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3 Einsatzplanung für Fahrerlose Transportsysteme

3.2 Charakteristika der Einsatzplanung

dynamischen Anwendungsumgebungen der Einsatzplanung auf der Basis von due dates überlegen ist. Nishimura et al. (2005) betrachten eine der Einsatzplanung von AGVs sehr ähnliche Fragestellung, das Yard-Trailer-Routing-Problem. In dem Beitrag wird ein genetischer Algorithmus zur Einsatzplanung von manuell gesteuerten Multi-Load-Trailern verwendet. Durch eine Simulationsstudie wird gezeigt, dass dynamische Routing-Strategien, die die Fahrzeuge nicht einem festen Kran zuordnen, den statischen Strategien überlegen sind, die eine solche Zuordnung vornehmen. Allerdings ist der Ansatz aufgrund der hohen Rechenzeiten kaum auf eine Einsatzplanung unter Echtzeitbedingungen, wie sie in Containerterminals notwendig ist, übertragbar.

wird statt des dynamischen Problems eine Sequenz statischer Probleme gelöst, beispielsweise im Rahmen einer rollierenden Planung. Dabei ergibt sich der tatsächliche Ablauf der Operationen aus einer Sequenz von Plänen, die durch die Lösung statischer Teilprobleme mit begrenztem Planungshorizont bestimmt wurden. Jeder Plan wird nur solange ausgeführt, bis die nächste Neuplanung stattfindet. Danach ist ein neuer Plan relevant (vgl. Abbildung 3-3).

Neuplanung Änderung der Situation

Plan 1 Plan 2

Plan 3 Plan 4

Plan 5

1 2 3 4 5

Ausgangs-situation

Resultierender Gesamtplan

Abbildung 3-3: Konstruktion eines Plans durch rollierende Planung Deterministische versus stochastische Anwendungsumgebungen

Nicht nur die Verfügbarkeit von Informationen spielt eine wichtige Rolle, sondern auch die Sicherheit der verfügbaren Informationen. Treten zukünftige Ereignisse immer ge-nau so ein, wie sie vorhergesagt wurden, spricht man von einer deterministischen An-wendungsumgebung. In der Praxis findet man nahezu nirgends solche deterministischen Umgebungen. Oft ist es jedoch sinnvoll und ohne große Einschränkungen der Problem-stellung möglich, vereinfachend von einer deterministischen Anwendungsumgebung auszugehen.

Ist der Anwendungsbereich jedoch, wie im Beispiel der Containerterminals, externen und internen Einflüssen unterworfen, kann es zu starken Schwankungen bestimmter Eingangsgrößen des Problems kommen. So variieren z.B. die Auf- und Abladezeiten der einzelnen Container aufgrund von Witterungsbedingungen, die Fahrzeiten der AGVs sind ihrerseits Staueffekten unterworfen. Man bezeichnet diese Einflussgrößen dann als stochastisch. Stochastische Größen folgen oft bestimmten Wahrscheinlich-keitsverteilungen, oder können vereinfachend durch diese abgebildet werden. Neben

den echt stochastischen Einflüssen gibt es noch Einflüsse, die eigentlich deterministisch sind, aber vereinfachend als stochastisch abgebildet werden, da ihre analytische Be-rechnung zu aufwendig ist. So könnte z.B. der Einfluss des Fahrweges des Lagerkrans vereinfachend durch eine Gleichverteilung abgebildet werden, obwohl er eigentlich analytisch exakt aus dem Stellplatz der einzelnen Container bestimmt werden könnte (was allerdings die genaue Modellierung der einzelnen Stellplätze erfordern würde).

Ist eine Anwendungsumgebung durch starke stochastische Einflüsse geprägt, sollte das bei der Bewertung der Lösungsverfahren berücksichtigt werden. Meist bietet sich dann eine Simulationsuntersuchung an, um die Auswirkung der stochastischen Schwankun-gen auf die tatsächliche Lösungsgüte zu untersuchen. Für die vorlieSchwankun-gende Problemstel-lung wurden die Auf- und Abladezeiten der Container an den Kränen als stochastisch angesehen und durch eine entsprechende Verteilung abgebildet (siehe Abschnitt 6.1.2 ab Seite 146).

Integrierte versus separate Betrachtung der Problemstellung

Keine Problemstellung existiert im luftleeren Raum, meist gibt es beträchtliche Wech-selwirkungen mit anderen Planungsproblemen. Die Qualität der Einsatzplanung der AGVs in Containerterminals ist in sehr starkem Maße davon abhängig, wie gut die Pläne der Fahrzeuge z.B. mit den Plänen der Kräne abgestimmt sind. Am Erfolg ver-sprechendsten wäre es daher, sämtliche Planungsprobleme – von der Liegeplatzzuord-nung der Schiffe bis hin zur Verkehrsregelung bei den AGVs – simultan zu betrachten.

Man würde dann von einer integrierten Betrachtung sprechen. Die Wechselwirkungen innerhalb eines Containerterminals sind jedoch derart komplex, dass es bisher, soweit bekannt, noch keine integrierte Betrachtung eines ganzen Terminals gibt, obwohl die Vorteile eines solchen Ansatzes wohl von niemandem bestritten werden.

Auch in dieser Arbeit wird das Problem der Einsatzplanung separat von den anderen Planungsproblemen betrachtet. Mittels der Definition geeigneter Schnittstellen zu den Kränen wird die Tatsache modelliert, dass die AGVs nicht völlig unabhängig agieren können. Durch den separaten Ansatz können Besonderheiten der Einsatzplanung oft gezielter und genauer untersucht werden, was ja der vornehmliche Inhalt dieser Arbeit ist. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass auch ein überlegenes Verfahren zur Einsatzplanung aufgrund der Wechselwirkungen, z.B. mit den Plänen der Kräne, sogar zu einer Verschlechterung der Gesamteffizienz des Terminals führen kann.

Da auch in nächster Zeit nicht von der Umsetzbarkeit einer echten integrierten Be-trachtung auszugehen ist, scheint der Erfolg versprechendste Weg die Verbesserung der Koordination zwischen den Geräten zu sein. Denkbar wäre es z.B., die drei Steuerungs-systeme von Lagerkränen, Containerbrücken und AGVs im Sinne eines

Multiagenten-systems miteinander kommunizieren zu lassen. Pläne könnten dann untereinander

„nachverhandelt“ und im Sinne eines globalen Optimums angepasst werden. Ein derar-tiger dezentraler Steuerungsmechanismus scheint momentan realistischer zu sein als die zentrale Optimierung des gesamten Terminals.

Optimierende versus heuristische Verfahren

Optimierende Lösungsverfahren zeichnen sich dadurch aus, dass die beste Lösung eines Problems – also die mit dem maximalen bzw. minimalen Zielfunktionswert – bestimmt wird. Heuristische Verfahren hingegen beschränken sich darauf, eine zulässige, meist hinreichend gute Lösung des Problems zu suchen. Das wichtigste Argument für den Einsatz eines heuristischen Verfahrens ist dessen meist geringere Laufzeit. Insbesondere für sehr komplexe Problemstellungen kann die Laufzeit eines optimierenden Verfahrens oft so hoch sein, dass eine Anwendung für große Praxisfälle nicht in Frage kommt.

Das Problem der Einsatzplanung für AGVs in Containerterminals gehört zur Klasse der NP-vollständigen Probleme (vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3.1 auf Seite 34). Die Zugehörigkeit eines Problems zu dieser Klasse wird gemeinhin als Indiz dafür angese-hen, dass zu dessen Lösung Heuristiken herangezogen werden müssen, da das Auffin-den einer optimalen Lösung zu viel Zeit beanspruchen würde. Zwar gibt es Anwen-dungsumgebungen, in denen die Laufzeit weniger kritisch ist, so dass evtl. der Einsatz eines optimierenden Verfahrens in Frage käme. Im Falle von Containerterminals, wo die geforderte Antwortzeit für das Finden eines neuen Plans für die AGVs bei etwa ei-ner Sekunde liegt, spricht jedoch fast alles für die Verwendung von Heuristiken. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt daher auch auf dem Design von guten Näherungs-verfahren, wie sie in den Abschnitten 4.1.1, 4.1.2, 4.1.3 und 4.2 beschrieben werden.

Dennoch soll unter anderem aus modellierungstechnischen Gründen auf ein optimieren-des Verfahren nicht verzichtet werden. Die genauen Gründe dafür und das Verfahren selbst werden in Abschnitt 4.1.4 beschrieben.

Online- versus Offline-Verfahren

Das Scheduling in dynamischen Anwendungsumgebungen war in den letzten Jahren ein sehr aktives Forschungsgebiet. Viele Untersuchungen beschäftigten sich mit dem Ver-gleich von Online- und Offline-Strategien und versuchten herauszufinden, welches der beiden Konzepte das geeignetere wäre. Eine generelle Antwort auf diese Frage gibt es jedoch nicht, sie hängt vielmehr immer von der konkreten Anwendungsumgebung ab.

Während für die Hauptproduktionsplanung in Fertigungssystemen ein weiter voraus-schauender Plan geeignet sein mag, ziehen es bei kurzfristigen

Scheduling-Entschei-dungen beispielsweise die Werkleiter oft vor, jeweils nur die nächsten Operationen zu planen.

Bei der Einsatzplanung von MLCs in Containerterminals ist die Wahl der geeigneten Strategie nicht so offensichtlich. Der hohe Grad an Stochastizität scheint für einen kurz-sichtigen Online-Ansatz zu sprechen. Die weiter vorausschauenden Pläne der Offline-Strategien versprechen jedoch ein besseres Ausschöpfen des Optimierungspotenzials, das durch die Möglichkeit der Kombination mehrerer Transportaufträge in einer ge-meinsamen Tour entsteht.

Die Online-Einsatzplanung wird üblicherweise in sehr dynamischen Planungsumgebun-gen bevorzugt, in denen nur sehr begrenzte und unsichere Informationen über künftige Ereignisse vorliegen. Im Falle von Containerterminals basiert die stochastische Natur der Anwendungsumgebung sowohl auf internen als auch auf externen Einflussfaktoren.

Ein interner Einflussfaktor ist z.B. die Entscheidung des Kranführers einer Container-brücke, die im Entladeplan festgelegte Reihenfolge der Container kurzfristig zu ändern.

Externe Einflussfaktoren sind z.B. Wetterbedingungen oder Staus im Fahrerlosen Transportsystem. Aufgrund dieser Unsicherheiten müssen Planungsentscheidungen ohne vollständige Kenntnis über künftige Ereignisse getroffen werden. Eine Möglich-keit, die stochastische Natur des logistischen Systems zu berücksichtigen, ist der Ein-satz von Online-EinEin-satzplanung. Im Rahmen dieses Modus der EinEin-satzplanung wird eine Entscheidung erst getroffen, wenn sie unmittelbar benötigt wird und dann auch sofort ausgeführt (vgl. Fiat und Woeginger, 1998 sowie Sgall, 1998). Es wird kein vor-ausschauender Plan erzeugt. Vielmehr ergibt sich der Plan aus einer Folge von Online-Entscheidungen, die eine nach der anderen getroffen werden, immer wenn sich der Zustand des Systems ändert (vgl. Sabuncuoglu und Bayiz, 2000). Zwar ist die Anwen-dung solcher Regeln sehr einfach, ihre kurzfristige Natur führt jedoch oft zu Abstrichen bei der (theoretischen) Lösungsgüte.

Für die Offline-Einsatzplanung ist es erforderlich, dass Planungsentscheidungen für alle TAs innerhalb eines kurzen Vorausschauhorizontes simultan getroffen werden. Für je-des AGV wird ein vorausschauender Plan erzeugt, der nicht nur die nächste Operation, sondern mehrere Operationen innerhalb des Planungshorizontes umfasst. Allerdings ist es wegen der Unsicherheit künftiger Ereignisse oft notwendig, den einmal gefassten Plan zu verändern, sobald bei seiner Umsetzung größere Abweichungen auftreten. Sol-che Abweichungen können z.B. die verspätete Ankunft eines AGVs, der Ausfall eines Krans oder unerwartete Verzögerungen während einer Auf- oder Abladeoperation sein.

Diese Art der Planung wird daher auch oft als prediktiv-reaktive Planung bezeichnet (vgl. Sabuncuoglu und Bayiz, 2000).

Art der Neuplanung

Die dynamische Natur des Problems der Einsatzplanung in Containerterminals erfordert es, während des laufenden Betriebs immer wieder neue Planungsläufe zu starten, um neu hinzukommende Ereignisse, wie z.B. die Freigabe eines weiteren TAs, zu berück-sichtigen. Man spricht dann von einer so genannten Neuplanung.

Jede Neuplanung muss außer der gegebenen physischen Situation, die beispielsweise die Standorte der AGVs, deren Beladungszustand und die bekannten Transportaufträge umfasst, auch den gegenwärtigen logischen Zustand der Geräte berücksichtigen. In letztere Kategorie fällt vor allem der aktuelle Plan jedes AGVs, wie er als Ergebnis der letzten Planung existiert. Dabei kann der bestehende Plan als unveränderliche Basis angesehen werden, die nur noch durch die Zuordnung der zum Zeitpunkt der letzten Planung unbekannten TAs ergänzt werden soll. Man spricht dann von einer ergänzen-den Neuplanung.

Kann die Struktur eines bestehenden Plans hingegen verändert werden, spricht man von einer revidierenden Neuplanung. In der vorliegenden Arbeit wird bei der Anwendung von Online-Verfahren die ergänzende Neuplanung verwendet, während für Offline-Ver-fahren auf die revidierende Neuplanung zurückgegriffen wird.

Abhängig von den Faktoren, die eine Neuplanung auslösen, kann man zwischen den folgenden Strategien unterscheiden:

Periodische Neuplanung findet in konstanten Abständen jeweils nach einem vordefinierten Zeitintervall statt. Ereignisse, die zwischen zwei Planungszeit-punkten stattfinden, werden akkumuliert und bei der nächsten Neuplanung ge-meinsam berücksichtigt (vgl. Church und Uzsoy, 1992).

Ereignisorientierte Neuplanung wird immer dann ausgeführt, wenn eine signifi-kante Abweichung zwischen dem Plan und der tatsächlichen Umsetzung besteht.

Starke Verspätungen aufgrund unerwartet langer Auf- oder Abladezeiten können z.B. eine solche Neuplanung auslösen. Aber auch bestimmte Ereignisse, wie die Freigabe eines neuen TAs, können der Grund für eine Neuplanung sein (vgl.

Smith, 1994 und Viera et al., 2003).

• Schließlich stellt die hybride Neuplanung eine Kombination aus den beiden vorgenannten Strategien dar (vgl. Church und Uzsoy, 1992).

Eine Auswahl der geeigneten Strategie hängt stark von der Häufigkeit des Auftretens planungsrelevanter Ereignisse und deren zeitlicher Verteilung ab. In Containerterminals treten sehr viele Ereignisse (insbesondere neue TAs) in kurzen, aber unregelmäßigen Abständen auf. Eine periodische Neuplanungsstrategie erscheint daher weniger

geeig-net, da das Zeitintervall zwischen den Planungsschritten entweder sehr klein gewählt werden müsste (was einen extrem hohen Planungsaufwand zur Folge hätte) oder die Genauigkeit der Planung recht gering wäre. Die ereignisorientierte Neuplanung hinge-gen stellt sicher, dass jedes Ereignis zum Zeitpunkt seines Auftretens für die Planungs-entscheidung berücksichtigt wird. Der höhere Planungsaufwand im Vergleich zu einer grob-gerasterten periodischen Planung erscheint durch die höhere Genauigkeit gerecht-fertigt und ist technisch ohne weiteres vertretbar. Planungsauslösende Ereignisse sind je nach Lösungsverfahren die Freigabe eines neuen TAs, das Ende einer Operation oder das Überschreiten einer maximal tolerierbaren Verspätung beim Start eines TAs.

Zusammenfassende Einordnung des Problems

In diesem Abschnitt wurden einige wichtige Charakteristika der Einsatzplanung erläu-tert. Die Auswahl der entsprechenden Optionen für das in dieser Arbeit untersuchte Problem der Einsatzplanung für AGVs in Containerterminals wurde erläutert. Dabei wurde unterschieden zwischen Merkmalen der Problemstellung und Merkmalen der verwendeten Lösungsverfahren. In Tabelle 3-1 ist die vorgenommene Einordnung noch einmal zusammengefasst.

Prinzipielle Alternativen In dieser Arbeit betrachtet statische vs. dynamische Problemstellung dynamisch

deterministische vs. stochastische

Anwendungsumgebung stochastisch

Charakteristika des Problems integrierte vs. separate Betrachtung separat

optimierende vs. heuristische

Lösungsverfahren heuristisch (optimierend) Online- vs. Offline-Planung Online-/Offline-Planung

Charakteristika der Lösungsverfahren

Art der Neuplanung ereignisorientiert ergänzend / revidierend Tabelle 3-1: Einordnung des Problems