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Chaos und Selbstorganisation, gesellschaftliche

III. Gesellschaftliche Selbstorganisation im Übergang

3. Chaos und Selbstorganisation, gesellschaftliche

Die in der universellen, Natur und Gesellschaft übergreifenden Evoluti-on entstandenen Gebilde oder Systeme erhalten sich im Sein durch die ihnen inhärenten Prinzipien der Selbstorganisation(siehe II.2.). Für ein Bild des gesellschaftlichen Ganzen ist dieser Fokus der

183 Homann, Karl, Wirtschaftsehtik als Ordnungsethik, in: Homann, K./ F. Blome-Dress, Wirtschafts- und Unternehmensethik, Göttingen 1992, S. 20ff.

tion zu erweitern. Er ist zum einen einzubetten in eine umfassendere Sicht von Chaos, Komplexität und Evolution, zum anderen zu konkreti-sieren für die im menschlichen Bereich geltenden besonderen Formen bewußt organisierter Selbstorganisation. Dabei helfen die Begriffe und Sichtweisen natürlicher und gesellschaftlicher Ordnungsmuster.

Aus der Gewohnheit unserer alltäglichen Lebensvollzüge und be-schränkten Lebenszeit erscheint uns das Vorhandensein von Ordnun-gen, von dauerhaften Mustern und Regeln in allen Bereichen als nor-mal. Nicht so ist es jedoch im darüber hinausschauenden Blick. Dann erscheint das Ganze als ein sich ständig bewegender Fluß, in dem Din-ge entstehen, sich verändern und verDin-gehen. Die Erkenntnis der moder-nen Chaos- und Komplexitätsforschung lehrt, daß das uns gewohnte geordnete Leben nur eine "Insel im Chaos" ist und daß auch alle so seienden Dinge oder Systeme nicht dauerhaft, sondern nur als am Rande des Chaos fließende Gebilde existieren. Dies ist auf den zweiten Blick folgerichtig und unvermeidlich: Nur ein Gebilde, welches sich in sich selbst fließend erhaltend dem ewig umgebenden Fluß anpaßt, kann im Sein bleiben; jedes feste, unfließend-unflexible wäre kurzfristig verflossen.184

Dies, das Fließgleichgewicht am Rande des Chaos, ist die eine Seite selbstorganisierenden Seins, die andere, diesem scheinbar und oft auch real entgegenstehende, ist die Ausbildung relativ stabiler Ord-nungsmuster. Beides sind zugleich nur andere Aspekte der oben als energetische Offenheit und referenzielle Geschlossenheit begriffenen Selbstorganisationsprinzipien. Um im umgebenden universellen Fluß überhaupt etwas Besonderes zu sein, bedarf es der Abgrenzung, die zugleich eine Eingrenzung darstellt, und eines sich ab- und eingrenzen-den Inhaltes. Dieser fließende Inhalt braucht und bildet eine Form oder Ordnung, d.h. ein relativ stabiles Muster, in dem sich negentropische und referenzielle Prozesse verschiedenster Seinsebenen in gegenseiti-ger Wechselwirkung und so im Sein erhalten.

Für ein Planetensysstem bildet sich diese Ordnung in den Abständen und Umlaufbahnen, für einen Organismus in den regelmäßigen Prozes-sen der verschiendensten Organe, und in der Gesellschaft finden wir

184 Siehe gut bei Lewin, R., Die Komplexitätstheorie. Wissenschaft nach der Chaosfor-schung, Hamburg 1993; und Waldrop, M.M., Inseln im Chaos. Die Erforschung kom-plexer Systeme, Reinbek bei Hamburg 1993.

Ordnungsmuster vielfältigster Art, von anerzogenen Normen und Ge-wohnheiten bis hin zu rechtlich fixierten Regeln und Institutionen.

In allgemeiner Sicht gibt es dabei eine Dialektik von Inhalt und Form oder Ordnung. Der Inhalt bildet eine ihn stabilisierende Form, da aber jede Erstarrung Tod wäre, kann diese keine absolute, ewig unveränder-bare sein; der beständig fließende und variierende Inhalt verändert da-her hin und wieder seine Form, paßt diese seiner veränderten Wirklich-keit an. Da aber die Form der Bändigung des sonst chaotischen Inhal-tes dient, kann es geschehen, daß eine Umformung der alten Form durch den gewandelten Inhalt nicht gelingt und somit das gesamte Ge-bilde wieder im universellen Fluß verschwindet.

In den physikalischen und organischen Ebenen ereignet sich die Bil-dung von Formen und Ordnungen naturhaft spontan, die Ebene von Mensch und Gesellschaft entsteht und entwickelt sich nur im mehr oder weniger bewußten Mitschaffen und Mitschöpfen durch den Menschen.

Hinsichtlich der Dialektik von Inhalt und Ordnung erwächst daraus ein Dilemma. Dieses erscheint - aus der Sicht des begrenzten individuellen Lebens - im Normalfall relativer gesellschaftlicher Stabilität nur am Ran-de, es wird in Zeiten anstehender gesellschaftlicher Evolution jedoch zum existentiellen Problem für Individuen und Gesellschaft:

Im Normalfall genügen zur Wahrung des lebensnotwendigen Flusses gelegentliche kleine Impulse, kleine technische, soziale oder kulturelle Variationen oder Veränderungen, die eine völlige Erstarrung vermeiden.

Dafür hat noch die Natur gesorgt, es gibt immer einen geringen Pro-zentsatz der menschlichen Spezies, deren Lebensprinzip weniger der Vollzug der vorgegebenen und eingewohnten Muster, als deren Infrage-stellung und die Suche nach neuen, universal gesehen besseren Mu-stern ist. Die Mehrzahl der eher in der Gewohnheit und Regel lebenden Individuen sorgt jedoch dafür, daß diese nicht die gegebene Ordnung gefährden.

In Übergangszeiten wie der gegenwärtigen genügen diese wenigen nicht, dann bedürfte es mächtiger Impulse. Dafür jedoch gibt es keine Voraussetzungen in der menschlichen Natur. Dies ist letztlich der Grund, warum in der bisherigen Geschichte keine Gesellschaft zur inne-ren Erneuerung in der Lage war. So mußte mit der alten Ordnung je-weils fast die ganze Gesellschaft, d.h. Individuen, Artefakte etc., unter-gehen.

Daraus erwächst heute, da der anstehende Wandel nicht nur einen von vielen Stämmen oder Staaten sondern die Menschheit insgesamt be-trifft, Gefahr, Problem und Chance: die Gefahr, daß die naturhafte Trägheit der Gewohnheiten die Lebensgrundlagen der gesamten Menschheit zerstört. Das Problem, dies zu erkennen und daraus dann die Chance einer bewußten, die Dialektik von Fluß und Ordnung, Inhalt und Form, Stabilität und Wandel in menschenwürdiger Form vollziehen-den gesellschaftlichen Existenz und Evolution.

4. Erkenntnisse für eine freiheitliche Wirtschafts- und