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4. B ILDUNG UND B ERATUNG IN DER W OHNUNGSLOSENHILFE

4.1. Bildungstheorien

In diesem Kapitel soll vor allem auf die lange Tradition des Bildungsbegriffs eingegangen werden und die unterschiedlichen Herangehensweisen in den Vordergrund gestellt werden. Das Recht auf Bildung und in wieweit Bildung mit sozialer Benachteiligung Daseinssteigerung des Einzelnen, andererseits werden gesellschaftliche Funktionen erfüllt. Bildungsforschung, Bildungspolitik oder Persönlichkeitsbildung und Herzensbildung werden als Teile von Bildung gesehen. (vgl. Strohschneider in: Schlüter und Strohschneider 2009: 15f)Die hier beschriebene Weite des Begriffs der Bildung macht deutlich, wie schwierig eine Definition ist. Dennoch sind in der Literatur verschiedene Definitionen zu finden.

Anna Brake und Peter Büchener gehen in ihrem Buch "Bildung und soziale Ungleichheit"

davon aus, dass Bildung im 21. Jahrhundert quasi als Voraussetzung gilt um am öffentlichen Leben teilhaben zu können. Dies betrifft vor allem das kulturelle und soziale Leben. Da Bildung somit erst die Teilhabe ermöglicht, ist sie für Alle, unabhängig von Klasse oder sonstigen Kategorien gleichsam von Bedeutung. Dennoch ist sie nicht für Alle zu gleichen Teilen zugänglich. Die unterschiedlichen Voraussetzungen um Lebensführungskompetenzen, wie Bildung gesehen werden kann, zu erwerben hat demnach unterschiedliche Teilhabechancen zur Folge. Jede Person muss individuell ihre Bildung erbringen um am gesellschaftlichen Leben möglichst gut teilhaben zu können.

Bildungsleistung stellt demnach eine individuelle Leistung dar. (vgl. Brake und Büchner 2012: 68)

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"Bildung in diesem Sinne ist im Rahmen der menschlichen Lebensbewältigung somit ein Erfordernis, das auf die individuelle und gesellschaftliche Entwicklung von menschlichem Humanvermögen mit dem Ziel gerichtet ist, unter den gegebenen und sich ständig wandelnden biographischen und gesellschaftlich Bedingungen ein den menschlichen Entfaltungsmöglichkeiten angemessenes und gemeinsam mit anderen Menschen verantwortbares Leben zu führen." (ebd. 2012: 68)

Diese Definition ist eine von vielen denkbaren und steht exemplarisch für einen Versuch den Begriff der Bildung kurz zu fassen.

Versucht man eine Definition aus pädagogischer Sicht ist anzumerken, dass der Begriff einen der "ungenauesten Fachausdrücke" in der Pädagogik darstellt. Hermann Hobmair sieht das Problem in der Uneinigkeit, die es hinsichtlich der Begrifflichkeit gibt. Diese ist begründet in der Auseinandersetzung mit der Welt, mit jedem einzelnen Umfeld, im sozialen, politischen oder kulturellem Sinne. Nur dadurch kann der Mensch die Welt erfassen. Das ist die Voraussetzung um zu durchschauen, wodurch er die Welt versteht und sich adäquat in ihr Verhalten kann, an ihr teilhaben kann. Außerdem kann sich der Mensch dadurch selbst erfahren, sich damit selbst entfalten und das Leben selbstbestimmt gestalten. Durch dieses Auseinandersetzen mit der Welt kann das Individuum unterschiedliche Fachgebiete erschließen und Wissen erfahren. Bildung stellt somit einen Prozess dar, in dem der Mensch sein Leben gestalten kann und sich selbst als Individuum in das Leben einbringt. (vgl. Hobmair 2008: 92f)

"Bildung ist der Prozess und das Ergebnis der Erschließung der Welt für den Menschen und des Menschen für die Welt durch die aktive Auseinandersetzung des Einzelnen mit ihr." (ebd. 2008: 93)

Eine weitere Möglichkeit sich dem Bildungsbegriff zu nähern beschreiben Hans-Uwe Otto und Thomas Rauschenbach aus der Sicht der Erziehungswissenschaft. Sie verweisen zuerst auf die Unbestimmtheit des Begriffs, der dennoch ein zentraler Begriff in der Pädagogik und Erziehungswissenschaft ist. Außerdem kritisieren sie, dass die einzig vorhandenen Definitionen überholt sind und nicht mehr dem heutigen Zeitgeist entsprechen. Zugleich reduziert sich der heutige Begriff der Bildung oftmals auf die

"höhere Bildung", bzw. "schulische Bildung", was aber nicht pädagogischen oder erziehungswissenschaftlichen Herangehensweisen entspricht. Vielmehr wird versucht den Begriff der Bildung wieder mehr als Prozess zu sehen, der subjektbezogen funktioniert und sich am Individuum orientiert. (vgl. Bock in: Otto und Rauschenbach 2008: 91ff)

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"Bildung kann also zunächst verstanden werden als eine Erweiterung der subjektiven Selbst- und Welt(an)sicht, die mit dem Medium der Sprache erlangt werden kann (Humboldt); sie ist zugleich immer jeweils in einen geschichtlichen Zusammenhang eingebettet, der auch die gesellschaftlichen Missstände beinhaltet - und damit ist Bildung immer auch zugleich Aufklärung über die jeweiligen geschichtlich gewordenen Verhältnisse, in denen sich das Subjekt jeweils vorfindet." (ebd. 2008: 99f)

Allen Definitionen gemeinsam, die in der Literatur zu finden sind, ist jedoch, dass Bildung immer die Auseinandersetzung des Menschen mit der Welt beinhaltet. Somit lässt sich festhalten, dass Bildung nicht auf eine rein schulische oder universitäre Wissensvermittlung beschränkt werden kann, sondern vielmehr eine Strategie zur Lebensbewältigung darstellt. Außerdem ist der im Folgenden dargestellte historische Kontext und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen von großer Bedeutung.

4.1.2. Geschichtlicher Hintergrund

Als Beginn der Geschichte der Bildung kann bis in die Antike zu den Lehren Platons (427 - 347 v. Chr.) zurückgegangen werden. In seinem Höhlengleichnis beschreibt er Bildung als einen Aufstieg, der dem Menschen zeigt, welche Vorzüge damit verbunden sind. (vgl.

Dörpinghaus et al. 2009: 43ff) Da Platon diesen Aufstieg bereits auch in der sozialen Dimension des Gesellschaftlichen betrachtet hat, kann dem Gleichnis durchaus eine gewisse Aktualität abgewonnen werden. Im Mittelalter ist das Wort "Bildung" an sich erstmals entstanden und wurde von "Meister Eckhart" gelehrt und geprägt. Er stellte das Subjekt des Menschen und das Innere in den Vordergrund. Unterstrichen wird dies durch die voranschreitende Alphabetisierung und der damit einhergehenden Wissensaneignung. So entstand das erste Mal eine gewisse Bildungselite an Universitäten und unter Adeligen. Ziel der Menschen im Mittelalter war eine Annäherung an das Göttliche durch Verstand und Einsicht. Die Beeinflussung der kulturellen und sozialen Umwelt wurde damals schon mit betrachtet und lässt auf ein generalisiertes Bildungsverständnis des Mittelalters schließen. (vgl. Melville in: Schlüter und Strohschneider 2009: 56ff) Wenn dieses auch eines theologischen Ursprungs ist. (vgl.

Brake und Büchner 2012: 65)

Im 18. Jhd. wendet sich das Verständnis von Bildung weg von der Anpassung an das Göttliche, hin zur Selbstverwirklichung bzw. Selbstvollendung. Außerdem erfolgt eine Verknüpfung mit den Bereichen Kultur, Emotionalität und sozialen Fähigkeiten und den damit einhergehenden Fähigkeiten das Leben zu gestalten. Wie das Individuum der Welt begegnet, spielt von nun an eine große Rolle. Zu Ende des 18. Jhd. und zu Beginn des 19. Jhd. kam zu einer ausgeprägten Wahrnehmung von Bildung als Selbstverwirklichung noch ein Bewusstsein einer gewissen Standeszugehörigkeit. Bildung war demnach mit Privilegien und Standeszugehörigkeit gleichzusetzen. Der Begriff der gymnasialen Bildung macht bis heute deutlich, dass sich der Begriff immer mehr zu einem elitären Verständnis hin entwickelte. (vgl. ebd. 2012: 66)

Im 19. Jhd. wird aus dem Konzept der gymnasialen Bildung immer mehr ein Ansatz der schulischen Bildung. Eine möglichst flächendeckende Bildung für alle Individuen der

25 Gesellschaft steht im Mittelpunkt. Dies beginnt mit den Kindern in der Schule und soll für Alle gleichermaßen zugänglich sein. Allerdings handelte es sich mehr noch um ein Verständnis von Bildung als eine gängige Praxis. Tatsächlich war im 19. Jhd. Bildung immer noch den reicheren Gesellschaftsschichten vorbehalten. Hinzu kommt, dass diese Art von Bildung für viele Menschen keine Bedeutung hatte und es eher unwichtig war welchen Bildungsabschluss man vorweisen konnte. Vielmehr galten die Fähigkeiten als Referenz. Erst im 20. Jhd. rückten formale Bildungsabschlüsse in den Fokus, wenn es um die Erreichung einer gewissen gesellschaftlichen Stellung ging. (vgl. ebd. 2012:66ff) Im 21. Jhd. gilt Bildung schließlich als Voraussetzung für die Teilhabe am kulturellen, gesellschaftlichen und sozialen Leben. Obwohl Bildung jetzt als gegeben gilt, kommt sie dennoch keinesfalls Allen gleichermaßen zu Gute. Die Zugangschancen für sozial schwächer gestellte Menschen sind immer noch schlechter wodurch auch Zukunftschancen und Lebensführungskompetenzen beeinträchtigt werden. Wie oben bereits genannt, stellt Bildung menschliche Entfaltungsmöglichkeiten dar. (vgl. ebd. 2012:

68)

Nach einem Beitrag von Erich Ribolits kann Bildung heute von zwei Seiten betrachtet werden. So stellt sie einerseits das Erlernen von autonomen Verhalten dar, wodurch sich Menschen frei in der Gesellschaft entfalten können. Auf der anderen Seite ist Bildung immer das Erwerben von Qualifikation für den jeweiligen vorherrschenden wirtschaftlichen Status quo einer Gesellschaft. Diese zwei Seiten stellen jedoch einen Gegensatz dar. Eine Unterordnung den arbeitspolitischen Anforderungen steht eine autonome und selbstbestimmte Lebensführung des Individuums gegenüber. Dieser Konflikt besteht seit der Diskussion des Bildungsbegriffes an sich und stellt wohl Teile seiner nicht Definierbarkeit dar. (vgl. Ribolits in: Faschingeder und Kolland 2015: 205) Unterschiedliche Bildungsansätze, wie etwa das Bildungsverständnis nach Humboldt und Klafki werden im nächsten Kapitel dargestellt.

4.1.3. Klassiker der Bildungsansätze

Hier werden in aller Kürze der klassische Bildungsbegriff Wilhelm von Humboldt aus dem 18. Jhd. und der sehr moderne Bildungsbegriff von Klafkis aus dem 21. Jhd. dargestellt.

Dadurch wird deutlich, wie lange bereits an einer einheitlichen Definition und eines Verständnisses von Bildung gearbeitet wird.

Klassisch: Wilhelm von Humboldt:

Einer der bekanntesten Bildungsansätze stammt von Wilhelm von Humboldt aus dem 18.

Jhd.. Sein humanistischer Bildungsansatz richtet sich weg von dem oben genannten Bildungsverständnisses eines Brauchbarmachens für die Arbeitswelt und Wirtschaft.

Stattdessen sieht er die Teilhabe, das Glück und die Emanzipation vor allem niederer Stände im Fokus. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er der beruflichen Bildung keinerlei Wertigkeit zukommen lässt. Vielmehr stellt er heraus, dass diese nur nach einer erfolgreichen und umfangreichen Allgemeinbildung sinnvoll ist. Er entwirft eine Hierarchie, in der die Allgemeinbildung über der beruflichen Spezialbildung steht. (vgl.

Gruber o. A.)

26 Humboldts Verständnis vom Menschen setzt voraus, dass dieser immer zielgerichtet agiert. Neben vielen anderen Zwecken des Lebensist einer davon Bildung. Dabei ist es jeden einzelnem Menschen selbst überlassen, inwiefern er sich der Bildung widmet. (vgl.

Dörpinghaus et al. 2009: 68f) Dennoch stellt Bildung an sich die Bestimmung des Menschen dar und ist an folgende Bedingungen nach Humboldt gebunden:

 Freiheit und Selbsttätigkeit

 Mannigfaltigkeit der Situation

 Sozialität

 Sprache und Sprachlichkeit

Den Bildungsprozess an sich stellt eine Auseinandersetzung des Menschen mit der Welt dar. Dies kann allerdings die Frage nach der Position des Menschen in der Welt aufwerfen. (vgl. ebd. 2009: 79)

Modern: Wolfgang Klafki

Wolfgang Klafki hat bis zu seinem Tode 2016 an einer Bildungstheorie gearbeitet. Diese nennt sich "Kritisch-konstruktive Erziehungswissenschaft bzw. Didaktik". Hierbei geht er, wie schon viele vor ihm, zunächst davon aus, dass Bildung eine Befähigung des Menschen darstellt. Sei es zur Selbstbestimmung oder zu Gemeinschaftlichkeit. Er entwirft ein Verständnis von Bildung, das aus drei Grundfähigkeiten zusammengesetzt ist, die sich jede_r selbstständig erarbeiten muss. Diese Grundfähigkeiten bestehen zum Ersten aus der Selbstbestimmung des Individuums seine Beziehung bestimmen zu können, zwischenmenschliche Beziehung bewerten zu können und Sinndeutungen im beruflichen, sozialen oder ethischen Bereich vornehmen zu können. Des Weiteren wird das Sich Einbringen in die Gesellschaft als Grundfähigkeit bezeichnet. Die umfasst kulturelle, politische und gesellschaftliche Mitbestimmung. Die dritte Fähigkeit ist die Solidaritätsfähigkeit, welche sich mit dem Einsatz erklären lässt, der Selbstbestimmung und Mitwirken in der Gesellschaft bildlich macht. Somit bezeichnet Klafki die Allgemeinbildung als ein Zusammenspiel von Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität. (vgl. ebd. 2009: 117f)

4.1.4. Recht auf Bildung

Das "Recht auf Bildung" wird von vielen Einrichtungen, Autor_innen und im Allgemeinverständnis häufig auf die schulische Bildung von Kindern und Jugendlichen beschränkt. Hiervon soll in diesem Kapitel Abstand genommen werden und die Notwendigkeit eines universellen "Rechtes auf Bildung" herausgestellt werden.

Bildung ist zu großen Teilen staatlich organisiert und rechtlich geregelt. Dies bedeutet, es existiert ein Bildungsrecht, das gewissen Konflikten ausgesetzt ist. So stellt sich die Frage ob das Individuum selbst, der Staat oder Erziehungsberechtigte über die Länge und Intensität der Bildungslaufbahn der einzelnen Individuen entscheiden. Weiterhin ist zu diskutieren, inwieweit ein staatliches Bildungssystem einheitlich gestaltet sein kann oder Freiraum für private, abweichende Einrichtungen besteht. Den letzten Konfliktpunkt

27 betrifft die Bestimmung des Bildungsrechts. Soll es von EU-Ebene geregelt werden, vom Bund oder doch von den Ländern? Derzeit haben sowohl die Länder, als auch der Bund und die EU Vorgaben, die zu erfüllen sind um ein möglichst gutes Bildungsangebot zu schaffen. (vgl. ebd. 2009: 20f)

In den Menschenrechten von 1948 ist das "Recht auf Bildung" im Artikel 26 geregelt.(vgl.

Menschenrechtserklärung 1948) Obwohl sich dieser sehr auf die schulische Bildung von Kindern und Jugendlichen bezieht, lässt sich dennoch einiges auf Erwachsene und Menschen in prekären Lebenslagen übertragen. Im ersten Absatz wird die unentgeltliche Bereitstellung einer Elementarschule genannt. Diese muss verpflichtend sein und muss mit ausreichend Plätzen für jedes schulpflichtige Kind ausgestattet sein. Je nach Schulabschluss muss die berufliche Ausbildung ebenfalls für Alle zugänglich sein. Ein weiterführender Schulabschluss muss Jedem und Jeder offen zugänglich sein.

Außerdem wird der Zugang zu Hochschulen geregelt. Dieser darf auf keinen Fall diskriminierend sein oder durch finanzielle Hürden nur gewissen Studierenden vorbehalten bleiben. (vgl.ebd. 1948)

"1) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Der Unterricht muss wenigstens in der Elementar- und Grundschule unentgeltlich sein. Der Elementarunterricht ist obligatorisch. Fachlicher und beruflicher Unterricht soll allgemein zugänglich sein;

die höheren Studien sollen allen nach Maßgaben ihrer Fähigkeiten und Leistung in gleicher Weise offen stehen.

(2) Die Ausbildung soll die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und die Stärkung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Ziel haben.

Sie soll Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Völkern und allen ethnischen oder religiösen Gruppen fördern und die Tätigkeit der Vereinten Nationen zur Aufrechterhaltung des Friedens begünstigen.

(3) In erster Linie haben die Eltern das Recht, die Art der ihren Kindern zuteil werdenden Bildung zu bestimmen." (vgl. ebd. 1984)

Bezogen auf die Klientel der obdach- und wohnungslosen Menschen ist besonders die Forderung nach der allgemeinen Zugänglichkeit zu höheren Bildungsabschlüssen und nach einer Primärbildung interessant. Insgesamt jedoch ist die Beschränkung auf schulische Angebote eher hinderlich. Bildung stellt durchaus einen Faktor zur Reduktion von Armut und somit ein wichtiger Bestandteil in der Bekämpfung von Obdach- und Wohnungslosigkeit dar. Hierauf wird später noch näher eingegangen.

4.1.5. Bildung und soziale Ungleichheit

Das Prinzip der Chancengleichheit kann als Basis für die Bemühungen der Bildungspolitik gesehen werden, möglichst Bildungssysteme zu schaffen, die allen gleichermaßen zugänglich sind. Egal welcher Herkunft, Abstammung, Sprache, Geschlechtszugehörigkeit, religiösen Zugehörigkeit oder politischen Anschauung die Person ist. So war vor allem das strukturelle Angebot für alle gleich zu setzen und darauf zu achten, dass soziokulturelle Eigenschaften aus dem Elternhaus keinen Einfluss auf die Bildungsteilhabe der Kinder haben. (vgl. Becker in: Becker und Lauterbach 2004: 161)

28 Trotz der Bemühungen einen einheitlichen Zugang zum Bildungssystem zu schaffen, wie beispielsweise zu Universitäten, ist dies noch in weiter Ferne. So haben Beamt_innenkinder im Gegensatz zu Kindern aus Arbeiter_innenfamilien eine ca. 18-fach bessere Chance ein Studium aufzunehmen. (vgl. Becker in: Krüger et al. 2010: 224) Diese Entwicklung hat ihre Ursprünge bereits im sehr frühen Entscheidungszwang welcher Schulweg eingeschlagen werden soll. Dieser liegt in Deutschland und in Österreich bereits nach der vierten Klasse und ist somit in der Entscheidungsgewalt der Eltern. Kinder aus Arbeiter_innenfamilien tendieren eher zu einem Abschluss im Mittelschulbereich, Kinder von Beamt_innen erreichen eher einen gymnasialen Abschluss. (vgl. Brake und Büchner 2012: 13ff)

Wie Hegel schon feststellte, endet Bildung jedoch nicht mit der Schulzeit oder mit der Volljährigkeit. Vielmehr bedeutet Bildung, sich in der Gesellschaft durch individuelles Handeln zurechtzufinden. Somit hat Bildung einen gesellschaftsbildenden Charakter. Zu sehen daran, dass je nach Ausbildung und Beruf eine gewisse gesellschaftliche Stellung damit verbunden wird und eingenommen werden kann. (vgl. Dörpinghaus et al. 2009:

89f) Somit steht der gesellschaftliche Status nicht ausschließlich mit Zugang zu Bildung im Zusammenhang, sondern außerdem mit dem resultierenden Produkt der Bildung.

Ein kausaler Zusammenhang von Bildung und Armut findet sich auch in den Bemühungen der Weltbank, die versucht durch die Förderung von Bildung die Armut zu verringern. (vgl. Faschingeder und Kolland 2015: 59) Ebenso gibt es die Bezeichnung der Bildungsarmut und des Bildungsreichtums, welche beide auf soziale Ungleichheiten hinweisen, die bildungsbedingt entstanden sind. Bildungsarmut, definiert als das Nicht-Erreichen eines Bildungsabschlusses, steht im direkten Zusammenhang mit den sozialen Voraussetzungen für den Zugang zu Bildung. Wird davon ausgegangen, dass Bildung Voraussetzung für eine gelingende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben darstellt, (vgl.

Brake und Büchner 2012: 18f) wird die Wichtigkeit der Bildung für obdach-- und wohnungslose Menschen, denen eben diese Teilhabe verwehrt ist, deutlich.

Ein großer Teil der Fachliteratur befasst sich primär mit den Zusammenhängen von sozialer Benachteiligung und Bildung auf schulischer Ebene. Auf Seiten der außerschulischen Bildung, die für diese Arbeit von großer Relevanz ist, besteht hingegen kaum Material. Explizit zu sozialer Ungleichheit, der obdach- und wohnungslose Menschen ausgesetzt sind, und dem Thema der Bildung bestehen nahezu keine wissenschaftlichen Arbeiten.

Der im Folgenden beleuchtet Teil der Beratung innerhalb der Wohnungslosenhilfe, kann als Basis für die Einbettung von Bildungsberatung in der Wohnungslosenhilfe dienen.

4.2. Beratung als Aufgabe der Sozialen Arbeit in der