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Begriffsbestimmung organisationale Sozialisation – soziale Integration In Kapitel 2.1 wurde bereits mehrfach angedeutet, dass die beiden Termini In Kapitel 2.1 wurde bereits mehrfach angedeutet, dass die beiden Termini

Sozialisa-tion und soziale IntegraSozialisa-tion trotz einer gewissen RelaSozialisa-tion auch in der

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Psychologie voneinander getrennt diskutiert werden. Darüber hinaus werden beide Begriffe innerhalb der deutschsprachigen und der US-amerikanischen Literatur un-terschiedlich verwendet: Wird in der US-amerikanischen Literatur vorwiegend von organizational Socialization gesprochen, wenn neue Mitarbeiter in Unternehmen ein-treten, benutzen deutsche Wissenschaftler meistens den Begriff der Integration oder der Eingliederung. Diese theoretische und kulturelle Unterscheidung berücksichti-gend wird der kommende Abschnitt zur Begriffsbestimmung in einen englisch- und einen deutschsprachigen Bereich unterteilt.

2.3.1 Begriffsbestimmung in der englischsprachigen Literatur

2.3.1.1 Organisationale Sozialisation

In Anlehnung an Anderson und Thomas (1996) wird der Begriff der organisationalen Sozialisation in dieser Arbeit chronologisch eingeführt. Die beiden Autoren präsen-tieren eine sehr detaillierte Chronik von Definitionen zu organizational Socialization und begründen ihre Vorgehensweise damit, dass „these definitions reflect the changes in conceptions of the socialization process of the past several decades, with these conceptions also having influenced the kinds of research that have been un-dertaken“ (Anderson & Thomas, 1996, p. 426). Anderson und Thomas unterscheiden vier Perioden (era), welche nachfolgend näher beschrieben werden: (1) coercive in-tegration, (2) people-processing, (3) interactive assimilation und (4) proactive infor-mation acquisition (vgl. Anderson & Thomas, 1996, p. 427). Eine letzte selbst formu-lierte Periode – (5) content and learning era – bezieht sich auf die Weiterentwicklun-gen der Jahre 1994 bis 2006.

(1) Coercive integration era

Dieser Abschnitt lässt sich am besten mit zwingender oder zwanghafter Integrations-periode übersetzen und beschreibt die in der sechsten Dekade des letzten Jahrhun-derts verfassten Definitionen. Caplow (1964), Brim (1966) und Schein (1968) prägten diese Periode, indem sie organisationale Sozialisation als einen Prozess be-trachteten, “in which the newcomer enters an established bureaucracy, replete with its own rules and regulations, and possessing sufficient power and authority to en-sure the newcomer’s compliance to this rule structure” (Anderson & Thomas, 1996,

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p. 426). Wie bereits die Bezeichnung dieser Periode vermuten lässt, ging es darum, organisationale Sozialisation als einen von der Organisation kontrollierten und geziel-ten Prozess anzusehen, bei welchem Newcomer lediglich die Rolle eines aufnahme-fähigen Behälters für korrektes Verhalten4 zugeschrieben wird. Exemplarisch für die-ses einseitig ausgerichtete Verständnis ist die häufig zitierte Definition von Schein (1968), wonach Sozialisation der Prozess ist “by which new members are ’broken in’

or ’learn the ropes’ as they enter the organization (Schein 1968, zitiert nach Fisher, 1986, p. 101).

(2) People-processing era

Die zahlreichen Konzeptionen des Sozialisationsprozesses in den 70er Jahren wur-den vorwiegend von Van Maanen (1978), Feldman (1976, 1976a), Graen (1976) so-wie Schein (1978) und Wanous (1980) geprägt. Wegweisend für die damalige Zeit war der 1978 von Van Maanen veröffentlichte Artikel, worin er den Term people-processing nutzte, um Effekte von groß angelegten organisationalen Sozialisations-maßnahmen zu beschreiben. Der Begriff people-processing bezieht sich auf die da-mals häufig verwendeten Stufenmodelle5. Kennzeichnend für diese Modelle ist, dass Newcomer einen fortlaufenden Prozess einschließlich mehrerer Phasen oder Stufen durchlaufen müssen und dass jede Phase bzw. Stufe abgeschlossen sein muss, be-vor die nächste erreicht wird. Van Maanen (1978) und Van Maanen und Schein (1979) konzentrierten sich auf organisationale Taktiken der Newcomer-Sozialisation, da sie annahmen, dass die von Unternehmen vielfältig gestalteten Maßnahmen zu unterschiedlichen Outcomes führen. Die beiden Wissenschaftler verstehen unter organisationaler Sozialisation „the process by which an individual acquires the social knowledge and skills necessary to assume an organizational role” (Van Maanen &

Schein, 1979, p. 211). Auch diese Definition ist wiederum zu einseitig, der Newcomer passt sich der Organisation an bzw. ist passiver Empfänger von people-processing strategies (vgl. Anderson & Thomas, 1996, p. 426).

Eine Ausnahme stellen die Arbeiten von Graen und seinen Mitarbeitern dar (vgl.

Graen, 1976; Graen, Orris & Johnson, 1973). Organisationale Sozialisation wird von dieser Arbeitsgruppe im Gegensatz zu Feldman (1976, 1976a), Van Maanen und

4 Im Original heißt es „the newcomer as a receptive vessel for ‘correct’ behaviours” (Anderson & Tho-mas, 1996, p. 427)

5 Eine detailliertere Beschreibung der verschiedenen Stufenmodelle folgt in Kapitel 3.1

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Schein (1979) als „ein komplexer, wechselseitiger Austausch und Ausgleich der ge-genseitigen Ansprüche und Erwartungen betrachtet“ (Althauser, 1982, S. 36). Damit hebt Graen als erster Wissenschaftler die Einseitigkeit früherer Definitionen auf. Sein Verständnis basiert auf Ergebnissen zweier Längsschnittstudien, denen rollenanaly-tische Überlegungen zugrunde liegen, und aus welchen er sein Sozialisationsmodell mit drei zeitlich und inhaltlich abgrenzbaren Phasen entwickelt.

(3) Interactive assimilation era

Diese einseitige Einstellung zur organisationalen Sozialisation wurde zu Beginn der 80er Jahre von vielen Wissenschaftlern kritisiert, da sie erkannten: „The proactive role that newcomers necessarily take in any organization socialization and entry pro-cess, and this change in outlook is reflected by their definitions of this process“

(Anderson & Thomas, 1996, p. 426). Newcomer werden nun als aktive Beteiligte im Sozialisationsprozess angesehen und nicht mehr als passive Subjekte. Die interacti-ve assimilation era kann man deshalb mit sich wechselseitig beeinflussender Anglei-chung oder Anpassung übersetzen und wurde maßgeblich von Louis (1980) und Feldman (1981) bestimmt. Die Definitionen von Feldman (1981) und Louis (1980) zeigen allerdings, dass sich beide Autoren von der alten, einseitigen Denkweise noch nicht vollständig lösen konnten. So definiert Feldman beispielsweise organisationale Sozialisation als “the process by which employees are transformed from organization outsiders to participating and effective members” (Feldman, 1981, p. 309). Diese De-finition impliziert, dass Newcomer in effektive Mitglieder transformiert, also vielmehr umgewandelt werden, was einen passiven und keinesfalls aktiven oder wechselseiti-gen Vorgang darstellt. Louis dagewechselseiti-gen betrachtet organisationalen Sozialisation als einen Prozess “by which an individual comes to appreciate the values, abilities, ex-pected behaviors and social knowledge essential for assuming an organizational role and for participating as an organizational member” (Louis, 1980, p. 230). Auch dieses Verständnis scheint noch einseitig ausgerichtet zu sein, da von den Newcomern nach wie vor verlangt wird, dass sie essentielle Werte, Verhaltensweisen etc. erken-nen und annehmen.

Unter organisationaler Sozialisation verstehen die Autoren also den Erwerb von not-wendigen Werten und Einstellungen sowie von Wissen und Fähigkeiten, um in die Organisation oder Arbeitsgruppe aufgenommen zu werden. Kennzeichnend für diese

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Periode ist auch, dass die Assimilation in die Arbeitsrolle oder Organisation als „the

’end point’ of the socialization process“ (Anderson & Thomas, 1996, p. 427) betrach-tet wird.

(4) Proactive information acquisition era

Dieser Abschnitt des proaktiven Informationserwerbs bezieht sich auf die späten 80er und frühen 90er Jahre. In diesem Zeitraum gab es eine bemerkenswerte Re-naissance der Forschung zu organisationaler Sozialisation. Saks und Ashforth berichten in der Einleitung ihres 1997 erschienenen Artikel, dass insbesondere „the past 5 years has seen a resurgence of interest in organizational socialization that has resulted in more studies than in any previous 5 year period" (Saks & Ashforth, 1997, p. 234). Die Vielfalt an Themen und der Einsatz von Längsschnittstudien haben zu einer erheblichen Vergrößerung unseres Verständnisses über den Sozialisations-prozess beigetragen. Tatsächlich widmete zum ersten Mal ein Journal (International Journal of Selection and Assessment, January, 1997) eine ganze Ausgabe organisa-tionaler Sozialisation (vgl. Saks & Ashforth, 1997, p. 234).

Mit dem ersten zu organisationaler Sozialisation verfassten Review trug Fisher (1986) wesentlich zu diesem Wiederaufleben bei und prägte die Periode, indem sie Sozialisation als „learning and change process“ (Fisher, 1986, zitiert nach Bauer et al., 1998, p. 152) charakterisierte. Andere Wissenschaftler (z.B. Kammeyer, Ritzer &

Yetman, 1990); Wanous, 1992; Chao, Kozlowski, Major, Gardner, 1994) übernah-men dieses neue Verständnis, wonach organisationale Sozialisation ein Lern- und Veränderungsprozess ist. So schreibt Wanous (1992) beispielsweise: „Socialization concerns the ways in which newcomers change and adapt to the organization. The types of changes are learning new roles, norms, and values. In other words, learning what is ’acceptable’ behavior” (Wanous, 1992, p. 187).

Den Terminus proactive führte Reichers (1987) mit dem von ihr entwickelten theore-tischen Modell zu proactivity während der Sozialisation ein. In diesem Modell defi-nierte sie proactivity ganz allgemein als „any behaviour that involves actively seeking out interaction opportunities“ (Reichers, 1987, p. 281, zitiert nach Major & Kozlowski, 1997, p. 16). Morrison (1993, 1993a) griff wie viele andere Wissenschaftler (z.B.

Comer, 1991; Miller & Jablin, 1991) auch einige Jahre später diesen Begriff auf und bezeichnete Newcomer als proactive information seeker, welche sich „several types

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of information from multiple sources over time“ (Anderson & Thomas, 1996, p. 427) beschaffen. Grund für diese Begriffverwendung war ihre Kritik an den drei traditionel-len Ansätzen der Sozialisation, die „newcomer as reactive, rather than proactive“

(Morrison, 1993, p. 173) porträtierten. Bauer und Green (1994) schließen sich der Kritik von Morrison (1993a) an: „Traditionally, research has tended to characterize newcomers as recipients of socialization rather than participants in the process”

(Bauer & Green, 1994, p. 211). Eine neue, vollständigere Sicht der Sozialisation suggeriert also: „Socialization is a process affected not only by organisational initia-tives, but also by newcomers initiatives“ (Morrison, 1993, p. 173).

(5) Content and learning era

Diese selbst formulierte Periode konzentriert sich auf die Forschung und Definitionen der letzten zwölf Jahre (1994-2006). Maßgeblich geprägt wurde die Periode von den zeitgleich konstruierten und veröffentlichten Skalen zur Erfassung organisationaler Sozialisation von Chao et al. (1994a) bzw. Taormina (1994). Ihre Versuche, organi-sationale Sozialisation zu operationalisieren, verdeutlichten, dass bisherige Definitio-nen „did not specify content, especially job-related content“ (Taormina, 1997, p. 29).

Deshalb fordert Taormina (1997) in Anlehnung an Kammeyer et al. (1990), dass

„a more fruitful definition should include a socio-psychological perspective while fo-cusing also on content“ (Taormina, 1997, p. 29), und definiert organisationale Sozia-lisation wie folgt:

Organizational Socialization is the process by which a person secures relevant job skills, acquires a functional level of organizational under-standing, attains supportive social interactions with coworkers, and generally accepts the established ways of a particular organization (Taormina, 1997, p. 29).

Diese Definition entspricht gleich aus mehreren Gründen dem in dieser Arbeit zugrunde liegenden Verständnis von organisationaler Sozialisation:

1. Organisationale Sozialisation wird als Lernprozess6 im Sinne von Kammeyer et al. (1990) verstanden, der sowohl von Organisationen als auch Newcomern beeinflusst werden kann.

2. Der Newcomer besorgt sich notwendige job-related contents wie beispielswei-se Fähigkeiten oder soziale Interaktionen beispielswei-selbst, ist also proaktiv.

6 „Socialization is the process by which a person learns and generally accepts the established ways of a particular social group, or society” (Kammeyer et al., 1990, p. 129).

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3. Zuletzt akzeptiert der Newcomer aber auch die bestehende Art einer bestimm-ten Organisation.

Folgendes ist bei dieser Definition kritisch anzumerken: Der Sozialisationsprozess wird nicht wie von Dean, Ferris und Konstans (1988) oder Althauser7 (1982) vorge-schlagen aus Sicht der Newcomer und der Organisation betrachtet.

Wesentlich beeinflusst haben diese Periode auch der Review von Wanous und Colella (1989) sowie die beiden fast zeitgleich erschienenen Reviews zu organisatio-nalen Sozialisation von Saks und Ashforth (1997) bzw. Bauer, Morrison und Callister (1998). Insbesondere der Review von Bauer et al. (1998), welcher nahtlos an den ersten von Fisher (1986) verfassten Review anknüpft, verschafft einen detaillierten Überblick über die in den Jahren 1986-1995 veröffentlichten Studien zu organisatio-naler Sozialisation sowie über die darin gewonnenen Erkenntnisse.

Zusammenfassung:

In den letzten drei Dekaden hat die Forschung zu organisationaler Sozialisation nicht nur einen großen Fortschritt gemacht (vgl. Taormina, 2004, p. 76), sondern auch ih-ren Fokus verlagert (vgl. Cooper-Thomas & Anderson, 2002, p. 423). Ersteres wird deutlich, wenn man nochmals die chronologische Einführung des Begriffes Revue passieren lässt. Zu Beginn des Abschnitts sollte organisationale Sozialisation zu-nächst begrifflich erfasst werden (z.B. Schein, 1968), um sie anschließend modellie-ren zu können (z.B. Feldman, 1981). Jüngste Forschung dagegen, welche organisa-tionale Sozialisation als einen wechselseitigen Lern- und Veränderungsprozess aus längsschnittlicher Perspektive betrachtet (z.B. Taormina, 1997) versucht sie zu ope-rationalisieren (z.B. Chao et al., 1994a). Dieser Fortschritt verdeutlicht, dass sich auch der Fokus von organisationaler Sozialisationsforschung stark veränderte: Von einem anfänglichen Interesse den Einfluss organisationaler Maßnahmen auf die An-passung der Newcomern zu untersuchen (z.B. Van Maanen, 1978), hin zur Untersu-chung von individuellen Maßnahmen der Newcomer (z.B. Reichers, 1987) oder der Informations-Akquisition (z.B. Morrison, 1993a).

7 Althauser wird an dieser Stelle aufgeführt, da seine Arbeit größtenteils auf englischsprachiger Litera-tur basiert.

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2.3.1.2 Soziale Integration

Wie in der Einleitung von Kapitel 2.2 bereits erwähnt, spielt der Begriff der sozialen Integration in der englischsprachigen Literatur eine eher untergeordnete Rolle, wenn man sich mit dem Eintritt neuer Mitarbeiter ins Unternehmen befasst. Dies ist er-staunlich angesichts der Tatsache, dass (soziale) Integration bereits in den 60er und 70er Jahren, also ähnlich früh wie organisationale Sozialisation, von Wissenschaft-lern erwähnt wurde (z.B. Schein, 1968; Van Maanen, 1975; Feldman, 1976). In sei-nem Stufenmodell zählt beispielsweise Feldman (1976) Initiation to the group8 zu den Prozessvariablen der Sozialisation und versteht darunter „the extent to which an employee feels accepted and trusted by coworkers. It indicates how successful the employee has been in establishing new interpersonal relationships” (Feldman, 1976, p. 435). Die Initiaition to the group - Einführung in die Arbeitsgruppe - impliziert also den Aufbau von neuen Beziehungen zu Kollegen.

Bauer et al. (1998) oder auch Chan und Schmitt (2000) orientieren sich an dieser Umschreibung, verwenden aber hierfür den Begriff social integration. Nach Bauer et al. (1998) bezieht sich social integration auf die „newcomer’s integration into his or her workgroup (Bauer et al., 1998, zitiert nach Wanberg & Kammeyer-Mueller, 2000, p. 376). Ein ähnliche, jedoch etwas präzisere Definition von sozialer Integration findet man bei Chan und Schmitt (2002): „Social integration refers to the newcomer’s de-velopment of personal relationships with coworkers and integration into the work group” (Chan & Schmitt, 2000, p. 193).

Die Tendenz, soziale Integration zunächst auf die Arbeitsgruppe zu beziehen, wird auch von Morrison (1993) bestätigt. In Anlehnung an frühere Sozialisationsforscher (Feldman, 1976, 1981; Fisher, 1986; Katz, 1980; Louis, 1980; Reichers, 1987;

Schein, 1968; Van Maanen, 1975) ist Morrison der Meinung, dass “a final task facing organizational newcomers is to become integrated into their work group” (Morrison, 1993, p. 174), und zählt deshalb soziale Integration - verstanden als Entwicklung von Beziehungen zu Kollegen - in ihrer Untersuchung zu den “four primary tasks that make up the socialization process” (Morrison, 1993, p. 174). Angesichts der Tatsa-che, dass in diesem Integrationsprozess die Rolle der Information überhaupt nicht

8 Der Begriff Initiation to the group kann, wie nachfolgende Definitionen zeigen, aufgrund inhaltlicher Gemeinsamkeiten mit sozialer Integration gleichgesetzt werden.

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erkannt wurde, verlangt Morrison, dass “social integration requires information about the organization’s culture and information about how one’s social behavior is being evaluated” (Morrison, 1993, p. 174).

Die Ausführungen von Morrison sind aus zwei Gründen relevant. Zum einen erläu-tern sie den Zusammenhang zwischen sozialer Integration und Sozialisation. Zum anderen deuten sie an, dass Integration und Organisationskultur nicht unbedingt voneinander zu trennen sind. In einem weiteren Artikel führt Morrison (2002) ihre Überlegungen zu den Zusammenhängen von sozialer Integration und Sozialisation weiter aus und behauptet: “For socialization to be considered effective, newcomers need to feel both a part of their immediate work groups and also attached to their organizations overall“ (Morrison, 2002, p. 1151).

Soziale Integration als Outcome-Variable

Bei den meisten Untersuchungen wird der Terminus soziale Integration nicht explizit erläutert, sondern ist ein Ziel organisationaler Sozialisation (vgl. Morrison, 1993) bzw.

steht neben vielen anderen Variablen am Ende des Sozialisationsprozesses, bildet also die abhängige Variable (vgl. Althauser, 1982, S. 4). Allerdings sind sich Wissen-schaftler uneinig darüber, ob soziale Integration als proximale (Saks & Ashforth, 1997; Chan & Schmitt, 2000; Kammeyer-Mueller & Wanberg, 20039), primäre, sekundäre (Ashford & Taylor, 1990; Bauer et al., 1998) oder work-related (Wanberg

& Kammeyer-Mueller, 2000) Outcome-Variable bezeichnet werden kann.

Chan und Schmitt (2000) etwa untersuchten in ihrer Studie mehrere Variablen, dar-unter auch soziale Integration „because they are often considered as proximal adap-tation outcomes in the socialization process“ (Chan & Schmitt, 2000, p. 193). Eine andere Bezeichnung verwenden Bauer et al. (1998) in ihrem Review, wobei es nicht ganz ersichtlich ist, ob sie soziale Integration nun zu den primären oder sekundären Outcomes zählen. Die Autoren behaupten zunächst, dass die Mehrzahl der seit 1986 veröffentlichen empirischen Studien sekundäre Outcomes erfasst hat, führen dann Beispiele für primäre sowie sekundäre Outcomes auf und zählen schließlich soziale Integration lediglich zu den „additional outcome variables that have been studied“

(Bauer et al., 1998, p. 160). Wanberg und Kammeyer-Mueller (2000) wiederum

9 Die Autoren zählen work group integration zu den proximalen Outcome-Variablen.

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beschreiben soziale Integration zunächst als „work related outcome assessed in this study“ (Wanberg & Kammeyer-Mueller, 2000, p. 373) bzw. potentielle Outcome-Variable proaktiver Sozialisation, präzisieren aber später ihre Einteilung, indem sie soziale Integration den „more proximal outcomes of socialization“ (Wanberg & Kam-meyer-Mueller, 2000, p. 376) zuordnen. In einem späteren Artikel (vgl. Kammeyer-Mueller & Wanberg, 2003) platzieren die Autoren work group integration in ihrem conceptual model of adjustment for organizational newcomers ebenfalls bei den pro-ximalen Outcome-Variablen.

Zusammenfassung:

Die meisten Sozialisationsforscher sind sich weitestgehend einig, dass soziale Integ-ration zu den proximalen Outcome-Variablen des Sozialisationsprozesses zählt. Ver-gleicht man nun die von Bauer et al. (1998) vorgenommene Einteilung anderer Vari-ablen wie Arbeitszufriedenheit, organisationales Commitment oder Fluktuation bei-spielsweise mit der Einteilung von Chan und Schmitt (2000), so wird man soziale In-tegration eher bei den primären Outcomes einordnen. Denn dieser Vergleich zeigt, dass die Schnittmenge zwischen primären und proximalen Outcome-Variablen einer-seits sowie zwischen sekundären und distalen Outcome-Variablen anderereiner-seits enorm groß ist. Deshalb liegt es nahe, diese Begriffspaare gleichzusetzen. In Anleh-nung an die Definitionen von Bauer et al. (1998) sowie Chan und Schmitt (2002) wird soziale Integration in dieser Arbeit wie folgt verstanden:

Soziale Integration des Newcomers bezieht sich auf die gelungene Integration in seine Arbeitsgruppe und seinen Aufbau persönlicher Freundschaften mit Kollegen des gesamten Unternehmens und steht als primäre Outcome-Variable des Sozialisationsprozesses an des-sen Ende.

2.3.2 Begriffsbestimmung in der deutschsprachigen Literatur

Die deutschsprachige Literatur bietet im Gegensatz zur englischsprachigen Literatur nicht so eine Fülle an Fachartikeln oder Büchern zu den Termini organisationale Sozialisation und soziale Integration. Bei der Suche nach Forschungsarbeiten oder Fachartikeln stößt man zunächst auf zahlreiche populärwissenschaftliche Beiträge ohne jegliches theoretisches Fundament. Diese Beiträge erscheinen größtenteils in Managementzeitschriften mit dem Ziel, Personalchefs für den Eintritt neuer

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ter ins Unternehmen zu sensibilisieren. Erst nach gezielter Suche findet man einige wenige, qualitativ hochwertige und theoretisch fundierte Fachartikel oder For-schungsarbeiten. Ein weiteres Problem deutschsprachiger Literatur ist die heteroge-ne Begriffsverwendung der Autoren, wenn sie sich mit dem Eintritt heteroge-neuer Mitarbeiter befassen. Zu den am häufigsten verwendeten Begriffen zählen (soziale) Integration, Eingliederung, Einführung, Einarbeitung, organisationale Sozialisation und Assimila-tion.

Dieser Abschnitt wird die in Kapitel 2.3 eingeführte Unterteilung in organisationale Sozialisation und soziale Integration beibehalten, da der Ursprung des Forschungs-bereichs eindeutig in den USA liegt und dort viel differenzierter untersucht wurde.

Andere Termini werden in diese Struktur eingeordnet. Zudem werden lediglich Arbei-ten aufgeführt, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Populärwissen-schaftliche Arbeiten hingegen werden nicht berücksichtigt.

2.3.2.1 Organisationale Sozialisation

Wie in Kapitel 2.3.1.1 wird organisationale Sozialisation chronologisch eingeführt, um die Entwicklung dieses Begriffes zu verdeutlichen. Die Einteilung der Phasen muss etwas verändert werden, da bei den wenigen im deutschsprachigen Raum publizier-ten Arbeipublizier-ten eine so feine Differenzierung keinen Sinn macht. Folgende Phasenein-teilung wurde gewählt: (1) zwingende Integrationsperiode, (2) Stufenentwicklungspe-riode, (3) (interaktive) Lernprozessperiode und (4) praxisorientierte Mehrebenenperi-ode.

(1) Zwingende Integrationsperiode

Geprägt wurde diese erste Periode organisationaler Sozialisation vor allem durch die theoretischen Abhandlungen von Rosenstil, Molt und Rüttinger (1972, 1983) sowie der Arbeitsgruppe um Alfred Kieser (z.B. Kieser, Althauser, Krüger & Krüger, 1980;

Kieser, Althauser, Hippler, Krüger & Krüge, 1982; Kieser, Hippler & Krüger, 1983).

Wie die Namensbezeichnung der Periode bereits andeutet, geht es bei der organisa-tionalen Sozialisation hauptsächlich darum, den neuen Mitarbeiter durch einen ein-seitigen Lernprozess der Organisation anzupassen.

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In dieser frühen Phase haben sich vor allem Rosenstiel et al. (1972) mit organisatio-naler Sozialisation auseinandergesetzt und diesem Thema sogar ein ganzes Kapitel gewidmet. Ihre Definition orientiert sich größtenteils an der Arbeit von Schein (1968).

Sozialisation in Unternehmen wird also als „die Anpassung an ihre Werte und Nor-men“ (Rosenstiel et al., 1972, S. 70) verstanden. Interessant ist der Abschnitt zur Sozialisation, die hauptsächlich auf lerntheoretischen Ansätzen basiert. So werden beispielsweise das Modell des operanten Konditionierens oder das Lernmodell der stellvertretenden Belohnung herangezogen, um den Sozialisationsprozess zu erklä-ren (vgl. Rosenstiel et al., 1972, S. 76). Die Autoerklä-ren geben aber zu, dass beide An-sätze nur bedingt zur Erklärung der Sozialisation beitragen können. In den

Sozialisation in Unternehmen wird also als „die Anpassung an ihre Werte und Nor-men“ (Rosenstiel et al., 1972, S. 70) verstanden. Interessant ist der Abschnitt zur Sozialisation, die hauptsächlich auf lerntheoretischen Ansätzen basiert. So werden beispielsweise das Modell des operanten Konditionierens oder das Lernmodell der stellvertretenden Belohnung herangezogen, um den Sozialisationsprozess zu erklä-ren (vgl. Rosenstiel et al., 1972, S. 76). Die Autoerklä-ren geben aber zu, dass beide An-sätze nur bedingt zur Erklärung der Sozialisation beitragen können. In den