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Der Name des surA-Gens bezieht sich darauf, dass dieses als ein Gen identifiziert worden ist, dessen Abwesenheit das Überleben der Zellen während der stationären Wachstumsphase wesentlich beeinträchtigt (sur steht für survival in stationary phase) [Tormo et al., 1990]. SurA gehört zur Familie der Parvuline (für Details siehe Abschnitt 1.3) und besitzt ein Molekulargewicht von 47,4 kDa [Rahfeld et al., 1994b]. Auf Ebene der Primärstruktur kann man das Protein in vier Regionen unterteilen: zwei Parvulin-ähnliche PPIase-Domänen, eine knapp ein Drittel des Gesamtproteins umfassende amino-terminale und eine kurze carboxy-terminale Region (Abb. 4a). In bisher durchgeführten in vitro Analysen ist nur für die Parvulin-Domäne ІІ eine PPIase-Aktivität nachgewiesen worden, wohingegen die Parvulin-Domäne І PPIase-inaktiv zu sein scheint [Rouviere and Gross, 1996; Behrens et al., 2001]. Komplementationsstudien zeigen ferner, dass die PPIase-Aktivität für die in vivo-Funktion von SurA nicht essentiell ist, da auch ein um beide Parvulin-Domänen deletiertes SurA-Protein die Phänotypen einer surA-Mutante nahezu vollständig komplementiert [Behrens et al., 2001]. Die PPIase-Aktivität spielt demnach in vivo eine untergeordnete Rolle oder wird durch Proteine mit redundanter Funktion ersetzt [Behrens et al., 2001].

Das Protein kommt in vielen Bakteriengruppen, jedoch nicht in Eukaryoten, vor und die SurA-Sequenz ist hierbei relativ stark konserviert [Alcock et al., 2008; Behrens-Kneip, 2010]. Von diesen Homologen besitzen einige keine oder lediglich eine Parvulin-Domäne. Welche der beiden im E. coli-Protein vorhandenen Parvulin-Domänen in den SurA-Homologen mit nur einer Parvulin-Domäne fehlt, ist nicht geklärt, aber es deutet vieles auf die PPIase-inaktive Parvulin-Domäne Ι hin [Alcock et al., 2008;

Behrens-Kneip, 2010].

Für die in vivo-Funktion von SurA ist eine Chaperon-ähnliche Aktivität entscheidend, die in der amino- und carboxy-terminalen Region des Proteins lokalisiert ist. Diese Kerndomäne von SurA hat strukturelle Ähnlichkeit sowohl mit der C-terminalen Haken-ähnlichen Bindedomäne der cytosolischen PPIase und Chaperon Trigger Faktor (TF) aus Escherichia coli [Ferbitz et al., 2004; Maier et al., 2005; Stirling et al., 2006], als auch mit dem hypothetischen Protein MPN555 aus Mycoplasma pneumoniae [Schulze-Gahmen et al., 2005]. TF verfügt über eine N-terminale Ribosomen-Bindestelle, eine zentrale PPIase-Domäne und zwei C-terminale „Arm“-Domänen, welche an naszierende Proteine am Ribosomen-Ausgang binden [Ferbitz et al., 2004; Merz et al., 2006]. Die Chaperonaktivität wurde im C-Terminus von TF lokalisiert [Merz et al., 2006]. MPN555 ist ein putatives Homolog zu TF, besitzt jedoch keine PPIase-Domäne [Schulze-Gahmen et al., 2005].

Die Kristallstruktur von SurA stellt eine einer „asymmetrischen Hantel“ ähnelnde räumliche Struktur dar [Bitto and McKay, 2002]. Die Kerndomäne besteht aus der amino- und der carboxy-terminalen Region, sowie der PPIase-inaktiven Parvulin-Domäne І. Hierbei stellt die carboxy-terminale Helix ein elementares, stabilisierendes Strukturelement dar [Behrens et al., 2001]. Als so genannte Satellitendomäne ist die PPIase-aktive Parvulin-Domäne ІІ über zwei langgestreckte Peptidlinker mit der Kerndomäne verbunden (Abb.

4b). Eine Peptidinteraktion mit dem N-Terminus von SurA ist nachgewiesen worden [Webb et al., 2001].

Daher ist zunächst eine mögliche Substratbindestelle der Chaperonfunktion in einem Spalt, der sich durch die Kerndomäne zieht und in dem sich ein Polypeptid einlagern könnte, vermutet worden [Bitto and

EINLEITUNG

McKay, 2002]. Mittlerweile ist eine Substratbindestelle in der Parvulin-Domäne І (SurAΙ) detektiert worden. Es wird vermutet, dass diese Domäne für die Substratselektion und das SurANCt-Modul für die Chaperonaktivität zuständig sind [Xu et al., 2007]. Daher wird dieser Bereich in SurA im weiteren Verlauf als Chaperon-Modul bezeichnet werden. Diese potentielle Substratbindestelle in SurAІ ist kristallographisch mit einem artifiziellen Peptid PepC dargestellt worden. Es ist nicht möglich gewesen eine Struktur des SurA-Gesamtproteins mit gebundenem Peptid zu erhalten, aus diesem Grund ist das SurANІCt-Protein verwendet worden. Bei diesem handelt es sich um eine Variante, bei der die PPIase-aktive Parvulin-Domäne ІІ deletiert worden ist (Abb 4c-d). In der Struktur wurde ein Dimer aus zwei SurANІCt-Untereinheiten erhalten, welche das Peptid PepC von beiden Seiten durch die Parvulin-Domäne І binden ([Xu et al., 2007], siehe Abb 4e-g). Bei dem Peptid PepC handelt es sich um ein artifizielles Peptid, welches mittels phage display detektiert worden ist. In der Struktur weist dieses eine helikale Form auf. Strukturelle Darstellungen SurANІCt-PepC-Komplexes sind in Abb. 4e-g aus verschiedenen Blickwinkeln zusammengefasst.

Die durch die Bindung der Peptides PepC resultierende Dimerisierung der isolierten Parvulin-Domänen І ist nicht auf eine direkte Interaktion zwischen den Parvulin-Domänen zurück zu führen, sondern nur durch die Bindung des Peptides PepC verursacht [Xu et al., 2007]. In der Kristallstruktur des SurANІCt-PepC-Komplexes gibt es auch Kontaktstellen zwischen den beiden SurA-Proteinen. Diese sind vor allem in den Bereichen der C-terminalen Helix, sowie der Helix 6 und Helix 3 des N-Terminus zu finden.

Auch für das Parvulin Par27 aus Bordetella pertussis wurde eine Dimerisierung nachgewiesen. Damit war Par27 das erste identifizierte Parvulin, welches Dimere in Lösung bildet [Hodak et al., 2008]. Hierbei bildet Par27 symmetrische Homodimere, bei denen die amino- und carboxyterminalen Enden eine wiegenförmige Kernstruktur ausbilden [Clantin et al., 2010]. Vergleichbar zu SurA besitzt Par27 in vitro PPIase- und Chaperon-Aktivität und eine hohe Affinität für Proteine mit vielen amphipathischen β-Strukuren, wie sie in OMPs vorkommen [Hodak et al., 2008]. Insgesamt weist Par27 durchaus strukturelle Ähnlichkeiten zu SurA und TF auf. Diese befinden sich jedoch nur im Bereich der N- und C-terminalen Chaperon-Domäne, die weiteren Domänen weisen keine Sequenz-Ähnlichkeiten auf. Zusätzlich unterscheidet sich Par27 in der Topologie des Dimers nach der Peptidbindung [Clantin et al., 2010].

SurA ist im periplasmatischen Raum an der Reifung der Porine von E. coli beteiligt, was sich dahingehend zeigt, dass surA-Mutanten pleiotrope Phänotypen aufweisen. Das Fehlen von SurA führt zur Störung der Reifung der Porine [Lazar and Kolter, 1996]. Daraus resultiert eine verringerte Porinkonzentration in der äußeren Membran und folglich eine instabile Zellhülle. Dies äußert sich in einer erhöhten Sensitivität gegenüber hydrophoben Agenzien und Antibiotika. In surA-Mutanten ist durch die Akkumulation periplasmatischer Porinfaltungsintermediate zudem die σE-abhängige Stressantwort konstitutiv induziert [Missiakas et al., 1996; Rouviere and Gross, 1996].

Dem Chaperon SurA scheint somit eine der Hauptrollen im Prozess der Porinreifung zuzukommen, wobei alle bisherigen Daten auf eine Spezialisierung von SurA auf die Reifung von Außenmembranproteinen hindeuten [Lazar and Kolter, 1996; Behrens et al., 2001; Rizzitello et al., 2001;

Bitto and McKay, 2003; Hennecke et al., 2005b; Sklar et al., 2007b].

EINLEITUNG

Abb. 4: Darstellung des periplasmatischen Chaperons SurA aus Escherichia coli. a) Schematische Darstellung des modularen Aufbaus von SurA (modifiziert nach [Bitto and McKay, 2002]). Das reife SurA-Protein beginnt mit der Aminosäure 21.

Die ersten 20 Aminosäuren bilden das Signalpeptid, welches beim Übergang vom Cytoplasma zum Periplasma entfernt wird.

Die Zahlen in der schematischen Darstellung beziehen sich auf den Beginn des N-Terminus, die Mitte der Verbindungsstücke zwischen den Domänen und das Ende des C-Terminus. N = amino-/N-terminale Region; І = Parvulin-Domäne І (keine detektierbare PPIase-Aktivität); ІІ = Parvulin-Domäne ІІ (PPIase-Aktivität); C = carboxy/C-terminale Region. b) Kristallstruktur des SurA-Proteins ([Bitto and McKay, 2002]; PDB ID, 1M5Y). Die Farben der Struktur entsprechen der farblichen Darstellung des modularen Aufbaus aus a. Die Kerndomäne aus N- und C-Terminus, sowie der Parvulin-Domäne І bildet einen Spalt, in dem sich ein Polypeptid einlagern könnte. c) & d) Schematische und strukturelle Darstellung des modularen Aufbaus von SurANІCt modifiziert nach [Bitto and McKay, 2002] (PDB ID: 1M5Y). Bei dieser SurA-Variante handelt es sich um die Kerndomäne des SurA-Proteins, da hier die satellitenhafte PPIase-aktive Parvulin-Domäne ІІ des SurA-Proteins deletiert worden ist. e) Strukturelle Darstellung des Komplexes aus zwei SurANІCt-Untereinheiten mit gebundenem Peptid PepC modifiziert nach [Xu et al., 2007] (PDB ID: 2PV3). Die SurANІCt-Untereinheit #1 ist farblich dargestellt wie in Abb. c, die zweite SurANІCt-Untereinheit ist dargestellt in hellblau, mint und pink. Das artifizielle Peptid PepC weist eine helikale Struktur auf (rot).

f) Drehung von Abb. e um 90° gegen den Uhrzeigersinn. g) Drehung von Abb. f um 90° nach vorn.

EINLEITUNG

Dabei scheint SurA an mehreren Schritten des Porinreifungswegs mitzuwirken und eine zentrale Stellung bei der Transformation der ungefalteten Proteine in einem faltbaren Zustand inne zu haben [Hagan et al., 2010]. Es ist gezeigt worden, dass SurA an der Konversion des ungefalteten zum gefalteten Monomer, einem frühen Schritt der Porinreifung, beteiligt ist [Rouviere and Gross, 1996]. Eine Assoziation des SurA-Proteins mit der äußeren Membran deutet darauf hin, dass SurA auch an späteren, membranassoziierten Schritten der Porinreifung beteiligt ist [Hennecke et al., 2005b]. Ebenso ist eine direkte Interaktion von substratgebundenem SurA mit BamA, dem zentralen Protein des BAM-Komplexes (siehe auch Abschnitt 1.4), nachgewiesen worden [Sklar et al., 2007b; Vuong et al., 2008]. In Abwesenheit der Proteine SurA und BamA erhält man ähnliche Phänotypen, was auf eine ähnliche, jedoch nicht redundante Funktion dieser beiden Proteine bei der Biogenese der OMPs schließen lässt [Ureta et al., 2007].

Die Reifung periplasmatischer Proteine bleibt durch das Fehlen von SurA unbeeinflusst [Lazar and Kolter, 1996]. SurA bindet an in vitro neu-synthetisierte Porine mit bis zu 500-fach höherer Effizienz als an in vitro neu-synthetisierte cytoplasmatische oder periplasmatischen Proteinen vergleichbarer Größe [Behrens et al., 2001]. Analysen der Substratspezifität haben schließlich gezeigt, dass SurA bevorzugt Peptide mit spezifischen Mustern aromatischer Aminosäuren, insbesondere der Motive aromatisch-aromatisch (Ar-Ar) oder aromatisch-aromatisch-beliebig-aromatisch-aromatisch (Ar-X-Ar), bindet [Bitto and McKay, 2003;

Hennecke et al., 2005b]. Dieses Aminosäure-Motiv ist häufiger in integralen Proteinen der äußeren Membran als in anderen Proteinen zu finden. Die räumliche Ausrichtung der Aminosäureseitenketten scheint ebenfalls von Bedeutung zu sein, denn SurA bindet bevorzugt Peptide, in denen die aromatischen Seitenketten gleich- bzw. gegenständig ausgerichtet sind [Hennecke et al., 2005b]. Diese Anordnung ist hauptsächlich in β-Strängen zu finden, die ebenfalls ein charakteristisches und häufiges Strukturelement integraler Proteine der äußeren Membran sind [Koebnik et al., 2000].

Zu diesen integralen Proteinen der äußeren Membran gehören OmpA, OmpF, OmpC und LamB und es ist nachgewiesen worden, dass SurA an deren Biogenese beteiligt ist [Rouviere and Gross, 1996; Sklar et al., 2007b]. Es wurde gezeigt, dass die Assemblierung von LamB effizienter durch SurA, als durch Skp/DegP erfolgt [Sklar et al., 2007b]. Die β-Fass Außenmembran-Protease OmpT [Kramer et al., 2000]

enthält mehrere putative SurA-Bindestellen [Mogensen and Otzen, 2005; Xu et al., 2007] und ist ebenfalls ein SurA-Substrat [Hagan et al., 2010].

Im Gegensatz hierzu hängt die Insertion des ebenfalls β-Fassartigen Außenmembranproteins TolC nicht von SurA ab [Werner et al., 2003]. Die könnte durch seinen Aufbau aus drei Untereinheiten begründet sein [Koronakis et al., 2000]. Bisher ist auch noch keine Präferenz der OMPs für das periplasmatische Chaperon Skp nachgewiesen worden. Insgesamt deutet vieles daruf hin, dass SurA das primäre Chaperon für den Transport einer großen Anzahl von OMPs zur äußeren Membran ist [Rizzitello et al., 2001; Sklar et al., 2007b].

SurA eskortiert auch das Protein LptD (vormals Imp) durch das Periplasma bis zum BAM-Komplex in der äußeren Membran und scheint das bevorzugte Chaperon für diesen Prozess zu sein [Vertommen et al., 2009]. LptD gehört zu den essentiellen beta-Fass-Proteinen, da es für die Insertion der LPS in die äußere

EINLEITUNG

Membran benötigt wird [Braun and Silhavy, 2002; Wu et al., 2006; Ruiz et al., 2008; Sperandeo et al., 2008;

Ruiz et al., 2009]. Die Insertion von LPS erfolgt im Zusammenspiel mit dem Lipoprotein LptE [Bos et al., 2004; Wu et al., 2005]. Die Gene lptD und surA liegen zusammen in einem Operon, welches unter den Gram-negativen Bakterien hoch-konserviert ist. Kommt es zu einer Mutation in lptD und daraus resultierend zu einem niedrigen Expressions-Level des lptD-Gens, so weisen diese Bakterienzellen eine erhöhte Sensitivität gegenüber kleinen, toxischen Molekülen auf [Abe et al., 2003], welche durch eine verringerte Integrität der äußeren Membran begründet ist [Ruiz and Silhavy, 2005]. Aus diesem Grund könnten die beobachteten Außenmembrandefekte einer surA-Mutante eher indirekter Natur, durch die verminderten LptD Level, als auf den Verlust der Chaperon-Aktivität von SurA zurückzuführen sein [Vertommen et al., 2009].