SD - Standardabweichung.

UAW - unerwünschte Arzneimittelwirkungen. Range - Grenzwerte. 1 - Depressivität, Affektlabilität, Angst. 2 - Dopamin-Dysregulationssyndrom, Psychose, Halluzinose, Impulskontrollstörung. 3 - Freezing, Stürze, Kamptokormie. 4 - Obstipation, Harninkontinenz, Hypersalivation, orthostatische Dysregulation.

22 3.2. Vorbehandlung

3.2.1. Konventionelle Pharmakotherapie

Alle 38 Patienten wurden zum Umstellungszeitpunkt auf die LCIG-Behandlung mit oralem Levodopa in Kombination mit einem Decarboxylase-Inhibitor (Benserazid oder Carbidopa) behandelt.

Andere eingenommenen Medikamente waren Catechol-O-methyltransferase (COMT)-Inhibitoren [Entacapon (n = 20) und Tolcapon (n = 4)], Dopaminagonisten [Rotigotin (n = 11), Pramipexol (n = 9), Ropinirol (n = 6), Apomorphin (n = 5), Cabaseril (n = 2), Pergolid (n = 2) und Piribedil (n = 1)];

Monoaminooxidase-B (MAO-B)-Inhibitoren [Selegilin (n = 1) und Rasagilin (n = 1)] und der NMDA-Antagonist Amantadin (n = 9) (Tabelle 2).

Substanzgruppen Mittlere Dosis Patientenanzahl

Levodopapräparate

Levodopa-Äquivalenzdosis 1675 ± 679 mg (672-3480 mg) Tabelle 2: Konventionelle Pharmakotherapie vor Umstellung auf LCIG

23

Wie bei motorischen Fluktuationen üblich war die Einnahme von Levodopapräparaten weit über den Tag verteilt, und zwar im Mittel auf 7,23 ± 1,40 Einnahmezeitpunkte (Median 7), wobei die individuelle Streuung bei 4-10 Einnahmezeitpunkte lag (Tabelle 3).

Polypharmakotherapie (d.h. Therapie mit ≥ 2 Substanzgruppen) war - wie für Patienten in diesem Stadium der Erkrankung typisch - ebenfalls die Regel. Nur 2 Patienten (5,4%) waren zum Zeitpunkt der Therapieentscheidung für LCIG-Behandlung bereits auf Levodopa/DDH-Monotherapie, was unerwünschten Arzneimittelwirkungen (nämlich Halluzinationen/Psychose) unter Kombinations-behandlung mit anderen Substanzen geschuldet war. 36 Patienten (94,6%) nahmen eine Kombination aus Levodopapräparaten und weiteren Substanzgruppen: 10 Patienten (26,3%) nahmen 2 Substanzgruppen ein, 23 Patienten (60,5%) 3 Substanzgruppen und 3 Patienten (7,8%) 4 Gruppen. Die mittlere Anzahl der eingenommenen Substanzgruppen betrug 2,7 ± 0,69 (Median 3). Die untersuchten Patienten waren vergleichsweise hochdosiert behandelt. Die mittlere Levodopa-Äquivalenzdosis lag bei 1675 ± 679 mg (672-3480 mg).

Parameter Ergebnis

Vormedikation Mean SD Range Median

Anzahl der eingenommenen Substanzgruppen 2,7 0,69 1-4 3

Anzahl der Einnahmezeitpunkte 7,23 1,40 4-10 7

Levodopa-Äquivalenztagesdosis vor LCIG (mg) 1675 679 672-3480 1747

Invasive Therapie N = 38

Tiefe Hirnstimulation 6 (16%)

- Nucleus subthalamicus (STN) 4 (13%)

- Globus pallidus internus (GPi) 1 (3%)

Apomorphin-Pumpentherapie 5 (13%)

Tabelle 3: Vorbehandlung. Mean - Durchschnittswert. SD - Standardabweichung. Range Grenzwerte

3.2.2. Andere invasive Verfahren

Für 11 Patienten war die LCIG-Behandlung nicht das erste invasive Verfahren zur Behandlung motorischer Fluktuationen im Rahmen des fortgeschrittenen idiopathischen Parkinson-Syndroms. Bei

24

allen Patienten bestand eine Kombination des invasiven Therapieverfahrens mit oraler Polypharmakotherapie.

6 Patienten (15,7%) hatten zum Zeitpunkt der Initiierung der LCIG-Therapie eine tiefe Hirnstimulation, davon 5 Patienten in Nucleus subthalamicus (STN) und 1 Patient in Globus pallidus internus (GPi). Bei 5 Patienten (4 Patienten mit STN-Stimulation und 1 Patient mit GPi-Stimulation) wurde die Tiefe Hirnstimulation mit der LCIG-Therapie kombiniert fortgeführt.

Bei 5 Patienten (13,1%) bestand zum Zeitpunkt der Initiierung der LCIG-Therapie eine Apomorphin-Pumpentherapie. Bei allen Patienten wurde die Apomorphin-Pumpenbehandlung beendet.

3.3. Levodopa-Carbidopa-Intestinal-Gel (LCIG) 3.3.1. Titration

26 Patienten (68,4%; männlich/weiblich: 18/8) wurden prästationär vor dem Beginn des Titrationsprozesses der LCIG-Therapie auf eine orale Levodopa/DDH-Monotherapie umgestellt. Die mittlere Dauer des Zeitintervalls der Umstellung auf orale Levodopa/DDH-Therapie vor der Initiierung der LCIG-Behandlung betrug dabei 4,15 ± 2,93 Tage.

Bei 10 Patienten (26,3%; männlich/weiblich: 5/5) wurde die Polypharmakotherapie bis zum Start der LCIG-Therapie unverändert fortgeführt. Die Gründe für die Fortführung der Polypharmakotherapie lagen darin, dass die Patienten nicht dazu in der Lage waren, die Behandlung entsprechend der Vorgaben ambulant umzustellen. 2 Patienten (5,3%; männlich/weiblich: 1/1) waren bereits wegen neuropsychiatrischer Komplikationen vor der Therapieentscheidung für LCIG mit einer Levodopa/DDH– Monotherapie behandelt.

28 Patienten (73,6%) erhielten LCIG als Monotherapie über 16 Stunden. Aufgrund der schwer ausgeprägten nächtlichen Symptome, wie der Unfähigkeit, alleine vom Bett ins Bad zu gehen, Schmerzen oder Off-Dystonie, fiel bei 5 Patienten (13,2%) die Entscheidung, sie von Beginn an auf eine 24h-LCIG-Therapie einzustellen. Bei weiteren 5 Patienten (13,2%) mit moderaten nächtlichen Symptomen (erschwerter nächtlicher Toilettengang, Schmerzen und Off-Dystonie in der zweiten Nachthälfte), die im Vorfeld bereits mit dem transdermalen Dopaminagonisten Rotigotin behandelt wurden und darunter symptomarm waren, wurde LCIG mit diesem Dopaminrezeptor-Agonisten kombiniert („Monotherapie-Plus“).

Bei 32 Patienten (84%) wurde die LCIG-Therapie mittels einer nasojejunalen Sonde begonnen. Die mittlere Dauer der nasojejunalen Phase lag bei 4,93 ± 2,28 Tagen, dabei bei männlichen Patienten 5,04 ± 2,2 und bei weiblichen Patienten 4,7 ± 2,5 Tage. Bei 6 Patienten (16%) wurde die nasojejunale Phase

25

nicht durchgeführt, weil sie diese Phase als Entscheidungshilfe für oder gegen eine LCIG-Behandlung nicht benötigten; sie starteten die Titration primär nach der PEG-J-Anlage.

37 Patienten (97%) führten die LCIG-Therapie über eine PEG-J-Sonde fort. Bei 1 männlichem Patienten konnte eine endgültige Versorgung mit PEG-J-System aufgrund einer Adipositas-bedingt fehl-geschlagenen Diaphanoskopie nicht erfolgen, obwohl es im Vorfeld eine Titration der LCIG-Therapie mit Erreichen einer optimalen Dosis mittels nasojejunaler Sonde erfolgreich abgeschlossen werden konnte.

Die mittlere Dauer der Titrationsphase der LCIG-Therapie bis zum Erreichen einer optimalen therapeutischen Dosis lag bei 7,26 ± 5,46 Tagen (Median 6,5). Die mittlere Dauer der NJ-Phase betrug 4,93 ± 2,28 Tage (Median 4,5), dabei bei männlichen Patienten 5,04 ± 2,2 (Median 4,5) und bei weiblichen Patienten 4,7 ± 2,54 Tage (Median 4,5). Die mittlere Dauer der PEG-J-Phase betrug 7,5 ± 5,3 Tage (Median 6), dabei bei männlichen Patienten 7,7 ± 5,8 und bei weiblichen Patienten 7,6 ± 4,4 Tage.

Die Dauer des gesamten Krankenhausaufenthaltes betrug 16,1 ± 6 Tage (Median 15,5)

Die gemäß der Äquivalenzdosis-Tabelle berechnete gesamte Levodopa-Äquivalenztagesdosis bei Aufnahme ins Krankenhaus lag durchschnittlich bei 1675 ± 679 mg. Die Levodopa-Äquivalenztagesdosis bei Entlassung betrug 1899 ± 741 mg, was einer mittleren Dosiserhöhung von 224 mg bzw. 13,3%

Dauer des Krankenhausaufenthaltes (Tage) 16,1 6 3-30 15,5 Tabelle 4: Titration. Mean - Durchschnittswert. SD - Standardabweichung. Range Grenzwerte

26

3.3.2. Unerwünschte Ereignisse

Die während der Umstellung auf die LCIG-Therapie aufgetretenen Komplikationen wurden nach ihrer Art in 3 Gruppen aufgeteilt: psychiatrische (Delir, Incompliance, wiederholte Entfernung der Sonde);

technische (Gerätendefekt, Sondendislokation, fehlplatzierte Sondenimplantation [zu weit vor oder hinter dem Treitz´schen Band], Pneumoperitoneum); internistische (Myokardischämie, transitorische ischämische Attacke, respiratorische Insuffizienz etc.). 21 Patienten (55,2%) schlossen den Umstellungsprozess auf LCIG-Therapie ohne Komplikationen ab. 5 Patienten (13,2%) entwickelten psychiatrische Komplikationen, 8 Patienten (21%) hatten technisch bzw. prozedural bedingte Komplikationen und 4 Patienten (10,6%) erlitten verschiedene internistische Komplikationen (Tabelle 5).

Ünerwünschte Ereignisse Patienten (N= 38)

Keine 21 (55,2%)

Psychiatrisch 5 (13,2%)

- Delir 5

Technisch 8 (21 %)

- Gerätedefekt 1

- Sondendislokation 2

- Tiefe Sondenlage 2

- Keine Diaphanoskopie 1

- Lokale Entzündung 1

- Pneumoperitoneum 1

Internistisch 4 (10,6%)

- Myokardischämie 1

- Transiente ischämische Attacke 1 - Respiratorischer Infekt/

respiratorische Insuffizienz 2 .

Tabelle 5:Unerwünschte Ereignisse im Rahmen der Umstellung auf LCIG-Therapie

27

3.3.3. Kotherapie und Krankenhausaufenthalt

22 Patienten (57,8%) erhielten während der Umstellung auf die LCIG-Therapie eine simultane Parkinson-Komplextherapie bestehend aus regelmäßiger Physio- und Ergotherapie, logopädischer Behandlung und Massage. Aus Vergütungsgründen musste eine Parkinson-Komplextherapie mind. 900 Minuten bzw. 10 Arbeitstage umfassen. 16 Patienten (42,2%) erhielten während der Dauer des Aufenthaltes nur eine Physiotherapie, die nicht Bestandteil einer Parkinson-Komplextherapie war.

Die mittlere Dauer des Krankenhausaufenthaltes lag bei 16,1 ± 6 Tagen, dabei bei Männern 15,9 ± 6,2 und bei Frauen 16,5 ± 5,8 Tagen.

3.4. Einfluss diverser Faktoren auf die Titrationsdauer

3.4.1. Soziodemographische Faktoren

In der erfolgten statistischen Analyse zeigte sich kein signifikanter Unterschied der mittleren Dauer des Titrationsprozesses der LCIG-Therapie zwischen den männlichen (7,37 ± 6,47) und weiblichen (7,07 ± 3,29) Patienten (p = 0,513). Ebenso gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied der Titrationsdauer zwischen den Patienten, welche im Eigenheim (7,26 ± 5,55) oder in einer Pflegeeinrichtung (7,25 ± 5,37) wohnten (p = 0,952). Es zeigte sich jedoch eine allenfalls leicht positive Korrelation zwischen dem Alter der Patienten bei Beginn der LCIG-Therapie und der Titrationsdauer, wobei diese statistisch nicht signifikant war (rs = +0,307, p = 0,06; Tabelle 6).

3.4.2. Erkrankungdauer und -schweregrad

Die Dauer des Parkinson-Syndroms zeigte keine statistisch signifikante Wirkung auf die mittlere Dauer der Titration bei Einstellung auf die LCIG-Therapie (rs = 0,08, p = 0,631). Ferner, war keine Korrelation zwischen dem Alter bei Beginn des Parkinson-Syndroms und der mittleren Titrationsdauer nachweisbar (rs = +0,179, p = 0,282).

Der Schweregrad des Parkinson-Syndroms nach Hoehn & Yahr-Stadium hatte einen Effekt auf die Dauer des Titrationsprozesses der LCIG-Therapie. Hier war die mittlere Dauer der Titration bei den Patienten mit schwererer Ausprägung der Parkinson-Erkrankung länger (8,88 ± 6,56 Tage bei Hoehn & Yahr-Stadium 4 und 6,90 ± 3,14 Tage bei Hoehn & Yahr-Yahr-Stadium 5) als bei Patienten mit relativ leichterer

28

Erkrankungsausprägung (5,89 ± 4,96 Tage bei Hoehn & Yahr-Stadium 3 und 1,50 ± 0,70 Tage bei Hoehn

& Yahr-Stadium 2). Es zeigte sich jedoch keine statistische Relevanz (p=0,08), was am ehesten mit der ungleichmäßigen Verteilung der Erkrankungsschwere sowie der geringen Patientenanzahl zu erklären war (Abbildung 5).

Faktor n rs p-Wert

Alter bei Beginn des

Parkinson-Syndroms 38 +0,179 0,282

Alter bei Beginn der LCIG-Behandlung 38 +0,307 0,06 Dauer des Parkinson-Syndroms bei

Beginn der LCIG-Therapie 38 +0,08 0,631

Hoehn & Yahr Stadium

- 2 2

- 3 9 0,120

- 4 17 0,033*

- 5 10 0,031*

Anzahl der eingenommenen

Substanzgruppen 38 -0,349 0,03*

Anzahl der Einnahmezeitpunkte der

Medikamente 38 -0,282 0,086

Levodopa-Äquivalenzdosis bei

Aufnahme 38 +0,05 0,737

Levodopa-Äquivalenzdosis bei

Entlassung 38 +0,179 0,28

Dauer der nasojejunalen Phase 32 +0,107 0,521

Dauer der PEG-JET-Phase 37 +0,366 0,05*

Tabelle 6: Korrelation der stetigen Variablen mit der Titrationsdauer. rs - Korrelationskoeffizienz nach Spearman.

* - statistische Signifikanz

30

nicht signifikant länger im Vergleich zu Patienten ohne diese Symptome (8,75 ± 5,92 vs. 6,86 ± 5,37, p = 0,325).

3.4.4. Andere invasive Verfahren

Bei 5 Patienten, welche bis zur LCIG-Therapie mit einer Apomorphin-Pumpe behandelt wurden, ergab sich eine deutlich längere Dauer des Titrationsprozesses im Vergleich zu Patienten ohne Apomorphin-Pumpentherapie, wobei sich keine statistische Relevanz zeigte (12 ± 9,21 vs. 6,54 ± 4,45, p = 0,197).

Die Patienten mit einer tiefen Hirnstimulation (n = 6) wiesen auch eine längere Dauer des Titrationsprozesses im Vergleich zu Patienten ohne dieses invasive Verfahren vor der LCIG-Therapie auf, auch hier ohne statistische Signifikanz (9 ± 5,05 vs. 6,93 ± 5,55, p = 0,264).

3.4.5. Medikamentöse Vorbehandlung

Die Levodopa-Äquivalenzdosis bei Aufnahme ins Krankenhaus zeigte keinen relevanten Einfluss auf die Titrationsdauer bei Beginn der LCIG-Therapie (rs = +0,05, p = 0,737). Die mittlere Dauer des Titrationsprozesses stellte sich in mäßiger negativer Korrelation mit der Anzahl der eingenommenen Substanzgruppen (rs = -0,349, p = 0,03). Ähnlich war auch die Korrelation zwischen der Anzahl der Einnahmezeitpunkte der Medikation vor Beginn der LCIG-Therapie und der folgenden Dauer des Titrationsprozesses (rs = -0,282, p = 0,086).

3.4.6. Umstellung auf orale Levodopa/DDH-Monotherapie vor LCIG-Therapie

Diejenigen Patienten, die vor dem Beginn des LCIG-Titrationsprozesses von einer Polypharmakotherapie auf eine orale Levodopa/DDH-Monotherapie umgestellt worden sind, wiesen eine signifikant kürzere Dauer der Titration auf (5,65 ± 4,18 vs. 10,75 ± 6,42, p = 0,006; Abbildung 6). Hier zeigte sich jedoch keine Korrelation zwischen dem Zeitintervall der vorherigen Umstellung von einer Polypharmakotherapie auf orale Levodopa/DDH-Monotherapie und der LCIG-Titrationsdauer (rs = -0,079, p = 0,70). Alle 5 Patienten, die in der Folge mit einer Monotherapie-Plus (LCIG + Rotigotin) sowie 3 von 5 Patienten, die in der Folge eine 24-Stunden-LCIG-Therapie erhielten, wurden im Vorfeld nicht auf eine orale Levodopa/DDH-Monotherapie umgestellt.

34

35

- Monotherapie-plus 5 9,8 4,26 6-17 8

0,099

- Keine Monotherapie-plus 33 6,87 5,57 1-25 5

- Nasojejunale Sonde 32 7,43 5,71 1-25 6

0,838

- Keine nasojejunale Sonde 6 6,33 4,13 1-12 7,5

- Parkinson-Komplexbehandlung 22 8,09 5,36 1-20 7,5

0,196

- Keine Parkinson-Komplexbehandlung 16 6,12 5,57 1-25 5

Unerwünschte Ereignisse

- Keine 21 5,47 3,31 1-14 5

- Psychiatrisch 5 10,6 6,65 2-17 11 0,018*

- Technisch 8 10 8,56 2-25 8 0,046*

- Internistisch 4 7 2 4-8 8 0,258

Tabelle 7: Einfluss diverser Faktoren auf die Titrationsdauer. * = statistische Signifikanz

3.5. Einfluss diverser Faktoren auf die Dauer des Krankenhausaufenthaltes

3.5.1. Soziodemographische Faktoren

Die Analyse zeigte keine signifikante Differenz der mittleren Dauer des Krankenhausaufenthaltes während der Initiierung der LCIG-Therapie zwischen den männlichen und weiblichen Patienten (15,9 ± 6,29 vs. 16,5 ± 5,82, p = 0,694). Es ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied der Dauer der stationären Behandlung zwischen den Patienten, welche im Eigenheim oder in einer Pflegeeinrichtung wohnten (15,8 ± 6,2 vs. 18,5 ± 4,43, p = 0,295). Es konnte jedoch eine leicht positive, statistisch signifikante Korrelation zwischen dem Alter der Patienten bei Beginn der LCIG-Therapie und Dauer des Krankenhausaufenthaltes festgestellt werden (rs= +0,348, p = 0,032).

3.5.2. Erkrankungsdauer und -schweregrad

Die Dauer des Parkinson-Syndroms zeigte allenfalls einen dezenten positiven, jedoch statistisch nicht signifikanten Einfluss auf die mittlere Dauer der Krankenhausbehandlung bei Einstellung auf die LCIG-Therapie (rs = +0,264, p = 0,109). Ferner war keine Korrelation zwischen dem Alter bei Beginn des

36

Parkinson-Syndroms und der mittleren Dauer des Krankenhausaufenthaltes nachweisbar (rs = +0,135, p

= 0,419).

Das Hoehn & Yahr-Stadium hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Dauer des Krankenhausaufenthaltes bei Einstellung auf die LCIG-Therapie. Die mittlere Dauer der Krankenhausbehandlung war bei den Patienten mit schwererer Ausprägung der Parkinson-Erkrankung (17,4 ± 6,7 Tage bei Hoehn & Yahr-Stadium 4 und 16,30 ± 6,09 Tage bei Hoehn & Yahr-Stadium 5) vergleichbar mit den Patientengruppen mit relativ leichterer Erkrankungsausprägung (13,6 ± 5,02 Tage bei Hoehn & Yahr-Stadium 3 und 16 ± 4,24 Tage bei Hoehn & Yahr-Stadium 2).

Faktor n rs p-Wert

Alter bei Beginn der LCIG-Behandlung 38 +0,348 0,032*

Dauer des Parkinson-Syndroms bei

Beginn der LCIG-Therapie 38 +0,264 0,109

Hoehn & Yahr Stadium

Titrationsdauer 38 +0,554 0,001*

Dauer der nasojejunalen Phase 32 +0,173 0,299

Dauer der PEG-JET-Phase 37 +0,579 0,001*

Tabelle 8: Korrelation der stetigen Variablen mit der Dauer der Krankenhausbehandlung. rs Korrelations-koeffizient nach Spearman. * - statistische Signifikanz

38

3.5.4. Andere invasive Verfahren

Bei 5 Patienten, welche vor der LCIG-Therapie mit einer Apomorphin-Pumpentherapie behandelt wurden, ergab sich eine wesentlich längere Dauer des Krankenhausaufenthaltes im Vergleich zu Patienten ohne Apomorphin-Pumpentherapie, wobei sich jedoch keine statistische Signifikanz zeigte (19,8 ± 6,49 vs. 15,6 ± 5,89, p = 0,180).

Die Patienten mit einer tiefen Hirnstimulation (n = 6) wiesen eine längere Dauer des Krankenhaus-aufenthaltes im Vergleich zu Patienten ohne dieses invasive Verfahren vor der LCIG-Therapie auf, auch hier ohne statistische Signifikanz (18,5 ± 5 vs. 15,7 ± 6,2, p = 0,326).

3.5.5. Medikamentöse Vorbehandlung

Die Levodopa-Äquivalenzdosis bei Aufnahme ins Krankenhaus zeigte keinen relevanten Einfluss auf die Dauer des Krankenhausaufenthaltes bei Beginn der LCIG-Therapie (rs = +0,066, p = 0,695). Die mittlere Dauer der Krankenhausbehandlung war in leicht negativer, statistisch nicht signifikanter Korrelation mit der Anzahl der eingenommenen Substanzgruppen (rs = -0,285, p = 0,083). Es konnte keine Korrelation zwischen der Anzahl der Einnahmezeitpunkte der Medikation vor Beginn der LCIG-Therapie und der folgenden Dauer des Krankenhausaufenthaltes erhoben werden (rs = +0,052, p = 0,756).

3.5.6. Umstellung auf orale Levodopa/DDH-Monotherapie vor LCIG-Therapie

Die Patienten mit der erfolgten Umstellung von einer Polypharmakotherapie auf eine orale Levodopa/DDH-Monotherapie vor dem Beginn des Titrationsprozesses der LCIG-Therapie zeigten eine signifikant kürzere Dauer des Krankenhausaufenthaltes (14,8 ± 6,07 vs. 19 ± 5,15, p = 0,024, Abbildung 10).

Die Patienten, welche seit dem Beginn des Titrationsprozesses eine 24h-LCIG-Therapie brauchten, wiesen eine bemerkbare, jedoch nicht signifikant längere Dauer des Krankenhausaufenthaltes im Vergleich zu der Gruppe ohne 24h-LCIG-Therapie (20,8 ± 5,26 vs. 15,45 ± 5,92, p = 0,066). Ferner zeigte sich keine signifikante Differenz der mittleren Dauer der Krankenhausbehandlung bei den Patienten mit einer Monotherapie-Plus (LCIG + Rotigotin) seit dem Beginn des Titrationsprozesses im Vergleich zu der Gruppe ohne Monotherapie-Plus (18,4 ± 1,51 vs. 15,8 ± 6,41, p = 0,226).

41

Faktor n Dauer des Krankenhausaufenthaltes (Tage)

Geschlecht Mean SD Range Median p-Wert

42

- Monotherapie-plus 5 18,4 1,51 17-21 18

0,226

- Keine Monotherapie-plus 33 15,8 6,41 3-30 15

- Nasojejunale Sonde 32 15,43 6,04 3-30 15

0,062

- Keine nasojejunale Sonde 6 20 4,89 13-28 20

- Parkinson-Komplexbehandlung 22 17,86 4,35 8-28 18

0,008*

- Keine Parkinson-Komplexbehandlung 16 13,8 7,33 3-30 12

Unerwünschte Ereignisse

- Keine 21 13,42 4,08 8-21 13

- Psychiatrisch 5 17,6 1,67 15-19 18 0,037*

- Technisch 8 19,5 8,86 3-30 21 0,017*

- Internistisch 4 22 4,83 18-29 20,5 0,001*

Tabelle 9: Einfluss der Faktoren auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts. * - statistische Signifikanz

43

4. Diskussion

4.1. Vorbemerkungen

Die Einstellung von fortgeschritten Parkinsonkranken auf LCIG ist ein komplexer Prozess, dessen Erfolg von vielen Faktoren beeinflusst wird. Das liegt einerseits daran, dass das Parkinson-Syndrom in diesem Stadium eine multidimensionale Erkrankung mit motorischen und nicht-motorischen Symptomen ist.

Das sind zum einen die dopaminerg vermittelten motorischen Fluktuationen mit einem Wechsel von On- und Off-Phasen, tlw. mehrfach am Tag, tlw. vorhersagbar, tlw. unerwartet und unvermittelt einsetzend.

Verkompliziert wird die Erkrankung durch nicht-dopaminerg vermittelte motorische Symptome wie Verlust der Haltungskontrolle und Stürze. Zu den nicht-motorischen Symptomen zählen Dysautonomien (u.a. Magen-Darm-Motilitätsstörungen, orthostatische Hypotonie) und kognitiv-psychiatrische Symptome (hier u.a. Demenz, Halluzinationen, Psychose, Impulskontrollstörungen oder Dopamin-Dysregulationssyndrom). Diese nicht-motorischen Symptome werden mit zunehmender Krankheitsdauer und Alter des Patienten immer prominenter und limitieren nicht selten den Therapieerfolg: Magen-Darm-Motilitätsstörungen verhindern u.a. die zeitgerechte Resorption, insbesondere von Levodopa im Jejunum, und verstärken motorische Fluktuationen; eine orthostatische Hypotonie beeinträchtigt nicht selten die Ausdauer, verstärkt die Müdigkeit und bedingt in seltenen Fällen auch (Prä-)Synkopen; die Demenz macht das Hirn anfälliger für unerwünschte dopaminerge Nebenwirkungen wie Psychose/Halluzinationen; Impulskontrollstörungen und das Dopamin-Dysregulationssyndrom limitieren die therapeutischen Möglichkeiten.73-76

Auf der anderen Seite gibt es pharmakologische Einflüsse auf die Einstellung auf LCIG. Die Patienten in der fortgeschrittenen Phase werden wegen ihrer motorischen Fluktuationen im Vorfeld einer LCIG-Therapie mit einer Kombination aus verschiedenen Substanzgruppen behandelt. Fast alle Wirkstoffe nehmen auf das dopaminerge System Einfluss, unterscheiden sich aber hinsichtlich Halbwertszeiten und damit Wirkdauer, ferner hinsichtlich Effektivität und Nebenwirkungen. In Kombination eingesetzt potenzieren sie sich gegenseitig und senken damit auch die Schwelle für das Auftreten von ungewollten Wirkungen, und zwar motorischer Art (Dyskinesien), autonomer Art (Kreislaufregulations- und Magendarmmotilitätsstörungen) und kognitiv-psychiatrischer Art (Delirien, Psychosen, Halluzinationen, Impulskontrollstörungen), also Symptomen, die ohnehin im fortgeschrittenen Stadium vorhanden sind.

Das Umstellen von vorbestehender Polypharmakotherapie auf LCIG, das i.d.R. eine Monotherapie mit Levodopa/Carbidopa ist, kann in vielen Fällen eine Reihe von Polypharmapharmakotherapie-bedingten unerwünschten Wirkungen sehr positiv beeinflussen, birgt aber auch in sich das Risiko einer transienten Verschlechterung, weil die Wirkungen der zuvor eingenommenen Substanzen unterschiedlich rasch nachlassen.

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Desweiteren haben einige Patienten zu dem Zeitpunkt der Einstellung auf LCIG bereits ein anderes kontinuierliches Stimulationsverfahren, nämlich tiefe Hirnstimulation (THS) und/oder eine Apomorphin-Pumpentherapie hinter sich.77 Weil diese mit der Zeit entweder an Effektivität verlieren (beide Verfahren) oder infolge progredienter Neurodegeneration mit mehr unerwünschten Arzneimittel-wirkungen einhergehen, kann in solchen Fällen LCIG als Alternative erwogen werden. Wie im Einzelnen die Umstellung erfolgt und welche potentiellen Einflüsse beide Verfahren auf die LCIG-Behandlung haben können, ist bislang wissenschaftlich nicht untersucht.

Wie in der Einführung beschrieben sind eine kurze Titrationsdauer und ein kurzer Krankenhausaufenthalt sehr erstrebenswert, um zum einen die Adhärenz des Patienten zu stärken und zum anderen die Risiken eines Klinikaufenthaltes und damit letztlich auch die Kosten zu minimieren. Ziel dieser Arbeit war die präzise Analyse des Einflusses der krankheitsimmanenten, pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Faktoren auf die Dauer des stationären Titrationsprozesses der LCIG-Therapie und die Dauer des damit assoziierten Krankenhausaufenthaltes. Daten hierzu sind in der Literatur rar, insbesondere weil viele der publizierten Studien hauptsächlich die Wirksamkeit, Verträglichkeit, Effektivität und Sicherheit der LCIG-Therapie analysierten, ohne dass Einflüsse der eingangs beschriebenen Faktoren auf die LCIG-Titration im Speziellen untersucht wurden.

4.2. Hauptbefunde

Unsere Studie konnte zeigen, dass der LCIG-Titrationsprozess sowie der damit assoziierte Krankenhausaufenthalt von diversen sowohl mit der Parkinson-Erkrankung verbundenen als auch davon unabhängigen Faktoren negativ, aber auch positiv beeinflusst werden kann. Hauptbefunde waren, dass eine prästationäre Umstellung der vorbestehenden Polypharmakotherapie auf eine orale Levodopa/DDH-Monotherapie die Dauer von Titration und den Krankenhausaufenthalt signifikant verkürzt, und dass ein Start mit einer 24h-LCIG-Infusion sowie ein Krankheitsstadium Hoehn und Yahr ≥ 4 die Titration verlängerte.

Die prästationäre Umstellung der vorbestehenden Polypharmakotherapie, die in den meisten Fällen aus 3 oder sogar 4 Substanzgruppen bestand, auf eine orale Levodopa/DDH-Monotherapie vor Beginn der LCIG-Therapie senkte die Titrationsdauer um ca. 48% (im Durchschnitt von 10,75 auf 5,65 Tage) und die Dauer der Krankenhausbehandlung um 22% (durchschnittlich von 19 auf 14,8 Tage) signifikant. Die naheliegendste Erklärung ist, dass sich der klinische Effekt der zuvor eingesetzten Präparate mit langer Halbwertszeit (im wesentlichen Dopaminagonisten) schon vor dem Klinikaufenthalt verloren hat und zum Zeitpunkt der Titration auf den Prozess keinen Einfluss mehr hatte. In der Tat waren die Patienten schon im Vorfeld mit der den Dopaminagonisten (DA) entsprechenden LEDD substituiert und sie selbst

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und ihre Angehörigen wurden angehalten, mögliche Off-Effekte nach Absetzen der DA mit oralem Levodopa zu kupieren. Die so ermittelte Levodopa-Tagesdosis war damit recht nah an dem späteren Bedarf an LCIG. Dazu passte auch, dass die Menge der eingenommenen Substanzgruppen mit der Titrationsdauer korrelierte. Bemerkenswerterweise hatte die Dauer dieser prästationären oralen Levodopa/DDH-Monotherapiephase selber keine Auswirkung auf die Titrationsdauer.

Eine 24h-LCIG Therapie musste bei einem Teil der Patienten aufgrund von nächtlichen Symptomen (vornehmlich Akinese mit der Unfähigkeit, sich selbst aus dem Bett zu mobilisieren, und nächtliche

Eine 24h-LCIG Therapie musste bei einem Teil der Patienten aufgrund von nächtlichen Symptomen (vornehmlich Akinese mit der Unfähigkeit, sich selbst aus dem Bett zu mobilisieren, und nächtliche