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Beurteilung der Marktreifefaktoren

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 191-195)

7.5 Zusammenfassung: Eignung vs. Akzeptanz

6.2.5 Beurteilung der Marktreifefaktoren

Die Bestimmungsfaktoren der Marktreife nach Keogh / D’Arcy wurden im Abschnitt 3.1.2 vor-gestellt. Hier soll anhand dieser Kriterien eine Beurteilung der Stadt Warschau erfolgen.

Die Palette der Nutzungs- und Investitionsmöglichkeiten ist zu einem großen Teil durch die Gesetzgebung auf nationaler Ebene festgelegt. Hinsichtlich des einzelnen Marktes stellt sich lediglich die Frage, was nicht nur prinzipiell erlaubt, sondern auch faktisch verfügbar ist. Im Bereich der Nutzungsmöglichkeiten ist festzustellen, dass die Zeit der Flächenknappheit seit dem Ende der 1990er Jahre vorbei ist und dass der Markt die nachgefragten Nutzungsmög-lichkeiten nunmehr bereitstellt. Im Bereich der InvestitionsmögNutzungsmög-lichkeiten gibt es noch Defizite.

Neben denen, die im vorausgegangenen Abschnitt aufgezeigt wurden, sind damit auch die Finanzierungsmöglichkeiten für Gewerbeimmobilien gemeint (s. u.).

Die Möglichkeiten zur kurzfristigen Bestandsanpassung sind ebenfalls weitgehend auf natio-naler Ebene determiniert. Die langfristige Bestandsanpassung durch Projektentwicklungen hat zu Beginn der 1990er Jahre schlecht funktioniert. Ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurde dann nachfrageadäquat gebaut. Wie gut die langfristige Anpassungsflexibilität derzeit ist, ist noch nicht abschließend zu beurteilen. Zwar stellt sich die bedarfsgerechte Ange-botsausweitung heute unproblematisch dar, allerdings war bisher noch keine Angebotsverrin-gerung erforderlich. Somit ist unklar, wie der Markt mit einer solchen Situation fertig wird. Es ist jedoch zu vermuten, dass das geringe Durchschnittsalter der Gebäude eine Angebotsre-duktion erschwert.

Die Qualität der Immobiliendienstleister wurde beurteilt, indem in den Interviews nach Vor-handensein, Anzahl, Spezialisierungen und dem Organisationsgrad in formellen Netzwerken gefragt wurde.

In Warschau ist die ganze Palette der Immobiliendienstleistungen verfügbar; von Maklern, Sachverständigen und Facility-Managern bis hin zu Steuerberatungen und Rechtsanwalts-kanzleien. Internationale Firmen haben manche dieser Dienste bereits Anfang der 1990er

509 Vgl. Interview mit Frau Rajska-Wolinska und Herrn Maciak.

510 Vgl. Cushman & Wakefield Healey & Baker (2003c), S. 4; Aengevelt Immobilien KG (Hrsg.) (2002), S. 5.

511 Vgl. Interview mit Frau Kwiatkowska.

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Jahre angeboten. Es gibt jeweils auch Firmen, die sich besonders auf Gewerbeimmobilien spezialisiert haben. Einzig das Facility-Management steckt noch im Anfangsstadium. Denn erstens gibt es erst seit kurzer Zeit eine genügende Anzahl von Flächen, die eine solche Dienstleistung ermöglichen, und zweitens wurde und wird diese Aufgabe häufig vom Eigentü-mer in Eigenregie erledigt.

Hinsichtlich der Qualität der Dienstleistungen ist festzuhalten, dass sämtliche großen interna-tionalen Firmen vertreten sind und ihre üblichen Dienstleistungen anbieten. Darüber hinaus war Warschau der einzige Ort, an dem bei der Feldstudie unter den Maklerfirmen ein lokaler Player angetroffen wurde, der mit der Professionalität der internationalen Firmen mithalten konnte und dem man zutrauen kann, in wenigen Jahren auf dem lokalen Markt zu einem ernsthaften Konkurrenten für diese Firmen zu werden.

Formelle Netzwerke der Immobiliendienstleister sind vorhanden und auch aktiv. Häufig ge-nannt wurde in den Interviews das „Warsaw Research Forum“, ein Zusammenschluss von Immobilien-Professionals, der beispielsweise das Warschauer CBD definiert, darin die A- und B-Lagen festgelegt hat und auch Qualitätsdefinitionen für Büroraum der Klasse A aufgestellt hat. Auch andere Berufsnetzwerke, wie z.B. die RICS, findet man im Markt vor.

Im Bereich des Immobilienresearch sind zwei Dinge festzuhalten: Erstens veröffentlichen die großen Maklerhäuser Marktberichte und sorgen so dafür, dass die Basisinformationen zum Markt verfügbar sind. Diese Informationsquelle wird auch rege genutzt, denn bei Fragen zu solchen Daten verwiesen die Interviewpartner regelmäßig auf diese Publikationen. Zweitens ist erstaunlich, dass sich die Warschauer Universitäten an dieser Art Forschung offenbar nicht oder nicht öffentlichkeitswirksam beteiligen. So war den Interviewpartnern kein immobilien-ökonomischer Lehrstuhl bekannt. Eigene Recherchen brachten zutage, dass es lediglich eine private Akademie gab, die sich mit Immobilienwirtschaft befasst. Dort schien man jedoch eher auf das Hüten von Wissen denn auf Publikation bedacht zu sein.

Die Marktoffenheit in räumlicher Hinsicht ist auf den ersten Blick sehr hoch, da die Mehrzahl der Gewerbeimmobilienprojekte von oder für Ausländer durchgeführt wird. Bei einem derart hohen Ausländeranteil stellt sich die Frage aber eigentlich andersherum: Sind auch lokale Wirtschaftseinheiten in der Lage, am Markt zu agieren und mit auswärtigen Firmen zu konkur-rieren? Dass dies nur in Ansätzen der Fall ist, zeigt, dass die Ausländer das Insiderwissen hinsichtlich der Funktionsweise marktwirtschaftlicher Immobilienmärkte und einen besseren Zugang zu Kapitalquellen besitzen. Die bisher geringe Präsenz lokaler Firmen, insbesondere im institutionellen Marktsegment, ist hier daher als Hinweis auf geringe Marktreife zu interpre-tieren. Es ist jedoch anzumerken, dass sich hier eine Veränderung abzuzeichnen beginnt.

Auch im Bereich der funktionalen Marktoffenheit führt die Standardinterpretation in die falsche Richtung. Vor der Entscheidung, verschiedene Marktfunktionen wahrzunehmen, muss erst einmal eine Spezialisierung erfolgt sein, denn sonst gibt es keine Alternative zur selbständigen Wahrnehmung aller benötigten Funktionen. Man kann diesen ersten Schritt der Spezialisie-rung für Warschau als im Wesentlichen abgeschlossen betrachten. Inwieweit die Marktteil-nehmer in der Zukunft weitere Funktionen übernehmen oder zwischen verschiedenen Funkti-onen wechseln werden, ist derzeit nicht absehbar.

Auch auf den Kapitalmarkt bezogen – in sektoraler Hinsicht also – offenbart der Grad der Marktoffenheit eine geringe Marktreife. Die an großen Transaktionen beteiligten Parteien sind fast ausnahmslos spezialisierte Immobilienfirmen aus dem Ausland. Wäre sektorale Offenheit gegeben, würde auch Geld aus nicht immobilienfokussierten Quellen im Markt angelegt. Auch die polnischen Banken haben Gewerbeimmobilien als Anlageklasse bisher nicht erkannt. So bietet kaum eine Bank überhaupt Finanzierungen für Gewerbeimmobilien an. Spezielle Produkte für diesen Zweck gibt es gar nicht.

Im Bereich der Standardisierung von Marktabläufen ist das Bild, je nach Teilmarkt differen-ziert. In der Projektentwicklung werden die Objekte nach westlichem Standard gefertigt. Der Standardisierungsgrad entspricht hier also dem aus reifen Märkten. Im Bereich der Vermie-tung haben sich ebenfalls Standardklauseln für Vertragsdauer, Kündigungsfrist etc. als üblich herausgebildet. Im Bereich der Investmenttransaktionen gibt es hingegen noch keine Stan-dardverträge, was auch an der geringen Zahl dieser Ereignisse liegt. Ebenso gibt es – wie bereits erwähnt – keine Standard-Finanzierungsprodukte für Gewerbeimmobilien.

6.3 Der Markt „Lodz“

6.3.1 Stadtporträt und Grundzüge des Immobilienmarktes

Lodz liegt im geografischen Zentrum Polens und bildet die Hauptstadt der nach ihr benannten Woiwodschaft Lodzkie. Die Stadt ist mit etwa 800.000 Einwohnern zwar nur halb so groß wie Warschau, diese Einwohnerzahl macht sie jedoch zur zweitgrößten Stadt des Landes. Die Stadt ist über einen internationalen Flughafen und über Zug- und Straßenverbindungen er-reichbar. Von Warschau aus benötigt man eine Reisezeit von ca. 2 Stunden mit dem Auto. Die Geschichte des Ortes geht bis in das Jahr 1332 zurück. Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts führte die Stadt jedoch ein Schattendasein. Die Wirtschaft war durch Landwirtschaft und Handwerk geprägt. 1820 wurde Lodz von der Regierung zur Industriesiedlung ernannt und wuchs in den Folgejahren zu einem Zentrum der Textilindustrie. Dieser wirtschaftliche Auf-schwung drückte sich auch in der Einwohnerzahl aus. Diese nahm von nur etwa 770 im Jahre 1820 auf über 500.000 im Jahr 1900 zu. Noch heute bemerkt man im Stadtbild diese Phase der Vergangenheit. Die früher einmal prunkvollen Patriziervillen im Baustil der damaligen Zeit finden sich nicht nur in der Innenstadt, sondern auch in der Nähe von Fabrikgeländen. Auch

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sind vielfach noch alte Industriebauten vorhanden, die von der damaligen Prosperität der Stadt zeugen. Die einfache Wohnbebauung außerhalb der Altstadt zeigt deutlich, dass man es hier mit einer Arbeiterstadt zu tun hat.512

In kommunistischer Zeit blieb Lodz ein Zentrum der Textilindustrie. Durch den Niedergang dieses Industriezweigs ist die Stadt heute besonders vom Strukturwandel betroffen. Es ist dabei offenbar nicht leicht, neue Industriezweige anzusiedeln, denn noch immer bestehen 40

% der Industriearbeitsplätze im Bereich der Textil- und Bekleidungsindustrie.513 Die Industrie-unternehmen beschäftigen als wichtigste Arbeitgeber ca. 30 % aller Arbeitnehmer. Zwei weite-re Schwerpunkte der Aktivität im heutigen Lodz sind der Handels- und der Bildungssektor.

Etwa 13 % der Arbeitnehmer sind im Handel beschäftigt, 11 % im Bildungswesen. In Lodz sollen 100.000 Studenten an sieben öffentlichen und elf privaten Hochschulen eingeschrieben sein.514

Diese Sektoren können jedoch die schwierige wirtschaftliche Lage der Industrie nicht kom-pensieren. Im Ergebnis beträgt die Arbeitslosigkeit in Lodz ungefähr 20 %.515 Das monatli-che Durchschnittseinkommen liegt mit 1.966 PLN in der Woiwodschaft damit bei weniger als 88 % des Landesdurchschnitts. Ähnlich geringe Werte finden sich sonst nur in ländlich strukturierten Woiwodschaften des Landes.516 Diese besondere Situation führte dazu, dass die polnische Regierung in Lodz eine Sonderwirtschaftszone (SWZ) eingerichtet hat, inner-halb derer Investoren steuerliche und genehmigungsrechtliche Vorteile genießen. Es gibt mehrere SWZen in Polen, mit Ausnahme der Lodzer SWZ liegen diese aber abseits der gro-ßen Städte in strukturschwachen Regionen.517 Da hier die Verbindung zur Stadt Lodz besteht, soll im folgenden Abschnitt in einem Exkurs auf die Bedeutung der SWZen für Immobilienin-vestoren eingegangen werden.

Die wirtschaftliche Lage der Stadt äußert sich auch im Zustand des Immobilienmarktes.

Mehrere Interviewpartner sagten auf die Frage, was den Immobilienmarkt in Lodz von dem anderer Städte unterscheide: „Armut“.518 Büroflächen spielen im Stadtbild wegen des unter-entwickelten Dienstleistungssektors praktisch keine Rolle. Handelseinrichtungen, auch in mo-dernen Flächen, sind demgegenüber häufig. Öffentlich zugängliche Informationen zum

512 Zur Geschichte von Lodz vgl.: Machejek (1999), S. 9-13; Stadt Lodz (Hrsg.) (2003b), S. 3-6; Stadt Lodz (Hrsg.) (2003a), S. 1-5; o. V. (2002b), S. 2.

513 Vgl. Urzad Statystyczny w Lodzki (2000), S. 37.

514 Vgl. Interview mit Frau Zaleczna; o. V. (2002b), S. 29. Das polnische Statistikamt meldet lediglich 42.000 Studenten. Es ist aber möglich, dass dabei nur die staatlichen Universitäten gezählt wurden. Vgl. Central Statistical Office (2003), S. 614.

515 Vgl. Urzad Statystyczny w Lodzki (2000), S. 23 und 37 sowie Central Statistical Office (2003), S. 623 (für die gesamte Woiwodschaft).

516 Vgl. Central Statistical Office (2003), S. 624.

517 Siehe Exkurs.

518 Vgl. Interview mit Frau Zaleczna; Interview mit Herrn Jamurlowicz.

bilienmarkt sind extrem selten und wenn, dann meistens nur in polnischer Sprache vorhanden.

Daher stellen die in der Feldstudie erhobenen Daten die wichtigste Quelle für die folgenden Aussagen über den Lodzer Immobilienmarkt dar.519

6.3.2 Exkurs: Die Bedeutung von Sonderwirtschaftszonen für

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