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Arten von Analysemethoden, Systemen und Modellen

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 84-87)

Eine Möglichkeit, die Entwicklung von Immobilienmärkten darzustellen und zu untersuchen, ist, den Markt als dynamisches System zu verstehen und den Marktablauf entsprechend zu modellieren. Das im Abschnitt 3.1.3 vorgestellte Marktmodell von DiPasquale / Wheaton (1996) wurde angewendet, indem durch simultane analytische Lösung der Modellgleichungen der Gleichgewichtszustand des Systems bei gegebenen Parametern berechnet wurde.166 Wird das Gleichgewicht gestört, weil sich Parameter des Modells verändern, erhält man durch Lö-sen der Gleichungen mit den neuen Parametern umgehend das neue Gleichgewicht. Eine solche Form der Analyse wird als statische Analyse bezeichnet, weil sich alle Parameterwer-te einer bestimmParameterwer-ten Lösung auf einen einzigen Zeitpunkt beziehen.167 Die Lösung des Glei-chungssystems kann ebenfalls graphisch erfolgen, ebenso wie die Auswirkungen einer Gleichgewichtsstörung graphisch gezeigt werden können.168 Dabei erhält zunächst nur ein Parameter seinen veränderten Wert, und man beobachtet in der Folge „Zwischenstationen“

auf dem Weg zum neuen Gleichgewicht. Weil hier ein Vergleich von statischen Zuständen erfolgt, bezeichnet man diese Analyse als komparativ-statische Analyse. Für die Erklärung von Anpassungsprozessen ist jedoch die dynamische Analyse als „schlechthin geeignete Methode“ anzusehen, da sie die Variablen explizit als Funktionen der Zeit betrachtet.169

Im Unterschied zu statischen bzw. komparativ-statischen Modellen, wie dem Modell von DiPasquale / Wheaton (1996) aus dem vorausgegangenen Abschnitt, liegt bei den

166 Vgl. DiPasquale / Wheaton (1996), Fußnoten auf S. 8-10.

167 Vgl. Felderer / Homburg (2003), S. 14.

168 Vgl. DiPasquale / Wheaton (1996), S. 12.

169 Felderer / Homburg (2003), S. 15. Dies gilt besonders, da die analytische Lösung von DiPasquale / Whea-ton im Zeitpunkt eines gestörten Gleichgewichts nicht gültig ist. Siehe dazu Abschnitt 3.1.3.

schen Modellen der Fokus also nicht auf dem Marktgleichgewicht, sondern auf dem Anpas-sungsprozess. Der Immobilienmarkt ist damit als dynamisches System zu verstehen und entsprechend zu modellieren.

Was aber ist ein dynamisches System und wie kann es adäquat modelliert und studiert wer-den? In der vorliegenden Arbeit wird dazu das Verständnis von Sauerbier (1999) aufgegriffen, auf dem die folgenden Ausführungen170 basieren.

Nach Kaaz (1972) versteht man unter einem System:

„[…] die Menge der Elemente dieses Systems (seine Untersysteme), die in der ge-wünschten Weise zusammenarbeiten. Jedes System – entweder als reales Objekt o-der als begriffliche Abbildung – ist charakterisiert durch die Umgebung, die Verhaltens-funktion und die Struktur.“171

Ein System kann also entweder ein reales Objekt, z. B. ein Organismus sein oder aber ein virtuelles Gebilde wie im vorliegenden Fall der Immobilienmarkt. Die Elemente dieses Sys-tems sind selbst ebenfalls Systeme, auch wenn sie gegebenenfalls aufgrund des Aggregati-onsniveaus der Analyse nicht als solche berücksichtigt werden. Charakteristisch sind die Um-gebung sowie Verhaltensfunktion und Struktur. Im vorliegenden Fall kann das Wirtschaftssys-tem als Umgebung für das SysWirtschaftssys-tem Immobilienmarkt angesehen werden. Verhaltensfunktion und Struktur werden durch die auf dem Immobilienmarkt wirkenden Marktmechanismen dar-gestellt – diese bewirken das Zusammenarbeiten der Elemente im gewünschten Sinn.

Es existieren verschiedene Dimensionen, um Systeme zu klassifizieren, die hier nur kurz umrissen werden sollen. Man unterscheidet

kontinuierliche von diskreten Systemen. Bei letzteren ändern sich die Systemgrößen sprunghaft, während dies bei ersteren unmöglich ist. Da sich kontinuierliche Systeme auch mit diskreten Modellen repräsentieren lassen und weil dies oft so geschieht, soll hier nicht weiter auf den Unterschied eingegangen werden. Für die Abbildung des Im-mobilienmarktes wird in dieser Arbeit ein diskretes Modell zugrunde gelegt.

• Zweitens unterscheidet man rückgekoppelte und nicht rückgekoppelte Systeme anhand der Frage, ob lediglich eine eindeutige Wirkungsrichtung existiert oder ob die Größen sich gegenseitig beeinflussen. Anhand der Ausführungen zum Modell von Di-Pasquale / Wheaton ist klar, dass beim Immobilienmarkt Rückkopplungen auftreten.

• Drittens sind nach dem Zeithorizont terminierende und nicht terminierende Systeme zu unterscheiden. Der Immobilienmarkt hat auf Dauer Bestand und ist daher den nicht terminierenden Systemen zuzuordnen.

170 Gemeint sind die Ausführungen in diesem und dem nächsten Abschnitt.

171 Kaaz (1972), S. 539.

Dynamisches Modell zur Simulation der Immobilienmarktentwicklung Seite 69

• Viertens unterscheidet man nach dem langfristigen Verhalten zwischen stationären und nichtstationären Systemen. Stationäre Systeme schwingen sich nach einer An-fangsphase ein, während nicht stationäre Systeme weiterhin einen Trend aufweisen.

Geht man davon aus, dass sich der Immobilienmarkt im Laufe der Zeit auf ein Gleich-gewicht einpendelt, ist er als stationäres System anzusehen. Nimmt man hingegen an, dass es einen langfristigen Wachstumsprozess des Marktes gibt, geht man von einem nicht stationären System aus.172

• Fünftens schließlich unterscheidet man dynamische Systeme von statischen Sys-temen, deren Abgrenzung erklärungsbedürftig ist. Das Kennzeichen dynamischer Systeme ist, dass sie sich im Zeitablauf ändern können. Kontrovers ist, ob dabei ledig-lich der Systemzustand oder auch Eigenschaften und Elemente des Systems verän-derbar sein müssen. Auch wird die Auffassung vertreten, dass eigentlich jedes System dynamisch ist, weil Alterungs- und Abnutzungserscheinungen auch starr und statisch wirkende Systeme, wie beispielsweise Bauwerke, im Zeitablauf verändern.173 Diese Beobachtung zeigt bereits den Weg zur Überbrückung dieser Differenz auf. Denn die Kernfrage ist demnach nicht, ob das System an sich statisch oder dynamisch ist,174 sondern ob statische oder dynamische Eigenschaften des Systems den Beobachter interessieren. Der Unterschied liegt also im Erkenntnisinteresse des Beobachters.

Um Erkenntnis über ein System zu erlangen, wird es in der Regel zunächst modelliert. Ein Modell lässt sich definieren als die „(vereinfachte) Nachbildung eines Originalsystems. Das Modell muß dem Originalsystem im Hinblick auf den Zweck seiner Realisierung hinreichend ähnlich sein.“175

Das Erkenntnisinteresse des Beobachters bestimmt diesen Zweck der Modellrealisierung.

Daher ist es sinnvoll, von dynamischen vs. statischen Modellen zu sprechen. Während ein statisches Modell einen Systemzustand an einem bestimmten Zeitpunkt wiedergibt, ist ein dynamisches Modell geeignet, das Verhalten eines Systems im Zeitablauf zu untersuchen.

Dabei wird vor allem in den Wirtschaftswissenschaften eine Pfadabhängigkeit gefordert, d.h., dass der aktuelle Zustand eines dynamischen Modells durch vorausgegangene Zustände be-einflusst wird.176

Um dynamische Systeme, besser gesagt dynamisches Systemverhalten, anhand dynami-scher Modelle zu studieren, können analytische Verfahren oder Simulationsmethoden an-gewendet werden. Für die Problemstellung dieser Arbeit, die Entwicklung des

172 Beide Sichtweisen kommen in den Simulationsläufen dieser Arbeit zum Zuge.

173 Vgl. Sauerbier (1999), S. 24 mit weiteren Nachweisen.

174 Wie angemerkt sind alle Systeme letztlich dynamisch, somit wäre der Begriff „Statisches System“ überflüs-sig, wenn es auf das System an sich ankäme.

175 Sauerbier (1999), S. 18.

176 Vgl. Sauerbier (1999) S. 24.

bilienmarktes im Transformationsprozess, eignet sich besonders die Simulationstechnik.

Gründe dafür sowie die Grundlagen dieser Technik werden im folgenden Abschnitt erläutert.

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