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Hier sollen nun die Zusammengefassten Inhalte der 12 Interviews hinsichtlich der Forschungsfrage interpretiert werden. Dazu werden theoretische Grundlagen aus den vorhergehenden Kapiteln herangezogen und so eine übersichtliche und fundierte Ergebnispräsentation ermöglicht.

Zu Beginn der Diskussion soll geklärt werden, ob in der Wohnungslosenhilfe überhaupt ein Bedarf an Bildungsberatung besteht. Stellt man sich diese Frage aus Sicht der Klient_innen Vielfalt und den unterschiedlichen Situationen in denen sie sich befinden, kann die Frage nur individuell beantwortet werden. Sicher ist jedoch, dass Bildungsberatung nicht kein Bestandteil der Wohnungslosenhilfe sein kann, da dadurch den Bedürfnissen einer großen Gruppe unter den Klient_innen nicht gerecht werden kann. Vor allem für die Klient_innen, die sich lange in den Strukturen der Wohnungslosenhilfe bewegen, sollte Bildung unbedingt ein Thema sein. Zumal dadurch Tagesstruktur geschaffen werden kann, die Zeit genützt wird und außerdem ein Netzwerk außerhalb der WWH aufgebaut oder erhalten werden kann, was den Ausstieg später erleichtert.

Die Meinung mancher Expert_innen, dass Bildungsberatung eine längerfristig angelegte Hilfe sei und in der WWH eher kurzfristige Aspekte zum Tragen kommen, kann auf Grundlage der eben genannten teilweise auch sehr langen Verweildauer in der Wohnungslosenhilfe so nicht zugestimmt werden. Des Weiteren stellt sich die Frage, wieso Bildungsberatung als langfristige Hilfe angesehen wird und ob dies nicht auf eine eingeschränkte Auseinandersetzung mit dem Thema bisher rückschließen lässt.

Beratung stellt die Kernaufgabe der in der WWH tätigen Sozialarbeiter_innen dar. Inhalte können Freizeitgestaltung, Existenzsicherung, Wohnungserhalt oder Perspektivenentwicklung sein. Die Themen werden bedürfnisorientiert bearbeitet und natürlich können die Klienten und Klient_innen individuelle Themen einbringen, wie etwa die Integration ins neue Wohnumfeld. Bildungsberatung kann hier unter mehreren Punkten angesiedelt, bzw. mitgedacht werden. So kann es Bestandteil der Freizeitgestaltung sein, wie auch bei der Perspektivenentwicklung. Besonders bei der Integration ins neue Wohnumfeld aber, würde sich eine Beratung hinsichtlich Teilhabe an Angeboten im Umfeld anbieten. Außerdem könnte das Ansprechen von Bildungsthemen Wertschätzung und Normalität den Klient_innen gegenüber zum Ausdruck bringen.

Für die tätigen Sozialarbeiter_innen bedeutet dies, dass sie sich zusätzlich zu ihrem Beratungs-, und feldspezifischen Wissen auch Wissen zum Thema Bildung speziell auf ihre Klientel zugeschnitten aneignen sollten. Außerdem muss dieses Wissen dann stetig auf den neusten Stand gebracht werden, was zum Beispiel anhand von spezifischen Vernetzungstreffen oder anderen Formen von Austausch möglich wäre.

Im Folgenden der Diskussion wird eine Definition von Bildung auf die Wohnungslosenhilfe bezogen aus den Aussagen der Expertinnen abgeleitet und diese mit bereits bestehenden abgeglichen. Wichtige Punkte die diese enthalten sollen sind zuerst, dass die meisten Expert_innen ihr Verständnis von Bildung als vielfältig und weit gefächert bezeichnen. Außerdem sei sowohl der schulische Sektor, in Form von Wissensbildung, wie auch der persönlichkeitsbildende Bereich von Bedeutung. Vielen gemeinsam ist auch, dass Bildung etwas mit Bewegung, Fortschritt, Entwicklung oder Wachstum mit Orientierung oder Umorientierung zu tun hat. Auch das Recht auf Bildung,

69 das gerade im Wohnungs- und Obdachlosenbereich nicht erreicht wird obwohl es einem Allgemeingut gleichkommen sollte, wird immer wieder besprochen und als Privileg bezeichnet. Außerdem sehen die Sozialarbeiter_innen der Obdach- und Wohnungslosenhilfe einen Zusammenhang zwischen Bildung und einer erfolgreichen Lebensführung.

Diese Kernaussagen beinhalten viel Übereinstimmungen mit den im Theorieteil dieser Arbeit angeführten Definitionen. Auch diese sehen, dass Bildung vielfältig und nicht klar definierbar ist. Außerdem wird betont, dass Bildung sowohl schulische Bildung ist, als auch Strategien zur Lebensbewältigung bereitstellt, bzw. Voraussetzung ist um am öffentlichen Leben teilhaben zu können.

Den Aussagen der Expert_innen zufolge könnte sich folgende Definition des Bildungsbegriffes hinsichtlich Sozialer Arbeit in der Wohnungslosenhilfe ergeben:

Bildung ist ein vielschichtiges Allgemeingut, das Allen gleichermaßen zugänglich sein muss. Sowohl Wissensvermittlung wie auch Persönlichkeitsbildung wird dabei berücksichtigt und bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Lebensführung und Orientierung.

Die Sozialarbeiter_innen weisen ein gutes Verständnis von Bildung auf und entwickelten im Laufe der Gespräche immer differenziertere Definitionen ihres persönlichen Bildungsbegriffes, wobei dieser selten losgelöst vom Feld bestimmt werden konnte.

Demnach kann davon ausgegangen werden, dass sich das Bildungsverständnis mit der Arbeitserfahrung entwickelt und flexibel ist. Daraus folgend kann sich die Frage gestellt werden, ob es einen einheitlichen Bildungsbegriff der Sozialen Arbeit braucht, der eine bessere Identifikation mit sich bringen kann. Außerdem könnte dadurch ein einheitliches Verständnis von Bildung geschaffen werden, das dann individuell durch die feldspezifischen Fragestellungen ergänzt werden kann. Außerdem kann diskutiert werden in wieweit Soziale Arbeit immer Bildungsarbeit sein sollte und Bildung als Thema grundsätzlich in manchen Feldern der Sozialen Arbeit in der Beratung mitgedacht werden kann.

Dies würde auch eine konzeptionelle Festigung in den Konzepten der Wohnungslosenhilfe als Aufgabe der Sozialen Arbeit rechtfertigen und die Sozialarbeiter_innen können sich mit der Begrifflichkeit identifizieren und sich hinsichtlich ihres Themenfeldes know-how dazu aneignen um das Thema gut im Beratungskontext bearbeiten zu können. Aufgabe kann dann auch sein, die negative Besetzung des Begriffs umzudeuten und dadurch sowohl der Sozialen Arbeit, als auch den Klient_innen die vorherrschende Begriffsangst zu nehmen. Wird Soziale Arbeit als Bildungsarbeit gesehen, ist fraglich, inwieweit Beratungen des Arbeitsmarktservices von Sozialarbeiter_innen als Bildungsberatung angesehen werden sollten, da dort nahezu keine Sozialarbeiter_innen tätig sind, oder ob es sich dort um reine Berufsinformation handelt. Indem eine Begriffsschärfung stattfindet, kann diese Abgrenzung zum AMS verdeutlicht werden. Ist der Begriff positiver besetzt, können Bildungsangebote freier angeboten werden und müssen nicht mehr versteckt unter einem anderen Namen geschehen.

70 Hinsichtlich der Bildungsangebote für Klient_innen ist aufgefallen, dass die meisten Sozialarbeiter_innen hier nur die Angebote innerhalb der Wohnungslosenhilfe mit denken und somit sich immer im Kreis bewegen, was die Möglichkeiten betrifft. Wichtig wäre hier ein Verständnis für Wien als Bildungsraum zu schaffen und dafür, dass sich Bildung nicht für Klient_innen der WWH auf diese beschränken lässt. Bildung stellt eine Möglichkeit dar, Netzwerke zu erweitern und Kreisläufe innerhalb der WWH aufzulösen. Dies erfordert viel Informationsarbeit von Seiten der Berater_innen. Außerdem müsste genau geklärt werden, welche Wünsche vorliegen.

Eine weitere Aufgabe der Sozialen Arbeit ist es Stigmatisierungsprozessen entgegen zu wirken um somit die Angst vor dieser bei den Klient_innen zu mindern und dadurch die Teilhabe am öffentlichen Bildungsgeschehen zu erleichtern. Außerdem muss am praktischen Zugang zu Bildung in der Stadt Wien gearbeitet werden. Da ein theoretischer zwar besteht, aber dennoch häufig zu große Hürden vorhanden sind, könnten diese evaluiert und in Folge dessen gemindert werden. Hierzu gehört zum Beispiel genaue Kenntnis und Weitergabe von Informationen über den VHS Sozialtarif, von Seiten der Sozialarbeiter_innen. Außerdem kann der Kulturpass aktiv angeboten werden und im weiteren auch auf die Bedürfnisse der Klientel besser angepasst werden.

Sozialarbeiter_innen müssen sich noch mehr als Bindeglied zwischen den Angeboten der Bildungswelt in Wien und der Klientel obdach- und wohnungsloser Menschen verstehen.

Dies bedeutet Arbeit auf beiden Seiten. Auf Seiten der Bildungsanbieter_innen muss auf einen möglichst einfachen Zugang geachtet werden um auf Seiten der Klient_innen eventuelle Interessen zu unterstützen und aufzugreifen.

Bei der Betrachtung der Konzepte der befragten Einrichtungen konnten durchaus einige Punkte gefunden werden, unter denen Bildungsberatung verstanden werden kann. Auch wenn das Wort Bildung oder Bildungsberatung nie explizit genannt wurde, könnte dem Thema bei entsprechender Interpretation der Konzepte durchaus Raum gegeben werden. Dies bedarf jedoch dringend einer vorgelagerten Schärfung und Sensibilisierung des Begriffs.

Insgesamt entwickelten sich bei den Expert_innen im Zuge des Gesprächs viele Ideen und Gedanken hinsichtlich des Themas, was die Bedeutung des Themas unterstreicht.

Besonders, dass weitere Forschung hinsichtlich des Themas nützlich für die Wiener Wohnungslosenhilfe sein könnte wurde deutlich. Bildungsstand, Bildungswünsche und wie Bildung innerhalb der WWH wahrgenommen wird ist hier vom Interesse und könnte in weiteren Arbeiten behandelt werden. Auch Ideen wie individuellere Angebote gesetzt werden können oder ein niederschwelligerer Zugang zu bestenden Einrichtungen ermöglicht wird sind weitere Punkte. Es wird deutlich, dass die Wiener Wohnungslosenhilfe zu dem Thema noch viel Potential bietet, das weiter bearbeitet werden kann.

7.1. Abschließende Eindrücke

Abschließend sollen hier noch persönliche Eindrücke hinsichtlich des Prozederes der Interviews dargestellt werden. Die Kontaktaufnahme mit den Einrichtungen gestaltete sich sehr einfach, da von Anfang an ein großes Interesse von Seiten der Angefragten potentiellen Interviewpartner_innen bestanden hat. Die Rückmeldungen waren so zahlreich, dass manche nicht beachtet werden konnten und somit Einrichtungen aus

71 unterschiedlichsten Bereichen ausgewählt werden konnten, was von Anfang an der Plan gewesen ist.

Die Durchführung fand dann meistens in sehr lockerer und persönlicher Atmosphäre statt. Die Wertschätzung die dem Thema und mir entgegengebracht wurde war sehr schön und gestaltete die Interviews sehr angenehm. Insgesamt bestand bei allen Expert_innen großes Interesse am Thema und es konnte der Eindruck entstehen, dass bei vielen durch das Gespräch eine Sensibilisierung für das Thema stattgefunden hat, die durchaus fruchtbar für die Wiener Wohnungslosenhilfe und das Mitdenken von Bildungsberatung in dieser sein kann. Außerdem bestand großes Interesse hinsichtlich dieser Arbeit, was auf ein weiteres Auseinandersetzten mit dem Thema hoffen lässt.

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