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3. Analyse gewerblicher Fahrzeugflotten

3.3. Bisherige Flottenversuche und Erfahrungen

3.3.3. Carsharing

Die Idee einer gemeinschaftlichen Nutzung von Fahrzeugen erlebt seit den 1990er Jahren einen kontinuierlichen Zulauf. Dabei ersetzt ein Carsharing-Fahrzeug fünf bis acht Pkw und wird durchschnittlich von ca. 27 Personen genutzt (FRANKE 2001). Der Trend geht von an spezielle Stationen gebundenes Carsharing hin zu flexibleren Konzepten, bei denen Fahrzeuge via Internet oder App gefunden und an beliebigen Punkten des Einzugsgebiets auch wieder abgestellt werden können. Aus der Perspektive gewerblicher Nutzung lässt sich das Carsharing aus zwei Richtungen beleuchten: auf der einen Seite stehen die Carsharing anbietenden Unternehmen selbst, auf der anderen gewerbliche Nutzer von Carsharing-Angeboten.

In Amsterdam wurde 1974 das erste Car-Sharing-Projekt der Welt Witkar (dän.: „weißes Auto“) mit 35 Elektroautos gestartet (BENDIXSON und RICHARDS 1976). Die Elektrofahrzeuge waren verteilt auf mehrere Ladestationen in der Stadt. Über 4.000 Mitglieder konnten sich jederzeit ein Auto ausleihen und es an einer der Ladestationen wieder abgeben. Auch wenn das Projekt 1986 mangels Erfolg eingestellt wurde, zeigt sich in der Form des Car-Sharing bereits ein mögliches Einsatzgebiet der Elektrofahrzeuge.

Besonders geeignet für den Einsatz von BEV in Carsharing-Konzepten sind Mobilitätsanbieter, die bereits über sehr gute Ausgangsvoraussetzungen verfügen wie z.B. die Deutsche Bahn. Aus dem länger bestehenden Angebot geht hier u.a. die Kenntnis der jeweiligen Mobilitätsbedürfnisse von verschiedenen Kundengruppen einher, die es ermöglicht E-Fahrzeuge an Stellen mit geeignetem Nachfrageprofil einzusetzen. Aktuell setzt die DB über 100 „e-Flinkster“, E-Fahrzeuge verschiedener Hersteller50, in sieben deutschen Großstädten ein, wobei ein Teil der Fahrzeuge im Rahmen von Projekten in den Modellregionen angeschafft wurden (DB 2013). So können beispielsweise die e-Flinkster in Darmstadt zusätzlich kostenlos an den e-Flinkster-Stationen mit Ökostrom des Anbieters ENTEGA aufgeladen werden (DB 2011).

Anfang 2012 startete in Salzburg das reine E-Fahrzeug-Carsharing EMIL mit zehn Mitsubishi iMiev, auf die in den kommenden Jahren auch Modelle aus der Renault Z.E. Reihe und Smarts folgen sollen. Eine Zukunftsperspektive sehen die Betreiber vor allem in der Integration der Fahrzeuge mit der nötigen

50 Smart ed, Peugot iOn, Citroen C-Zero, Fiat 500 E, Mini E (Stand: 2013)

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Ladeinfrastruktur in neue Wohnkonzepte (z.B. beim Bau einer neuen Wohnsiedlung, EMIL 2012). Die stündliche Abrechnung (6 €) plus km-Kosten (0,29 €)51 machen die Fahrzeuge jedoch für den Innenstadtverkehr im Vergleich zum ÖPNV nur bedingt attraktiv. Es wurden bereits zahlreiche Lademöglichkeiten eingerichtet, auch auf rein touristischen Routen wie z.B. der Hochalpenstraße zum Großglockner.

Das Unternehmen Lautlos durch Deutschland bietet ebenfalls in mehreren deutschen Großstädten die Miete reiner E-Fahrzeuge an, wobei die zur Verfügung stehenden Fahrzeuge auch gekauft werden können. Neben Kleinstfahrzeugen wie dem mia oder Stromos, werden auch kleine Transporter52 angeboten (SEELBACH 2010). Darüber hinaus sind in zahlreichen lokalen und überregionalen Carsharing-Anbietern einzelne E-Fahrzeuge buchbar.

Eines der international agierenden Carsharing-Unternehmen, das ausschließlich E-Fahrzeuge anbietet, ist das norwegische Unternehmen Move About, das seit 2009 auch einen Sitz in Bremen hat. Vier Th!nk City können zum Preis von 9 € pro Stunde53 gemietet werden. Im skandinavischen Raum hat das Unternehmen bereits 75 BEV im Einsatz.

In der aktuellen Diskussion um den Einsatz von BEV im Carsharing stehen vor allem Mobilitätsdienstleister im Fokus, die über die Vermietung der Fahrzeuge hinaus auch Smartphone-Applikationen und Online-Plattformen anbieten, über die zukünftig z.B. auch eine Kombination mit dem ÖPNV gestaltet werden kann. Eine Studie des Fraunhofer IAO und PriceWaterhouseCoopers kam zu dem Ergebnis, dass es bereits heute durch die Kombination verschiedener Angebote (Carsharing, car2go, Call a Bike, Mitfahrgelegenheit) möglich ist, sich „meist schneller, stressfreier und günstiger zu allen Punkten urbaner Zentren zu bewegen als mit dem Auto.“ Gleichzeitig stellt die Untersuchung fest, dass gerade in Großstädten die möglichen Early Adopter von E-Fahrzeugen eher zu der Gruppe gehören, die auf ein eigenes Auto verzichten und andere Mobilitätsangebote nutzen (FRAUNHOFER und PWC 2010).

Insgesamt lässt sich der Trend feststellen, dass das Fahrzeug vor allem in den westeuropäischen Ländern zunehmend an emotionaler Zuwendung verliert. Eine Untersuchung zum „Wertewandel Mobilität“ hat gezeigt, dass zukünftig Mobilität wichtiger sein wird als der Besitz eines Fahrzeugs und – auch auf Grund eines verbesserten ökologischen Bewusstseins – Fahrzeuge aus der Unter- und Mittelklasse zunehmend an Bedeutung gewinnen werden (KRUSE 2011). Vor allem junge, städtische Bevölkerungsgruppen sollen damit gewonnen werden, weil sie nur selten ein eigenes Fahrzeug benötigen. Neue Kommunikations- und Informationstechnologien vereinfachen dabei die Nutzung, beispielsweise durch Apps, die das nächstgelegene Fahrzeug lokalisieren, den Tankstand anzeigen und den Abrechnungsvorgang transparent gestalten (HEYMANN E. et al. 2011). Eine Verbreitung des Carsharing auf dem privaten Markt kann dabei die Nutzung auch im gewerblichen Verkehr befördern, da ein größeres Fahrzeugangebot die Anzahl

51 Bei sehr häufiger Nutzung kann der Preis bei Mitgliedschaft um ca. 10% gesenkt werden.

52 Die technischen Merkmale und Reichweitenangaben der Transporter sind kritisch zu betrachten: So hat der an-gebotene mia K mit einer 12-kWh-Batterie (Li-Ionen) eine Reichweite von bis 130 km. Auch wenn das geringe Leergewicht von 815 kg berücksichtigt wird, ist ein Verbrauch von ca. 8,5 kWh/100 km nur unter idealen Bedingungen vorstellbar.

53 zzgl. einer Monatsgebühr von 5,00 €; vergünstigte Tages- und Wochenendtarife sind ebenfalls möglich; aktuelle Preise finden sich unter http://www.move-about.de

der E-Fahrzeuge erhöht und den Ausbau einer Ladeinfrastruktur beschleunigt.

Die Entwicklungsprognosen für den Carsharing-Markt sind aus heutiger Sicht sehr gut: In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Carsharing-Nutzer stetig zugenommen. Abbildung 21 zeigt die Entwicklung der eingesetzten Fahrzeuge in den letzten 14 Jahren bis zum Stand 2011 von ca. 5.000 Fahrzeugen (nach BCS 2011). Dabei ist anzunehmen, dass eine größere Nutzerzahl das Angebot und die Verfügbarkeit verbessert und so wiederum neue Kunden leichter gewonnen werden können.

Abbildung 21: Entwicklung von Carsharing in Deutschland (nach BCS 2011)

In den Zahlen enthalten sind sowohl gewerbliche als auch private Nutzer des Carsharing-Angebotes. Der Anteil gewerblicher Nutzer ist dabei schwierig zu beziffern, da diese je nach Ort und Anbieter deutlich variieren: Eine Untersuchung des Öko-Instituts ergab, dass von 65 befragten Unternehmen 21 gar keine gewerblichen Nutzer führen; die Obergrenze lag in einer Größenordnung von einem Drittel (LOOSE et al.

2004).

Über das klassische Konzept hinaus gibt es zwei Sonderformen, die eine mögliche Vereinfachung für den Einstieg in die Elektromobilität darstellen: das Nachbarschaftscarsharing und der Zwischenschritt Cash-Car.

Ein Carsharing-Modell, das vor allem die Frage der Fahrzeugverfügbarkeit und des Fahrzeugstellplatzes adressiert, wurde im Rahmen der Modellregion Bremen-Oldenburg erprobt: Beim sogenannten Nachbarschaftscarsharing teilen sich mehrere Nutzer z.B. einer Wohnsiedlung ein Fahrzeug. Dabei steht das Fahrzeug auf dem privaten Grundstück eines dafür verantwortlichen Nutzers, was die Bereitstellung einer geeigneten Ladeinfrastruktur zum Auftanken am Stromnetz vereinfacht. Entwickelt wurde das Modell, nachdem eine Untersuchung der verschiedenen potentiellen Nutzergruppen ergab, dass vor allem

„berufstätige Stadt-Singles“ und „Städter 50+“ zu den aussichtsreichsten Kundengruppen54 gehören (FORNAHL 2010).

Beim sogenannten Cash-Car-Prinzip erhält der Kunde ein Leasingfahrzeug, welches zum Carsharing zur Verfügung gestellt werden kann, wenn es nicht benötigt wird. Die Einnahmen aus den Zeitfenstern, in denen das Fahrzeug zum Teilen freigegeben wurde, verringern je nach eigener Nutzungsintensität die

54 Als Zweitwagen sind E-Fahrzeuge auch für „Landfamilien“ und „Berufstätige Land-Paare ohne Kinder“

interessant

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Fahrzeugkosten. Auch hier bleibt der Vorteil bestehen, dass ein E-Fahrzeug an der Ladestation des Fahrzeugbesitzers geladen werden kann.

Die Bewertung von bestehenden Carsharing-Angeboten wird dadurch erschwert, dass hier eine klassische TCO-Berechnung zu kurz greift, da allein das Angebot rein elektrischer Fahrzeuge einen neuen Kundenkreis erschließt. Vorausgesetzt die Prognosen stark zunehmender Nutzerzahlen bewahrheiten sich, so sind sowohl die verfügbaren Fahrzeuge als auch das Gesamtkonzept55 ein wichtiges Entscheidungsmerkmal für die Wahl des Anbieters.

Das Fraunhofer ISI hat sich mit der konkreten Fragestellung der Integration von Elektrofahrzeugen in Carsharing-Flotten bereits in einem durch das BMBF geförderten Projekt beschäftigt. Dabei wurden reale Fahrprofile eines Jahres der Carsharing-Flotten von Stadtmobil Karlsruhe und Berlin ausgewertet. Die Untersuchung umfasste dabei sowohl die Machbarkeit des Einsatzes hinsichtlich des Einsatzprofils (Streckenlänge, Pause), umfasste aber auch eine Beurteilung der wirtschaftlichen Aspekte, d.h. bei welchen Fahrzeugen sich der Einsatz auch aus ökonomischem Interesse lohnt. Abbildung 22 zeigt die Anzahl der durch BEV (mit 24kWh-Batterie, Reichweite 108 km) ersetzbaren Fahrzeuge in Abhängigkeit der zur Rentabilität notwendigen Jahresfahrleistung. Dabei wurden letztere für die Jahre 2015 (rote Linie) und 2030 (schwarze Linie) bestimmt. Es wird deutlich, dass sich für 2015 kein einziges Fahrzeug ersetzen lässt, 2030 könnten vier der insgesamt 234 Fahrzeuge rein elektrisch fahren, wenn eine Spontan-Teilladung56 erfolgt. Verbessert werden die Ergebnisse durch Subventionen und auch, wenn dem Kunden bei der Anmietung eine andere als seine gewünschte Station im Stadtteil zugewiesen werden konnte.

Inwieweit das für den Fahrer attraktiv ist, bleibt dabei offen. Zusätzlich ergab die Untersuchung im Vergleich zwischen Berlin (26 Fahrzeuge) und Karlsruhe (416 Fahrzeuge), dass eine Integration von BEV in größeren Flotten deutlich einfacher ist, da die Ausweichmöglichkeiten für z.B. lange Fahrten gegeben sind. Insgesamt konnte für Karlsruhe auch mittelfristig nur eine BEV-Quote von ca. 6 % errechnet werden (DOLL et al. 2011).

55 Hierzu gehört z.B. ein zielgruppenspezifischer Webauftritt, Mobile Apps für alle Plattformen, bekannte Tarifoptionen etc.

56 Die Fahrzeuge werden hier spontan gemietet, wobei dem Kunden ein Ladestand angezeigt wird und er selbst entscheiden muss, ob dieser für ihn ausreicht. Bei der Spontan-Vollladung wird das Fahrzeug ebenfalls spontan angemietet, allerdings werden nur vollgeladene Fahrzeuge für die Anmietung freigegeben.

Abbildung 22: Anzahl der einsetzbaren 24-kWh-BEVs in Abhängigkeit von der Jahresfahrleistung (DOLL et al. 2011)

Darüber hinaus sind in der Studie Durchschnittsdaten der Fahrtnutzung verfügbar, die in Tabelle 3 zusammengefasst sind. Auffällig ist hier vor allem die hohe Fahrtlänge pro Nutzung, die in Berlin durchschnittlich 125 km lang ist, auch wenn diese Fahrleistung nicht in einem Stück erbracht worden sein muss. Möglicherweise ist auch das Ausleihprinzip des Anbieters – Fahrzeuge müssen an speziellen Stationen abgeholt und auch zurückgegeben werden – dafür verantwortlich, da sich der Aufwand diese zu nutzen für spontane Kurzfahrten nicht lohnt. Weiterhin interessant ist die hohe durchschnittliche Jahresfahrleistung.

Tabelle 3: Vergleich der Carsharing-Organisationen Stadtmobil Karlsruhe und Berlin (nach DOLL et al. 2011) Karlsruhe Berlin

Verfügbare Fahrzeuge (Jahresdurchschnitt) 425,5 28,5

∅ Jahresfahrleistung pro Fahrzeug [km] 27.165 19.410

∅ tägliche Nutzungsdauer pro Fahrzeug [h] 8,3 8,6

Jahresfahrleistung pro Kunde [km] 1.667 919

Anzahl der Nutzungen 123.167 4.423

Anzahl der Buchungen pro Fahrzeug und Jahr 289 155

∅ Fahrtlänge pro Nutzung [km] 93,8 125,1

Eine Studie des Öko-Instituts zu den Möglichkeiten der Weiterentwicklung des Carsharing kam zu dem Ergebnis, dass die zeitliche Auslastung der Carsharing-Fahrzeuge bei durchschnittlich 38 % liegt; bei Gemeinden unter 100.000 Einwohnern sinkt die Auslastung auf 28 % (LOOSE et al. 2004). Diese Zahlen zeigen, dass zumindest im Durchschnitt die für das tägliche Aufladen zu erbringende Standzeit zur Verfügung steht. Da eine Lademöglichkeit vorhanden sein muss, bietet sich hier v.a. das an Stationen gebundene Carsharing an, bei dem die Fahrzeuge an definierten Punkten nachgeladen werden.

Dabei müssen bereits beim Start von BEV im Carsharing verlässliche Lösungen angeboten werden, um eine negative Wirkung auf die Kundenakzeptanz zu vermeiden. Auch wenn interessierte „Early Adopter“

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eine gewisse Fehlertoleranz vor dem Hintergrund des Ausprobierens mitbringen, wirken diese letztlich als Multiplikator für die Bewertung der Alltags- und Einsatztauglichkeit der Fahrzeuge. Der Autovermieter Sixt hat dazu beim Angebot von vier Karabag 500 in München bereits erste Erfahrungen gesammelt: Auf einer Pressekonferenz erklärte Firmeninhaber Sixt, dass die theoretische Reichweite von 140 km bei sportlichen Fahrern auf 70 km reduziert wurde und häufiger Kunden mit leerer Batterie liegen blieben. Er verdeutlichte weiterhin, dass mit den Fahrzeugen kein kommerzieller Vertrieb57 möglich sei (KUNTZ 2011).