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3. Ergebnisse

3.4. Einfluss diverser Faktoren auf die Titrationsdauer

3.4.2. Erkrankungdauer und -schweregrad

Die Dauer des Parkinson-Syndroms zeigte keine statistisch signifikante Wirkung auf die mittlere Dauer der Titration bei Einstellung auf die LCIG-Therapie (rs = 0,08, p = 0,631). Ferner, war keine Korrelation zwischen dem Alter bei Beginn des Parkinson-Syndroms und der mittleren Titrationsdauer nachweisbar (rs = +0,179, p = 0,282).

Der Schweregrad des Parkinson-Syndroms nach Hoehn & Yahr-Stadium hatte einen Effekt auf die Dauer des Titrationsprozesses der LCIG-Therapie. Hier war die mittlere Dauer der Titration bei den Patienten mit schwererer Ausprägung der Parkinson-Erkrankung länger (8,88 ± 6,56 Tage bei Hoehn & Yahr-Stadium 4 und 6,90 ± 3,14 Tage bei Hoehn & Yahr-Yahr-Stadium 5) als bei Patienten mit relativ leichterer

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Erkrankungsausprägung (5,89 ± 4,96 Tage bei Hoehn & Yahr-Stadium 3 und 1,50 ± 0,70 Tage bei Hoehn

& Yahr-Stadium 2). Es zeigte sich jedoch keine statistische Relevanz (p=0,08), was am ehesten mit der ungleichmäßigen Verteilung der Erkrankungsschwere sowie der geringen Patientenanzahl zu erklären war (Abbildung 5).

Faktor n rs p-Wert

Alter bei Beginn des

Parkinson-Syndroms 38 +0,179 0,282

Alter bei Beginn der LCIG-Behandlung 38 +0,307 0,06 Dauer des Parkinson-Syndroms bei

Beginn der LCIG-Therapie 38 +0,08 0,631

Hoehn & Yahr Stadium

- 2 2

- 3 9 0,120

- 4 17 0,033*

- 5 10 0,031*

Anzahl der eingenommenen

Substanzgruppen 38 -0,349 0,03*

Anzahl der Einnahmezeitpunkte der

Medikamente 38 -0,282 0,086

Levodopa-Äquivalenzdosis bei

Aufnahme 38 +0,05 0,737

Levodopa-Äquivalenzdosis bei

Entlassung 38 +0,179 0,28

Dauer der nasojejunalen Phase 32 +0,107 0,521

Dauer der PEG-JET-Phase 37 +0,366 0,05*

Tabelle 6: Korrelation der stetigen Variablen mit der Titrationsdauer. rs - Korrelationskoeffizienz nach Spearman.

* - statistische Signifikanz

30

nicht signifikant länger im Vergleich zu Patienten ohne diese Symptome (8,75 ± 5,92 vs. 6,86 ± 5,37, p = 0,325).

3.4.4. Andere invasive Verfahren

Bei 5 Patienten, welche bis zur LCIG-Therapie mit einer Apomorphin-Pumpe behandelt wurden, ergab sich eine deutlich längere Dauer des Titrationsprozesses im Vergleich zu Patienten ohne Apomorphin-Pumpentherapie, wobei sich keine statistische Relevanz zeigte (12 ± 9,21 vs. 6,54 ± 4,45, p = 0,197).

Die Patienten mit einer tiefen Hirnstimulation (n = 6) wiesen auch eine längere Dauer des Titrationsprozesses im Vergleich zu Patienten ohne dieses invasive Verfahren vor der LCIG-Therapie auf, auch hier ohne statistische Signifikanz (9 ± 5,05 vs. 6,93 ± 5,55, p = 0,264).

3.4.5. Medikamentöse Vorbehandlung

Die Levodopa-Äquivalenzdosis bei Aufnahme ins Krankenhaus zeigte keinen relevanten Einfluss auf die Titrationsdauer bei Beginn der LCIG-Therapie (rs = +0,05, p = 0,737). Die mittlere Dauer des Titrationsprozesses stellte sich in mäßiger negativer Korrelation mit der Anzahl der eingenommenen Substanzgruppen (rs = -0,349, p = 0,03). Ähnlich war auch die Korrelation zwischen der Anzahl der Einnahmezeitpunkte der Medikation vor Beginn der LCIG-Therapie und der folgenden Dauer des Titrationsprozesses (rs = -0,282, p = 0,086).

3.4.6. Umstellung auf orale Levodopa/DDH-Monotherapie vor LCIG-Therapie

Diejenigen Patienten, die vor dem Beginn des LCIG-Titrationsprozesses von einer Polypharmakotherapie auf eine orale Levodopa/DDH-Monotherapie umgestellt worden sind, wiesen eine signifikant kürzere Dauer der Titration auf (5,65 ± 4,18 vs. 10,75 ± 6,42, p = 0,006; Abbildung 6). Hier zeigte sich jedoch keine Korrelation zwischen dem Zeitintervall der vorherigen Umstellung von einer Polypharmakotherapie auf orale Levodopa/DDH-Monotherapie und der LCIG-Titrationsdauer (rs = -0,079, p = 0,70). Alle 5 Patienten, die in der Folge mit einer Monotherapie-Plus (LCIG + Rotigotin) sowie 3 von 5 Patienten, die in der Folge eine 24-Stunden-LCIG-Therapie erhielten, wurden im Vorfeld nicht auf eine orale Levodopa/DDH-Monotherapie umgestellt.

34

35

- Monotherapie-plus 5 9,8 4,26 6-17 8

0,099

- Keine Monotherapie-plus 33 6,87 5,57 1-25 5

- Nasojejunale Sonde 32 7,43 5,71 1-25 6

0,838

- Keine nasojejunale Sonde 6 6,33 4,13 1-12 7,5

- Parkinson-Komplexbehandlung 22 8,09 5,36 1-20 7,5

0,196

- Keine Parkinson-Komplexbehandlung 16 6,12 5,57 1-25 5

Unerwünschte Ereignisse

- Keine 21 5,47 3,31 1-14 5

- Psychiatrisch 5 10,6 6,65 2-17 11 0,018*

- Technisch 8 10 8,56 2-25 8 0,046*

- Internistisch 4 7 2 4-8 8 0,258

Tabelle 7: Einfluss diverser Faktoren auf die Titrationsdauer. * = statistische Signifikanz

3.5. Einfluss diverser Faktoren auf die Dauer des Krankenhausaufenthaltes

3.5.1. Soziodemographische Faktoren

Die Analyse zeigte keine signifikante Differenz der mittleren Dauer des Krankenhausaufenthaltes während der Initiierung der LCIG-Therapie zwischen den männlichen und weiblichen Patienten (15,9 ± 6,29 vs. 16,5 ± 5,82, p = 0,694). Es ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied der Dauer der stationären Behandlung zwischen den Patienten, welche im Eigenheim oder in einer Pflegeeinrichtung wohnten (15,8 ± 6,2 vs. 18,5 ± 4,43, p = 0,295). Es konnte jedoch eine leicht positive, statistisch signifikante Korrelation zwischen dem Alter der Patienten bei Beginn der LCIG-Therapie und Dauer des Krankenhausaufenthaltes festgestellt werden (rs= +0,348, p = 0,032).

3.5.2. Erkrankungsdauer und -schweregrad

Die Dauer des Parkinson-Syndroms zeigte allenfalls einen dezenten positiven, jedoch statistisch nicht signifikanten Einfluss auf die mittlere Dauer der Krankenhausbehandlung bei Einstellung auf die LCIG-Therapie (rs = +0,264, p = 0,109). Ferner war keine Korrelation zwischen dem Alter bei Beginn des

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Parkinson-Syndroms und der mittleren Dauer des Krankenhausaufenthaltes nachweisbar (rs = +0,135, p

= 0,419).

Das Hoehn & Yahr-Stadium hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Dauer des Krankenhausaufenthaltes bei Einstellung auf die LCIG-Therapie. Die mittlere Dauer der Krankenhausbehandlung war bei den Patienten mit schwererer Ausprägung der Parkinson-Erkrankung (17,4 ± 6,7 Tage bei Hoehn & Yahr-Stadium 4 und 16,30 ± 6,09 Tage bei Hoehn & Yahr-Stadium 5) vergleichbar mit den Patientengruppen mit relativ leichterer Erkrankungsausprägung (13,6 ± 5,02 Tage bei Hoehn & Yahr-Stadium 3 und 16 ± 4,24 Tage bei Hoehn & Yahr-Stadium 2).

Faktor n rs p-Wert

Alter bei Beginn der LCIG-Behandlung 38 +0,348 0,032*

Dauer des Parkinson-Syndroms bei

Beginn der LCIG-Therapie 38 +0,264 0,109

Hoehn & Yahr Stadium

Titrationsdauer 38 +0,554 0,001*

Dauer der nasojejunalen Phase 32 +0,173 0,299

Dauer der PEG-JET-Phase 37 +0,579 0,001*

Tabelle 8: Korrelation der stetigen Variablen mit der Dauer der Krankenhausbehandlung. rs Korrelations-koeffizient nach Spearman. * - statistische Signifikanz

38

3.5.4. Andere invasive Verfahren

Bei 5 Patienten, welche vor der LCIG-Therapie mit einer Apomorphin-Pumpentherapie behandelt wurden, ergab sich eine wesentlich längere Dauer des Krankenhausaufenthaltes im Vergleich zu Patienten ohne Apomorphin-Pumpentherapie, wobei sich jedoch keine statistische Signifikanz zeigte (19,8 ± 6,49 vs. 15,6 ± 5,89, p = 0,180).

Die Patienten mit einer tiefen Hirnstimulation (n = 6) wiesen eine längere Dauer des Krankenhaus-aufenthaltes im Vergleich zu Patienten ohne dieses invasive Verfahren vor der LCIG-Therapie auf, auch hier ohne statistische Signifikanz (18,5 ± 5 vs. 15,7 ± 6,2, p = 0,326).

3.5.5. Medikamentöse Vorbehandlung

Die Levodopa-Äquivalenzdosis bei Aufnahme ins Krankenhaus zeigte keinen relevanten Einfluss auf die Dauer des Krankenhausaufenthaltes bei Beginn der LCIG-Therapie (rs = +0,066, p = 0,695). Die mittlere Dauer der Krankenhausbehandlung war in leicht negativer, statistisch nicht signifikanter Korrelation mit der Anzahl der eingenommenen Substanzgruppen (rs = -0,285, p = 0,083). Es konnte keine Korrelation zwischen der Anzahl der Einnahmezeitpunkte der Medikation vor Beginn der LCIG-Therapie und der folgenden Dauer des Krankenhausaufenthaltes erhoben werden (rs = +0,052, p = 0,756).

3.5.6. Umstellung auf orale Levodopa/DDH-Monotherapie vor LCIG-Therapie

Die Patienten mit der erfolgten Umstellung von einer Polypharmakotherapie auf eine orale Levodopa/DDH-Monotherapie vor dem Beginn des Titrationsprozesses der LCIG-Therapie zeigten eine signifikant kürzere Dauer des Krankenhausaufenthaltes (14,8 ± 6,07 vs. 19 ± 5,15, p = 0,024, Abbildung 10).

Die Patienten, welche seit dem Beginn des Titrationsprozesses eine 24h-LCIG-Therapie brauchten, wiesen eine bemerkbare, jedoch nicht signifikant längere Dauer des Krankenhausaufenthaltes im Vergleich zu der Gruppe ohne 24h-LCIG-Therapie (20,8 ± 5,26 vs. 15,45 ± 5,92, p = 0,066). Ferner zeigte sich keine signifikante Differenz der mittleren Dauer der Krankenhausbehandlung bei den Patienten mit einer Monotherapie-Plus (LCIG + Rotigotin) seit dem Beginn des Titrationsprozesses im Vergleich zu der Gruppe ohne Monotherapie-Plus (18,4 ± 1,51 vs. 15,8 ± 6,41, p = 0,226).

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Faktor n Dauer des Krankenhausaufenthaltes (Tage)

Geschlecht Mean SD Range Median p-Wert

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- Monotherapie-plus 5 18,4 1,51 17-21 18

0,226

- Keine Monotherapie-plus 33 15,8 6,41 3-30 15

- Nasojejunale Sonde 32 15,43 6,04 3-30 15

0,062

- Keine nasojejunale Sonde 6 20 4,89 13-28 20

- Parkinson-Komplexbehandlung 22 17,86 4,35 8-28 18

0,008*

- Keine Parkinson-Komplexbehandlung 16 13,8 7,33 3-30 12

Unerwünschte Ereignisse

- Keine 21 13,42 4,08 8-21 13

- Psychiatrisch 5 17,6 1,67 15-19 18 0,037*

- Technisch 8 19,5 8,86 3-30 21 0,017*

- Internistisch 4 22 4,83 18-29 20,5 0,001*

Tabelle 9: Einfluss der Faktoren auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts. * - statistische Signifikanz

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4. Diskussion

4.1. Vorbemerkungen

Die Einstellung von fortgeschritten Parkinsonkranken auf LCIG ist ein komplexer Prozess, dessen Erfolg von vielen Faktoren beeinflusst wird. Das liegt einerseits daran, dass das Parkinson-Syndrom in diesem Stadium eine multidimensionale Erkrankung mit motorischen und nicht-motorischen Symptomen ist.

Das sind zum einen die dopaminerg vermittelten motorischen Fluktuationen mit einem Wechsel von On- und Off-Phasen, tlw. mehrfach am Tag, tlw. vorhersagbar, tlw. unerwartet und unvermittelt einsetzend.

Verkompliziert wird die Erkrankung durch nicht-dopaminerg vermittelte motorische Symptome wie Verlust der Haltungskontrolle und Stürze. Zu den nicht-motorischen Symptomen zählen Dysautonomien (u.a. Magen-Darm-Motilitätsstörungen, orthostatische Hypotonie) und kognitiv-psychiatrische Symptome (hier u.a. Demenz, Halluzinationen, Psychose, Impulskontrollstörungen oder Dopamin-Dysregulationssyndrom). Diese nicht-motorischen Symptome werden mit zunehmender Krankheitsdauer und Alter des Patienten immer prominenter und limitieren nicht selten den Therapieerfolg: Magen-Darm-Motilitätsstörungen verhindern u.a. die zeitgerechte Resorption, insbesondere von Levodopa im Jejunum, und verstärken motorische Fluktuationen; eine orthostatische Hypotonie beeinträchtigt nicht selten die Ausdauer, verstärkt die Müdigkeit und bedingt in seltenen Fällen auch (Prä-)Synkopen; die Demenz macht das Hirn anfälliger für unerwünschte dopaminerge Nebenwirkungen wie Psychose/Halluzinationen; Impulskontrollstörungen und das Dopamin-Dysregulationssyndrom limitieren die therapeutischen Möglichkeiten.73-76

Auf der anderen Seite gibt es pharmakologische Einflüsse auf die Einstellung auf LCIG. Die Patienten in der fortgeschrittenen Phase werden wegen ihrer motorischen Fluktuationen im Vorfeld einer LCIG-Therapie mit einer Kombination aus verschiedenen Substanzgruppen behandelt. Fast alle Wirkstoffe nehmen auf das dopaminerge System Einfluss, unterscheiden sich aber hinsichtlich Halbwertszeiten und damit Wirkdauer, ferner hinsichtlich Effektivität und Nebenwirkungen. In Kombination eingesetzt potenzieren sie sich gegenseitig und senken damit auch die Schwelle für das Auftreten von ungewollten Wirkungen, und zwar motorischer Art (Dyskinesien), autonomer Art (Kreislaufregulations- und Magendarmmotilitätsstörungen) und kognitiv-psychiatrischer Art (Delirien, Psychosen, Halluzinationen, Impulskontrollstörungen), also Symptomen, die ohnehin im fortgeschrittenen Stadium vorhanden sind.

Das Umstellen von vorbestehender Polypharmakotherapie auf LCIG, das i.d.R. eine Monotherapie mit Levodopa/Carbidopa ist, kann in vielen Fällen eine Reihe von Polypharmapharmakotherapie-bedingten unerwünschten Wirkungen sehr positiv beeinflussen, birgt aber auch in sich das Risiko einer transienten Verschlechterung, weil die Wirkungen der zuvor eingenommenen Substanzen unterschiedlich rasch nachlassen.

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Desweiteren haben einige Patienten zu dem Zeitpunkt der Einstellung auf LCIG bereits ein anderes kontinuierliches Stimulationsverfahren, nämlich tiefe Hirnstimulation (THS) und/oder eine Apomorphin-Pumpentherapie hinter sich.77 Weil diese mit der Zeit entweder an Effektivität verlieren (beide Verfahren) oder infolge progredienter Neurodegeneration mit mehr unerwünschten Arzneimittel-wirkungen einhergehen, kann in solchen Fällen LCIG als Alternative erwogen werden. Wie im Einzelnen die Umstellung erfolgt und welche potentiellen Einflüsse beide Verfahren auf die LCIG-Behandlung haben können, ist bislang wissenschaftlich nicht untersucht.

Wie in der Einführung beschrieben sind eine kurze Titrationsdauer und ein kurzer Krankenhausaufenthalt sehr erstrebenswert, um zum einen die Adhärenz des Patienten zu stärken und zum anderen die Risiken eines Klinikaufenthaltes und damit letztlich auch die Kosten zu minimieren. Ziel dieser Arbeit war die präzise Analyse des Einflusses der krankheitsimmanenten, pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Faktoren auf die Dauer des stationären Titrationsprozesses der LCIG-Therapie und die Dauer des damit assoziierten Krankenhausaufenthaltes. Daten hierzu sind in der Literatur rar, insbesondere weil viele der publizierten Studien hauptsächlich die Wirksamkeit, Verträglichkeit, Effektivität und Sicherheit der LCIG-Therapie analysierten, ohne dass Einflüsse der eingangs beschriebenen Faktoren auf die LCIG-Titration im Speziellen untersucht wurden.

4.2. Hauptbefunde

Unsere Studie konnte zeigen, dass der LCIG-Titrationsprozess sowie der damit assoziierte Krankenhausaufenthalt von diversen sowohl mit der Parkinson-Erkrankung verbundenen als auch davon unabhängigen Faktoren negativ, aber auch positiv beeinflusst werden kann. Hauptbefunde waren, dass eine prästationäre Umstellung der vorbestehenden Polypharmakotherapie auf eine orale Levodopa/DDH-Monotherapie die Dauer von Titration und den Krankenhausaufenthalt signifikant verkürzt, und dass ein Start mit einer 24h-LCIG-Infusion sowie ein Krankheitsstadium Hoehn und Yahr ≥ 4 die Titration verlängerte.

Die prästationäre Umstellung der vorbestehenden Polypharmakotherapie, die in den meisten Fällen aus 3 oder sogar 4 Substanzgruppen bestand, auf eine orale Levodopa/DDH-Monotherapie vor Beginn der LCIG-Therapie senkte die Titrationsdauer um ca. 48% (im Durchschnitt von 10,75 auf 5,65 Tage) und die Dauer der Krankenhausbehandlung um 22% (durchschnittlich von 19 auf 14,8 Tage) signifikant. Die naheliegendste Erklärung ist, dass sich der klinische Effekt der zuvor eingesetzten Präparate mit langer Halbwertszeit (im wesentlichen Dopaminagonisten) schon vor dem Klinikaufenthalt verloren hat und zum Zeitpunkt der Titration auf den Prozess keinen Einfluss mehr hatte. In der Tat waren die Patienten schon im Vorfeld mit der den Dopaminagonisten (DA) entsprechenden LEDD substituiert und sie selbst

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und ihre Angehörigen wurden angehalten, mögliche Off-Effekte nach Absetzen der DA mit oralem Levodopa zu kupieren. Die so ermittelte Levodopa-Tagesdosis war damit recht nah an dem späteren Bedarf an LCIG. Dazu passte auch, dass die Menge der eingenommenen Substanzgruppen mit der Titrationsdauer korrelierte. Bemerkenswerterweise hatte die Dauer dieser prästationären oralen Levodopa/DDH-Monotherapiephase selber keine Auswirkung auf die Titrationsdauer.

Eine 24h-LCIG Therapie musste bei einem Teil der Patienten aufgrund von nächtlichen Symptomen (vornehmlich Akinese mit der Unfähigkeit, sich selbst aus dem Bett zu mobilisieren, und nächtliche Muskelkrämpfe als Off-Symptom) fortgeführt werden. Dies führte zu einer signifikanten Verlängerung der Titrationsdauer (von 6,2 auf 14,2 Tage). Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass diese Patienten stärker betroffen waren und mehrere andere, die Titration beeinflussende Faktoren aufwiesen. Eine weitere Erklärung wäre, dass die klinische Erfahrung zeigt, dass bei 24-h-LCIG-Therapie höhere LCIG Dosen erforderlich sind.78;79 Für die höheren Dosen einer 24-h-LCIG-Therapie werden Toleranz-ähnliche Phänomene verantwortlich gemacht, die möglicherweise ein längeres Nachtitrieren erforderlich gemacht haben, zumal eine nächtliche Flussrate nicht wie die Tagesdosis während der Titration stündlich monitoriert werden kann. Dies ist nicht zuletzt, weil die Patienten nachts auch schlafen, so dass eine optimale Nachtdosis nur anamnestisch am Folgetag abgeschätzt werden kann.

Die Patienten mit einem H&Y-Stadium ≥ 4 (58% in unserer Kohorte) wiesen im Vergleich zu Patienten mit H&Y-Stadium ≤3 eine signifikant längere Titrationsdauer auf (durchschnittlich 8,8 Tage bei Stadium 5; 6,9 Tage bei Stadium 4; 5,8 Tage bei Stadium 3 und 1,5 Tage bei Stadium 2). Die Patienten mit H&Y ≥ 4 benötigen beim Gehen Hilfe sind postural instabil und neigen zu Stürzen. In der Regel sind das auch die älteren Patienten, deren nicht-motorische Symptome deutlicher sind. Die nicht-motorischen Symptome hingegen selbst hatten keinen signifikanten Einfluss auf die Dauer der Titration, sodass letztlich angenommen werden muss, dass sich das dopaminerge System bei Patienten mit H&Y ≥ 4 langsamer glätten lässt. Die Dauer der Krankenhausbehandlung war jedoch von der Schwere des Parkinson-Syndroms nicht beeinflusst, was wahrscheinlich an der Komplextherapie über 10 Arbeitstage liegt, die viele Patienten erhielten.

Ältere Patienten mit einem fortgeschrittenen Parkinson-Syndrom hatten eine deutlich längere Titrationsdauer (rs +0,307) sowie eine längere Dauer des Krankenhausaufenthaltes (rs +0,348). Weitere Faktoren wie Geschlecht, Wohnform, Alter bei der Erstdiagnose der Parkinson-Erkrankung sowie die Dauer des Parkinson-Syndroms zum Beginn der LCIG-Therapie hatten keinen relevanten Einfluss sowohl auf die Titrationsdauer als auch auf die Dauer der Krankenhausbehandlung.

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Den deutlichsten Einfluss auf die Dauer der Krankenhausbehandlung hatten erwartungsgemäß eine Parkinson-Komplextherapie und Komplikationen. Das Konzept der Parkinson-Komplextherapie, welches klassischerweise 10 Arbeitstage bzw. 900 Minuten multimodaler Therapieansätze beinhaltet, führte im Vergleich zur konventionellen Physiotherapie zur signifikanten Verlängerung der Krankenhaus-behandlung durchschnittlich um 4 Tage, logischerweise ohne dass der LCIG-Titrationsprozess dadurch positiv oder negativ beeinflusst worden war.

Alle aufgetretenen unerwünschten Ereignisse zeigten einen signifikant negativen Effekt auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts, dabei waren die unerwünschten Ereignisse technischer Art bei 21%

Patienten am häufigsten zu beobachten. Diese technischen Komplikationen führten zur signifikanten Verlängerung sowohl der Titrationsdauer (um ca. 5 Tage) als auch der Dauer der Krankenhaus-behandlung (um ca. 6 Tage), das heißt, sie traten offenbar früh im Verlauf des Aufenthaltes auf. Die internistischen Komplikationen verlängerten die Klinikverweildauer am stärksten (um knapp eine Woche).

Zu beachten sind auch die Faktoren, die keinen signifikanten Einfluss nahmen: Nahezu die Hälfte der Patienten litt vor dem Beginn der LCIG-Therapie unter relevanten dopaminerg-induzierten unerwünschten Arzneimittelwirkungen, 58% der Patienten hatten zudem deutliche axiale Symptome.

Nichtdestotrotz ergab sich kein signifikanter Einfluss der untersuchten nicht-motorischen Symptome auf die LCIG-Titrationsdauer. Die vorbestehenden leicht bis mittelschweren kognitiven Defizite führten zu einer signifikanten Verlängerung der Krankenhausbehandlung (im Durchschnitt von 15 auf 19 Tage), was jedoch mit dem Titrationsprozess nicht assoziiert war und als Folge der aufgetretenen unerwünschten Ereignisse erklärt werden kann. Weitere nicht-motorische Symptome hatten keinen Einfluss auf die Dauer des Krankenhausaufenthaltes gezeigt.

Die Anwendung invasiver Therapieverfahren (Apomorphin-Pumpe bzw. tiefe Hirnstimulation) vor Beginn der LCIG-Therapie hatte keinen wesentlichen Einfluss sowohl auf die Titrationsdauer als auch auf die Dauer der Krankenhausbehandlung. Für die THS verwundert das nicht. Sie wurde entweder unverändert fortgeführt, oder wegen UAW abgeschaltet. Weil eine Abschaltung unmittelbar eine Verschlechterung zur Folge hat, sollte das Abschalten auf die Titration keinen Einfluss nehmen. Für Apomorphin hätten wir andere Ergebnisse erwartet, weil die Umrechnung von Apomorphin auf LEDD trotz publizierter Studien58 sich in der klinischen Praxis komplizierter zeigt. In der Tat war die Streubreite der Titrationsdauer (3-25) und der Dauer des Krankenhausaufenthaltes groß (12-30 Tage) für Patienten mit einer Apomorphin-Pumpe, allerdings ist die Gruppe mit n = 5 so klein, das eine belastbare Aussage nicht möglich ist.

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Auffallend ist auch, dass es keine Rolle spielte, ob die Titration zunächst über eine nasojejunale Sonde oder primär über eine PEG-JET-Anlage begann. Die Dauer der Titration und der Krankenhausbehandlung war in beiden Gruppen vergleichbar. Aus Gründen der Patientenführung kann eine NJ-Phase sinnvoll sein; wie in der Einführung besprochen wird allerdings kontrovers diskutiert, ob eine nasojejunale Phase bei der Initiierung der LCIG-Therapie eine obligate Maßnahme darstellt. Diese Frage wurde bereits in einigen Analysen kritisch diskutiert (z.B. Vijiaratnam N. et al. 2018, Lew M. et al. 2015)57;68, zumal es möglich wäre, dass ein stabiles Titrationsschema beim Wechsel auf ein PEG-J-System noch einmal angepasst werden muss, weil das Ende der PEG-J Sonde endoskopisch nicht zwingenderweise beim Zweiteingriff an derselben Stelle im Jejunum zu liegen kommt. Unsere Daten legen nahe, dass die Befürchtung nicht zutreffen muss, wenn das Endoskopie-Team erfahren ist.

4.3. Titration und Krankenhausaufenthalt in der Literatur

Die Titrationsdauer der LCIG-Therapie wurde als unabhängiger Faktor nur in einigen wenigen Analysen bzw. Studien untersucht. In der größten Analyse bei 354 stationären Patienten (Fernandez HH et. al, 2015)47 lag die mittlere Titrationsdauer der LCIG-Therapie bei 7,6 ± 3,4 Tage mit einer mittleren Dauer der NJ-Phase von 4,5 ± 2,1 Tagen, was auch in unserer Studie beobachtet werden konnte. Alle Patienten wurden auf eine vorherige orale Levodopa/DDH-Therapie in Äquivalenzdosis umgestellt. Im Vergleich zu unserer Studie war die PEG-J-Phase jedoch wesentlich kürzer (3,1 ± 2,7 vs. 7,5 ± 5,3 Tage), was durch deutlich geringere Patientenanzahl in unserer Studie zu erklären wäre, andererseits aber auch dadurch, dass die Patienten in oben genannter Studie weniger schwer erkrankt waren. In der randomisierten, kontrollierten, doppel-blinden Studie (Olanow CW et al. 2014)2 bei 71 stationären Patienten waren die Ergebnisse der mittleren Titrationsdauer der LCIG-Therapie vergleichbar mit unserer Studie (7,1 ± 2,5 Tage). Bemerkenswert ist, dass das Studiendesign eine vorherige Umstellung auf die orale Levodopa/DDH-Therapie in Äquivalenzdosis vorsah. Vijaratnam et al. (2018)57 konnten bei 22 stationären Patienten zeigen, dass eine NJ-Phase keine obligate Maßnahme darstellt und die LCIG-Therapie mittels einer primären PEG-J-Anlage mit einer deutlich kürzeren Dauer der Titration (durchschnittlich 4,5 Tage) und des gesamten Krankenhausaufenthaltes assoziiert sein kann. Die übliche Meinung, dass die Initiierung der LCIG-Therapie und die entsprechende Titration einer stationären Behandlung obliegt, kann mithilfe der Studie von Willows T. et al.55, in der LCIG-Therapie bei 15 Patienten telemedizinisch von einem geschulten ärztlichen und pflegerischen Team initiiert und gesteuert wurde, kritisch diskutiert werden. Die mittlere Titrationsdauer betrug dabei nur 2,8 Tage. Hier ist jedoch eine geringe Patientenanzahl zu beachten, zudem erfordert diese Methode der Therapieinitiierung entsprechende technische und professionelle Ressourcen sowie ausreichende

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kognitive Leistung der Patienten bzw. der pflegenden Personen. Die demographischen Daten aller oben diskutierten Studien waren mit den Ergebnissen unserer Studie vergleichbar.

4.4. Limitationen

Unsere Studie hat einige Limitationen. Der retrospektive, nicht-kontrollierte und monozentrische Charakter stellt eine wesentliche Einschränkung der Dateninterpretation dar. Ferner ist die Datenverteilung aufgrund der geringen Patientenanzahl (n = 38) teilweise ungleichmäßig, was auch zur Folge hat, dass in der explorativen Datenanalyse wiederholt eine bemerkbare Differenz der zu vergleichenden Gruppen besteht, ohne dass eine statistische Signifikanz herausgezogen werden konnte.

In der Analyse des Einflusses der nicht-motorischen Symptome auf die Endpunkte der Studie ist eine Subjektivität der von den Patienten angegebenen Symptomschwere nicht zu unterschätzen. Allerdings äußern die untersuchten Faktoren eine realistische klinische Erfahrung.

4.5. Empfehlungen für die Praxis

Unsere Daten zeigen, dass es beeinflussbare und nicht beeinflussbare Faktoren gibt, die einerseits die Titrationsdauer und andererseits den Krankenhausaufenthalt beeinflussen. Für ein möglich optimales Vorgehen sollten sie beachtet werden, andererseits können sie für den Kliniker hilfreich sein, die Patientenselektion, die Aufklärung sowie die Krankenhausbehandlung entsprechend planen zu können.

Beeinflussbar ist vor allem eine prästationäre Umstellung einer vorbestehenden Polypharmakotherapie,

Beeinflussbar ist vor allem eine prästationäre Umstellung einer vorbestehenden Polypharmakotherapie,